Archiv für 6 vor 9

Chemnitz und die Folgen, Muffige Männerkolumne, Buten un Lührssen

1. Chemnitz: Nagelprobe für Sachsens Polizei
(ndr.de, Timo Robben &Leonie Puscher, Video, 5:20 Minuten)
Politische Demonstrationen sind für Journalisten ein gefährliches Pflaster. Oft geraten sie zwischen die Fronten oder werden selbst angegriffen. Das Medienmagazin “Zapp” war in Chemnitz und hat mit Reportern gesprochen.
Weiterer Tipp: In einem weiteren “Zapp”-Beitrag geht es um eigentlich jahrzehntelang bekannte und bewährte Verhaltensgrundsätze für die Zusammenarbeit von Presse und Polizei, die anscheinend in Vergessenheit geraten sind.

2. Über Fake News und unterschlagene Wahrheiten
(makroskop.eu, Heiner Flassbeck)
Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck war Chef-Volkswirt der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Zusammen mit Paul Steinhardt gibt er “Makroskop” heraus (“Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft”). Im aktuellen Beitrag hat er drei Wirtschaftsmeldungen untersucht: “Was ist Fake und was ist nur die Verdrehung der Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit?”

3. Eine Zäsur findet nicht statt
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo denkt in seiner neuen Kolumne über den Umgang mit Rechtsextremismus nach. Es geht um die jüngsten Exzesse und die Verantwortung von Politik, Behörden, Polizei und bestimmter Medien: “Überhaupt die Mitverantwortung der Medien, vor allem der “Bild”-Zeitung. Dort fragte man in großen Schlagzeilen, wer wohl an den “unfassbaren Jagdszenen” die Schuld trage und bot — ja, wirklich — zur Auswahl an: “Entfesselter Ausländerhass, linke Chaoten, überforderte Polizei”. Das erreicht Fox-News-Dimensionen der Irreführung, wenn Nazis Menschen gejagt haben. Das ist nicht weniger als monströs, und ich halte es nicht für einen Zufall, dass Rechtsextreme nicht als Personen genannt werden.”

4. Dürfen Journalisten ein Parteibuch haben?
(sueddeutsche.de, Thomas Hahn)
Der Journalist Hinrich Lührssen ist vielen Zuschauern des Fernsehmagazins “Buten un Binnen” (Radio Bremen) durch seine unterhaltsamen Beiträge als aufdringlicher Reporter bekannt. Nachdem Lührssen bekannt gegeben hat, Teil des Bremer AfD-Landesvorstandes zu sein, hat der Sender beraten, wie man zukünftig mit dem freien Mitarbeiter umgehen soll.

5. “Sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen”
(deutschlandfunk.de, Antje Allroggen)
US-Journalismusforscher Jay Rosen war drei Monate in Deutschland, um die hiesigen Medien zu untersuchen. Im “Deutschlandfunk”-Interview spricht er über seine Eindrücke. Rosen ist aufgefallen, dass Journalisten noch immer Probleme im Umgang mit Rechtspopulisten haben. Er wird das Thema weiterhin aus den Staaten verfolgen: “Mich interessiert, wie es für die Medien in Deutschland weitergehen wird: Wird es den Medien hier gelingen, sich gegen den Populismus zu behaupten? Wird es vielleicht eine linke Bewegung geben, die sich ähnlich wie jetzt die rechte gegen die Medien richten wird?”

6. Gegen den neuen Männer-Kolumnisten von Bild.de ist Franz Josef Wagner ein Feminist
(vice.com, Lisa Ludwig)
Bei “Bild” haben sie einen neuen Kolumnisten installiert. Er trägt das Pseudonym “Leif Lasse Andersson” und darf in der “Unrasierten Wahrheit” wöchentlich darüber jammern, wie schwer ihm das Leben als “mittelalter Mann” gemacht wird. Die unterirdischen Geschlechterbilder der Männer-Kolumne kämen nicht von ungefähr, so Lisa Ludwig, die außer einer “Tüte Mitleid” wenig für den Kolumnenschreiber übrig hat: “Leif Lasse Anderssons Ouevre als Autor besteht primär daraus, 2013 einen Roman über seine Erfahrungen mit Online-Dating veröffentlicht zu haben. Eines dieser Bücher, in denen Frauen so sind, und Männer eben anders; Mario-Barth-Literatur, aber mit explizit beschriebenen Sexszenen.” Eine “stupide Aneinanderreihung der sexuellen Eskapaden eines Losers”, wie es eine Amazon-Rezensentin treffend zusammengefasst habe.

Sachsens Presse-Unfreiheit, Mord ist kein Beziehungs-Drama, Unstatistik

1. Angriff auf die Pressefreiheit
(zdf.de, A. Ginzel & M. Haselriederr & C. Herrmann & U. Stoll, Video, 7 Minuten)
Ob aus Kalkül oder schlichter Unkenntnis der Rechtslage: Immer wieder zeigen AfD- und Pegida-Demonstranten Journalisten an. Die Journalisten hätten durch ihre Filmaufnahmen angeblich die Persönlichkeitsrechte der Protestierer verletzt. Was ausgemachter Unsinn ist, und was eigentlich auch die Polizei wissen müsste, die sich allzu oft von rechts instrumentalisieren lässt. “Frontal 21” zeigt im neuesten Beitrag die Strategien der Rechten und das fragwürdige Verhalten der Polizei.
Weiterer Lesehinweis: “Der Deutsche Journalisten-Verband rät allen Journalistinnen und Journalisten, die über die Demonstrationen in sächsischen Städten berichten, zu besonderer Vorsicht.” (Pressemitteilung des DJV vom 28. August 2018)
Bepöbelt und bedroht wurden aktuell auch “Spiegel”-Reporter, die bei der Demonstration in Chemnitz im Einsatz waren. Zu sehen in einem eindrücklichen Video. (spiegel.de, Video, 4 Minuten)
Und außerdem: Als Flüchtling in Chemnitz: “Manche zeigen mir den Mittelfinger, während der Bus wegfährt” (krautreporter.de, Josa Mania-Schlegel)

2. Unstatistik: Chinas CO2-Ausstoss grösser als der Nordamerikas
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Manche Vergleiche sind schlicht unfair. Aktuelles Beispiel: Die Ranglisten der größten Luftverschmutzer bei “NZZ” und “NZZ am Sonntag”. Dort wird China angeprangert, aber nicht die Relation zur Bevölkerung hergestellt. Dann sieht die Sache schon ganz anders aus: In einer derartigen Vergleichsliste rangiert das Land nämlich hinter Nationen wie den USA, Deutschland oder Norwegen.

3. Massiver Gegenwind stoppt rechtslastigen “Deutschland Kurier”
(wuv.de)
Der politisch rechtslastige und der AfD-nahe stehende “Deutschland Kurier” setzt auf den Huckepack-Vertrieb über Anzeigenblätter. Die sehen sich jedoch immer mehr missbraucht und wollen sich das nicht gefallen lassen wie jüngst in Aschaffenburg: “Ja, wir werden in Zukunft etwas unternehmen, dass so etwas nicht wieder passieren wird, das kann ich Euch garantieren. Auch wir waren, als wir am Sonntag diesen “Prospekt” in unserer Zeitung sahen, mehr als entsetzt. Es entspricht in keiner Weise der Philosophie unseres Hauses, solches unsägliches Gedankengut zu verbreiten.”

4. Erste Lehren aus drei Monaten SPIEGEL+
(medium.com/@devspiegel)
Es ist recht ungewöhnlich, wenn ein großes und etabliertes Nachrichtenmedium Einblick in seine Strategien gewährt und Zahlen offenlegt. Der “Spiegel” macht dies in unregelmäßigen Abständen, aktuell mit der Bilanz von drei Monaten “Spiegel+”. Wie viele Abonnenten konnte man gewinnen? Welche (Wechsel)Angebote hat man den Lesern und Leserinnen gemacht? Über welche Werbeplattformen lassen sich die meisten Probe-Abos generieren? Die gewonnenen Einsichten sind hochinteressant, nicht nur für Mitbewerber.

5. Mord ist kein “Beziehungs-Drama“
(kattascha.de, Katharina Nocun)
Wenn Männer Frauen ermorden sprechen die Medien all zu oft von “Beziehungsdrama”, “Familientragödie” oder “Eifersuchtsdrama”. Katharina Nocun kritisiert diese Formulierungen: “Mag sein, dass das nur “Kleinigkeiten” sind. Aber in der Summe ist es eine große Sache. Es geht darum, wie wir mit Mord und Totschlag gegen Frauen im Kontext von Familien und Beziehungen umgehen. Worte wie “Beziehungsdrama” oder “Familiendrama” sind einfach fehl am Platz, wenn ein Mensch umgebracht worden ist. Punkt.”

6. Keine Angst vor E-Sport
(innovation.dpa.com, Sebastian Zilles)
Bislang wurde das Thema E-Sport bei der Nachrichtenagentur dpa nur äußerst nebensächlich behandelt, doch die Agentur tastet sich mit zunächst kleinen und dann großen Schritten voran. Sebastian Zilles berichtet über die Annäherung an das immer wichtiger werdende Thema und träumt schon mal von den nächsten Ausbaustufen.

Chemnitz im Würgegriff, Verpanschte Sprachkritik, Youtubes Werberausch

1. +++ »Nazis werden Tag als Sieg verbuchen« +++
(neues-deutschland.de, Sebastian Bähr & Robert D. Meyer)
In Chemnitz marschierten Tausende gewaltbereiter Hooligans und Rechtsradikale auf. Ein gefährliches Pflaster auch für erfahrene Journalisten, die sich teilweise akut gefährdet sahen und den Rückzug antraten. Sebastian Bähr war vor Ort und hat das Geschehen protokolliert.
Weitere Lesehinweise: Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach stört sich an der Erzählweise von den “rechten und linken Demonstranten”. Auf seinem Blog schreibt er: “Es ist nicht links, gegen Nazis zu sein und aufzustehen, wenn sie marschieren oder rennen. Es ist normal.”
Thomas Laschyk kommentiert beim “Volksverpetzer”: “Durch selektive Wahrnehmung, Bots und Fake-Accounts und Fake News wurde in den letzten Jahren der Grundstein für den Faschismus gelegt. 2015 wurde zur Dolchstoßlegende des 21. Jahrhunderts konstruiert. Ein austauschbarer Anlass wurde genutzt, um die Früchte des Hasses zu ernten und auf die Straße zu tragen. Und jetzt, wird in Chemnitz auf der Straße ausgetestet, ob sich der Faschismus auch da draußen halten kann.”

2. Die Fabrikantin
(sueddeutsche.de, David Denk)
Wenn ihren Namen auch nur Insider kennen: Ute Biernat ist so etwas wie die Frontfrau der deutschen Fernsehunterhaltung. Die 58-Jährige ist Geschäftsführerin der Showsparte des Produktionsriesen Ufa und verantwortet dort Formate wie “Bauer sucht Frau” und “DSDS”. Anlässlich des aktuell bei Sky anlaufenden “X-Factor” hat David Denk die Schnellarbeiterin und Spezialistin für leicht verderbliche TV-Ware porträtiert.

3. Sprachkritik am DFB: Verband distanziert sich von eigenem Sponsor
(stefan-fries.com)
Der “Verein Deutsche Sprache” verleiht jedes Jahr einen Negativpreis. Dieses Jahr ging die Auszeichnung “Sprachpanscher des Jahres” an den Deutschen Fußballbund (DFB). Stein des Anstoßes: Das Motto “Best never rest”, das man mit dem DFB in Zusammenhang gebracht hatte. Der Sportverband reagierte verschnupft, denn das Motto stamme nicht vom DFB, sondern von DFB-Sponsor Mercedes. Stefan Fries kommentiert den in mehrfacher Hinsicht unglücklichen Vorgang: “Es ist schon eine bemerkenswerte Übung in Kritikfähigkeit, die der DFB hier zeigt. Da geht praktisch komplett unter, dass der Verein Deutsche Sprache den Urheber des Slogans tatsächlich falsch ausgemacht hat. Er müsste sich an Mercedes richten. Dass der DFB aber nun plötzlich nichts mehr damit zu tun haben will, wie er hier behauptet, ist von einer interessanten Verantwortungslosigkeit.”

4. „Wir geben nicht auf!“
(message-online.com, Mirjam Bittner & Pia Seitler)
Der französische Journalist Laurent Richard gründete das Netzwerk “forbidden stories”, das die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten weiterverfolgen will, die sich bedroht fühlen oder bereits getötet wurden — wie die bekannte Journalistin Daphne Caruana Galizia, die auf Malta einer Autobombe zum Opfer fiel. Das sogenannte Daphne-Projekt war das erste Projekt von “forbidden stories”: Journalisten von 18 Medienorganisationen aus 15 Ländern recherchierten gemeinsam, um die Arbeit der ermordeten Kollegin weiterzuführen.

5. Youtube: Nicht überspringbare Werbung wird ausgeweitet
(t3n.de)
Bei Youtube wird’s für die Zuschauer ungemütlicher: Das Videoportal weitet seine nicht überspringbare Werbung aus. Das hat natürlich einen handfesten wirtschaftlichen Hintergrund: Man will die Werbeerlöse steigern, aber auch Nutzer für die werbefreien Abo-Modelle Youtube Music und Youtube Premium gewinnen.

6. Die Buchgestalterin und Schriftstellerin Roswitha Quadflieg
(deutschlandfunk.de, Audio, 90 Minuten)
“Die unendliche Geschichte” von Michael Ende kennen Millionen: Das 1979 im Thienemanns Verlag erschienene Buch hat eine ganze Generation von Lesern und Leserinnen geprägt. Gestaltet wurde es von der Schriftstellerin und Diplom-Designerin Roswitha Quadflieg, die seinerzeit kein Pauschalhonorar, sondern einen Anteil von zwei Prozent vereinbart hatte. (Was eine ziemlich gute Entscheidung war, um es zurückhaltend zu formulieren.) Im “Deutschlandfunk” spricht sie über diese Episode, aber auch ihre weiteren schriftstellerischen Projekte.

Sachsen, Hutbürger und die Polizei, He too, Die Cleaner von Manila

1. Sachsen, Hutbürger und die Polizei — sieben Journalisten erzählen, was sie erlebt haben
(krautreporter.de, Josa Mania-Schlegel)
Vor Kurzem hat die sächsische Polizei ein Reporterteam des ZDF bei der Arbeit behindert. Ein Einzelfall? Journalist Josa Mania-Schlegel hat bei einigen seiner sächsischen Kollegen nachgefragt — und recht ähnliche Geschichten gehört.

2. Die deutschen Chefredakteure in der Übersicht
(einfacherdienst.de)
Anlässlich des jüngsten Wechsels an der “Spiegel”-Spitze hat der “Einfache Dienst” alle Chefredakteurs-Wechsel der auflagenstärksten deutschen Tages- und Wochenformate seit 1998 in einer Grafik zusammengetragen. Interessant, wo Kontinuität oder Fluktuation vorherrschen, und auffällig, wie wenig Blattmacherinnen vertreten sind.

3. Speck lass nach
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Als ein Redakteur der “Wirtschaftswoche” seinem Blatt eine “Me Too”-Geschichte anbietet, winkt diese ab, woraufhin er den Artikel bei der “taz” unterbringt. Sein Arbeitgeber sprach daraufhin eine Abmahnung aus. Zu Recht, wie nun das Arbeitsgericht entschied. “Das heutige Urteil macht auf erschreckende Weise klar, wie gering der Spielraum für Journalisten ist, wenn einem Verlag die Veröffentlichung einer Information, warum auch immer, nicht genehm ist”, so der Betroffene.

4. Im Schatten der Netzwelt – The Cleaners
(arte.tv, Video, 85 Minuten)
In der Doku “The Cleaners — Im Schatten der Netzwelt” berichten einige Content-Moderatoren auf den Philippinen von ihrer digitalen Drecksarbeit. Zehntausende Menschen löschen dort in Zehn-Stunden-Schichten im Auftrag der großen Silicon-Valley-Konzerne belastende Fotos und Videos von Facebook, Youtube, Twitter & Co.
Weiterer Lesetipp: Mitarbeiter zweifeln an Facebooks Methoden im Kampf gegen Hetze (spiegel.de)

5. Kampusch: “Als würde ich einen Bombengürtel tragen”
(derstandard.at, Muzayen Al-Youssef)
Natascha Kampusch ist auch heute noch, Jahre nach der Selbstbefreiung aus ihrer Gefangenschaft, von massivem Hass betroffen, der seinen Ursprung in niederträchtiger Boulevardberichterstattung hat. Im österreichischen “Standard” erzählt sie von den Anfeindungen und all der Hetze, die ihr entgegenschlägt: “Es war mir zeitweise aufgrund der vielen Hasspostings und auch aufgrund der vielen Berichterstattungen, die nicht ganz oder überhaupt nicht der Wahrheit entsprochen haben, nicht möglich, rauszugehen. Zum Teil war es auch ein innerer Grund. Ich hatte einfach keine Lust mehr, im Supermarkt angerempelt, ausgelacht, verspottet zu werden.”

6. “Mit uns kann man Ideen umsetzen, für die anderen der Mut fehlt”
(t-online.de, Marc Krüger)
Paul Huizing ist bei der Amazon-Tochter Audible für die europäische Hörbuch- und Hörspielproduktion und das Podcast-Programm verantwortlich. Im Interview spricht er über die bisherige Programmentwicklung und verrät, welche Podcast-Produktionen ihm selbst besonders gefallen.

Die Totklicker von “Intouch”, Filmen erlaubt?, Automatenbranche-Spende

1. Totgeklickt: Die Bestatter von Bauers „Intouch“
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
“Bei “Intouch”, dem Klatschmagazin aus dem Hamburger Bauer-Verlag, arbeiten keine Redakteure, sondern Bestatter”, so die Feststellung von Boris Rosenkranz. Und in der Tat hat “Intouch” (“Promi-News und heißer Gossip rund um Deine Stars”) ein besonders widerwärtiges und schäbiges Geschäftsmodell für sich entdeckt: Schocknachrichten über den angeblichen Tod von Promis, die Nachrufen ähneln.

2. Diskretion war einmal
(onlinejournalismus.de, Matthias Eberl)
Der Journalist Matthias Eberl hat Datenschutzbeschwerde und Strafantrag gegen die Reiseplattform Booking.com eingereicht. Das Unternehmen habe seine vertraulichen Buchungsdaten, darunter seine E-Mail-Adresse und die Buchungsorte Wien und Bern an Facebook weitergereicht. Booking.com sei bei Weitem nicht das einzige Unternehmen, das Kundendaten an Facebook ohne Einwilligung der Nutzerinnen und Nutzer weitergibt. Auch “Spiegel Online” und “Zeit Online” würden ähnlich forsch verfahren, was den Umgang mit Nutzerdaten anbelangt. Eberl hat die drei Unternehmen exemplarisch untersucht und ist auf, wie er schreibt, ziemlich absurde Sachen gestoßen. Er wirft damit Licht auf eine Stelle, die bei den Medienhäusern sonst im Dunklen bleibt.

3. Was verbindet Dunja Hayali mit einer Spielautomatenfirma?
(morgenpost.de, Kai-Hinrich Renner)
“Was verbindet Dunja Hayali mit einer Spielautomatenfirma?”, fragt Kai-Hinrich Renner in der “Morgenpost” und bleibt bei der Beantwortung relativ auf sich allein gestellt: Die sich sonst für Transparenz im Journalismus starkmachende Journalistin antwortete nur äußerst knapp auf seine Fragen. Klar ist wohl, dass die Gauselmann-Gruppe (Marktführer der Spielautomatenbranche) Dunja Hayalis Verein Vita e. V. Assistenzhunde mit einer 200.000-Euro-Spende bedacht hat. Und dass Hayali auf Jahrestagungen des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie Dinge sagt wie: “Ihre Branche hat sich seit den 90er-Jahren sehr verändert, heraus aus der Schmuddelecke”. Sätze, die für die Automatenaufsteller Gold wert seien und unter Marketingaspekten entsprechend ausgeschlachtet würden.

4. Was dürfen Journalisten auf Demos?
(spiegel.de, Elisa von Hof)
Durfte das Fernsehteam des ZDF, das für “Frontal 21” bei einer Pegida-Demonstration anwesend war, einen Demonstranten filmen, der sich dagegen lautstark wehrte (“Hören Sie auf, mich zu filmen! Sie begehen eine Straftat. Sie haben mir ins Gesicht gefilmt.”)? Über diese und damit verwandte Fragen spricht “Spiegel”-Justiziar Sascha Sajuntz im Interview. Das Gespräch lohnt auch deshalb, weil ähnliche Fragestellungen immer mal wieder auftauchen.
Weitere Lesehinweise: Wer sich noch mal über den umstrittenen Polizeieinsatz gegen die ZDF-Journalisten in Sachsen informieren will, sei an tagesschau.de verwiesen, wo auch die Justizministerin zu Wort kommt.
Und wem bei dem ernsten Thema nach etwas Leichterem zumute ist: Netzpolitik.org berichtet über den Satire-Account @lkasachsen, der auf Twitter sein Unwesen treibt.

5. Haben Sie einen Rat an den türkischen Präsidenten, Can Dündar?
(sz-magazin.sueddeutsche.de)
Im “Interview ohne Worte” beschreibt der in Deutschland im Exil lebende Journalist Can Dündar mit Mimik und Gestik, was er vom Özil-Erdogan-Foto hält, was er am meisten an der Türkei vermisst und was er Angela Merkel im Umgang mit seinem Geburtsland rät.

6. Die große „Buzzfeed“-Show
(taz.de, Daniel Bouhs)
Daniel Bouhs hat sich die neue Netflix-Dokuserie “Follow this” über “Buzzfeed” angeschaut, die vor allem eines sei, Werbung: “Da sitzen Buzzfeed-ReporterInnen in Buzzfeed-Büros vor Buzzfeed-Laptops oder schreiben mit Buzzfeed-Kugelschreibern in Buzzfeed-Blöcke. Sind die JournalistInnen unterwegs, dann sieht das Skript in jeder einzelnen Folge vor: Sie rufen ihre Buzzfeed-KollegInnen an, um zu erzählen, was sie für Buzzfeed wieder Irres recherchiert haben. Passenderweise ist die Reihe über Buzzfeed-Reporter dann auch gleich eine Produktion von — Überraschung! — Buzzfeed. Netflix bekommt die Inhalte, Buzzfeed die Werbefläche.”

Der Pegida-Pöbler des LKA, Genuas Brücke, Hartes Whistleblower-Urteil

1. Attacke auf Fernseh-Team ging von LKA-Mitarbeiter aus
(dnn.de)
Es ist in der Tat eine erstaunliche Wende: Die Attacke auf das Fernsehteam, das für die ZDF-Sendung „Frontal 21“ bei einer Anti-Merkel-Demo filmte, ging von einem Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamts aus, der dort als Privatmann unterwegs gewesen sein soll. Dies wurde jedenfalls vom sächsischen Innenministerium so mitgeteilt.
Bei der “Süddeutschen” beschreibt Ulrike Ninz den minutengenauen Ablauf der 45-minütigen Lahmlegung der Journalisten durch die sächsische Polizei. In einem weiteren Beitrag kommentiert Ninz das Verhalten des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Der Landeschef tue zu wenig, um Journalisten zu schützen. Nicht nur sein Ruf nehme Schaden dabei.
Dazu passend ein Hinweis auf das Gespräch des “Deutschlandfunks” mit dem Rechtsextremismus-Blogger Henrik Merker. Dieser sieht in dem Vorgehen des Anzeige erstattenden Pegida-Pöblers eine Methode, die in rechten Kreisen schon lange gepflegt werde.
Weiterer Lesehinweis: Auf Freitag.de kommentiert Klaus Raab den Vorgang und fragt: “Die Anzeige eines aufgebrachten Mannes, der “Lügenpresse” skandiert, kann dafür sorgen, dass ein Fernsehteam, das bei einer öffentlichen Demonstration filmt, von der Polizei bei der Arbeit behindert wird? Und: Findet Sachsens CDU das tatsächlich angemessen?”

2. Die Brücke und die Multikultimilliardäre
(de.ejo-online.eu, Petra Reski)
Vor wenigen Tagen ist im italienischen Genua eine Autobahnbrücke eingestürzt. Etwa 30 Fahrzeuge fielen rund 45 Meter in die Tiefe, es gab viele Tote und Verletzte. Die Journalistin und Schriftstellerin Petra Reski kritisiert deutsche Medien für das Narrativ der “grundguten Multikultimilliardärsdynastie” und Autobahnbetreiberfamilie Benetton und der “bösen, hässlichen italienischen Populisten”. Eine Betrachtung, die Italienkennerin (und Mafiaexpertin) Reski zu schlicht ist.

3. Die Unwucht in unserer Wahrnehmung
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Wie kommt es, dass eine im Mittelmeer aus Seenot gerettete Britin als Sensation gefeiert wird, während Hunderte in Seenot geratene Flüchtlinge höchstens als abstrakte Zahlen Beachtung finden? Sascha Lobo sucht nach Gründen für dieses Phänomen und denkt über Übermedialisierung und rassistische Denkmuster nach.

4. Soko Hamburg
(sueddeutsche.de, Karoline Meta Beisel & Claudia Tieschky)
Zum vierten Mal in zehn Jahren bekommt der “Spiegel” eine neue Chefredaktion. Der aktuelle Chefredakteur Klaus Brinkbäumer wird ersetzt durch ein Führungstrio unter Steffen Klusmann, der zuletzt als Chefredakteur des ebenfalls zum Spiegel Verlag gehörenden “Manager Magazins” tätig war. Die Personalentscheidung hat viel mit der Ausrichtung des Verlags und den inneren Personalstrukturen zu tun. Der “Spiegel” gehört zu 50,5 Prozent der Mitarbeiter KG, zu 25,5 Prozent dem Hamburger Verlag Gruner + Jahr und zu 24 Prozent den Erben von Gründer Rudolf Augstein.

5. NSA-Leak: Hartes Urteil gegen Whistleblowerin Reality Winner erwartet
(netzpolitik.org. Constanze Kurz)
Heute könnte ein Gericht in Georgia die höchste Strafe aussprechen, die je in den Vereinigten Staaten für die Weitergabe von geheimem Dokumenten an Medien verhängt wurde. Der von der Whistleblowerin Reality Winner geleakte Bericht machte Versuche öffentlich, Wahlsoftware zu hacken. Die ehemalige NSA-Mitarbeiterin hat bereits einer drakonischen Strafe von 63 Monaten Haft zugestimmt. Das endgültige Urteil wird für 16 Uhr (deutsche Zeit) erwartet.

6. Anti-Netflix? Wie sich YouTube Premium unterscheiden will
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Nachdem Youtube sein Bezahlmodell in den USA etabliert hat, wendet man sich nun augenscheinlich verstärkt Europa zu. Ein Youtube-Vertreter hat beim Edinburgh TV Festival über die Geschäftsstrategie und den Unterschied zu Netflix gesprochen. “DWDL”-Chef Thomas Lückerath war dabei und hat die fünf wichtigsten Erkenntnisse notiert.

Rechte-Verlagerung, Verwischte Grenzen, Hashtag-Debatten

1. Rechte Propaganda-Plattform sucht Asyl in Sachsen
(tagesspiegel.de, Matthias Meisner)
Das rechte Internetportal “JouWatch” hat seinen Sitz von Thüringen nach Sachsen verlegt. Einer der Gründe: Das Finanzamt Jena wollte anscheinend die Gemeinnützigkeit prüfen, eine Aberkennung hätte sich negativ auf den Betrieb der Plattform auswirken können. In Sachsen erhofft man sich wohl ein angenehmeres Klima.

2. Verwischte Grenzen
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio, 8:21 Minuten)
Der ehemalige Mitherausgeber und Chefredakteur des “Focus” ist auch mit 81 Jahren noch recht fleißig: In seinem alten Blatt schreibt Helmut Markwort jede Woche das “Tagebuch”. Gleichzeitig kandidiert er bei den bayerischen Landtagswahlen für die FDP. Das Verlagshaus Burda sieht darin keinen Interessenkonflikt. Der Erlanger Medienethiker Prof. Schicha empfiehlt Markwort zumindest eine Schreibpause.

3. BGH – ZDF muss formulierte Erklärung eines polnischen Gerichts nicht veröffentlichen
(wbs-law.de)
In einer ZDF-Doku aus dem Jahr 2013 über die Befreiung verschiedener Konzentrationslager wurden die Lager Majdanek und Auschwitz als “polnische Vernichtungslager” bezeichnet. Nachdem die Formulierung von der polnischen Botschaft beanstandet wurde, änderte das ZDF den Text seinerzeit in “deutsche Vernichtungslager auf polnischem Gebiet”, veröffentlichte eine Korrekturnachricht und bat bei einem ehemaligen Häftling um Entschuldigung, der sich deswegen beschwert hatte. Dies ging dem ehemaligen KZ-Häftling jedoch nicht weit genug. Er wollte mit Hilfe eines polnischen Gerichts das ZDF dazu zwingen, eine vorformulierte Erklärung zu veröffentlichen. Wozu das ZDF jedoch nicht verpflichtet ist, wie jetzt der Bundesgerichtshof entschied. Dies würde gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie gegen die Medienfreiheit verstoßen.

4. Im Zeichen des Hashtags
(sueddeutsche.de, Carolin Werthmann)
Eine im Auftrag des Hamburger Hans-Bredow-Instituts durchgeführte Studie hat untersucht, inwieweit das Stimmungsbild auf Twitter dem der Bevölkerung ohne Twitter-Account entspricht. Das Ergebnis ist relativ ernüchternd: Twitterdiskurse würden nicht repräsentieren, was die Allgemeinheit im Netz bewegt, und schon gar nicht, was Menschen ohne Internetzugang beschäftige. “SZ”-Autorin Carolin Werthmann: “Dennoch können die Hashtag-Debatten eine andere Funktion erfüllen: Indem sie extreme Standpunkte aufzeigen, sind sie ein Seismograf für radikale Trends und Positionen.”

5. Journalist erhält Strafbefehl wegen Veröffentlichung von Zyto-Akte
(deutsche-apotheker-zeitung.de, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Im Prozess um den Bottroper Zyto-Apotheker soll ein Journalist Teile einer Strafakte ins Internet gestellt haben. Dies könnte für ihn unangenehme Folgen haben: Die Staatsanwaltschaft hat Strafbefehl gegen ihn beantragt, den das Amtsgericht Essen nun erlassen hat. Wissenschaftsjournalist Hinnerk Feldwisch-Drentrup erklärt den Fall, bei dem es auch um Prozesstaktik geht. Heikel sei zudem, dass der Journalist mehrfach kritisch über die Staatsanwaltschaft berichtet hatte, die gegen ihn ermittelte.

6. Her mit meinen Daten!
(spiegel.de, Markus Böhm & Angela Gruber & Judith Horchert)
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) räumt Nutzern umfassende Auskunftsrechte gegenüber Websitebetreibern ein. Beim “Spiegel” haben zwei Redakteurinnen und ein Redakteur die Probe aufs Exempel gemacht und Facebook, Netflix sowie Onlinehändler angeschrieben. Man ahnt, dass es sich um viele Daten handeln wird, aber ist dennoch überrascht: Allein die Antwort von Netflix auf die Datenabfrage umfasste 450 PDF-Seiten.
 Überrascht ist man jedoch auch von des “Spiegels” eigenem Umgang mit Daten.
(Und ja, auch hier im BILDblog gibt es noch Werbetracker, aber damit ist dank Euch bald Schluss.)

Impfentscheidung im Kino, Schlechter Polizei-Tipp, Sport-Dokus auf Netflix

1. Der Printjournalismus ist lebendig
(sueddeutsche.de, Heribert Prantl)
“SZ”-Chefredaktionsmitglied Heribert Prantl beschäftigt sich in seiner “politischen Wochenvorschau” mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Printjournalismus. Prantl plädiert für ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Print und Online, ist aber immer noch sehr in der Papier-Denke verhaftet. Was sich unter anderem in Sätzen wie diesen zeigt: “Weil es das Internet, also bessere und schnellere Methoden bloßer Informationsvermittlung gibt, kann die gedruckte Zeitung sich auf anderes konzentrieren: auf Analyse, Hintergrund, Kommentierung, Sprachkraft, Gründlichkeit und Tiefgang — auf all das, was sich in der Hetze der Echtzeit im Internet nicht leisten lässt.” Eine Argumentation, die auf Twitter sogleich für Stirnrunzeln sorgte.

2. Schlechter Rat von der Münchner Polizei
(lawblog.de, Udo Vetter)
Die Polizei München hat eine aktive Social-Media-Mannschaft. Auf Twitter versorgt das Polizei-Team mehr als 450.000 ihr folgende Bürgerinnen und Bürger mit Presseberichten, Fahndungsmitteilungen und sonstigen Infos. Außerdem beantwortet sie Rückfragen und gibt Tipps. Tipps, deren Befolgung jedoch jede Menge juristischen Ärger bedeuten kann, wie Strafrechtler und Lawblogger Udo Vetter erklärt.

3. Präsident Erdogan hat sich verzockt
(spiegel.de, Maximilian Popp)
Fast eineinhalb Jahre saß die Journalistin Mesale Tolu in der Türkei im Gefängnis, dann durfte sie monatelang das Land nicht verlassen. Jetzt die erlösende Nachricht: Tolu darf endlich ausreisen. Maximilian Popp hält den Fall für eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats, die zeige, dass Präsident Erdogans Geiseldiplomatie kaum noch wirke. Am Ende seiner Betrachtungen zitiert Popp einen amerikanischen Analysten, der Ankaras Politik folgendermaßen zusammenfasst: “Du entlässt die einen Gefangenen, um den diplomatischen Schaden zu begrenzen, den du durch die Verhaftung der anderen angerichtet hast.”

4. “So beantworte ich keine Fragen, so arbeiten Verschwörungstheoretiker”
(zeit.de, Alina Schadwinkel)
Am 13. September erscheint ein Dokumentarfilm in Deutschlands Kinos, der bereits jetzt für heftige Diskussionen sorgt. In David Sievekings Film “Eingeimpft” geht es um die Impfentscheidung. “Zeit Online” hat mit der Wissenschaftlerin Cornelia Betsch gesprochen, die unter anderem zu Risikowahrnehmung und -kommunikation am Beispiel der Impfentscheidung forscht. Es geht darum, welche Schwächen der Film hat, welche Auswirkungen er haben könnte und welche Maßnahmen zur Maserneliminierung beitragen könnten.
Weiterer Lesetipp: Wer sich darüberhinaus mit dem Thema beschäftigen will, kann dies beim “Science Media Center” tun. Dort gibt es zahlreiche Stellungnahmen von Experten, die sich den Film bereits angeschaut haben: Dokumentation “Eingeimpft” und eine Art wissenschaftliche Rezension.

5. GlobaLeaks: Darknet-Postfach leicht gemacht
(get.torial.com, Stefan Mey)
“GlobaLeaks” will Whistleblower mit Darknet-Technologie schützen. Stefan Mey stellt die Software vor, die das Einrichten von geschützten Postfächern erlaubt. Etwa 20 solcher kleinen “Darknet-Wikileaks” gebe es derzeit. Darunter seien auch Gemeinschaftspostfächer von afrikanischen Medien sowie von Redaktionen in Frankreich und den Niederlanden.

6. Nicht mit Journalismus zu verwechseln
(deutschlandfunk.de, Matthis Jungblut, Audio, 4:34 Minuten)
Sportdokumentationen stehen bei Streamingdiensten wie Netflix und Amazon Prime hoch im Kurs. Viele der Produktionen seien inszeniert, glorifizierten Sport und Protagonisten und hätten wenig mit Journalismus zu tun, so Sebastian Uhrich, Professor für Sportbetriebswirtschaftslehre an der Sporthochschule Köln. Doch es gibt auch Ausnahmen.

Sächsische Pressefreiheit, “Bilds” Asyl-Irrsinn, Stirb langsam, Philipp!

1. Am Rande einer Demonstration: Polizei nimmt Personalien von Journalisten auf
(flurfunk-dresden.de)
Ein Team der ZDF-Sendung “Frontal 21” ist am Rande des Besuches von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Dresden von der Polizei bei der Arbeit aufgehalten worden. Arndt Ginzel, einer der betroffenen Journalisten, schildert bei Facebook den Vorgang (inklusive Video) so: “Eigentlich wollten wir für #ZDF Frontal21 nur am Rande des Besuchs der Kanzlerin in Dresden drehen. Doch dann fühlten sich einige Pegida-AfD-Anhänger von unseren Dreharbeiten gestört und forderten die Polizei auf, einzuschreiten. Die sächsischen Beamten kamen dem nach und plötzlich befanden wir uns in einer polizeilichen Maßnahme. Etwa 45 min dauerte das Ganze. Polizeibeamte machen sich zur Exekutive der Pegida-Bewegung. Zeitungsjournalisten aus Dresden berichten von ähnlichen Vorfällen.”
Weitere Lesetipps: Bei der “Frankfurter Rundschau” kommentiert Katja Thorwarth: “Tatsächlich scheinen Teile der sächsischen Polizei vom Pegida-Geist schon so weit durchdrungen, dass sie sich zu Helfern der rechten Pöbler machen und das geltende Recht zu Ungunsten des Rechtsstaates auslegen.”
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) meinte in einer Stellungnahme auf Twitter, die Polizisten seien “die einzigen Personen”, die “seriös aufgetreten” seien. Dies wiederum kommentiert der Jurist Thomas Stadler in seinem Blog: “Man fragt sich unweigerlich, welches Maß an rechtsstaatliche Gesinnung wohl erforderlich oder auch hinderlich ist, um in Sachsen das Amt des Ministerpräsidenten bekleiden zu können. Wenn die Feinde der Grundrechte jetzt schon Ministerpräsident eines Bundeslandes sein können und auch keine Scheu mehr empfinden, diese Haltung öffentlich kund zu tun, dann ist in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat eine Grenze überschritten. Und zwar deutlich.”

2. “Asyl” nicht mehr ohne “Irrsinn” denken
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Viel Geld und Reichweite habe “Bild” ihre “menschliche, empathische Haltung in der Flüchtlingskrise” nach Angaben von “Bild”-Chef Julian Reichelt gekostet. Sowohl das Geld als auch die Reichweite will man sich wohl gut verzinst zurückholen: Sei geraumer Zeit stehen Flüchtlinge unter Generalverdacht und kommen fast nur noch als Betrüger, Verbrecher und Terroristen im Blatt vor. Stefan Niggemeiers Analyse über den Kurs von Chefredakteur Reichelt ist jetzt auch für Nicht-Abonnenten frei lesbar.

3. Der Tötungsfall in Offenburg
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Ein somalischer Asylbewerber hat offenbar in Offenburg einen 51-jährigen Hausarzt aus ungeklärten Motiven mit einem Messer erstochen. In der “Tagesschau” kam die tödliche Messerattacke nicht vor. Im hauseigenen Blog erklärt Chefredakteur Kai Gniffke, warum man den Fall nicht in die Sendung gehoben hat: Man könne nicht über jeden Mordfall berichten. Anders liege der Fall, wenn Asylbewerber überproportional an Tötungsdelikten beteiligt wären. “Das ist, soweit wir es recherchieren können, nicht der Fall. Deshalb haben wir uns gegen die Berichterstattung entschieden.”

4. Keine AfD-Kritik unter wir-sind-afd.de
(lto.de, Pia Lorenz)
Der Blogger Nathan Mattes hat die Website wir-sind-afd.de aufgesetzt, auf der er allerlei Zitate von AfD-Politikern zusammenträgt. Der AfD gefällt das gar nicht, sie ist deshalb gegen den Blogger vor Gericht gezogen. Nun sieht es so aus, als ob die Partei auch in zweiter Instanz Erfolg haben wird. Doch aufgeben will Initiator Mattes nicht, auch weil seine juristische Kriegskasse dank vieler Spenden gut gefüllt ist.

5. Facebook sperrt Lamya Kaddor, weil sie eine Hassmail zitiert
(t-online.de, Lars Wienand)
Facebook hat die “T-Online”-Kolumnistin Lamya Kaddor gesperrt, weil sie aus einer Hassmail zitiert hat. Obwohl klar erkennbar gewesen sei, dass es sich um ein Zitat handelte, folgte sogar noch eine zweite Sperre. Chefredakteur Florian Harms kommentiert auf Twitter: “Facebook⁩, das ist eine Farce! Ihr habt euren Laden nicht im Griff.”

6. Stirb langsam
(facebook.com/topfvollgold)
“Stirb langsam” hat bei “die aktuelle” mittlerweile acht Folgen. Statt Bruce Willis in der Hauptrolle: Prince Philip, Duke of Edinburgh und Prinzgemahl der britischen Königin Elisabeth II.

Hayalis Nebentätigkeiten, Werbe-Postille Frauenzeitschrift, Knast-TV

1. Prominent präsentiert – Hayalis Nebentätigkeiten
(ndr.de, Robert Bongen & Sinje Stadtlich, Video, 7:35 Minuten)
Die ZDF-Journalistin Dunja Hayali ist seit vielen Jahren das prominente Gesicht des “Morgenmagazins” und hat inzwischen auch eine eigene Talkshow. Darüberhinaus moderiert sie Firmen-Events und PR-Veranstaltungen von Industrie und Privatwirtschaft. Letzteres lässt sich aus Sicht von Kritikern schwer mit journalistischer Unabhängigkeit unter einen Hut bringen. “Zapp” ist der Sache nachgegangen und hat auch Hayali zu Wort kommen lassen, und das ist einigermaßen verstörend: Hayali bildet sich tatsächlich ein, dass ihre bezahlten und von den Auftraggebern unter Marketing-Gesichtspunkten ausgeschlachteten PR-Auftritte und Moderationen “kritischer und unabhängiger Journalismus” seien.

2. “Der schmutzige Krieg gegen die freie Presse muss aufhören”
(sueddeutsche.de)
Gestern wehrten sich Hunderte amerikanische Zeitungen mit Leitartikeln gegen Donald Trumps fortgesetzte Angriffe. Die “Süddeutsche” hat einige Pressestimmen zusammengestellt, darunter auch solche, die sich nicht an der Aktion beteiligten.

3. Wenn die Frauenzeitschrift zur Werbebroschüre wird
(deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
“Deutschlandfunk”-Kolumnistin Silke Burmester hat selbst in Redaktionen von Frauenzeitschriften gearbeitet und weiß insofern um die Nähe der Magazine zu Mode-, Gesundheits- und Kosmetikindustrie. Trotzdem ist sie spürbar entsetzt, wie “Brigitte” in einem pseudo-seriösen Beitrag eine Sonnencreme belobhudelt, die zudem in einem Test schlecht abgeschnitten habe. Burmester kommentiert: “Man kann das alles so machen. Man kann seinen Namen an die Industrie verkaufen. Aber dann soll man das bitte auch sagen und nicht länger behaupten, man würde journalistische Produkte erstellen. Einfach auf den Titel schreiben: “Von der Industrie gekauft, Inhalte unter Einflussnahme erstellt” — und alles wäre gut.”

4. Facebooks halbherziger Kampf gegen den Hass
(spiegel.de)
Myanmar (auch als Burma oder Birma bekannt) hat über 50 Millionen Einwohner, von denen viele auf Facebook sind: Das Soziale Netzwerk sei nach einem “Reuters”-Bericht der dominierende Internetdienst des Landes. Ein Dienst, um den sich Facebook jedoch wenig kümmere. Rassismus und Gewaltaufrufe gegen muslimische Minderheiten wie die Rohingya seien an der Tagesordnung. Dass die Hass-Posts teilweise über Jahre stehenbleiben, liegt an der personellen Unterversorgung: Facebook habe nur drei Vollzeitangestellte, die Burmesisch sprechen und von Dublin aus arbeiten. Diese drei Menschen sollen die problematischen Inhalte von 18 Millionen burmesischen Facebook-Nutzern prüfen.

5. Tamedia-Roboter ersetzt SDA-Sportredaktion
(tageswoche.ch, Gabriel Brönnimann)
Die nationale Nachrichtenagentur der Schweiz, die altehrwürdige Schweizer Depeschenagentur SDA, erlebt ein schweres 125. Jahr ihres Bestehens mit Personalabbau, Streik und umstrittenen Dividendenausschüttungen. Nun geht der SDA ein wichtiger Großauftrag verloren: Das Medienhaus Tamedia hat den Bezug der Sport-Nachrichten gekündigt, für die bislang 18 Agentur-Journalisten zuständig waren. Deren Arbeit soll bei Tamedia anscheinend möglichst ein Computerprogramm (“Tadam”) übernehmen.

6. „Resozialisiert euch selber!“
(taz.de, Christoph Mackinger)
Seit über einem Monat erzählt ein Inhaftierter auf Youtube von seinem Knastalltag in der Berliner JVA Tegel. Natürlich ist das Ganze streng verboten, und Handys sind generell nicht erlaubt. Trotzdem veröffentlicht der Knast-Youtuber immer wieder kleine Filmchen. Was auch ein Licht auf die Wirksamkeit des Handyverbots wirft: In Berlin seien letztes Jahr rund 1300 Handys beschlagnahmt worden — bei rund 4.000 Inhaftierten.

Blättern:  1 ... 184 185 186 ... 491