Archiv für 6 vor 9

Wann ist ein Like ein Like, Hörsaal-Ablenkung, Bordexemplare

1. Vier Thesen zur Zukunft des Digitaljournalismus
(horizont.net, Mathias Müller von Blumencron)
Der Digital-Chef der “FAZ” macht sich Gedanken über die Zukunft des digitalen Journalismus. Neuen Angeboten gibt er keine großen Chancen, das Rennen würden die Qualitätsmarken machen. Gleichwohl werde es “eine Explosion journalistischer Formate” geben. Nichts weniger als eine “Exzellenzoffensive” sei zu erwarten. Angesichts von Angeboten wie “Focus Online” reichlich viel Optimismus, aber ohne den kommt ein “Chefredakteur Digitale Medien” wahrscheinlich nicht aus.

2. Was ist die “ganze Wahrheit”?
(facebook.com/arminwolf.journalist, Armin Wolf)
Facebook wird von manchen als Abraumhalde für industriell abgebaute Katzenfotos geschmäht. Dass dem nicht (immer) so ist, beweist ein längerer Beitrag des österreichischen TV-Journalisten Armin Wolf. In diesem setzt sich der Autor recht ausführlich mit der Frage auseinander, ob und wann Medien bei Verbrechen die Nationalität der Verdächtigen nennen sollen beziehungsweise dürfen.

3. Warum ein “Like” keine politische Meinungsäußerung ist
(derwesten.de, Katrin Figge)
“Der Westen” hat mit dem Medienökonom Prof. Jörg Müller-Lietzkow über das Likewesen auf Facebook gesprochen. Likes oder Hasskommentare seien demnach “weit von politischer Meinungsäußerung entfernt”. Der Medienwissenschaftler vergleicht die Klicks mit einem Ablassbrief: Man fühle sich danach gut, weil man etwas geleistet oder Wut kanalisiert habe. Mit politischer Artikulation habe all dies jedoch nichts zu tun.

4. Google: 25.000 Chromebooks für Flüchtlinge in Deutschland
(heise.de, Andreas Wilkens)
“Project Reconnect” heißt der Zusammenschluss von Google, Telekom und Arbeiter-Samariter-Bund, der für die Verteilung von 25.000 Chromebooks sorgen will. Alle Organisationen, die in der Flüchtlingshilfe tätig sind, könnten sich für die mobilen Computer bewerben (bei Interesse: Link im Artikel). Die Telekom will den kostenlosen WLAN-Zugang ermöglichen. Gute Idee, wobei böse Zungen behaupten, man hätte zunächst die verstaubte IT der deutschen Behörden auffrischen sollen.

5. Aufmerksamkeitskiller Smartphone
(taz.de, Ralf Pauli)
Ein Hochschullehrer zieht nach mehreren Experimenten ein trauriges Resümee: Die Aufmerksamkeit der Studierenden habe in den letzten Jahren massiv abgenommen. Schuld sei der ständige Blick aufs, na was wohl, Smartphone. “Wir schaffen es kaum mehr, die Aufmerksamkeit der jungen Leute für länger als fünf Minuten zu halten”, beklagt der Professor an der Hochschule Hof. “Danach sind sie sofort wieder bei ihren technischen Spielzeugen.”

6. Wie die Lufthansa meine Zeitungen klaut
(bilanz.de, Bernd Ziesemer)
Der frühere Chefredakteur des “Handelsblatts”, Bernd Ziesemer, jammert in seiner Kolumne über das Verschwinden der sogenannten Bordexemplare der Lufthansa. Der Verzicht auf die kostenlosen Zeitungen sei “der traurige Endpunkt einer langen Reihe stetiger Verschlechterungen” mit dramatischen Auswirkungen: “Die Masse der bisherigen Flugzeugleser verliert den letzten Kontakt zu Printmedien.” Warum sich die von Ziesemer angesprochene (gutgestellte) Klientel der treuen Vielflieger ihre Lektüre nicht einfach für ein paar Euro am Kiosk holen kann, bleibt leider offen.

Folge dem Kaninchen, Bedrohnung aus Fernost, Verpackungskunst

1. Sender-Bewusstsein
(sueddeutsche.de, Martin Schneider)
Ein Radiosender kündigt an, ein Kaninchen zu schlachten. 86.000 Menschen unterstützen eine dagegen gestartete Online-Petition. Der Sender teilt mit, man hätte von Anfang an nicht vorgehabt, das Kaninchen zu schlachten. Es handele sich vielmehr um eine abgesprochene Aktion in Sachen Tierschutz. Die fragwürdigen Inszenierungen der deutschen Radiomacher sind vielfältig und reichen bis zum vorgetäuschten Tod einer Hörerin. Dazu auch: “Fair Radio” mit einer Polemik zum Thema.

2. Eine vergebliche Suche nach der Lügenpresse
(tagesspiegel.de, Carsten Reinmann & Nayla Fawzi)
Die Kommunikationswissenschaftler Reinmann und Fawzi von der Ludwig-Maximilians-Universität in München machen sich Gedanken über den vieldiskutierten Vertrauensverlust der Medien und ziehen dabei verschiedene Umfragen und Studien zu Rate. Ob es tatsächlich eine „Glaubwürdigkeitskrise“ des Journalismus gebe, sei fraglich.

3. Das Fernsehen als Hort der Konservativen
(dwdl.de, Hans Hoff)
“Das deutsche Fernsehen ist auf Publikumsseite ein Hort des Konservativen, ein Bewahrmedium, das vor allem den mentalen Besitzstand sichern hilft”, so beschreibt es Kolumnist Hans Hoff. Im Netz werde probiert, im Fernsehen verwahrt. Hoffs knackiges Fazit: “Viel geschautes Fernsehen ist das Medium für Spießer. Keine Experimente. Gib mir mehr von dem, was ich kenne.”

4. Digitale Dividende
(jungle-world.com, Jörn Schulz)
Wenn beim World Economic Forum über eine angebliche vierte industrielle Revolution debattiert werde, sei Misstrauen geboten, so “Jungle World”-Autor Schulz. Von der “vierten industriellen Revolution” würden vornehmlich Unternehmensvertreter und Politiker sprechen. Der Trick dabei: Der Staat soll kostenlos die gewünschte Infrastruktur bereitstellen, die den Unternehmern im Erfolgsfall die entsprechenden Gewinne beschert.

5. Bedrohnung aus Fernost
(zeit.de, Xifan Yang)
Der neue Star der chinesischen Start-up-Welt soll der Ingenieur Wang Tao sein, der sich im geschäftlichen Umgang “Frank Wang” nennt. Wang ist der Chef von Dajiang Innovations, dem größten Drohnenhersteller der Welt. Interessanter Bericht über den medienscheuen Unternehmer und sein florierendes Drohnenbusiness.

6. Wie ein verpacktes Auto in Marburg viral geht und zeigt, wie scheiße Medien arbeiten können
(philippmag.de, Katharina Meyer zu Eppendorf)
Herrliches Lehrstück über Medienarbeit im Kleinen und im Großen: Eine Mitarbeiterin eines Studentenmagazins sieht in Marburg ein in Kunststofffolie eingeschlagenes Auto. Sie fotografiert den Wagen und postet das Bild auf Facebook. Das sehen andere, die eine klickheischende Story dazudichten. Danach handele es sich um eine Racheaktion einer Frau an ihrem fremdgehenden Partner. Darauf geht das Bild viral und Medien befördern den Hype.

Medien in Polen, Wahlkampf in den USA, Frauenzeitung in Indien

1. Warschau bringt Medien auf ihren Kurs
(dw.com, Rosalia Romaniec)
“Öffentliche Medien” sollen zu “nationalen Medien” werden, “nationale Kulturinstitute” sollen entstehen und die Polnische Presseagentur soll “nicht mehr auf Gewinne achten, sondern auf ihren ‘nationalen Auftrag’.” Das klinge alles danach, als sei das Ziel der neuen Regierung in Polen, “auch ‘die vierte Macht’ auf Linie zu bringen.” Die “Reporter ohne Grenzen” äußerten sich bereits vergangene Woche “in höchstem Maße besorgt” zu den Entwicklungen in Polen.

2. Der falsche Igor
(sueddeutsche.de, Julian Hans)
Wirbel um das ZDF-Porträt “Machtmensch Putin”: In dem Film wurde ein anonymer Mann namens Igor als Kronzeuge herangezogen. Der russische Staatssender “Rossija” behauptet nun, dass die Episode mit Igor inszeniert war. Die Autoren des Films sollen dem Mann Geld geboten haben, damit er sagt, was sie hören wollen. Das ZDF bestreitet das und hat inzwischen das Rohmaterial des Interviews samt Übersetzung veröffentlicht.

3. Amerikas Rechte geht in den Nahkampf
(faz.net, Nina Rehfeld)
“Fox News” sei eigentlich der “Haussender der Republikaner”, schreibt Nina Rehfeld. Umso erstaunlicher, dass “Fox”-Mann Bill O’Reilly die Rhetorik des möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump “inzwischen fast täglich” auseinandernehme. Beim Sender herrsche “Entsetzen über Trumps Schockparolen”. Die Kritik könnte allerdings als Boomerang zurückkommen: “Trump ist bei konservativen Amerikanern, dem Stammpublikum von Fox News, populär, wie dumm er sich auch äußern mag.”

4. Harry’s Guide To 2016 Election Polls
(fivethirtyeight.com, Harry Enten, englisch, Audio, 10:56 Minuten)
In den USA stehen bald die Wahlen für die Präsidentschaftskandidaten der Parteien an. Und schon jetzt gibt es zahlreiche “polls” zu den möglichen Siegern bei den Demokraten und den Republikanern. Doch welcher Erhebung kann man trauen? Harry Enten bietet eine “handy list of rules for interpreting election polls”.

5. Gegen alle Widerstände
(taz.de, Lalon Sander)
Die “taz” hat eine der kleinsten Zeitungen Indiens besucht, die gleichzeitig eine der außergewöhnlichsten ist: “Khabar Lahariya” bedeutet auf Deutsch “Nachrichtenwellen“ und wurde als Alphabetisierungsprojekt ausschließlich für Frauen aus benachteiligten Gemeinschaften in zwei besonders konservativen Regionen gegründet. Eine Reportage über den Kampf um Bildung und Emanzipation — und darum, eine gute Zeitung zu machen.

6. Copy & passt
(noemix.twoday.net, nömix)
Ein 100-Jahre-Fehler in einer Pressemitteilung — und schon findet man ihn überall in den Medien: “Die Pressemeldung wörtlich abzuschreiben haben zuverlässig alle geschafft.”

Michael Schumacher, “Spiegel”-Titel, Comic in der DDR

1. Medien-Bericht verärgert Schumachers Managerin
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
“Er kann wieder gehen …” — mit dieser Schlagzeile behauptet die “Bunte” auf dem Titel ihrer aktuellen Ausgabe, dass Michael Schumacher mithilfe seiner Therapeuten erste Schritte machen könne. Dessen Managerin dementiert und kritisiert, “dass viele Menschen, die ehrlich Anteil nehmen, sich falsche Hoffnungen machen”. Dem Boulevardblatt scheint das relativ egal, es beharrt auf seiner Darstellung. Mittlerweile hat Schumachers Anwalt Konsequenzen angekündigt: “Wir werden gegen die ‘Bunte’ rechtliche Schritte in die Wege leiten und raten von der Übernahme der Behauptung ab.”

2. Katzenfreunde
(sueddeutsche.de, Julian Hans)
Vergangene Woche hatte das russische Außenministerium den Korrespondenten der liberalen, polnischen “Gazeta Wyborcza” die Akkreditierung entzogen und ihm eine 30-Tage-Frist gesetzt, um das Land zu verlassen — angeblich eine “symmetrische Antwort” auf ein ähnliches Vorgehen Polens, das einen Mitarbeiter der staatlichen russischen Agentur “Rossija Segodnja” ausgewiesen hatte. Mittlerweile hat sich die diplomatische Posse in einen bizarren Streit verwandelt, der auch öffentlich auf Facebook ausgetragen wird.

3. Lügenpresse, Germanwings, Aylan — Ein medienethischer Jahresrückblick 2015
(netzwerk-medienethik.de, Alexander Filipovic)
Durfte der Name des Co-Piloten genannt werden, der die Germanwings-Maschine abstürzen ließ? War es richtig, das Foto des syrischen Flüchtlingskindes Aylan Kurdi zu zeigen, der ertrunken an einem türkischen Strand gefunden wurde? Und woher kommt das Misstrauen, das Journalisten im Jahr 2015 stärker als je zuvor entgegenschlug? Alexander Filipovic lässt das vergangene Jahr aus medienethischer Sicht Revue passieren.

4. Väter sind auch nur Eltern
(leitmedium.de, Caspar Clemens Mierau)
Auf seinem Cover fragt der “Spiegel” derzeit, ob Väter “die besseren Mütter” sind. Für Caspar Clemens Mierau “ein unsäglicher Artikel”, der “Väter und Mütter in einer Art Wettstreit gegeneinander antreten lässt.” Jochen König findet, es sei eine schreckliche Titelgeschichte, und Patricia Cammarata dreht die Frage des “Spiegel” um. Hans-Peter Canibol sieht in der Titelstory hingegen “ein buntes, lehrreiches und anregendes Stück über Väter und Mütter”.

5. Von Einschaltquote zu Klickzahlen
(ausgestrahlt.tv)
Die Kölner Journalistenschüler aus dem Jahrgang 2013 haben ihr aktuelles Projekt veröffentlicht: ausgestrahlt.tv begleite “den Wandel auf den deutschen Bildschirmen”. Soll heißen: Ist das Fernsehen am Ende und zählt jetzt nur noch Youtube? Um Antworten zu finden, haben die Journalistenschüler mit Müttern von Youtube-Fangirls, Medienpädagogen und jungen Fernsehmachern gesprochen.

6. Das Geheimnis der Digedags
(rbb-online.de, Joseph Lippok und Maria Wischnewski, Video, 42:54 Minuten)
Dig, Dag und Digedag sind drei Kobolde, die Kinder (und Erwachsene) in der DDR zwei Jahrzehnte lang begeistert haben. Die Heimat des Trios war die Zeitschrift “Mosaik”, die Hannes Hegen 1955 in Ost-Berlin gegründet und die zeitweise 600.000 Exemplare verkauft hatte. In der Doku von Joseph Lippok und Maria Wischnewski erzählen Hegens Weggefährten von der “Mosaik”-Erfolgsstory, den Schwierigkeiten, in der DDR einen Comic zu gestalten, und dem Ende der Digedags.

“Last Christmas” in Dauerschleife, Arbeiter in Katar, Presseausweise

1. Rechtssicherheit auf Kosten der Freien
(taz.de, Anja Krüger)
Beim Verlag M. DuMont Schauberg (MDS) arbeiten allein am Standort Köln mehr als 150 Journalisten als Pauschalisten. Viele seien de facto aber als Redakteure tätig, deshalb ermittle die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Beschäftigung Scheinselbstständiger. Nun habe MDS dauerhaften freien Mitarbeitern eine Festanstellung angeboten. Die Konditionen sollen Betriebsräten zufolge aber “unterirdisch” sein.

2. “Alle Jahre wieder” — Die 5 meist kopierten Radioinszenierungen
(fair-radio.net)
Ein Moderator schließt sich bei “Antenne Kärnten” ins Studio ein und spielt 24-mal hintereinander den Weihnachtsnervsong “Last Christmas”. Über den Vorfall berichten zahlreiche Medien, weil’s ja so irre ist. “Fair Radio” findet hingegen: “Wie einfallslos! Denn diese Inszenierung gehört definitiv zu den fünf meist kopierten im Radio.”

3. Bis zur WM sollen in Katar 7000 Arbeiter sterben — an was auch immer
(stefan-niggemeier.de)
In sieben Jahren findet in Katar die Fußballweltmeisterschaft statt. Bis dahin sollen angeblich 7000 ausländische Arbeiter ums Leben kommen. Diese Zahl verbreitet jedenfalls der internationale Gewerkschaftsbund ITUC — und viele Medien greifen die Meldung bereitwillig auf. Dabei beruht die Zahl auf einer fragwürdigen Berechnungsgrundlage. Stefan Niggemeier appelliert deshalb: “Ich habe keine Zweifel daran, dass die Arbeitsbedingungen in Katar furchtbar sind (…). Aber der Preis für die Aufmerksamkeit kann nicht darin bestehen, zweifelhafte Horrorzahlen zu verbreiten.”

4. Wer ist heute noch “Charlie”?
(medienwoche.ch, Carmen Epp)
Mit dem Spruch “Je suis Charlie” solidarisierten sich etliche Medien nach dem Anschlag auf “Charlie Hebdo” mit der Redaktion. Was ist elf Monate später davon geblieben? Mit Blick auf die Schweizer Medienszene bilanziert Carmen Epp: In Sachen Pressefreiheit “ist noch einiges zu tun.”

5. “Geschäftemacherei” mit Presseausweisen
derstandard.at, Oliver Mark)
In Österreich gibt es Schätzungen zufolge 7000 Journalisten. Wie viele Presseausweise kursieren, ist nicht bekannt. Vermutlich sind es allerdings deutlich mehr. Es existiere nämlich weder ein offizieller Presseausweis, noch gebe es einheitliche Kriterien für die Vergabe, schreibt Oliver Mark. Dadurch entstünde ein Wettbewerb der Organisationen, die mit den tollsten Rabatten um Mitglieder kämpfen.

6. Für welche Titel-Storys sollen diese Brüste werben?
(buzzfeed.com, Juliane Leopold)
“Stern”, “Spiegel” und “Focus” kommen nur schwer ohne Frauenbrüste auf ihren Titelseiten aus. Juliane Leopold hat aus einigen (auch schon älteren) Covern ein Quiz gebastelt.

Fehler bei der “New York Times”, “Football Leaks”, Mittelwelle

1. Systemic Change Needed After Faulty Times Article
(publiceditor.blogs.nytimes.com, Margaret Sullivan), englisch
Auf Grundlage anonymer Quellen hatte die “New York Times” schwere Vorwürfe gegen US-Behörden erhoben und ihnen Versagen bei der Kontrolle der Attentäterin von San Bernardino unterstellt. Die Anschuldigung war falsch — und Margaret Sullivan, Public Editor der “NYT”, spart nicht mit Selbstkritik: “That’s not acceptable for Times readers or for the paper’s credibility, which is its most precious asset. If this isn’t a red alert, I don’t know what will be.” Dan Gillmor fordert die Redaktion daraufhin auf, deutlich sorgfältiger und sparsamer mit Informationen aus anonymen Quellen umzugehen.

2. Journalist MacAskill: “Der wahre Held ist Edward Snowden”
(derstandard.at, Sebastian Fellner)
Der schottische Journalist Ewen MacAskill machte gemeinsam mit Glenn Greenwald und Laura Poitras die anlasslose Massenüberwachung der NSA öffentlich, nachdem Edward Snowden ihnen Dokumente zugespielt hatte. Rund zweieinhalb Jahre nach den ersten Enthüllungen blickt er zurück und lehnt Vergleiche mit Woodward und Bernstein ab: “Sie mussten es zusammenflicken, sprachen mit hunderten Menschen. Wir haben die Dokumente einfach bekommen. Okay, es war harte Arbeit, die Geschichte herauszuarbeiten, sobald wir die Dokumente hatten. Aber ich glaube nicht, dass es mit Watergate vergleichbar ist.”

3. Wie Blocher in Basel so der Milliardär in Nevada
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Vergangene Woche war es nur eine Vermutung (siehe Link Nummer 6), jetzt steht es fest: Der Käufer, der für “The Las Vegas Review-Journal” 140 Millionen Dollar hingelegt hat, ist Casinomagnat Sheldon Adelson. Der Multimilliardär mache keinen Hehl daraus, “dass er mit dem Kauf von Zeitungen politischen Einfluss ausüben wolle”, schreibt Urs P. Gasche.

4. Offene Rechnungen
(deutschlandfunk.de, Jürgen Kalwa, Audio, 4:14 Minuten)
Seit Ende November veröffentlicht eine Gruppe namens “Football Leaks” pikante Unterlagen aus der Fußballwelt. Die anonymen Aktivisten hätten sich vor allem auf einen “auf den Fußball spezialisierten Investmentfonds” eingeschossen, der bei Spielertransfers ordentlich mitverdiene, so Jürgen Kalwa. Beim niederländischen Verein Twente Enschede hätten die Enthüllungen schon zum Rücktritt des Vereinsvorsitzenden und zum Ausschluss von internationalen Wettbewerben geführt, schreibt Christian Spiller bei “Zeit Online”.

5. Deutsche Mittelwelle stirbt aus
(heise.de)
Wenn der “Deutschlandfunk” Ende des Jahres die Ausstrahlung über Mittelwelle einstellt, dann war’s das mit einem “Stück deutscher Rundfunkgeschichte”.

6. “Immer feige, immer angepasst”
(taz.de, Anne Fromm, Jürn Kruse und Paul Wrusch)
Kürzlich durfte “Kress” “ein bemerkenswertes Gespräch” der “drei Alpha-Journalisten” Kai Diekmann, Julian Reichelt und Tanit Koch veröffentlichen. Bestimmt ist es reiner Zufall, dass sich nun auch die “taz” freut, “ein bemerkenswertes Gespräch (…) veröffentlichen [zu] dürfen”, bei dem “die drei Alpha-Journalisten Jürn Kruse, Anne Fromm und Paul Wrusch” Einblicke in die “Ausrichtung der starken Marke taz” geben.

Ärger auf den Malediven, gefälschte Bilder, “Star Wars”-Kritiken

1. Malediven weisen ARD-Korrespondenten aus
(tagesschau.de, Jürgen Webermann)
ARD-Korrespondent Markus Spieker und sein Fernsehteam wollten auf den Malediven zwei Beiträge über den Klimawandel und den Islamismus drehen, doch daraus wurde nur teilweise was. Denn die Polizei des autoritär geführten Landes schritt mehrfach ein, “die offizielle Begründung: unzureichende Drehgenehmigungen.” Am Ende wurden die ARD-Mitarbeiter ausgewiesen, zehnjähriges Einreiseverbot inklusive. Einen Beitrag über den Islamismus auf den Malediven und die Schwierigkeiten bei den Dreharbeiten konnte Spieker aber noch fertigstellen.

2. UNICEF-Foto des Jahres 2015
(unicef.de)
Gestern hat UNICEF das “Foto des Jahres” gekürt. Das Siegerbild von Fotograf Georgi Licovski war inzwischen an vielen Stellen zu sehen. Die Fotoserien, die auf den Plätzen zwei (von Magnus Wennman) und drei (von Heidi Levine) gelandet sind, sind aber auch sehr zeigens- und sehenswert.

3. “Speziell die Öffentlich-Rechtlichen können Druck von außen gebrauchen”
(heise.de, Marcus Klöckner)
Ist die “kommunikative Einbahnstraße” zwischen sendenden Medien und empfangenden Lesern/Hörern/Zuschauern zu Ende? Und wie können Redaktionen mit der neu aufgekommenen Kritik umgehen? Im Interview mit Marcus Klöckner spricht Fritz Wolf über die Studie “Wir sind das Publikum!”, die er für die Otto-Brenner-Stiftung angefertigt hat.

4. Wo wir falsch lagen
(nzz.ch, Andreas Rüesch)
Unter dem Titel “Was die Welt erschüttern wird” veröffentlichte die Auslandsredaktion der “NZZ” Ende 2014 eine Liste mit zehn potenziellen Krisenherden. Ein Jahr später blickt Andreas Rüesch zurück auf die eigenen Prognosen und zieht eine selbstkritische Bilanz.

5. Diese Bilder haben uns 2015 schockiert und verblüfft — und alle waren sie gefälscht
(watson.ch)
Inspiriert von “Gizmodo” hat “Watson” spektakuläre Fotos gesammelt, die im vergangenen Jahr für Aufsehen sorgten — und sich später als Hoaxe herausstellten. Die Bildunterschriften sparen dabei nicht mit Selbstkritik: “Der ‘Tages-Anzeiger’ hat das Fake-Bild der Sonnenfinsternis gar als Pushmeldung verbreitet. Doch auch ’20 Minuten’, ‘Blick’ und ‘Blick am Abend’ fielen darauf herein. Und ‘Watson’? Hat’s natürlich ebenfalls vergeigt!”

6. Wie “Star Wars: Das Erwachen der Macht” den Journalismus ein klein wenig besser macht
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Wenn Thomas Knüwer deutsche Medien lobt, muss etwas Besonderes passiert sein. Und das ist es auch, der Auslöser heißt: “Star Wars Episode VII”. Knüwers These: Deutsche Filmkritiker hätten sich in der Vergangenheit oft darauf beschränkt, “in zu langen Passagen besprochene Filme nachzuerzählen.” Doch diesmal seien die Spoiler kaum wahrnehmbar, “stattdessen gibt es gut geschriebene (und überweigend positive) Kritiken, die ganz ohne längliche Story-Nacherzählungen auskommen.”

Vertrauen in die Medien, “Focus Online”, Domians Gespräche

1. Im Sommerabgrund
(zeit.de, Patrick Beuth, Paul Blickle und Julian Stahnke)
“Wir befürchten, dass die Bundesregierung das Thema erfolgreich ausgesessen hat.” Das sagt Markus Beckedahl über einen der größten Medienskandale des Jahres. Offiziell ist die Landesverrats-Affäre um netzpolitik.org beendet. Zwar gibt es noch die Akten des Generalbundesanwalts; die halten Beckedahl und seine Anwälte nach Durchsicht aber für “frisiert”. Doch es gibt auch Erfreuliches: Im August erhielt netzpolitik.org rund 170.000 Euro an Spenden, seitdem haben sich die monatlichen Einnahmen auf einem erkennbar höheren Niveau als vor der Affäre stabilisiert.

2. Mehrheit fühlt sich über Flüchtlinge einseitig informiert
(faz.net, Renate Köcher)
Es existiere zwar “durchaus ein weitverbreitetes Grundvertrauen” in die Arbeit deutscher Medien, bei einzelnen Themen gebe es aber viele kritische Stimmen, so Renate Köcher, Geschäftsführerin des “Instituts für Demoskopie Allensbach”. Konkret: bei der Berichterstattung über Geflüchtete. Das ergab eine Umfrage, die das Institut im Auftrag der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” durchgeführt hat. Köcher schreibt in der “FAZ”: “Diese Zweifel führen auch dazu, dass persönlichen Auskünften von Menschen, die vor Ort mit dem Flüchtlingsthema zu tun haben, zurzeit mehr Vertrauen entgegengebracht wird als der Medienberichterstattung.”

3. Knast für kritische Tweets
(taz.de, Katrin Gänsler)
Hinter dem etwas schwammigen Titel “Verbot unseriöser Petitionen und damit verbundenen Angelegenheiten” steht ein Gesetzesvorschlag, über den aktuell in Nigeria entschieden und viel diskutiert werde. Für “Falschaussagen in Tweets, bei Facebook oder in WhatsApp-Gruppen” könnte es künftig “bis zu zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe von mehr als 18.000 Euro” geben, schreibt Katrin Gänsler: “Mit einem Gesetz, das Falschaussagen in sozialen Netzwerken unter Strafe stellt, könnten vor allem Politiker kritische Journalisten mundtot machen, die soziale Medien intensiv nutzen.”

4. Pest im Focus
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Bild.de ist mittlerweile nicht mehr das reichweitenstärkste Nachrichtenportal Deutschlands. Für den Erfolg des neuen Spitzenreiters sieht Christian Jakubetz vor allem einen Grund: “Bei kaum jemandem trifft der Satz, bei ruiniertem Ruf lebe es sich völlig ungeniert, so zu wie bei ‘Focus Online’.”

5. Don’t f*ck Twitter up!
(sandro-schroeder.de)
Mit anderthalb Milliarden Nutzern dominiert Facebook die Welt der sozialen Netzwerke. Vermeintliche Konkurrenten haben nur dann eine echte Chance, wenn sie sich deutlich unterscheiden. Instagram und Snapchat zeigen, dass und wie es geht. Eine solche Nische könnte eigentlich auch Twitter einnehmen — doch der Dienst setze auf Kopie statt auf Eigenständigkeit. Sandro Schröder wünscht sich, Twitter würde “die treuen Stammkunden der Hashtag-Kneipe an der Tweet-Bar bedienen, statt den Passanten und der Laufkundschaft mit einem Tablett bis vor die Tür von Facebook hinterherzurennen.”

6. WDR-Kult-Interviewer Domian über Handwerk und Verantwortung
(abzv.de, Tim Farin)
Wer könnte besser etwas zum Themenschwerpunkt “Gesprächsführung” sagen als Jürgen Domian? Richtig: keiner. Und daher hat Tim Farin für die “Akademie Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage” mit Domian in einem Interview über Interviews gesprochen.

Entführte Journalisten, Maultasche für “Südkurier”, Kauf ohne Käufer

1. Weltweit derzeit 54 Journalisten entführt
(reporter-ohne-grenzen.de)
153 hauptberufliche Journalisten, 161 Bürgerjournalisten und 14 Medienmitarbeiter seien derzeit weltweit inhaftiert. Dazu kämen 54 entführte Journalisten, acht seien “im Laufe des Jahres 2015 verschwunden”. Das sind die Zahlen der “Reporter ohne Grenzen”, die gerade den ersten Teil ihrer “Jahresbilanz der Pressefreiheit 2015” (PDF) veröffentlicht haben. Hendrik Zörner vom DJV spricht von einer “Schande”, dass “die inhaftierten Journalisten (…) die Kollateralschäden guter bilateraler Beziehungen” seien.

2. Flüchtlingsforschung gegen Mythen 2
(fluechtlingsforschung.net)
“Wir brauchen eine Obergrenze.” Oder: “Sichere Herkunftsländer (…) tragen eben natürlich zu einer schnelleren Bearbeitung bei.” Was ist dran an solchen Behauptungen in der Flüchtlingsdebatte, die auch von Medien verbreitet werden? Das “Netzwerk Flüchtlingsforschung” setzt seinen Faktencheck fort (Teil eins hier) und lässt erneut fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf politische Parolen antworten.

3. Datenjournalismus 2015: Ein Rückblick
(datenjournalist.de, Lorenz Matzat)
Ende Dezember ist die Zeit der Jahresrückblicke. Lorenz Matzat lässt das Jahr 2015 aus datenjournalistischer Perspektive Revue passieren. Er stellt die Projekte vor, die ihn am meisten beeindruckt haben, freut sich darüber, dass viele DDJ-Teams von Frauen geleitet werden, und wagt eine Prognose: “2016 wird das vorerst beste Jahr für Datenjournalismus in Deutschland werden.”

4. Flucht, Hunger, Tod — ein ganzes junges Leben lang
(sueddeutsche.de, Judith Raupp)
Judith Raupp hat für die “Süddeutsche Zeitung” über Afrika berichtet — bis sie sich entschloss, selbst auf den Kontinent zu ziehen. Mittlerweile bildet sie im Kongo Journalisten aus. Und begegnet dabei Menschen, die fürchterliche Dinge erlebt haben. Sie will ihr Engagement aber nicht zu hoch hängen: “Ich bin keine Weltverbesserin. Ich erledige im Kongo einen Job. Auch wenn er mich sprachlos macht.”

5. Maultasche für den Südkurier
(kontextwochenzeitung.de, Holger Reile)
Die “Konstanzer Maultasche” ist wie die “Goldene Himbeere” ein Preis, den niemand bekommen will: Die, nun ja, Auszeichnung geht an Unternehmen, “die ihre Mitarbeiter ganz besonders schlecht behandeln.” Und da ist — dank “Arbeitszeiterhöhung um fünf Wochenstunden, Lohnerhöhungen nach Gutdünken, ‘Tricksereien’ bei der Vergütung für ZeitungszustellerInnen” und so weiter — dieses Mal auch der “Südkurier” dabei.

6. Reporters in Las Vegas Try to Crack Case of Who Owns Their Newspaper
(nytimes.com, Ravi Somaiya, englisch)
Ist ein Casinomagnat der neue Besitzer? Steckt hinter dem Kauf ein politisches Motiv? Fest steht: “The Las Vegas Review-Journal” wurde für “$140 million in cash” verkauft. Wer der Käufer ist, ist hingegen nicht bekannt. Dabei würde die Redaktion gerne wissen, für wen sie nun arbeitet.

Kinderessende Flüchtlinge, Krimkrise, Journalisten in Filmen

1. Warum das virale “Flüchtlinge essen Kinder”-Video nicht lustig ist
(vice.com, Matern Boeselager)
In den vergangenen Tagen dürfte ein großer Teil der Social-Media-Gemeinde über ein 26-Sekunden-Video gelacht haben, in dem unter anderem ein Mädchen erzählt, dass ein Flüchtling eine Fünfjährige gegessen habe. “Das Problem ist nur, dass das Video eine ziemlich bösartige Manipulation ist”, schreibt Matern Boeselager. Der Schnitt reiße die Aussage so aus dem Zusammenhang, dass “sich Tausende Menschen darüber freuen können, dass Rassisten krass dumm und sie selber krass schlau sind. Dabei gibt es nur ein Problem: Ganz so hat sie das nicht gesagt.”

2. Wir müssen streiten!
(ostpol.de, Jelena Kostjutschenko)
In der Krimkrise seien ganze Familien zerstritten gewesen, nur in der Gemeinschaft der Journalisten habe es keine Konflikte gegeben. Weil es auch keine Gemeinschaft gegeben habe, wie Jelena Kostjutschenko beobachtet hat. Sie fordert die russischen Journalisten auf, mehr zu streiten. Für ein neues Selbstverständnis. Zur Russland-Ukraine-Berichterstattung gibt es außerdem ein neues Crowdfunding.

3. Predictions for Journalism 2016
(niemanlab.org, verschiedene Autoren, englisch)
Das “Niemanlab” hat Experten gefragt, womit der Journalismus im kommenden Jahr rechnen muss. Bis zum 18. Dezember kommen ständig neue Beiträge hinzu.

4. Wie der Tod die Lüge schützt
(tagesspiegel.de, Norbert Thomma)
Als der “Tagesspiegel” im April ein Interview mit einer Krebskranken veröffentlichen will, kommen einigen Redakteuren beim Korrekturlesen der zwei Zeitungsseiten die Tränen. Sie sind sich einig: “So etwas Packendes und Anrührendes können wir selten drucken.” Später stellt sich heraus: Die junge Frau hat alle getäuscht, ihre Familie, ihre Freunde, ihre Sterbebegleiter, die Medien. Norbert Thomma rekonstruiert, wie es dazu kommen konnte.

5. Friedensprophet mit Taschenrechner
(amnesty.ch, Ramin M. Nowzad)
Die Welt war noch nie so friedlich wie im 21. Jahrhundert. Es gibt weniger Gewalt, weniger Kriege und weniger Morde als je zuvor. Das ist jedenfalls die These des Evolutionspsychologen Steven Pinker. Den meisten Menschen fällt es schwer, daran zu glauben — Pinker sagt, dass die Medien einen Teil dazu beitragen: “Wenn Sie die Fernsehnachrichten einschalten, erfahren Sie immer nur von Dingen, die passiert sind. Nie von Dingen, die nicht passiert sind.” Solange die Gewaltrate nicht auf null sinke, werde es immer genügend Grausamkeiten geben, um die Abendnachrichten zu füllen.

6. April O’Neil — Journalistin zwischen Emanzipation und Unschuld
(journalistenfilme.de, Patrick Torma)
Auf seiner Seite journalistenfilme.de geht Patrick Torma der Frage nach, welche journalistischen Werte in Filmen vermittelt werden. Zum Beispiel wenn es um Bob Woodward und Carl Bernstein in “Die Unbestechlichen” geht oder um Maddy Bowen in “Blood Diamond”. Aktuelle schaut sich Torma die Rolle von April O’Neil bei den “Teenage Mutant Hero Turtles” an und fragt, ob “in der Reporterin mit dem kanariengelben Jumpsuit ein journalistisches Vorbild” steckt.

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