Archiv für 6 vor 9

Abschlussbericht Relotius, Rap-Hack, Des Anwalts Strache-Video

1. Abschluss der Relotius-Affäre: Schwächen im System
(ndr.de, Daniel Bouhs und Inga Mathwig)
Der “Spiegel” hat den Abschlussbericht der Aufklärungskommission zum Fall Relotius vorgelegt (hier als PDF lesbar). Bittere Erkenntnis: Etwa ein Dutzend Artikel sind anscheinend reine Märchengeschichten, “aber die anderen sind auch so verfälscht, dass der größte Teil von ihnen am Ende journalistisch wertlos ist”, so “Spiegel”-Chef Steffen Klusmann. Es lohnt sich, den Abschlussbericht im Original zu lesen. Dort gibt es bezeichnende Originalzitate aus dem Schriftverkehr zwischen Claas Relotius und seinen “Spiegel”-Vorgesetzten: “Wir suchen nach einer Frau mit Kind. Sie kommt idealerweise aus einem absolut verschissenen Land (…) Sie setzt ihre Hoffnung auf ein neues, freies gutes Leben in USA (…) Es muss eine sein, die mithilfe eines Kojoten über die Grenze will (…) Die Figur für den zweiten Konflikt beschreibt Claas (…) Dieser Typ wird selbstverständlich Trump gewählt haben, ist schon heiß gelaufen, als Trump den Mauerbau an der Grenze ankündigt hat, und freut sich jetzt auf die Leute dieses Trecks, wie Obelix sich auf die Ankunft einer neuen Legion von Römern freut (…) Wenn ihr die richtigen Leute findet, wird das die Geschichte des Jahres.”

2. Der Rap Hack: Kauf Dich in die Charts! Wie Klickzahlen manipuliert werden
(youtube.com, Y-Kollektiv)
In einer Doku des Y-Kollektivs über manipulierte Musik-Charts unternimmt Reporter Ilhan Coskun einen Selbstversuch: Er bastelt sich einen Rap-Song und lässt diesen auf den verschiedenen Musikplattformen von einem “Experten” pushen. Der habe die Hoheit über unzählige Youtube- und Spotify-Accounts und könne jeden Song über Nacht zum Streaming-Wunder machen.

3. Ibiza-Video: Anwalt legt Geständnis ab – “investigativ-journalistisches Projekt”
(kurier.at, Kid Möchel)
Ein Wiener Anwalt hat sich bei den Medien als Initiator des Strache-Videos gemeldet. In seinem Geständnis behauptet er, dass “es sich beim Ibiza-Video um ein zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt handle, bei dem investigativ-journalistische Wege beschritten wurden”. Der Anwalt hat sich für das Schreiben selbst anwaltlicher Hilfe bedient: Verfasst wurde der Brief von Strafrechtsprofessor Richard Soyer, der in dem Vorgehen seines Mandanten kein strafbares Verhalten entdecken kann.
Weiterer Lesetipp: Zentrum für Politische Schönheit soll Strache-Video gekauft haben (zdf.de, Arndt Ginzel & Kyo Jung & Daniel Laufer & Christian Rohde).
Und außerdem: Warum die Medien über das Strache-Video berichten mussten (sueddeutsche.de, Wolfgang Krach).

4. “Ich bin ein ständiger Unruhegeist”
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Nach über 30 Jahren hat Gerhard Delling die “Sportschau” verlassen. Im Gespräch mit Markus Ehrenberg erzählt er von seinem Abschied, den nicht mehr vorhandenen Möglichkeiten als “Unruhegeist” bei der ARD und dem Leben nach der “Sprotschau”.

5. Eine Liebeserklärung an die »Politische Korrektheit«
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Till Raether)
“Menschenfreundlichkeit. Gutes Benehmen. Respekt.” Der Begriff der “politischen Korrektheit” stieße vielleicht nicht auf so viel Ablehnung, wenn man ihn denn anders benennen würde. Till Raether kommentiert: “Wer »politische Korrektheit« ablehnt, lehnt im Grunde ur-konservative Tugenden ab: gutes Benehmen, Höflichkeit im Umgang miteinander, Respekt vor anderen, Eigeninitiative und Verantwortung. Denn das, was ihre Gegner*innen »politische Korrektheit« nennen, kommt ja entgegen ihrer Andeutungen nicht von oben, aus Erlassen und Verordnungen, sondern man muss sich diese Art von Verhalten selber erarbeiten. Indem man anderen zuhört, ihnen Raum lässt, ihnen zugunsten auch mal die Klappe hält, zuhört. Traurig, dass das für so viele Menschen eine so große Zumutung ist.”

6. Zwölf Lehren, die man aus “Game of Thrones” ziehen kann
(dwdl.de, Ulrike Klode)
Acht Jahre lang hat die US-amerikanische Fantasy-Fernsehserie “Game of Thrones” für Rekordquoten gesorgt und zahlreiche Auszeichnungen eingeheimst. Anlässlich des Serienendes blickt Ulrike Klode in einem vorläufigen Fazit auf die acht Staffeln zurück. Dabei sind zwölf überaus lesenswerte Lehren herausgekommen. Und keine Sorge: Es gibt auch eine Spoilerwarnung.

Umfrage-Nullnummern, Video-“Irrtümer” der CDU, Ausreisesperre

1. Jörg Schönenborn: “Viele Umfragen sind Nullnummern”
(dwdl.de, Alexander Krei)
WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn moderiert seit zwei Jahrzehnten die ARD-Wahlsendungen. “DWDL” hat ihn unter anderem gefragt, was gelungene Fragen ausmacht, wie oft er schon den Touchscreen verwünscht hat und was seine bislang schwierigste Situation an einem Wahlabend war.

2. Ein Reporter des Tagesspiegel soll Kolleginnen bedrängt, gestalkt und sexuell belästigt haben
(buzzfeed.com, Pascale Mueller)
Mehrere Frauen und langjährige Mitarbeiter des “Tagesspiegel” haben gegenüber “BuzzFeedNews” von sexuellen Belästigungen und Übergriffen eines “Tagesspiegel”-Reporters berichtet. Der Mittfünfziger habe es vor allem auf junge Praktikantinnen, Volontärinnen und freie Journalistinnen abgesehen und seine Machtposition missbraucht, so der Vorwurf. Infolge der “Buzzfeed”-Recherchen hat der “Tagesspiegel” den Mann zunächst freigestellt. Außerdem plane man, eine Ombudsstelle einzurichten.

3. Mehrheit vermeidet öffentliche Aussagen zu vermeintlichen Tabuthemen
(zeit.de)
Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach will herausgefunden haben, dass sich die Mehrheit der Menschen mit der eigenen Meinung zu vermeintlichen Tabuthemen in der Öffentlichkeit zurückhalte. Dies betreffe vor allem Themen wie Flüchtlingspolitik, Muslime und Islam.

4. “Die Gesellschaft soll mit Falschinformationen vergiftet werden”
(jetzt.de, Berit Dießelkämper)
Alex Urban leitet die Facebook-Gruppe “#ichbinhier”, in der mehr als 40.000 Mitglieder gegen rechte Hetze im Netz kämpfen, indem sie Hasskommentaren und Falschinformationen sachliche Antworten entgegenstellen. Im Gespräch mit “jetzt” erklärt Urban, was ihn antreibt, wie Internet-Hetze funktioniert und was er sich von Online-Medien wünscht.

5. Ausreisesperre gegen Mesale Tolus Ehemann
(reporter-ohne-grenzen.de)
Suat Corlu ist der Ehemann der Journalistin Mesale Tolu, die in der Türkei wegen angeblicher Terrorvorwürfe mehr als sieben Monate im Frauengefängnis saß. Wie seine Ehefrau scheint er sehr mutig zu sein, denn er ist in die Türkei gereist, um dem Gerichtsverfahren gegen ihn und seine Frau beizuwohnen. Prompt wurde ihm am Flughafen der Pass abgenommen und eine Ausreisesperre gegen ihn verhängt. Christian Mihr, Geschäftsführer bei “Reporter ohne Grenzen” kommentiert: “Mesale Tolu und ihre Familie wurden durch die lange Untersuchungshaft schon genug bestraft. Die türkischen Behörden müssen die Ausreisesperre gegen Suat Corlu aufheben, um ihm eine Rückkehr nach Deutschland zu seiner Familie zu ermöglichen”.

6. CDU bespielt Youtube-Kanal “irrtümlich” mit Clips von ARD und ZDF
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Es ist schon etwas peinlich: Nach Hinweisen des Satirikers und “Partei”-Europakandidaten Nico Semsrott musste die CDU zahlreiche Talkshow-Clips von ARD und ZDF löschen, die sie in ihren Youtube-Kanal hochgeladen hatte.

Rechte Online-Strategien, Medien im Endlostunnel, Geistesblitze für alle

1. Bürgerbewegung warnt Facebook vor rechter Propagandaflut
(spiegel.de, Markus Becker & Patrick Beuth)
Die Online-Bürgerbewegung Avaaz hat auf Facebook nach eigener Aussage rechte Desinformationsnetzwerke in Millionengröße entdeckt und diese an Facebook gemeldet. Daraufhin wurden von Facebook angeblich 77 Seiten mit rund sechs Millionen Followern stillgelegt. Während Avaaz die Funde als “Massenvernichtungswaffen für die Demokratie” bezeichnet, wiegelt Facebook ab.
Weiterer Lesehinweis: Eine Untersuchung des Medienwissenschaftlers Trevor Davis habe herausgefunden, dass rund 200.000 wahrscheinlich gefälschte Facebook-Accounts für die AfD Stimmung machen würden: Verdächtige Accounts unterstützen AfD (zdf.de, Stephan Mündges & Ulrich Stoll).

2. Influencer der “Neuen Rechten”
(deutschlandfunk.de, Burkhard Schäfers)
Junge Rechtsextreme haben eine neue Strategie für sich entdeckt: Sie präsentieren sich in Videos und Fotos als Youtube-Stars und Influencer. Der Journalist Patrick Stegemann beschreibt das Vorgehen: “Die machen Selfies, es ist ein Filter drüber, sie machen Naturbilder, sie fotografieren ihre Schuhe, ihre Klamotten. Die sind dann teilweise von Klamottenmarken der extremen Rechten. Aber auf den ersten Blick unterscheidet sie eigentlich kaum etwas.”

3. Das fahle Licht am Ende des Endlostunnels
(meta-magazin.org, Franco Zotta)
Vor Kurzem jubelte die Branche über die positive wirtschaftliche Entwicklung beim “Guardian”. Dabei geriet jedoch in den Hintergrund, dass der “Guardian” in den vergangenen Jahren hunderte Millionen Euro Verluste angehäuft und 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gekündigt hat. Franco Zotta nutzt dieses Beispiel als Einstieg für einige gute Gedanken über die zukünftige Medienentwicklung. Dabei hinterfragt er auch das Businesskonzept des von Gabor Steingart angekündigten Medienschiffs.

4. Geistesblitze für alle
(zeit.de, Hedwig Richter)
Die Historikerin Hedwig Richter ist ein Twitter-Fan: “Twitter ist eine digitale Agora. Es ist eben auch ein Ort der Wissenschaft, es bietet Platz für Neugierde, Debatten und Austausch.” Folgerichtig hat sie im Sommersemester 2018 ihre Vorlesung an der Universität Heidelberg zusätzlich auf Twitter präsentiert. Die Resonanz war ausgesprochen positiv. Richters Resümee: “Twitter kann den Horizont für gemeinsame Projekte öffnen.”

5. Ein neues Tool für mehr Glaubwürdigkeit
(de.ejo-online.eu, Kornélia R. Kiss)
“NewsGuard” will Desinformationen entgegentreten und stuft daher Nachrichtenwebsites und deren Glaubwürdigkeit ein. Dazu muss der Nutzer ein Browser-Plugin installieren. In Deutschland seien bislang ungefähr 80 Seiten bewertet worden, unter denen drei “rot” markiert seien: “Sputnik”, “RT” und “Epoch Times”. Auf Twitter gab es bereits Kritik: “Gut als erste Einschätzung. Aber bei “Bild” zeigt sich, dass sich viele Hinweise zu einer Publikation erst hinter einem Klick im “Kleingedruckten” verstecken.”

6. Whoah, we’re going to Ibiza!
(taz.de, Silke Mertins)
Die Boulevardzeitung “Österreich” verlost einen Kurzaufenthalt in der Ibiza-Villa, die durch das Strache-Video einige Berühmtheit erlangt hat. Die “taz” hat einen Tipp für die Vermieter des Luxusanwesens: “Wenn die Vermieter der Villa auf Ibiza schlau sind, dann richteten sie am Ort des korrupten Geschehens eine Pilgerstätte für Gegner der Neuen Rechten ein. Mit Eintritt, Andenkenshop und Fotoshooting auf dem Schicksalssofa.”

CDU-Zerstörung, AfD-Medien-Treff im Bundestag, Mein Heft und ich

1. Die Zerstörung der CDU durch einen Youtuber
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
“Die Zerstörung der CDU” heißt das 55-minütige Video des Youtubers Rezo, das innerhalb weniger Tage mehr als 2,5 Millionen Mal aufgerufen wurde. Thomas Knüwer kommentiert: “Ich habe das Gefühl, dass hier eine neue Generation von Journalismus entsteht. Er ist genauso emotional, kommentierend und subjektiv wie der aktuelle Journalismus älterer Generationen — und dies kann ich nicht gut finden. Doch haben Youtuber wie Rezo eine Fähigkeit, die den Redaktionen klassischer Medien abhanden gekommen ist: Sie sprechen die Sprache ihrer Zielgruppe. Und deshalb sind sie in der Lage, diese für sich zu gewinnen.”
Weitere Lesetipps: Das Interview mit Rezo, dem Macher des Videos: Wie der Youtuber Rezo in einer Stunde die Logik der CDU zerlegt (jetzt.de, Sophie Aschenbrenner & Nicolas Freund). Sowie Fridtjof Küchemann bei FAZ.net: Kommt damit klar!

2. “Erste Konferenz der freien Medien”: Wie die AfD rechte Blogger und Identitäre in den Bundestag einlud
(correctiv.org, Till Eckert)
Die AfD hat ein größeres Treffen mit Vertretern alternativer, rechter Medien im Bundestag organisiert. “Die größten Netzwerker der rechten Szene tauschten dort mit Abgeordneten Nummern aus”, schreibt Till Eckert, der für “Correctiv” ebenfalls vor Ort war und seine Eindrücke von der “1. Konferenz der freien Medien” schildert.

3. Facebook hat offenbar Mitglieder einer EU-Expertengruppe unter Druck gesetzt, die Desinformation bekämpfen sollten
(buzzfeed.com, Nico Schmidt & Daphné Dupont-Nivet)
Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die Mitglieder einer EU-Expertengruppe gegen Facebook erheben: Das Netzwerk habe ihnen bei zu harter Regulierung mit dem Entzug von Fördergeldern für journalistische und akademische Projekte gedroht. Offenbar nutze Facebook die finanziellen Unterstützungen für Journalismus (für die nächsten drei Jahre 300 Millionen Euro) als Druckmittel.

4. Was ist in unseren journalistischen Beiträgen erlaubt, was nicht?
(blog.zeit.de)
Bei “Zeit” und “Zeit Online” hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe “Standards und Regeln” formuliert und mit den Redaktionen diskutiert. Anschließend wurden die Regeln im Sinne der Transparenz im sogenannten “Glashaus-Blog” veröffentlicht.

5. Forscher halten Falschmeldungen für überschätztes Problem
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Gemäß einer Untersuchung der Beratungsfirma PriceWaterhouseCoopers geht die Mehrheit der Deutschen davon aus, dass auf Facebook und Twitter vor der Europawahl massiv mit Falschmeldungen Stimmung gemacht und so die Wahl beeinflusst wird. Zu einem anderen Ergebnis kommt das Oxford Internet Institute: Derartige Falschmeldungen seien ein überschätztes Problem. Patrick Beuth stellt de Ergebnisse der Oxford-Studie vor.
Weiterer Lesetipp: EU-Wahl: Gehen Facebook, Google und Twitter ausreichend gegen Desinformation vor? (sciencemediacenter.de).

6. Mein Heft und ich
(taz.de)
Personality-Titel sind im Zeitschriftenmarkt gerade schwer angesagt, ob Barbara Schönebergers “Barbara”, Joko Winterscheidts “JWD”, Guido Maria Kretschmers “Guido” oder Eckhard von Hirschhausens “Stern Gesund leben”. Die “taz” hat ein paar Ideen für weitere Personality-Magazine und sogar schon die passenden Cover dafür parat. Mit dabei: Die Magazine “Verena” von Keks-Erbin Verena Bahlsen und das Wutbürger-Magazin “Hans-Georg”.

Prahlheinz Strache, Mathematischer Clusterfuck, Vergifteter Tee

1. “Prahlerisch wie ein Teenager” – Jetzt erst recht!
(arminwolf.at)
Der österreichische Journalist und Moderator Armin Wolf kennt den FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache bereits seit dem August 2005. In dieser Zeit führte er mit Strache das sogenannte Sommergespräch, das zu Straches erstem großen medialen Auftritt wurde. In Vorbereitung auf die Sendung schaute sich Wolf die Homepage seines Interviewpartners an und stolperte dort über eine Kurzrezension eines Ernst-Jünger-Bandes. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei Straches angeblicher Jünger-Rezension um eine gekürzte Version eines Textes einer rechtsextremen “Heimatseite”. Dies ist nur eine der vielen interessanten Aspekte des lesenswerten Berichts über den Menschen und Politiker Strache.

2. Wenn Journalisten angegriffen werden, sind wir alle das Ziel
(fr.de, Bascha Mika)
Bei einer Gedenkfeier von kroatischen Nationalisten im österreichischen Bleiburg wurde Danijel Majic, Reporter bei der “Frankfurter Rundschau”, beschimpft, bespuckt, geschlagen und getreten. “FR”-Chefredakteurin Bascha Mika kommentiert: “In wenigen Tagen ist die Europa Wahl. Wenn, was sich abzeichnet, die Nationalisten und Rechtsextremen stärker werden, können wir uns ausrechnen, was daraus folgt. Nicht nur für den kritischen Journalismus.”
Zum Hintergrund: Angriff von rechtsextremem Moderator — Keine Anzeige gegen FR-Reporter (fr.de).

3. Seltsamer “Tagesschau”-Bericht: Beherrscht die AfD das halbe Internet?
(vice.com, Sebastian Meineck)
Als “mathematischen Clusterfuck” bezeichnet Sebastian Meineck die Berichterstattung der “Tagesschau” über die angebliche AfD-Dominanz in den Sozialen Medien (war hier auch bei uns in den “6 vor 9” verlinkt). Die Schlussfolgerungen seien stark vereinfacht und würden ein irreführendes Bild zeichnen. Sein Resümee, nachdem er mit dem Team der Analyse-Firma gesprochen hat, auf deren Daten der “Tagesschau”-Bericht basiert: “[W]as Alto Data Analytics herausgefunden hat, ist einfach zu speziell, um es im Stil der Tagesschau zu vereinfachen. Das Kuchendiagramm der Tagesschau erweckt den Anschein, als würde in sozialen Medien jede zweite politische Äußerung über die AfD getätigt werden — eine zu stark vereinfachte Nachricht, über die sich vor allem die AfD freuen dürfte.”

4. “Das Urheberrecht verteilt Vermögen von den Lebenden zu den Toten”
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Martin Kretschmer leitet an der Universität Glasgow das Forschungszentrum CREATe für Urheberrecht und Kreativwirtschaft und ist ein profunder Kenner der EU-Urheberrechtsreform. Im Interview spricht er über Spielräume bei der Umsetzung, die berühmt-berüchtigten Upload-Filter und den Einfluss von Unternehmen auf das Gesetz. So richtig optimistisch ist der Experte nicht, was die Zukunft angeht. Doch eine Sache könne Mut machen: “Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass öffentlicher Druck hilft. Die SPD hat nachweislich anders verhandelt, weil der Widerstand in Deutschland so laut und deutlich wurde. Der Koalitionsvertrag schließt verpflichtende Upload-Filter aus. Es ist wichtig, die Parteien beim Wort zu nehmen. Es ist noch so viel Spielraum bei der Umsetzung vorhanden, dass sich die Mühe lohnt.”

5. 23 Milliarden für Flüchtlinge? Die Geschichte einer Zahl
(zdf.de, Florian Neuhann)
Alice Weidel (AfD) ließ ihrer Empörung freien Lauf: Im Jahr 2018 seien 23 Milliarden Euro Asylkosten aufgelaufen. Auch die “Bild”-Zeitung schrieb von einem Rekord: “Flüchtlingskosten 2018 hoch wie nie”. Das Problem: Die Zahl stammt zwar aus dem Finanzministerium, fasse jedoch Positionen zusammen, die nicht dorthin gehören würden, so Florian Neuhann. Für das ZDF hat er näher hingeschaut und siehe da: “Bei genauerem Betrachten schrumpft die ursprüngliche Rekordzahl immer weiter in sich zusammen.”

6. Journalistische Verantwortung am Beispiel Bubble Tea
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer führt drei Beispiele für schlampige bis verantwortungslose Berichterstattung an: die Berichte über Angela Merkels angeblichen Wechsel auf eine EU-Position, die bereits etwas zurückliegende Berichterstattung zu angeblich giftigem Bubble-Tea und die mindestens irreführende Überschrift über ein angebliches Aufeinandertreffen von Verena Bahlsen und Kevin Kühnert. Knüwers Kommentar: “Früher waren solche Halb- und Unwahrheiten dem Boulevard und den Klatschblättern vorbehalten — heute darf jeder mal, weil er glaubt, dass sich alles versendet.”

Strache-Video, Ventil oder Brandbeschleuniger, “heute-show”

1. Es geht alle an
(sueddeutsche.de, Kurt Kister)
Durften “SZ” und “Spiegel” das Strache-Video veröffentlichen, das vor zwei Jahren heimlich in einer Villa auf Ibiza aufgezeichnet wurde? Und spielt es eine Rolle, dass sie offenbar nichts über das Woher und Warum wussten? Kurt Kister wägt die Argumente gegeneinander ab und befindet: “Entscheidend ist, ob der Inhalt relevant ist. Dann gehört es in die Öffentlichkeit.”
Weitere Tipps zum Thema: Wie die SZ an das Videomaterial gelangt ist (sueddeutsche.de, Leila Al-Serori & Bastian Obermayer) und Wie der SPIEGEL das Strache-Video überprüft hat (spiegel.de). Und wer angesichts der ganzen Geschichte das Lachen verloren hat, kann es eventuell hier wiederfinden: So finden Sie versteckte Kameras in Ihrem Airbnb-Appartement (standard.at, Andreas Proschofsky).

2. Österreichs Medien und die Politik: Nicht für blöd verkaufen lassen
(derstandard.at, Hans Rauscher)
Der Sturz von Strache und Gudenus sei “nur eine Etappe im Kampf um Medien, die ihre Rolle in der Demokratie wahrnehmen”, findet Hans Rauscher im österreichischen “Standard”. Außerdem erklärt Rauscher die politisch-mediale Gemengelage: “Die “Krone” (und Fellners “Österreich”) haben die türkis-blaue Regierung hinaufgeschrieben und sind dafür mit Millionen in Form von Inseratengeld gefüttert worden. Die “Krone” wurde durch die unfassbare Dummheit von Strache und Co (“Die übernehmen wir mit russischem Geld”) vom Unterstützer zum Gegner der FPÖ. Seit sich René Benko, der Immobilientycoon und gute Bekannte von Sebastian Kurz, bei der “Krone” (und beim “Kurier”) eingekauft hat, betrachtet die “Krone” auch Kurz etwas skeptischer.”

3. Analyse der Rede von Sebastian Kurz
(threadreaderapp.com, Natascha Strobl)
Am Samstagvormittag trat Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nach der Veröffentlichung des sogenannten “Ibiza-Videos” zurück. Abends trat Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor die Kameras, verkündete das Ende der Zusammenarbeit mit der FPÖ und kündigte Neuwahlen an. Natascha Strobl hat genau hingehört und die Kurz-Rede einer lesenswerten und lehrreichen Textanalyse unterzogen.

4. Ventil oder Brandbeschleuniger?
(facebook.com/moritz.gathmann)
“Bild”-Chef Julian Reichelt hat jüngst bei einer gemeinsamen Veranstaltung von Schwarzkopf- und Hertie-Stiftung über die “Verantwortung im Journalismus” gesprochen (ja, wir mussten auch lachen). Moritz Gathmann hatte die Ehre, die Veranstaltung zu moderieren, und hat seine Eindrücke von dem Abend auf Facebook niedergeschrieben. Gathmanns Resümee: “Am Ende wirkt Reichelt auf mich wie ein Metzger, der sich an solchen Abenden nachdenklich gibt über die Frage, ob man Tiere essen solle. Und dann geht er am nächsten Tag wieder lustvoll an die Arbeit.”

5. Schädliche Neigungen
(message-online.com, Volker Lilienthal & Journalistik-Studierende der UHH)
Claas Relotius hat mit seinen gefälschten Artikeln vor allem dem “Spiegel” schweren Schaden zugefügt. Doch Relotius hat auch bei anderen Medien veröffentlicht, unter anderem bei der mittlerweile eingestellten “Financial Times” (Gruner + Jahr). Nun haben sich Volker Lilienthal, Professor für die “Praxis des Qualitätsjournalismus” an der Uni Hamburg, und ein Team aus Studenten und Studentinnen daran gemacht, die Relotius-Texte bei der “FTD” zu überprüfen. Eine der Einsichten: “Schon der frühe Relotius entwickelte schädliche Neigungen, er recherchierte seine Fakten nicht immer sorgfältig, er kupferte manchmal bei anderen ab, und er hübschte seine Storys gelegentlich auf, indem er Vor-Ort-Sein suggerierte und mutmaßlich auch Zudichtungen vornahm. Dies alles zu einer Zeit, als der damalige Mitzwanziger noch an der Hamburg Media School studierte bzw. kurz nachdem er dort Ende 2011 seinen Masterabschluss gemacht hatte.”

6. Liebe “heute-show”, wo ist deine Ambition geblieben?
(dwdl.de, Hans Hoff)
Anlässlich des bevorstehenden zehnten Geburtstags, hat Hans Hoff der “heute-show” einen Brief geschrieben. Dabei geht es um eine enttäuschte Liebe: “Mensch, “heute-show”. Du wirst zehn Jahre alt. Reiß dich mal am Riemen, mach mal das Kreuz gerade und schiel nicht immer nur nach Masse. Du warst doch mal eine ganz intelligente Form der Unterhaltung. Warst du nicht? Okay, dann war ich früher vielleicht anspruchsloser.”

Poschardt und VW-Diess im Bett, #RapToo, Umarmungen für Wiglaf

1. Die Auflagen-Bilanz der größten 82 Regionalzeitungen: Tagesspiegel einziger Gewinner dank E-Paper
(meedia.de, Jens Schröder)
Der Auflagenschwund der deutschen Lokal- und Regionalzeitungsbranche hat sich auch im ersten Quartal 2019 fortgesetzt: 81 Verlierer und lediglich ein Gewinner, so lautet die aktuelle Bilanz. Besonders übel hat es die Boulevardblätter erwischt mit einem Minus von teilweise über 20 Prozent (“Express”) im Vergleich zum Vorjahr. Jens Schröder führt alle Zahlen auf und kommentiert bemerkenswerte Entwicklungen.

2. Ein Schritt in Richtung #RapToo
(taz.de, Carolina Schwarz)
Die aktuellen Gewaltvorwürfe gegen einzelne Rapper könnten Auswirkungen auf die sonst eher unkritische Rap-Berichterstattung haben. Carolina Schwarz hat sich angeschaut, wie Musikblogs und andere Medien aus der Szene mit der Thematik umgehen.

3. Im Bett mit Herbert
(kontextwochenzeitung.de, René Martens)
Am 7. Mai überließ die “Welt” ihr Blatt dem VW-Konzern. An diesem Tag fungierte Herbert Diess, der Vorstandsvorsitzende von VW höchst offiziell als Chefredakteur neben Ulf Poschardt. Man möchte weinen, findet René Martens: “Dass sich die “Welt” mit Herbert Diess ins Bett gelegt hat, ist (…) nur konsequent — es ist aber auch Ausdruck einer generell problematischen Entwicklung im Journalismus. Die Grenzen zwischen klassisch redaktionellem Inhalt und Werbung verschwimmen vielerorts, etwa bei Beilagen zu Themen wie Gesundheit oder Reise, die dann als “Verlagsspezial” oder “Verlags-Sonderveröffentlichung” ausgewiesen werden.”

4. Die Lokalzeitung: “Das letzte Lagerfeuer in einer unüberschaubaren Welt”
(fachjournalist.de)
Marc Rath ist der Chefredakteur der “Landeszeitung für die Lüneburger Heide” und ein überzeugter Anhänger des Lokaljournalismus. Im Interview mit dem “Fachjournalist” erklärt er die Chancen und Herausforderungen in diesem Arbeitsumfeld. Es geht unter anderem um Glaubwürdigkeit und den digitalen Wandel.

5. Podcast-Pionier Matt Lieber: Deshalb ist das Podcast-Geschäft bald mehrere Milliarden wert
(omr.com, Martin Gardt)
Matt Lieber, Podcast-Pionier und Co-Gründer des Podcast-Labels Gimlet Media, hat sein Unternehmen für kolportierte 230 Millionen US-Dollar an Spotify verkauft. Im “OMR”-Podcast erzählt er von den Schwierigkeiten des Podcast-Markts, aber auch den enormen Wachstumschancen.

6. Ein Symbolbild und die Kritik daran
(deutschlandfunk.de, Christian Röther)
Christian Röther erzählt im “Deutschlandfunk”, was schiefgehen kann, wenn man bei der Bebilderung eines Beitrags nicht ganz genau aufpasst: Für einen Beitrag über Islamische Theologie suchte er ein passend verschlagwortetes Bild aus dem Fotoarchiv heraus und stellte es online. Und hier beginnt die eigentliche Geschichte.

7. Wiglaf Droste: Grönemeyer kann nicht tanzen
(youtube.com, Wiglaf Droste)
Anlässlich des Todes des Satirikers und Schriftstellers Wiglaf Droste.

Lesenswerte und berührende Nachrufe gibt es von Friedrich Küppersbusch bei der “taz”, von Hans Zippert bei der “Welt” und Arno Frank beim “Spiegel”.

Twitter verbietet Scherze, Phantom-Spielbericht, Prä-Online-Shitstorms

1. Twitter-Scherze zur Europawahl sind nicht mehr erlaubt
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Wer auf Twitter einen Scherz zur Europawahl macht, riskiert, von der Plattform zu fliegen. Dies sei die Folge einer “Richtlinie zur Integrität von Wahlen”. Die Twitter-Anweisung verbiete “das Posten oder Teilen von Inhalten, die sich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken oder falsche Angaben zum Termin, zum Ort, oder zum Ablauf einer Wahl machen”. Aber eine Twitter-Sperre kann mittlerweile jeden und jede treffen, wie die vergangenen Tage zeigten. Und mit Wahlbeeinflussung hatten die allermeisten Fälle nichts zu tun.
Weiterer Lesetipp: Sebastian Baumers “ziemlich kafkaeske Geschichte der Löschung meines Twitteraccounts”, in der er ernüchtert feststellt: “Ich sehe inzwischen ein, dass ich in den letzten Jahren (vor allem nach 2015) einen großen Fehler gemacht habe: Der Fehler war, vor allem und mehr und mehr schwerpunktmäßig auf eine einzelne Plattform zu setzen, was mein Schreiben, meine Fotografie und meine ganze Internetaktivität angeht, nämlich Twitter.”

2. Europa, im Streit vereint
(zeit.de, Maria Exner & Philip Faigle & Sebastian Horn & Jochen Wegner)
Die “Zeit” hat zusammen mit 15 europäischen Partnermedien die Aktion “Europe talks” ins Leben gerufen. Dabei wurden den Leserinnen und Lesern sieben Fragen zu Europa gestellt (zum Beispiel “Sollten alle europäischen Länder strenge Grenzkontrollen einführen?” oder “Verbessert die EU das Leben ihrer Einwohner?”). Anschließend konnten sie sich per Computerlos mit einer unbekannten anderen teilnehmenden Person zum Gespräch zusammenführen lassen, die andere, womöglich gegensätzliche Ansichten hat. Die “Zeit” nennt das Prinzip intern “Politik-Tinder”. Das Ziel sei, persönliche Zwiegespräche zu vermitteln, um so die Filterblasen zu überwinden. Auf den Websites der insgesamt 16 Medienpartner hätten sich mehr als 21.000 Menschen für “Europe Talks” registriert.

3. Wie das Startup Hypedby auf Instagram enorme Reichweiten erzielt und damit Geld verdient
(kress.de, Marc Bartl)
Das Unternehmen Hypedby unterhält bei Instagram über 50 Kanäle mit mehr als zwölf Millionen Followern. Dabei geht es vornehmlich um Fußball, Motorsport, Kochrezepte und Haustiere. Erst vor zwei Jahren gegründet, beschäftigt Hypedby mittlerweile 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um alle Schritte der Verinstagramisierung von Inhalten kümmern.

4. Shitstorm anno 1971
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell, Audio: 4:20 Minuten)
Shitstorms gab es bereits in der Prä-Online-Ära, es existierte nur noch nicht der Begriff dafür. Matthias Dell berichtet im “Deutschlandfunk” über einen dieser analog ausgetragenen Shitstorms aus den 70er-Jahren. Es geht um einen Dokumentarfilm des Regisseurs Eberhard Fechner: “Man kann in den Reaktionen auf den Fechner-Film von 1971 schon vieles von dem entdecken, womit wir es gegenwärtig zu tun haben. Umgangsformen spielen heute aber kaum mehr eine Rolle. Damals macht sich die Zuschauerin immerhin noch die Mühe, ihren Abschied von diesen Formen zu erklären. Heute würde sie wohl zu Ausrufezeichen und Großbuchstaben greifen.”

5. Aus der Tiefe des Maschinenraumes
(uebermedien.de, Holger Pauler)
“Der Unparteiische setzte mit dem Halbzeitpfiff dem torlosen Treiben auf dem Feld vorläufig ein Ende. Nach torloser erster Halbzeit gab es auch nach Wiederanpfiff keine Treffer zu bewundern. Die Teams trennten sich am Ende mit einer Nullnummer voneinander.” So las sich ein Fußball-Spielbericht zum Beispiel in der “Welt”. Das Problem: Das Spiel hatte gar nicht bis zum Ende stattgefunden, sondern war vom Schiedsrichter bereits nach elf Minuten wegen eines Gewitters samt Hagel und Starkregen abgebrochen worden. Dass der Spielbericht des Phantomspiels dennoch erschien, ist fehlerhaften Angaben eines Datenlieferanten geschuldet. Auf deren Basis setzte eine Software den unpassenden Spielbericht aus Textbausteinen zusammen. Der Vorfall erinnert daran, wie sehr sich computergenerierte Texte mittlerweile in der Fußballergebnis- und Börsenberichterstattung breitgemacht haben.

6. Abtreibungsgegner Yannic Hendricks zieht seine Berufung gegen BuzzFeed News zurück – wir werden seinen Namen weiterhin nennen
(buzzfeed.com, Juliane Loeffler)
Der Abtreibungsgegner und leidenschaftliche Ärzte-Anzeiger Yannic Hendricks war gegen “Buzzfeed News” vorgegangen, weil die Nachrichtenseite seinen Namen genannt hatte. Nachdem dies juristisch erfolglos blieb, legte er Berufung ein, zog diese jedoch wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurück. In der Berufungsbegründung hatte er unter anderem damit argumentiert, dass er aufgrund der Namensnennung stigmatisiert worden sei. So sei er auf Social Media unter anderem als “Arschloch” bezeichnet worden.

Mopo-“Strategie”, Monetarisierter “Checkpoint”, Europa-Spot der NPD

1. DuMonts Mopo ändert Print-Strategie: Boulevardblatt folgt bei Zeitungsthemen den Leserinteressen im Netz
(meedia.de, Gregory Lipinski)
Beim Lesen kann man fast die uninspirierte Verzweiflung spüren, mit der das Haus DuMont die gedruckte Hauptausgabe der “Hamburger Morgenpost” “stärken” will: Um den Auflagenschwund der gedruckten Zeitung zu stoppen, sollen klickstarke Geschichten aus dem Netz gefischt und für die Zeitung aufbereitet werden. Wobei sich DuMont wohl komplett aus dem Zeitungsgeschäft zurückziehen will: Seit einigen Tagen wird in Medien über den Verkauf der DuMont-Zeitungstitel spekuliert.

2. 1000 durchgeschriebene Nächte
(tagesspiegel.de, Lorenz Maroldt)
2014 gründeten Stefanie Golla und Lorenz Maroldt vom “Tagesspiegel” einen täglichen Morgennewsletter aus Berlin: den “Checkpoint”. Tausend Ausgaben später kommt nun der nächste Schritt: die Vermarktung. Ein Abo des Newsletters kostet künftig monatlich 6,99 Euro, ein Jahresabo 5 Euro im Monat. Eine gekürzte Version des Newsletters soll jedoch weiterhin kostenlos erhältlich sein. Lorenz Maroldt nutzt die Gelegenheit, auf “1000 durchgeschriebene Nächte” zurückzublicken.

3. Auf Immer­wiedersehen!
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Dorothea Wagner)
Es gibt wenig Tröstlicheres, als sich stets ­dieselben Filme und ­Serien ­anzuschauen, findet Dorothea Wagner in ihrem Artikel über das sogenannte “Comfort Bingen”. Wagner fragt: “Verlieren mit dem Comfort Binge die Serien und Filme nicht ihren Sinn? Sind Witze nicht darauf ausgelegt, dass mich ihre Pointe überrascht, und lebt Spannung nicht davon, dass ich das Ende der Geschichte nicht kenne? Jein. Der US-Autor Steven Johnson beschreibt im Buch Neue Intelligenz, dass Unterhaltungsserien so kompliziert geworden sind, dass sie einen dafür belohnen, wenn man sie sich mehrmals anschaut, weil man erst dann alle Anspielungen verstehen und die Eleganz der verschiedenen verknüpften Handlungsstränge würdigen kann.”

4. Wirken sich Antibiotika auf Herz-Kreislauf-Risiken aus? Science Media Newsreel No. 47
(meta-magazin.org)
Im Wochenrückblick des “Science Media Center” geht es um die Forschungsergebnisse, über die in letzter Zeit besonders häufig in den Medien berichtet wurde. Dieses mal: “Längere Einnahme von Antibiotika erhöht Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung” (“European Heart Journal”), aufgegriffen unter anderem von “Stern”, “Focus” und “Deutschlandfunk”.

5. VGH Hessen: Hessischer Rundfunk muss Wahlwerbespot der NPD senden
(urheberrecht.org)
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH Hessen) hat entschieden, dass der Hessische Rundfunk (hr) einen Europawahl-Wahlwerbespot der NPD im Hörfunk senden muss. Der hr hatte die Ausstrahlung abgelehnt, weil der Werbespot den Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Das Gericht sah dies anders: Die Zuschreibung krimineller Neigungen stelle noch kein “Absprechen des Achtungsanspruchs als Mensch” dar.

6. Die Freiheiten des Äthers
(deutschlandfunk.de, Kerstin Schweighöfer)
In den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts mögen Piratensender noch ein Thema gewesen sein. Heutzutage kann jeder einen “Radiosender” im Netz hochziehen oder sich per Podcast an die Welt wenden. Kerstin Schweighöfer erzählt in einem kurzen Abriss von den Anfängen der niederländischen Piratensender bis zur Jetztzeit.

Overblocked by Twitter, Stunk um “SZ”-Chefin, Disney und Lenin

1. Twitter sperrt jüdische Wochenzeitung
(sueddeutsche.de)
Twitter scheint derzeit ein extremes Overblocking zu fahren. In den vergangenen Tagen wurden immer wieder Accounts wegen unproblematischer Tweets gesperrt, unter anderem auch das Konto der Wochenzeitung “Jüdische Allgemeine”.
Weiterer Lesetipp: Twitter kippt nach rechts, ein Beitrag des Juristen Christian Säfken, der für einen alten Witz über die AfD gesperrt wurde und sich dies nicht gefallen lassen will.

2. Stunk im Turm
(taz.de, Anne Fromm)
“SZ”-Chefredakteurin Julia Bönisch veröffentlichte vor einigen Tagen im Branchenblatt “journalist” ihren persönlichen Blick auf den Journalismus. Dort hieß es: “Frau, Onlinerin, noch keine 40 — damit stehe ich für fast alles, was unbequem und lästig ist: für Veränderung, für Digitalisierung, für einen Generationenwechsel, der auch Frauen an die Spitze bringt.” Und in der Tat: Bönisch hat mit dem Text einen Großteil der Redaktion und sogar den Betriebsrat gegen sich aufgebracht.

3. re:publica 2019: Einige sagen Festival
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer schreibt über den Weg der re:publica von der Konferenz zum Festival, benennt die Höhe- und Tiefpunkte der Veranstaltung und das Comeback des “Handreichungs-Journalisten”. Sein Fazit mit Blick auf die Kritiker: “Sie wird es wohl niemand recht machen können, die rp, der sich nicht auf sie einlässt. Der sich vor allem nicht einlässt auf diesen wundervollen, bunten Haufen Mensch, der redet über Thesen der Politikwissenschaften, den Einsatz von Internet im Roten Kreuz, New Work, das Run DMC-Logo als Meme, gutes und schlechtes im Essen oder die Faszination von Raumfahrt. Ich kenne keinen Ort, an dem ich so viele, unterschiedliche Personen treffe, Anzugträger und aktivistische Programmierer und Schüler und Studenten und Kleinkinder und Youtuber und Politiker und Podcaster und Afrikaner und Amerikaner und Europäer und Rollstuhlfahrer und Astronauten.”

4. Zahlenkosmetik
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 6:21 Minuten)
Für Fernsehquoten und Zeitungsauflagen gibt es seit Jahren standardisierte Messmethoden. Bei Podcasts gibt es keine einheitliche Zählweise, was Vergleiche erschwert. Auch die Zahlen des “Morning Briefing”-Podcasts von Gabor Steingart sind äußerst umstritten. Podcastredakteur Marc Krüger (t-online.de) erläutert die technischen Schwierigkeiten beim Erfassen und Auswerten der Zahlen.

5. 49 der 100 erfolgreichsten Facebook-Posts zur Europawahl sind von der AfD
(buzzfeed.com, Karsten Schmehl)
“BuzzFeed News” hat Facebook-Posts zur Europa-Wahl ausgewertet und ist dabei zu einem erschreckenden Ergebnis gekommen: Allein 49 der 100 erfolgreichsten Facebook-Beiträge zur Europawahl kämen von der AfD. Die Partei habe damit 250.000 Interaktionen ausgelöst und sei fast zehnmal so erfolgreich wie alle restlichen im deutschen Bundestag vertretenen Parteien zusammengenommen.

6. Auf dem Weg zum Monopol: DISNEY – Ein Filmanalyse-Spezial
(youtube.com, Wolfgang M. Schmitt, Video: 12:56 Minuten)
Nicht zuletzt durch strategische Zukäufe wird der Disney-Konzern immer mächtiger. Es sei erschreckend, wie sehr Marvel-, Pixar-, Star-Wars- und Avatar-Filme, aber auch Realverfilmungen von Disney-Klassikern das Kino beherrschen, findet Wolfgang M. Schmitt in seiner Filmanalyse. Lenin habe diese Art der Monopolentwicklung bereits vor 100 Jahr beschrieben.

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