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“KiKa” soll von den “Bild”-Medien bereits versaute Kinder versauen

ACHTUNG, ACHTUNG! DIESER BEITRAG ENTHÄLT SCHLECHTE WITZE UND BEGRIFFE, DIE KINDER LAUT “BILD” UND BILD.DE “VERSAUEN” KÖNNEN!

Jörg Schulz und Stephan Kürthy machen sich ernsthaft Sorgen um “unsere Kinder”. Und die zwei “Bild”-Autoren haben auch schon einen Schuldigen ausgemacht, der “unsere Kinder” in Gefahr bringt — der “Kinderkanal” von ARD und ZDF:

Screenshot Bild.de - Intim-Lexikon - So versaut der Kika unsere Kinder

Der “KiKa” soll nämlich daran Schuld sein, dass Jugendliche jetzt rausfinden können, dass der Penis auch mal “Latte” und die Vagina “Muschi” genannt wird. Oder dass Engländer zu Hoden “balls” sagen, während Brüste in Spanien “limones” genannt werden.

Schulz und Kürthy schreiben:

Nächster Aufreger um den Kinderkanal von ARD und ZDF. So finden sich auf der KiKA-Homepage zwei “Fremdsprachen-Spickzettel”.

► Thema: “Brüste und Vagina international” und “Penis und Hoden international”.

Mit kleinen Zeichnungen versehen, will der KiKA spielerisch “Lust auf Angeberwissen” wecken und schreibt dazu: “Wie wär’s mit einem Fremdsprachen-Spickzettel für geläufige Bezeichnungen von Brust und Vagina bzw. Penis und Hoden? Weil wir sehr gelacht haben und auch noch etwas dazulernten, wollten wir dir das nicht vorenthalten. Denn ganz ehrlich: ein bisschen Spaß muss sein.”

Der Spaß liest sich dann u.a. so: Euter für Brüste, Loch für Vagina, Peitsche für Penis und Liebeskartoffeln für Hoden.

Nein! Donnerwetter!

Die Empörung auf Seiten der “Bild”-Medien ist deswegen so scheinheilig und unglaubwürdig, weil sie — Überraschung! — selbst gerne mal über “Latten” und “Muschis” und “Eier” und “Glocken” berichten. Und das auch nicht einfach nur so im normalen Programm bei “Bild” und Bild.de, sondern speziell für eine ganz ähnliche Zielgruppe wie die des “KiKa” (beim öffentlich-rechtlichen Sender definiert man diese für die “FremdsprachenSpickzettel” als “Zuschauer auf ihrem Sprung zwischen Kindsein und Erwachsenwerden”).

Beim inzwischen eingestellten “Bild”-Jugendangebot “BYou” findet man beispielsweise einen Artikel mit “25 richtig schlüpfrigen Witzen”. Und die gehen dann so:

Eine Oma geht zum Metzger und bestellt eine Salami. Der Metzger: “Am Stück oder in Scheiben?” Da reißt die Oma ihren Rock hoch und fragt: “Ist das ‘ne Pussy oder ein CD-Player?”

Gehen zwei Nutten durch Mainz. Meint die eine: “Mainz ist ein Drecksloch.” — Meint die andere: “Meins auch.”

Was ist der kleinste Dom der Welt? — Der Kondom. Kann nur einer drin stehen. Und sogar die Glocken hängen draußen!

In einem anderen “BYou”-Artikel geht es um “Morgenlatten”. Wiederum in einem anderen um “Lümmel”, “Dödel”, “Schwengel”, “Pimmel” und “Nudeln”. In einem weiteren “BYou”-Beitrag geht es um “Eiersalat”. Und auch Ausdrücke wie “Muschi”, “Mumu”, “Vorbau” und “Holz vor der Hütte” kommen in “BYou”-Texten vor.

“Pussy”, “Loch”, “Glocken”, “Latte”, “Eier”, “Muschi”, “Vorbau”, “Holz vor der Hütte” — all das finden Jörg Schulz und Stephan Kürthy beim “KiKa” ganz schlimm und gefährlich. Als ihre “BYou”-Kollegen “unsere Kinder” mit denselben Begriffen “versaut” haben, hatten sie offenbar nichts einzuwenden.

Vermutlich ist es Schulz und Kürthy letztlich auch völlig egal, dass diese Begriffe beim “KiKa” auftauchen. Es dürfte einfach eine günstige Gelegenheit gewesen sein, die laufende Kampagne gegen den Kindersender fortzuführen.

Mit Dank an Gregor G., @f_herbers und @janfranzisko für die Hinweise!

Hier treffen Sie Julian Reichelt: Wo er isst! Wo er feiert! Wo er wohnt!

Die Überschrift ist natürlich völliger Quatsch.

Aber man stelle sich das mal vor: Irgendein Holzkopf kommt auf die Idee, die Namen und Adressen all der Restaurants zu veröffentlichen, in die Julian Reichelt gern zum Mittagessen geht. Oder eine Liste rauszubringen mit den Clubs, in denen der “Bild”-Oberchef regelmäßig feiert. Oder, noch schlimmer, ein Foto samt Ortsbeschreibung von dem Haus zu posten, in dem Reichelt im Penthouse wohnt.

Julian Reichelt würde sich vermutlich heftig beschweren, immerhin passte ihm schon die Veröffentlichung einer groben Schätzung seines Gehalts nicht, weil das seine Familie in Gefahr bringe. Julian Reichelt würde sich völlig zu Recht beschweren, und wir würden ihm zustimmen, auch wenn es Julian Reichelt ist.

Zum Glück passiert sowas ja nicht so häufig, weil genügend Leute Anstand haben und die Privatsphäre anderer Menschen respektieren, auch von den Personen, die prominent in der Öffentlichkeit stehen. Außer die Leute von “Bild” und ihr Chef Julian Reichelt — die haben diesen Anstand offenbar nicht.

Seit drei Tagen gibt es eine neue Serie bei “Bild”, Bild.de und “Fußball Bild”. “Kosmos der Klubs” ist ihr Titel, und sie soll der Leserschaft verraten, “wo Sie die Spieler Ihres Vereins treffen können”. In Folge 1 ging es um den FC Bayern München …

Screenshot Bild.de - Hier treffen Sie die Spieler in München - Warum die Bayern-Stars diesen Wellblechbunker lieben - Wo die Spieler essen gehen, wo sie feiern, in welchen Stadtteilen sie wohnen

… in Folge 2 um Eintracht Frankfurt …

Screenshot Bild.de - Wo Sie die Frankfurt-Profis treffen können - Hier feiern die Eintracht-Stars ihre Siege - Wo sie feiern, wo sie essen, wo sie shoppen

… heute dann in Folge 3 um den HSV:

Screenshot Bild.de - Pizza für 7,50 Euro - Diesen Italiener liebt HSV-Trainer Hollerbach - Wo die Stars feiern, wo sie essen, wo sie shoppen

Und weil es insgesamt 18 Bundesligavereine gibt, ist zu befürchten, dass uns noch mindestens 15 weitere Folgen erwarten.

Neben längst Bekanntem (die Fußballer aus München gehen häufig in die Praxis von Dr. Müller-Wohlfahrt, wenn sie verletzt sind — oho!) veröffentlichen die “Bild”-Medien im “Kosmos der Klubs” auch Dinge, die bisher sicher nicht jeder wusste und die vielleicht auch nicht jeder wissen sollte: Wo der neue HSV-Trainer Bernd Hollerbach öfters Pizza isst. Wo Jérôme Boateng “super-zarte Steaks” verdrückt. Die Lieblings-Discos der Spieler des FC Bayern. Zu welchem Inder Alex Meier häufig geht. In der Folge über Eintracht Frankfurt zeigt die Redaktion ein Foto eines Hochhauses und schreibt dazu: “Auch hier wohnen Spieler.”

Bei Bild.de kommt man an diese Informationen nur, wenn man ein “Bild plus”-Abo hat. Oder anders gesagt: Julian Reichelt und seine Mitarbeiter versuchen, mit dem Privatleben anderer Menschen Kasse zu machen.

Mit Dank an @koeppenjan für den Hinweis!

“Bild” macht aus mutmaßlichen Opfern “vermeintliche Opfer”

Fangen wir ganz einfach und der Sache völlig unangemessen an: Wenn ein Junge ein vorbeifahrendes Auto sieht und denkt, es handelt sich um einen Opel, und zu seiner Mutter sagt: “Mama, da ist ein Opel”, und die Mutter dann hinschaut und sieht, dass es gar kein Opel ist, sondern ein BMW, dann könnte man sagen: Der vermeintliche Opel war in Wirklichkeit ein BMW.

Es geht um das Wort “vermeintlich”. In aller Regel deutet es auf eine Situation hin, in der irrtümlich etwas angenommen wird: Das vermeintliche Schnäppchen war tatsächlich gar kein Schnäppchen. Das vermeintliche Churchill-Zitat stammt gar nicht von Churchill. Und so weiter.

Schreibt eine Redaktion von “vermeintlichen Opfern” eines bekannten deutschen Regisseurs, dann legt sie sich damit fest, dass die erhobenen Vorwürfe nicht stimmen. Sie legt sich fest, dass die Frauen lügen, die Dieter Wedel derzeit beschuldigen, sie gedemütigt, misshandelt, vergewaltigt zu haben.

Heute in “Bild”:

Ausriss Bild-Zeitung - Drei Wochen, nachdem im Zeit-Magazin vier Frauen schwere Vorwürfe gegen Star-Regisseur Dieter Wedel (75) wegen Machtmissbrauchs, sexueller Belästigung und Vergewaltigung erhoben haben, gibt es nun neue Anschuldigungen. In einem dreiseitigen Zeit-Dossier kommen vier weitere vermeintliche Opfer und Schauspieler Michael Mendl (73) zu Wort.

Bereits gestern Abend bei Bild.de:

In einem dreiseitigen “Zeit”-Dossier kommen vier weitere vermeintliche Opfer und Schauspieler Michael Mendl (73) zu Wort.

Ist das nun Wortklauberei? Finden wir nicht. Wenn Frauen sich in vielen Fällen nicht trauen, über sexuelle Gewalt zu sprechen oder Vergewaltigungen anzuzeigen, weil sie Angst haben, dass man ihnen nicht glauben könnte; weil sie Angst haben, dass man sie nur als “vermeintliche Opfer” sehen könnte, ist eine Formulierung wie die der “Bild”-Medien Gift.

Ist das nun einfach nur fehlende Genauigkeit bei der Wortwahl des anonymen Autors? Könnte sein. Jedenfalls hat Bild.de die Stelle inzwischen in “vier weitere mutmaßliche Opfer” geändert. Aber warum darf bei den “Bild”-Medien jemand über ein solch heikles Thema schreiben, der den Unterschied zwischen “vermeintlich” und “mutmaßlich” nicht kennt?

Das Ende des “Bild”-Artikels über die neuen Anschuldigungen gegen Dieter Wedel ist ebenfalls bemerkenswert. Sowohl online als auch in der Print-Version gibt es diesen “Hinweis”:

Screenshot Bild.de - Hinweis der Redaktion - Bild hält die schweren Vorwürfe gegen Dieter Wedel für ausreichend plausibel, um umfangreich darüber zu berichten. Dennoch ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass ein großer Teil dieser Vorwürfe juristisch verjährt ist und Dieter Wedel deswegen nicht die Möglichkeit erhalten wird, sich in einem ordentlichen Gerichtsverfahren dagegen zu verteidigen. Nach journalistischen Standards halten wir es für gerechtfertigt, über die Vorwürfe zu berichten, die in der Zeit von zahlreichen Zeugen erhoben werden. Bisher hat Dieter Wedel alle Anschuldigungen bestritten. Es steht Aussage gegen Aussage.

Ein paar Gedanken zu dieser bis dato einmaligen Aktion:

  • Ein solcher Kasten wäre in vielen, vielen Fällen, in denen “Bild” und Bild.de Menschen schon lange vor “ordentlichen Gerichtsverfahren” vorverurteilt haben, angebracht gewesen. Stattdessen haben “Bild”-Mitarbeiter üble Kampagnen gestartet und auf “journalistische Standards” keinerlei Wert gelegt.
  • Es ist schon interessant, wie die “Bild”-Redaktion den Umstand der Verjährung nicht als Problem der Frauen beschreibt, die nun nicht mehr rechtlich gegen Dieter Wedel vorgehen können, sondern als Problem Wedels, der sich nun nicht mehr verteidigen könne.
  • Und natürlich kann Dieter Wedel sich gegen die Vorwürfe juristisch verteidigen. Die angeblichen Taten, die ihm vorgeworfen werden, mögen zum größten Teil verjährt sein, wenn auch nicht alle. Die Anschuldigungen aber stammen von heute. Wenn Wedel sich gegen sie wehren möchte, beispielsweise wegen Verleumdung, kann er das tun.

“Bild” tritt auf die Ärmsten der Armen ein

Wir wissen noch immer nicht, was bei “Bild”-Mitarbeitern an der Stelle sitzt, an der bei Nicht-“Bild”-Mitarbeitern ein Herz schlägt. Aber was immer sich dort befinden mag — es muss in der Lage sein, Empathie zu vermeiden und Wut zu erzeugen:

Dieses Bild macht wütend!

Diese Worte stammen von “Bild”-Reporter Julien Wilkens. Das Foto, das ihn so wütend macht, landete heute bei Bild.de ganz oben auf der Startseite …

Screenshot Bild.de - Diese Masche von Job-Verweigerern macht wütend - Hier wird aus Wasser Bier und der Staat zahlt
(Alle Unkenntlichmachungen durch uns.)

… und mit zwei weiteren Fotos in der “Bild”-Bundesausgabe auf Seite 3:

Ausriss Bild-Zeitung - Hier wird aus Wasser Bier und der Staat bezahlt es

Wilkens, immer noch wütend, schreibt dazu:

Wir sehen zwei Männer, die vor einem Supermarkt in Berlin stehen. Sie öffnen nacheinander zwölf Wasserflaschen, kippen sie in die Grünanlage. Siehe da: Wenig später wird aus Wasser Bier … Und der Staat zahlt!

Dieses Bild macht wütend! Denn einer der Männer, der offensichtlich der Trinker-Szene angehört, geht danach in den Supermarkt, gibt die Flaschen zurück — und kauft sich vom Pfand fünf Dosen Bier (je 29 Cent plus Pfand).

BILD erklärt die seltsame Tauschaktion: Das Wasser haben die Männer mit Lebensmittel-Gutscheinen [für Hartz-IV-Empfänger] gezahlt. Auf denen steht ausdrücklich: nicht für Tabak, nicht für Alkohol.

Ein Mann, offenbar Hartz-IV-Empfänger, offenbar alkoholkrank, offenbar einer der Ärmsten der Armen, kippt Wasser im Wert von 2,28 Euro (zwölf Flaschen à 19 Cent) weg, um seine Sucht stillen zu können. Dieser Pipibetrag reicht “Bild”-Mitarbeitern für eine Der-Staat-wird-ausgenommen-!-Skandalstory. 2,28 Euro reichen bei “Bild” und Bild.de, um arme Gestalten vorzuführen, sie an den Pranger zu stellen, auf sie einzutreten.

Laut Credit hat Julien Wilkens die drei angeblich wütend-machenden Fotos selbst aufgenommen. Was für eine traurige Vorstellung: Ein “Bild”-Reporter, das Smartphone im Anschlag, verfolgt einen Alkoholabhängigen durch einen Supermarkt, um an einen Aufreger zu kommen. Allein der Gedanke macht wütend.

Mit Dank an Stefan P. und Simon für die Hinweise!

Ist “Bild” doch egal, was Richter entscheiden

Es ist beunruhigend, wie wenig die Leute bei “Bild” für die Rechtssprechung deutscher Gerichte übrig haben. Und es ist beunruhigend, wie stolz sie darauf auch noch sind.

Ausriss Bild-Titelseite mit Artikel Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin
(Unkenntlichmachung durch uns.)

So sieht die heutige “Bild”-Titelseite aus. Im Text mit der Überschrift “Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin” schreibt das Blatt:

DIESE Fotos von den G20-Ausschreitungen in Hamburg darf BILD so nicht mehr zeigen — wenn es nach dem Landgericht Frankfurt/Main geht. Sie zeigen Szenen der schweren Ausschreitungen beim G20-Gipfel am 7. Juli 2017 in Hamburg. Vor einem zerstörten und geplünderten Drogeriemarkt hebt eine Frau im pinkfarbenen T-Shirt Waren auf, geht mit ihrer Beute davon. BILD zeigte Nachrichtenfotos der Plünderer, auf denen Täter klar zu sehen waren. Die Frau klagte dagegen, und die Richter gaben ihr recht: Die Bilder würden das Persönlichkeitsrecht der Frau verletzen, wenn sie erkennbar ist — weil allenfalls, so die Begründung, ein “Diebstahl geringwertiger Sachen” darauf erkennbar sei.

BILD zeigt die Fotos dennoch, ohne die Personen zu verfremden — weil die Abbildung von Straftaten, gerade im Zusammenhang mit schweren Krawallen, Plünderungen und Landfriedensbruch bei einem so wichtigen Ereignis wie dem G20-Gipfel, zum Auftrag der Presse gehört.

Nach dem G20-Gipfel in Hamburg und all den Protesten, Ausschreitungen, Krawallen und Plünderungen ernannten sich die “Bild”-Medien selbst zu Staatsanwälten und gleichzeitig zu Richtern: “GESUCHT! Wer kennt diese G20-Verbrecher?” titelten sie am 10. Juli 2017.

Das Landgericht Frankfurt am Main entschied bereits Mitte Dezember, dass Fotos dieser Berichterstattung, die eine Frau bei einem Diebstahl während der Krawalle zeigen, nicht wieder veröffentlicht werden dürfen. Heute stellen sich die “Bild”-Medien über dieses — noch nicht rechtskräftige — Urteil und sagen: Ist uns doch egal, was irgendwelche Richter entscheiden!

Nur nebenbei: Ganz so gesetzlos, wie die Mitarbeiter von “Bild”-Zeitung und Bild.de hier sein wollen, sind sie dann doch nicht. In den beiden Entscheidungen des Frankfurter Landgerichts (eine zu “Bild”, eine zu Bild.de) geht es um zwei Fotos, die die “Bild”-Medien nicht mehr zeigen dürfen. Sie stammen zwar aus derselben Serie wie die vier heute veröffentlichten Fotos; sie sind aber nicht dabei. Ob das Zeigen dieser sehr ähnlichen Fotos der einstweiligen Verfügung widerspricht, müsste wiederum ein Gericht entscheiden.

Aber zurück zum Urteil aus Frankfurt und dem schaurigen Rechtsstaatsverständnis der “Bild”-Redaktion.

Das Landgericht stellt in seinem 13-seitigen Urteil fest, dass die Frau im pinkfarbenen T-Shirt offensichtlich keinen Landfriedensbruch begangen hat, erst recht keinen schweren. Auch das Material, das “Bild” bei der Verhandlung vorgelegt hat, lässt nur den Schluss zu, dass sie Gegenstände gestohlen hat, die bereits vor der zerstörten Drogerie lagen. Zudem würde es sich laut Landgericht um einen “Diebstahl geringwertiger Sachen” handeln. “Bild” schrieb selbst im Juli: “Der Wochenend-Einklau? Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis erbeutet die Frau im pinkfarbenen T-Shirt im Drogeriemarkt”, wobei “im Drogeriemarkt” falsch ist. Weiter stellt das Landgericht fest, dass “aus Sicht der Allgemeinheit mit einer Serientäterschaft” der Frau nicht zu rechnen sei, schließlich habe es sich bei den Krawallen um eine Ausnahmesituation gehandelt. Man mag den Diebstahl der Frau für ganz fürchterlich halten — aber dafür ein Fahndungsaufruf in Millionenauflage?

Zu diesem Fahndungsaufruf durch die “Bild”-Medien hat das Frankfurter Landgericht in seinem Urteil ebenfalls etwas gesagt. “Bild” und Bild.de seien …

zu einem frühen Zeitpunkt und ohne Abwarten oder Überprüfen behördlicher Maßnahmen mit einem “eigenen Fahndungsaufruf” an die Öffentlichkeit gegangen.

Dass dabei die abgebildeten Personen pauschal als “Verbrecher” bezeichnet und “in einen Zusammenhang gestellt [wurden] mit schweren Straftaten, wie dem Beschuss von Polizisten oder anderen Personen mit lebensgefährlichen Kugeln, Pyrotechnik, Steinen oder Flaschen” spreche laut Gericht gegen die Zulässigkeit der Berichterstattung. “Bild” habe schließlich auch die Frau im pinkfarbenen T-Shirt, der die Redaktion “lediglich den Diebstahl geringwertiger Sachen vorwirft”, “sichtlich an den (Fahndungs)Pranger” gestellt, so das Landgericht.

Aber all das interessiert die “Bild”-Redaktion offenbar nicht. Es ist schon putzig: Beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz rufen Oberchef Julian Reichelt und seine Kollegen aktuell danach, dass Gerichte und nicht private Unternehmen entscheiden müssen, was veröffentlicht werden darf und was nicht. Tut ein Gericht das, setzen sich Reichelt und “Bild” darüber hinweg.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Aber was verstehen Sie als “Bild”-Redakteur von Respekt vor Frauen?

Eva-Maria Federhenn lächelt. Was soll man auch anderes machen als lächeln, wenn einem ein “Bild”-Redakteur gegenübersitzt und Fragen stellt, die zeigen, dass dieser mit seinem Frauenbild in den 80er-Jahren steckengeblieben ist? Aufstehen, das Interview abbrechen, diesem Chauvi klarmachen, dass er ein Chauvi ist?

Klar, könnte man auch machen. Eva-Maria Federhenn hat sich aber fürs Lächeln und fürs Durchhalten entschieden. Die Juristin will Vorsitzende des 1. FSV Mainz 05 werden. Die Fußballer des Vereins spielen in der Bundesliga, und Federhenn wäre bei einem Wahlerfolg die erste Frau an der Spitze eines Bundesligaklubs.

Vor der Abstimmung in neun Tagen hat “Bild”-Redakteur Peter Dörr mit ihr gesprochen:

Ausriss Bild-Titelseite - Bundesliga-Revolution - Ich will erste Mainz-Chefin werden

Die zweite Frage, die Dörr Federhenn unbedingt stellen wollte, lautet:

Ausriss Bild-Zeitung - Aber was verstehen Sie als Frau von Fußball?

Es will eben nicht in die “Bild”-Köpfe: Ja, doch, Frauen können auch andere Dinge verstehen als Kochrezepte oder Waschanleitungen. Zum Beispiel Fußball.

Eva-Maria Federhenn lächelt nach dieser Frage von Peter Dörr eben und antwortet tapfer:

Federhenn (lächelt): “Ich war im Handball schnell, durfte deshalb in der Schule beim Fußball als einziges Mädchen mitspielen … Dennoch kann ich nicht Fußball spielen. Aber, ich weiß was der Unterschied zwischen einer 5er- und einer 3er-Kette ist.

Ich bin keine Expertin, kenne mich aber ganz gut aus. Ich bin schon als Kind mit meinem Vater zum Fußball, habe viel mit vorm Fernseher gesessen — und inzwischen seit vielen Jahren eine Dauerkarte bei 05.“

“Bild”-Mitarbeiter Dörr scheint es immer noch nicht so recht glauben zu können — eine Frau beim Fußball, und dann auch noch in einer Führungsposition? Also fragt er direkt im Anschluss:

Ausriss Bild-Zeitung - Trotzdem -- trauen Sie sich wirklich zu, einen Bundesligisten zu führen?

Weiter hinten im Interview will Peter Dörr dann noch wissen:

Ausriss Bild-Zeitung - Das Erkennungs-Merkmal des zurückgetretenen Vorsitzenden Kaluza war die rote Hose. Tragen Sie dann rote Pumps?

Eva-Maria Federhenn antwortet auch auf diese Frage. Laut “Bild”-Zeitung “lächelt” sie dabei.

Julian Reichelt und die Fakten? “Und gute Nacht.”

Begeht man den großen Fehler, einfach das zu glauben, was “Bild”-Oberchef Julian Reichelt so behauptet, könnte man meinen, die Redaktion der “Tagesthemen” hat kollektiv den Verstand verloren:

Screenshot vom Tweet von Julian Reichelt - Um den Mord von Kandel aufzuarbeiten, führen die Tagesthemen jetzt Interviews mit der NPD. Die NPD-Vorsitzende darf den Rücktritt des Bürgermeisters fordern. Und gute Nacht.

Aber es handelt sich eben um Julian Reichelt, bei dem hinlänglich bekannt sein sollte, dass er sich für ordentliches Informieren nicht allzu sehr interessiert, und bei dem Skepsis immer angebracht ist. Konnte in den “Tagesthemen” also eine “NPD-Vorsitzende” mir nichts, dir nichts den Rücktritt des Bürgermeisters von Kandel fordern? Nein.

Die “Tagesthemen” machten gestern Abend mit einem großen Block zum Mord an einer 15-Jährigen in dem rheinland-pfälzischen Ort auf. Die Anmoderation von Caren Miosga, der Beitrag aus Kandel, ein Interview mit einem “Konflikt- und Gewaltforscher”, ein Kommentar zum Thema — all das nahm 10:32 Minuten der insgesamt 30-minütigen Sendung ein.

Julian Reichelt pickte sich für seinen Tweet aus diesen 10:32 Minuten neun Sekunden heraus, in denen die stellvertretende Vorsitzende der NPD Rheinland-Pfalz in eine ARD-Kamera sagt:

“Also, dass der Bürgermeister dieser Kritik ausgesetzt ist, da habe ich kein Mitleid mit ihm. Normalerweise müsste dem sein Kopf rollen. Der hätte, der müsste sofort sein Amt enthoben werden.”

Nun ist es ein riesiger Unterschied, ob dieses Zitat von den “Tagesthemen” als eine von vielen ganz normalen Aussagen aus Kandel dargestellt wird oder ob es für die Redaktion als Beispiel dafür dient, auf welch eklige Weise Rechtsextreme die schreckliche Tat für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Caren Miosga moderierte den Beitrag, in dem das Zitat der NPD-Vizevorsitzenden vorkommt, mit folgenden Worten an:

Der Mord an einer 15-Jährigen gehört zu jenen Verbrechen, die so sehr erschüttern, dass Orte, an dem sie geschehen, fortan zum Synonym für die Tat werden. Die rheinland-pfälzische Kleinstadt Kandel ist so ein Synonym. Seitdem am 27. Dezember ein afghanischer Flüchtling ein Mädchen erstochen hatte, steht dieser Ort auch jenseits seiner Grenzen für die schaurige Tat.

Er steht aber auch für den Umgang mit derselben. Und der ist gleichsam schaurig. Denn noch bevor die Behörden das Verbrechen haben aufklären und die Einwohner um den Verlust des Mädchens haben trauern können, kaperten vor allem Rechtsextreme Trauer und Gedenken und schürten offenbar so viel Angst, dass kaum noch jemand über die Ereignisse zu sprechen wagt; geschweige denn über die anderen etwa 200 Flüchtlinge, die auch in diesem Ort leben. So hat es Peter Sonnenberg erfahren, der mehrere Tage in Kandel verbrachte.

Und Peter Sonnenberg sagt in seinem Beitrag:

Kandel ist geschockt. Viele Menschen möchten trauern, doch kurz nach der Tat erwacht bei anderen der Hass. Die Tragödie wird zur Bühne für Parolen. (…)

Auch die NPD hofft, dass ihre Parolen in diesen Tagen in Kandel auf fruchtbaren Boden fallen. “Also, dass der Bürgermeister dieser Kritik ausgesetzt ist, da habe ich kein Mitleid mit ihm. Normalerweise müsste dem sein Kopf rollen. Der hätte, der müsste sofort sein Amt enthoben werden.” Und bei manchen Zuhörern fällt es auf fruchtbaren Boden.

Viel klarer kann die Redaktion der “Tagesthemen” das Zitat der NPD-Vertreterin nicht einordnen. Viel bewusster kann Julian Reichelt es nicht aus dem Zusammenhang reißen.

Natürlich handelt es sich nur um einen Tweet. Er zeigt aber einmal mehr, mit was für Methoden der Mann arbeitet, der am Ende entscheiden kann, worüber und wie Deutschlands größte Tageszeitung berichtet.

“Bild” fällt auf Satire-Nahles rein

Rolf Kleine ist bei “Bild” der Experte für die SPD. Und was für einer! Er wusste vor allen anderen falsch, dass Frank-Walter Steinmeier nicht als Bundespräsident kandidieren wird (was dieser dann tat). Kleine wusste ebenfalls vor allen anderen falsch, dass Sigmar Gabriel als SPD-Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl antritt (was dieser dann nicht tat).

Gut, man kann ja mal danebenliegen, es ist schon ziemlich peinlich gleich zweimal derart danebenzuliegen. Aber Rolf Kleine, immerhin leitender “Bild”-Politik-Redakteur und einst Sprecher von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Bundestagswahlkampf 2013, wird es doch wenigstens hinbekommen, einen Twitter-Account einer SPD-Politikerin von einem Satire-Twitter-Account über eine SPD-Politikerin unterscheiden zu können? Wird er doch, oder? Oder?

Nein.

Kleine heute in “Bild”:

Ausriss Bild-Zeitung Überschrift - In der SPD-Zentrale - Groko-Gespräche bei Kartoffelsalat, Würstchen und saulahmem Internet
Ausriss Bild-Zeitung - Erstaunlich: Die vereinbarte Vertraulichkeit hielt den ganzen Tag, auch an das Twitter-Verbot hielten sich die Sondierer. SPD-Fraktionschefin Andreas Nahles beklagte sich nur einmal über saulahmes Internet

Und auch bei Bild.de schrieb Rolf Kleine über die vermeintliche Nahles-Aussage:

Screenshot Bild.de - Erstaunlich: Die vereinbarte Vertraulichkeit hielt den ganzen Tag, auch an das Twitter-Verbot hielten sich die Sondierer. SPD-Fraktionschefin Andreas Nahles beklagte sich nur einmal über saulahmes Internet

Tatsächlich gab es gestern einen Tweet, der das angeblich “saulahme Internet” bei den Sondierungsgesprächen thematisierte:

Screenshot Twitter - Saulahmes Internet hier! Danke, Dobrindt! Hashtag Sondierungen

In der sogenannten Twitter-Bio des Accounts @FraktionsNahles steht:

Hier twittert die Chefin der SPD-Bundestagsfraktion. Zukünftige Kanzlerin und Twitterkönigin. ACHTUNG: Satire.

Immerhin: Das mit der Kartoffelsuppe und den Würstchen hat Rolf Kleine korrekt hinbekommen.

Nachtrag, 13:26 Uhr: “Bild”-Oberchef Julian Reichelt findet den Fehler “wirklich ärgerlich” (übrigens auch schon, bevor wir hier darüber geschrieben haben), hat den Bild.de-Artikel korrigieren lassen und verspricht auch eine Korrektur in der morgigen “Bild”-Ausgabe.

Das Jahr in “Bild”

Das war’s für 2017 beim BILDblog — im Januar geht es weiter.

Bevor wir uns nun für ein paar Tage in eine Höhle verziehen, in der uns nicht mal das “Bild plus”-Abo erreicht, wollen wir ganz herzlich allen Unterstützerinnen und Unterstützern (ohne die es dieses Projekt nicht gäbe), allen Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (ohne die es hier viel weniger zu lesen gäbe) und allen Leserinnen und Lesern danken. Ihr seid die Besten!

Zum Jahresabschluss soll es noch einen Jahresrückblick geben: falscher Toter, falscher “Sex-Mob”, falscher Adenauer im Puff — eine kleine Auswahl von all dem, was bei den “Bild”-Medien Monat für Monat schiefgelaufen ist.

Januar

Keine SPD-Kanzlerkandidatur - Martin Schulz tritt nicht an

Der SPD-Chef hat sich entschieden - Gabriel tritt gegen Merkel an

Nun, wer das Jahr nicht in irgendeiner Höhle verbracht hat, weiß: Das war falsch.

Februar

37 Tage nach Silvester reden die Opfer - Sex-Mob tobte in Frankfurter Restaurant-Meile

Auch diese Geschichte: falsch.

Zu viel Blei! EU verbietet Buntstifte und Wasserfarben

Falsch.

März

Neun Monate nach EM-Überraschung - Baby-Boom auf Island

Falsch.

Tag des Down-Syndroms - BILD fragt Fragen, die sich keiner zu stellen traut - Darf man Mongo zu Ihnen sagen?

Nein, verdammt.

April

Gott sei Dank - BVB-Bomben zündeten eine Sekunde zu spät

Falsch.

Deutschlands bester Golfer - Kaymer: Trump ist ein Geschenk für uns

Aus dem Kontext gerissen.

Mai

Explosion traf die Schutzlosen - Viele Teenager nach Konzert vermisst

Falsche Fotos geklaut.

Zu Saison-Beginn - Orakel Streich sah Europa voraus

Falsch.

Juni

Hitlers Silberschatz gefunden

Längst nicht sicher.

Wixxer und Steinewerfer! - Grünen-Politikerin rechnet mit Links-Chaoten ab

Falsch.

Juli

Händler und Wirte haben genug vom Links-Terror - Aufstand der Nachbarn gegen Rote Flora

Falsch.

Verliert er sein Augenlicht? - Randalierer wirft Polizist Böller ins Gesicht [inkl. Foto]

Falschen Mann zum Täter gemacht.

SEK erschießt Kalaschnikow-Mann! [inkl. Foto]

Falschen Mann für tot erklärt.

EXKLUSIV - Dortmund-Superstar wechselt - Aubameyang ab Januar in China

Falsch.

August

Erster Fußball-Star fordert Knast für Ultras

Falsch.

September

Gestern, 19.36 Uhr, startete die Boeing 737 von Düsseldorf nach Kabul - ABSCHIEBE-FLIEGER VOLLER SEX-TÄTER!

Maßlos übertrieben.

Putins hybrider Großangriff zur Bundestagswahl 2017 - Propaganda-Feldzug sogar mit Sexmobs

Verschwörungstheorie.

Olympia-Held Christoph Harting - SUFF-UNFALL

Falsch.

Oktober

ARD macht Adenauer zum Sadomaso-Freier!

Falsch.

November

30000 abgelehnte Asyl-Bewerber spurlos verschwunden!

Falsch.

Dezember

Astronom sicher - »Asteroid ist Alien-Raumschiff mit kaputter Steuerung

Aber sicher doch.

“Nach BILD-Informationen”

Bei dieser Nachricht vom vergangenen Freitag …

Screenshot Bild.de - JVA Heidering - U-Bahn-Treter im Knast verprügelt

… johlte das Volk mal wieder los:

Und das, liebe Freunde, nennt man Karma. Da hats mal den/die richtigen getroffen

der sollte jeden Tag Prügel bekommen, Täterschutz geht mir schon lange auf den …… wer schützt in Deutschland die Opfer

Wenn der Staat bei der Gerechtigkeit versagt kümmern sich halt die Häftlinge darum 👍 finde ich klasse und hoffe, dass es nicht das letzte mal war.

Und das sind noch die harmloseren der rund 4000 Kommentare unter dem Facebook-Post der “Bild”-Redaktion. Das Problem dabei, abgesehen von der breiten Zustimmung zur Selbstjustiz: Die Berichte von “Bild” und Bild.de sind ziemlich fehlerhaft — es ist auch heute nicht ganz klar, ob wirklich der “U-Bahn-Treter im Knast verprügelt” wurde, auf jeden Fall wurde er nicht “krankenhausreif geprügelt”, wie die “Bild”-Medien behaupten.

Am Freitagabend berichtete Bild.de, dass ein Mann in der Justizvollzugsanstalt Heidering von anderen Häftlingen zusammengeschlagen worden sei. Am Samstag gab es dazu auch in der Berlin/Brandenburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung einen Artikel:

Ausriss Bild-Zeitung - U-Bahn-Treter von Häftlingen krankenhausreif geschlagen

Es soll sich dabei laut “Bild”-Redaktion um jenen Mann handeln, der im Oktober 2016 auf dem Berliner U-Bahnhof Hermannstraße einer Frau in den Rücken trat. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen. Nach einer Öffentlichkeitsfahndung wurde der Mann wegen gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt.

Bild.de schreibt zu dem angeblichen Vorfall in der JVA:

Nach BILD-Informationen soll der Angriff auf S[.] in Haus 1 der Berliner Haftanstalt passiert sein. Offenbar hatten die Angreifer die sogenannte Laufzeit abgewartet — Zeit, in der die Gefangenen zu ihren Arbeitsstellen, oder anderen Abteilungen in der JVA — gehen dürfen. […]

Pikant: S[.] wurde offenbar erst gestern nach Großbeeren gebracht, weil er in der JVA-Tegel nicht mehr “sicher” war. Wie es hieß, soll er “sicherungsverlegt” worden sein. […]

Meldepflichtig sind solche Angriffe auf Mithäftlinge spätestens dann, wenn das Opfer in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung gebracht werden musste. Das soll gestern der Fall gewesen sein.

Wir haben bei der Berliner Senatsverwaltung für Justiz nachgefragt. Pressesprecher Sebastian Brux sagte uns, dass er zu einzelnen Häftlingen keine Informationen geben dürfe, allerdings sei allgemein festzustellen, dass “am Freitag in der JVA Heidering kein Gefangener krankenhausreif geschlagen” worden sei. Es habe auch keine Verlegung “in das Justizvollzugskrankenhaus Berlin oder in ein öffentliches Krankenhaus” stattgefunden. Brux bestätigte, dass es am Freitag “eine gewalttätige Auseinandersetzung zum Nachteil eines Gefangenen” gegeben habe. Allerdings sei dieser Insasse “zuvor nicht von der JVA Tegel in die JVA Heidering, sondern von der JVA Moabit in die JVA Heidering verlegt” worden. Es habe sich dabei auch nicht, wie von der “Bild”-Redaktion behauptet, um eine Sicherheitsverlegung gehandelt. Außerdem habe sich der Vorfall “nicht in einem Arbeitszusammenhang” ereignet.

Die “Bild”-Geschichte ist mit all ihren Fehlern bei vielen anderen Medien gelandet. “Der Westen” hat sie zum Beispiel übernommen:

Screenshot derwesten.de - Berliner U-Bahn-Treter im Knast krankenhausreif geprügelt

Genauso tz.de, immerhin mit einem Fragezeichen:

Screenshot tz.de - Wurde Berliner U-Bahn-Treter im Gefängnis krankenhausreif geschlagen?

t-online.de:

Screenshot t-online.de - Trotz Sicherheitsverlegung - U-Bahn-Treter in Gefängnis verprügelt

… wurde der 28-jährige Svetoslav S[.] von anderen Insassen attackiert und krankenhausreif zugerichtet.

rtl.de:

Screenshot rtlnext.de - Berliner U-Bahn-Treter in JVA-Heidering von Mithäftlingen krankenhausreif geprügelt

oe24.at:

Screenshot oe24.at - U-Bahn-Treter von Häftlingen verprügelt

Der 28-Jährige wurde am Freitag attackiert und krankenhausreif geprügelt.

Krone.at:

Screenshot krone.at - Berliner U-Bahn-Treter krankenhausreif geprügelt

Die Kommentare unter dem eingangs erwähnten Facebook-Post wurden irgendwann so grässlich, dass es selbst der “Bild”-Redaktion zu viel war. Sie schrieb:

Liebe User, diese Geschichte hat uns alle sehr schockiert. Aber der Täter wurde verurteilt und verbüßt seine Strafe. Es gibt ein Rechtssystem in Deutschland. Und auch, wenn manche Urteile einem persönlich nicht fair erscheinen, ist das trotzdem keine Berechtigung, Selbstjustiz zu verüben. Auch nicht im Gefängnis. Auch eine JVA ist kein rechtsfreier Raum. Darum bitten wir euch, bei euren Kommentaren sachlich zu bleiben. Hetzerische, beleidigende oder diskriminierende Aussagen werden moderiert und bei Bedarf gelöscht.

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