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Eigento

Seit die “Tagesthemen” im Juni 2008 eine falsche Deutschlandfahne eingeblendet haben, hat “Bild” die Nachrichten der ARD genau im Auge — vielleicht sogar noch ein bisschen genauer, seit der Axel Springer Verlag sauer auf “ARD aktuell” ist.

Am Wochenende hatten die Beobachter von “Bild” endlich mal wieder was entdeckt, was sie der “Tagesschau” am Montag sofort aufs Brot schmieren konnten:

Verlierer: Wieder mal Erdkunde-Probleme bei der "Tagesschau"! Diesmal traf es das Emirat Katar am Golf. Dessen Hauptstadt Doha machte die ARD gestern früh zu "Dohar". Die peinliche Panne sprach sich auch in der Delegation von Außenminister Westerwelle herum, dessen Arabien-Reise der Beitrag betraf. BILD meint: Oha(r)!

Ja, was für peinliche Volltrottel da bei der ARD sitzen. Wo doch jeder Depp weiß, dass die Hauptstadt Katars Doha heißt.

Also: Von dem Menschen mal ab, der für “Sportbild” – deren Internetauftritt seit November eine Unterseite von Bild.de ist – die Sport-Termine für den letzten Dezember zusammengestellt hat:

Reiten (bis 23.12.): Weltcup, Springen in Dohar (Katar)

Mit Dank an Thomas H.

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Sinkflug nach oben

Die Düsseldorfer Regionalausgabe von “Bild” ließ am Dienstag die Sektkorken knallen:

Airport Düsseldorf: 18,1 Millionen Passagiere in 2009. Flughafen feiert neuen Rekord! ÜBERFLIEGER Düsseldorf

Für den Flughafen ist die Krise schon vorbei! Durch seinen Passagier-Rekord im zweiten Halbjahr 2009 landete der Airport mit insgesamt 18,1 Millionen Passagieren erneut auf der sensationellen Bestmarke von 2008 (Vorjahr 17,8 Millionen).

Überraschenderweise vermeldet der dpa-Ticker auf Bild.de (witzigerweise im Kölner Regionalteil) heute das exakte Gegenteil:

Flughafen Düsseldorf mit leichtem Passagierrückgang

dpa hat die Zahlen vermutlich von der Pressestelle des Düsseldorfer Flughafens, die heute ihre offiziellen Zahlen veröffentlichte und dabei mitteilte:

Rund 17,8 Millionen Passagiere wurden 2009 am drittgrößten deutschen Airport gezählt […] . Dies entspricht einem leichten Rückgang von zwei Prozent bei den Passagierzahlen […] .

Die 17,8 Millionen Passagiere aus 2009 weisen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der “Bild”-Angabe “(Vorjahr 17,8 Millionen)” auf; die von “Bild” als “sensationelle Bestmarke” gefeierte Zahl von 18,1 Millionen taucht dagegen in der Verkehrsbilanz 2009 gar nicht auf.

Allerdings ist jetzt nicht mehr schwer zu erraten, woher die Zahl stammt:

18,1 Millionen Passagiere starteten und landeten 2008 am Flughafen Düsseldorf.

Die zwei “Bild”-Autoren haben es im Werberausch für den Flughafen geschafft, aus dem leichten Rückgang einen “neuen Rekord” zu machen — indem sie die Zahlen von 2008 und 2009 verwechselt haben und damit Rauf mit Runter.

Mit Dank an Guido K.

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Kopfloser Horrorjournalismus

Es gibt Unfälle, die sind an Grausamkeit kaum zu überbieten: Am 4. Januar gegen 23 Uhr prallte ein 20-jähriger Pkw-Fahrer auf der Hauptstraße im niedersächsischen Seckenhausen frontal gegen einen LKW-Anhänger, der auf der Fahrbahn abgestellt war. Der Kleinwagen schoss unter dem Anhänger hindurch, das Dach wurde dabei abgerissen, der Fahrer verstarb noch an der Unfallstelle. Es gibt Medien wie den “Weserkurier”, die sich bei einem solchen Unfall an die Fakten halten, die auch durch eine Polizei-Pressemitteilung belegt sind.

Und es gibt die “Bild”. Deren Berichterstatterin Astrid Sievert musste offenbar noch ein wenig an der Horror-Schraube drehen:

Horrorunfall: Autofahrer geköpft

Auch im Text lässt Sievert die Leser wissen, wie der “Horror-Unfall” konkret ausgesehen hat: “ER WURDE GEKÖPFT” steht dort in fetten Lettern. An anderer Stelle ist zu lesen, dass der junge Autofahrer “mit rund 100 km/h” in den Tod raste.

Wie die Horror-Berichterstatterin der “Bild” zu ihren Beobachtungen kam, ist unklar. Möglicherweise hat sie sich von “Nonstop-News” inspirieren lassen, einem Bereitschaftsdienst für Blut- und Blechschaden-Berichterstattung auf dem platten niedersächsischen Land. Die Reporter, die kurz nach dem Unfall zur Stelle waren und in ihrer Filmausbeute unter anderem eine “Totale der Unfallstelle mit viel Blaulicht” anzubieten haben, berichten: “Der Fahrer war offenbar bei dem Aufprall in Kopfhöhe sofort getötet worden.” Fest steht: Von einer Enthauptung kann keine Rede sein. “Die Pressemeldung der Polizei Diepholz ist maßgeblich und richtig. Der Fahrer wurde nicht geköpft”, stellt Thomas Gissing, Verkehrssicherheitsberater der Polizeiinspektion Diepholz, gegenüber BILDblog klar. Wäre der “Bild”-Berichterstatterin bei ihrer Arbeit nicht der eigene Kopf abhanden gekommen, hätte sie sich übrigens selbst denken können, dass die Darstellung vom “geköpften” Autofahrer nicht stimmen kann — immerhin heißt es in der Polizeimeldung, dass der Fahrer “noch an der Unfallstelle” verstarb und nicht “sofort tot” war.

Und auch die Geschwindigkeit, mit der sich der 20-Jährige auf den Anhänger zubewegte, ist nicht klar: Im “Weserkurier” konnte die Polizei dazu keine Angaben machen. Polizeisprecherin Jutta Stricker vermutet jedoch, dass der Kleinwagenfahrer langsamer als die 100 km/h gefahren war, die “Bild” behauptet. Die Situation sei ohnehin nicht nur mit hoher Geschwindigkeit gefährlich: Wenn sich so ein Hindernis auftue, sei eine Reaktion ohnehin schwer möglich, sagte Stricker dem “Weserkurier”.

Aber warum bei den Fakten bleiben, wenn sich ein grausamer Unfall mit gewissen verbalen Verrenkungen noch grausamer machen lässt – das denkt man sich offenbar auch hier, hier oder hier.

Bild, dpa  etc.

Einar hat aufm rechten Auge ein Milchmädchen

Und sie waren so dicht dran. Fast hätte es die Nachrichtenagentur dpa heute geschafft, klüger zu sein als die anderen und nicht auf eine Quatschmeldung der “Bild”-Zeitung hereinzufallen. Fast!

Die “Bild”-Zeitung schreibt in ihrer heutigen Ausgabe, die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund sei im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen, und hatte dies vorab auch den Nachrichtenagenturen mitgeteilt. APD, AFP, dpa und Reuters übernahmen die Behauptung der Boulevardzeitung, wie üblich, ungeprüft und verbreiteten sie noch in der Nacht weiter.

Heute Vormittag aber hatte ein Kollege bei dpa die gute Idee, bei der Quelle nachzufragen, auf die sich “Bild” beruft: das Bundeskriminalamt (BKA). Und siehe da: Das BKA bestritt, dass die Zahlen von ihm seien.

Was machte aber der brave dpa-Mann nun? Er schrieb in seine Meldung den Satz: “Das BKA in Wiesbaden erklärte dagegen, die Zahlen stammten nicht von ihm”. Aber er meldete den von “Bild” unter Berufung auf das BKA behaupteten Rückgang der Gewalttaten trotzdem.

Das ist der Artikel aus der heutigen “Bild”*:

Berlin – Die Zahl der rechten Gewalttaten ist 2009 bundesweit erstmals seit sechs Jahren gesunken. Laut Bundeskriminalamt (BKA) zählte die Polizei bis Ende November 624 Gewalttaten von Rechten. 2008 waren es im gleichen Zeitraum 682 Delikte – minus 8,5 %. Die Zahl der verletzten Personen ging von 713 auf 614 Personen zurück. Die Zahl rechter Straftaten insgesamt (z. B. Volksverhetzung) stieg um 0,35 %.

Die Zahlen stammen anscheinend aus den Kleinen Anfragen, in denen Petra Pau (Linke) monatlich von der Bundesregierung die Zahl rechtsextremer Straf- und Gewalttaten erfragt. Diese Angaben sind, wie Pau und die Bundesregierung jedesmal betonen, vorläufig. Sie können sich “aufgrund von Nachmeldungen noch (teilweise erheblich) verändern”, heißt es in den Antworten der Bundesregierung.

Die endgültigen Zahlen liegen immer höher als die vorläufigen, und zwar erheblich. Für 2008 ergaben sich aufgrund der vorläufigen Werte 735 rechtsextreme Gewalttaten — tatsächlich wies der Verfassungsschutzbericht schließlich 1042 aus.

Ob die Zahl rechter Gewalttaten 2009 wirklich erstmals seit Jahren gesunken ist, lässt sich aus den vorläufigen Angaben nicht errechnen. Richtig ist nur, dass die vorläufigen Werte der ersten elf Monate 2009 unter den vorläufigen Werten der ersten elf Monate 2008 liegen. Aber seit dem Sommer scheint sich selbst dieser vermeintliche Trend umgekehrt zu haben.

BKA-Chef Jörg Ziercke hatte vor drei Wochen in einem Vortrag gesagt, er rechne für 2009 mit einem “nahezu eben so hohen rechten Gewaltaufkommen” wie in den Vorjahren. “Bild”-Chefkorrespondent Einar Koch aber rechnet die Zahl rechtsextremer Gewalttaten systematisch klein.

Koch ist Wiederholungstäter: Bereits 2006 behauptete er in “Bild”, die Zahl rechtsextremer Gewalttaten sei deutlich zurückgegangen. In Wahrheit hatte sie drastisch zugenommen (BILDblog berichtete). Auch damals hatte Koch sich auf die vorläufigen Werte aus den Kleinen Anfragen verlassen und sie, was noch schlimmer war, mit den endgültigen Werten des Vorjahres verglichen. Entsprechend abwegig waren seine Ergebnisse. (“Bild” korrigierte sich damals übrigens erst mit Wochen Verspätung.)

Auch damals hatten Nachrichtenagenturen und andere Medien die falsche Rechnung ungeprüft übernommen. Sie haben daraus nichts gelernt.

*) Die Online-Version ist länger und nicht ganz so falsch.
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Diekmanns irre Pipi-Schlagzeile

Eine an seiner Brille befestigte Kamera filmte für einen Tag die Aktivitäten des “Bild”-Chefredakteurs Kai Diekmann mit. Das Resultat dieses “Kai-Diekmann-Experiments” wurde den Lesern von kaidiekmann.de in drei Teilen an den Weihnachtstagen dargebracht.

Bemerkenswert ist, dass Diekmann offenbar einen ganzen Tag durchsteht, ohne einmal aufs Klo zu gehen. Das dürfte zwar kaum der Wahrheit entsprechen, ist aber näher dran an korrekter Wahrnehmung als das, was “Bild” über die “Pipi-Pause” von Jens Lehmann, dem Torwart des VfB Stuttgart, schreibt.

Während die “Bild”-Redaktion darüber berät, was genau Lehmann in einer vom Fernsehen eingefangenen Szene tut, ist Diekmann noch skeptisch (Teil 1, ab 34:30 Minuten):

Der pinkelt doch nicht gegen einen Kamerakarton dort in die Ecke! Bei aller Liebe: Das glaub ich nicht!

Zu einer Titel-Schlagzeile wollen die “Bild”-Leute die unklare Situation aber dennoch machen. Diekmann sinniert über die Ideen im Raum nach: “Pipi-Rätsel”? Doch das ist nicht gut genug. Weitere Ideen werden formuliert. Dann sagt Diekmann (Teil 2, ab 5:30 Minuten):

“Lehmanns lustige Pipi-Pause”

Und kommt schon im nächsten Satz auf:

“Lehmanns irre Pipi-Pause”

Dabei bleibt es auch.

Lehmanns irre Pipi-Pause

Total irre. So irre wie viele andere “Bild”-Schlagzeilen auch.

Was Lehmann da gemacht hat, wollte vermutlich eh nie jemand so ganz genau wissen. Dem Johannes B. Kerner aber, der gerne aufklärt, was niemand wissen will, erzählte Lehmann gut eine Woche später, er habe lediglich den verrutschten Tiefschutz neu gerichtet.

Kehraus 2009

… und wieder einmal ist es an der Zeit, schnell noch ein wenig Gerümpel wegzuräumen, das während unseres Winterschlafs liegen geblieben ist.

Da wäre zunächst diese (vermeintliche) Antwort auf die Frage “Was sieht man wirklich im Nackt-Scanner?”:

(Angebliche) Nacktscanner-Bilder bei Bild.de

Das, was Bild.de in seiner Klickstrecke als das “milchige Bild eines Nacktscanners” verkaufen will (und seitdem regelmäßig als Symbolbild nutzt), sieht als Negativ so aus:

(Angebliche) Nacktscanner-Bilder bei Bild.de (negativ)

… und hat damit – bis auf die Waffen – verblüffende Ähnlichkeit mit diesen zwei Fotos von einer CD mit 50 Fotos einer nackten Frau:

Stock images einer nackten Frau

Bild.de verschleiert die Herkunft der Bilder genau genommen nicht mal sonderlich und gibt als Quelle für die angeblichen Nacktscanner-Fotos sogar “PhotoAltoF1online” an, die Website, auf der man die CD bestellen oder die Fotos direkt kaufen kann. Dass es sich bei den gezeigten Abbildungen damit aber um Symbolfotos bzw. Fotomontagen handelt, die nicht gerade zur Beantwortung der Frage “Was zeigt der Nackt-Scanner?” taugen, erwähnt Bild.de allerdings nicht.

Dafür gibt es Aufklärung:

Auch Schwangerschaften können nicht erkannt werden.

Oder auch nicht:

• Schwangerschaft • Intim-Schmuck • Geschlechtsteile - Was sieht man wirklich im Nackt-Scanner?

* * *

Wie es eine Geschichte über eine angebliche Schönheitsoperation von Tiger Woods aus einer obskuren Kettenmail in mehrere deutsche Onlinemedien geschafft hat, müssen wir nicht mehr aufdröseln — das hat der Linksgolfer im alten Jahre schon ausführlich getan.

* * *

Und dann war da noch die österreichische “Kronen Zeitung”, die sich an Neujahr irgendwo zwischen Weihnachtstraditionen und der aktuellen Schweinegrippen-Hysterie verheddert hat:

Irrer wollte Grippe auf Petersplatz zerstören. Rom. Große Aufruhr auf dem Petersplatz: Ein verwirrter Mann hatte die Sicherheitsschleusen umgangen und stürmte auf die Grippe im Vatikan zu. Ziel: Er wollte die Figuren zerstören. Die Polizei konnte ihn festnehmen.

* * *
PS: Kein Fall fürs BILDblog ist übrigens die Aktion “12 Tage, 12 Geschenke”, bei der “Bild” seit dem 26. Dezember seinen Lesern täglich ein Produkt aus Apples iTunes-Store schenkt: Zwar kann man diese Sachen auch ganz ohne “Bild” herunterladen — es ist eine schon fast traditionelle iTunes-Aktion. Aber “Bild” ist durchaus Kooperationspartner von Apple, auch wenn der Computerkonzern das aus unbekannten Gründen – anders als bei den Partnern “Frankfurter Allgemeine Zeitung”, “Glamour” und anderen – selbst verschweigt.

Mit Dank an die verschiedenen Hinweisgeber!

Dreckschweine muss man zeigen dürfen

“Bild” hat ein eklatantes Problem zu akzeptieren, dass auch Menschen, die schlimme Verbrechen begangen haben, Menschen bleiben und die Menschenrechte somit auch weiterhin für sie gelten.

Im August hatte das Bundeskriminalamt in verschiedenen Medien nach einem Mann gefahndet, dem mehrfacher schwerer sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen wurde. Aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit stellte sich der mutmaßliche Täter nach einem Tag und das BKA bat, die zur Fahndung veröffentlichten Fotos nicht weiter zu verwenden und aus dem Internet zu entfernen. “Bild” ignorierte diese Bitte ebenso wie etliche als seriös geltende Medien (BILDblog berichtete).

Im Oktober nutzte “Bild” die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Trier als willkommenen Anlass, die Fotos erneut zu veröffentlichen und den mutmaßlichen Täter unter anderem als “Deutschlands schlimmsten Kinderschänder”, “Sex-Bestie” und “Dreckschwein” zu bezeichnen (BILDblog berichtete auch da).

Weil wir in der Berichterstattung von “Bild” einen Verstoß gegen den Pressekodex sahen, haben wir uns beim Deutschen Presserat beschwert und waren damit nicht allein.

Ziffer 1 Pressekodex

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

In seiner Stellungnahme an den Presserat erklärte die Rechtsvertretung der Axel Springer AG, dass sie die Bezeichnungen “Sexbestie”, “Perverser” oder “Dreckschwein” für zulässig halte. (Über das besondere Verhältnis von “Bild” zur Bezeichnung “Schwein” hatten wir auch schon mal berichtet.) Ausschlaggebend seien hierfür die besonderen Umstände des Falls. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik habe das Bundeskriminalamt öffentlich nach einem Mann gefahndet, dem mehrfacher schwerer sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen werde.

“Bild” möchte den Mann also gerne als “Dreckschwein” bezeichnen dürfen, weil öffentlich nach ihm gefahndet worden war, und erklärt weiterhin, dass es sich “nicht nur um Wertungen der Tat durch die Redaktion” handele, sondern mit der Wortwahl “auch ausgedrückt werde, was der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung über den Mann denke”.

Der Beschwerdeausschuss sieht in der Bezeichnung “Dreckschwein” hingegen eine Beleidigung, die die Menschenwürde verletze. Die Bezeichnung “Sex-Bestie” hält der Ausschuss dagegen für vereinbar mit dem Pressekodex.

Auch bei der Veröffentlichung der Fotos beruft sich das Springer-Justitiariat auf das große öffentliche Interesse an dem Fall. Außerdem habe der Presserat schon öfter entschieden, dass bei einem vorliegenden Geständnis auch identifizierend über Tatverdächtige berichtet werden dürfe. Etwas unglücklich für diese Argumentationsführung ist freilich der Umstand, dass der Angeklagte bisher noch gar kein Geständnis abgelegt hat, was dann sogar dem Presserat auffiel.

Er hält die erneute Veröffentlichung der Fotos für unzulässig und verweist ausdrücklich darauf, dass das BKA die Aufnahmen offiziell zurückgezogen habe.

Wegen Verstoßes gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.1 und Verletzung der Ziffer 1 des Pressekodex sprach der Beschwerdeausschuss eine “Missbilligung” gegen “Bild” und Bild.de aus. Es besteht keine Pflicht, eine solche “Missbilligung” zu veröffentlichen, “als Ausdruck fairer Berichterstattung” empfiehlt der Beschwerdeausschuss jedoch eine Veröffentlichung.

Es ist unwahrscheinlich, dass “Bild” und Bild.de gewillt sind, faire Berichterstattung ausdrücken zu wollen. Die Bilder, die der Presserat beanstandete, sind immer noch online. Aber um deren Entfernung hatte ja schon das BKA vor Monaten vergeblich gebeten. Und im Gegensatz zum Presserat sind die Leute beim BKA sogar bewaffnet.

AFP, AP, Bild  etc.

Journalistische Kurzzeitgedächtnisarbeiter

Diese Schlagzeile ist aus der “Bild” vom 20. Mai 2009:

Und diese aus der “Bild” von heute:

Und wenn Sie jetzt meinen, dass dieser Herr Schäfer von der “Bild”-Zeitung entweder sehr leicht zu schockieren ist oder ein sehr schlechtes Gedächtnis hat (oder beides), dann haben Sie natürlich Recht.

Allerdings ist er damit nicht allein. Weil die alte Geschichte, dass auf viele Kurzarbeiter Steuer-Nachzahlungen zukommen, heute noch einmal auf der Titelseite der “Bild”-Zeitung steht, halten sie diverse andere Medien reflexartig für eine Neuigkeit. Die Nachrichtenagentur AFP meldete eilig noch mitten in der Nacht: “‘Bild’: Hunderttausende Kurzarbeiter müssen Steuern nachzahlen”. Die Konkurrenz von AP, die schon im Mai unter Berufung auf “Bild” berichtet hatte: “Hunderttausende Kurzarbeiter erwartet höhere Steuerlast”, titelte diesmal: “Finanzamt bittet Hunderttausende Kurzarbeiter zur Kasse”.

“Focus Online”, “Spiegel Online” — sie alle trotten kopflos hinterher und meldeten unter Bezug auf “Bild” aufgeregt, was lange bekannt ist und in den vergangenen Monaten vielfach aufgeschrieben wurde.

Und wetten? Sie würden es jederzeit wieder tun.

Mit großem Dank an das Finblog!

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Eheleute Deutsche und Commerz Bank

Borussia Dortmund feierte am Samstag das hundertjährige Bestehen des Vereins — natürlich auch ein großes Thema für die Ruhrgebietsausgabe von “Bild”.

Um zu zeigen, wie gut sich die Zeitung im Umfeld des Vereins auskennt, erwähnt sie auch Gäste, die dem ungeübten Beobachter vielleicht nicht so ohne Weiteres ins Auge gefallen wären:

Auch unter den rund 1000 Ehrengästen: Investmentbanker Morgan Stanley, der sich ausgiebig mit Watzke (50) unterhielt.

Und damit man sich auch mal ein Bild davon machen kann, wie dieser Herr Stanley so aussieht, hat Bild.de ein Foto von ihm in die Bildergalerie vom Festakt gepackt:

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke mit Investmentbanker Morgan Stanley (l.) und dessen Frau

Die Sache hat nur einen kleinen Haken: Morgan Stanley ist der Name einer Bank — und die wurde nicht von einem Mr. Morgan Stanley gegründet, sondern von Henry S. Morgan und Harold Stanley. Das war 1935. Morgan starb 1982, Stanley bereits 1963.

Wer der Herr auf dem Foto wirklich ist, haben wir bisher leider nicht herausfinden können.

Mit Dank an Stephan und Carmo C.

Nachtrag, 16.30 Uhr: Herr Stanley ist aus der Bildergalerie auf Bild.de verschwunden. Im Text wird er aber nach wie vor als Ehrengast geführt.

Bild, dpa  etc.

Europäische Irrsinns-Verwechslung

Es mag, wie “Bild” meint, ein “Skandal”, ein “neuer Justiz-Irrsinn”*, ein “Paukenschlag-Urteil”, ein “Hammer-Urteil”, ein “Fehlurteil” sein. Eines aber ist es auf keinen Fall: ein “EU-Urteil”.

Die “EU” ist zwar für die “Bild”-Zeitung so etwas wie ein Synonym für “Irrsinn”, aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der in der vergangenen Woche urteilte, dass Deutschland einen inhaftierten Schwerverbrecher freilassen und ihm 50.000 Euro Schmerzensgeld zahlen muss, ist keine Einrichtung der EU, sondern des Europarates. Dem gehören 47 Länder an, darunter die Schweiz, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, die Türkei und Russland.

Wenn man sich also darüber empören will, dass das dafür zuständige Gericht der Meinung ist, dass Deutschland gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat, ist der Böse dennoch in keiner Weise die Europäische Union oder eine ihrer Organisationen.

Und das Traurige ist, dass die “Bild”-Zeitung mit ihrem Unwissen nicht allein ist. Auch “Welt”, “Hamburger Abendblatt” und die Nachrichtenagentur dpa berichteten entsprechend falsch. Die Liste der Medien, die in den vergangenen Monaten den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als “EU-Gericht” bezeichnet haben, ist lang und reicht von “Spiegel Online” über den “Tagesspiegel” und die “Berliner Zeitung” bis zur “taz”.

*) … obwohl das ach so irrsinnige Urteil immerhin auf einem fundamentalen Grundsatz des Rechtsstaates beruht: Nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz). Ein Verbrecher hatte geklagt, weil er seit 18 Jahren in Sicherungsverwahrung gehalten wird. Zum Zeitpunkt seiner Verurteilung 1986 war diese Maßnahme aber auf zehn Jahre begrenzt. Das Gesetz wurde erst später geändert und nachträglich auf den Fall angewendet.

Mit Dank an Dominik M., Gunther S., Th. K., Katharina B., Ivo B. und Lars!

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