Archiv für 6 vor 9

Felix Austria?, “Pinkstinks” zieht Bilanz, Scheiterndes EU-Gesetz

1. Medien im Blickpunkt
(deutschlandfunk.de, Sören Brinkmann)
Am Wochenende finden in Österreich die Nationalratswahlen statt. Welche Rolle spielen die Medien im Wahlkampf und welchen Einflüssen sind sie ausgesetzt? Darauf versucht der Deutschlandfunk in einer kleinen Beitragsserie zu antworten. Der Österreichische Rundfunk (ORF) sieht sich beispielsweise stetigen Angriffen der FPÖ ausgesetzt. Reformpläne der Partei sähen drastische Eingriffe bei Finanzierung und Führungsstruktur vor. Die ÖVP wiederum geht gegen die Wochenzeitung “Falter” vor, die Seltsamkeiten bei den Parteifinanzen enthüllt hatte. Ein Skandal, der von den österreichischen Boulevardmedien weitgehend ignoriert und ausgeblendet wurde. Die Chefin von Reporter ohne Grenzen habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die österreichischen Medienunternehmen eher konservativ eingestellt sind. Und der Wien-Korrespondent des Deutschlandfunks macht auf eine Besonderheit aufmerksam, die Medien anfällig für politische Einflussnahme mache: In Österreich hätten Ministerien und Behörden viel Geld für Anzeigenkampagnen zur Verfügung, das sie gezielt einsetzen können.

2. Berliner Verwaltungsgericht stuft “Bild”-Livestreams als Rundfunk ein
(sueddeutsche.de)
Sind Livestream-Angebote als zulassungspflichtiger Rundfunk einzustufen? Im Fall von “Bild” und den bei Bild.de erscheinenden Videoformaten “Die richtigen Fragen”, “Bild-Sport-Talk” und “Bild-Live” hat das Berliner Verwaltungsgericht dies bejaht. Noch ist nicht bekannt, ob der Axel-Springer-Verlag gegen das Urteil in Berufung geht.

3. Warum Fake News sich so gut in deinem Gedächtnis festsetzen
(fachjournalist.de, Maren Urner)
Die Kognitions- und Neurowissenschaftlerin Maren Urner beschäftigt sich in ihrem Buch “Schluss mit dem täglichen Weltuntergang” mit den Fragen, inwieweit die tägliche Informationsflut unserem Gehirn schadet und warum es “Fake News” so leicht bei uns haben. Der “Fachjournalist” veröffentlicht einen Auszug aus dem Buch, in dem Urner auch erklärt, wie wir unser Gehirn vor Falschinformationen schützen können.

4. “Le Monde” bleibt unabhängig
(faz.net, Jürg Altwegg)
Lange Zeit wurde erbittert um die Vorherrschaft bei der französischen Tageszeitung “Le Monde” gekämpft — siehe dazu auch den “FAZ”-Text Die Schlacht um “Le Monde” wird immer heißer. Nun hat der Kampf ein für die Redaktion gutes Ende genommen: Die Haupteigentümer haben ein Abkommen getroffen, das der Redaktion Unabhängigkeit garantiert.

5. EU-Leistungsschutzrecht droht schon vor dem Start zu scheitern
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Viele haben es prophezeit, jetzt scheint es einzutreten: Das EU-weite Leistungsschutzrecht ist weitgehend wirkungslos. Google schränkt die Darstellung von Links auf Medienseiten ein und entgeht somit der von Verlagen erhofften Pflicht zu Lizenzzahlungen. Alexander Fanta erklärt die verschiedenen Positionen sowie die Argumente der Kritikerinnen und Kritiker.

6. Pinkstinks zieht Bilanz aus zwei Jahren Sexismus-Monitoring
(horizont.net, Ingo Rentz)
Die Anti-Diskriminierungs-Plattform “Pinkstinks” bietet seit zwei Jahren eine Seite zum Melden von sexistischer Werbung an. Und das durchaus erfolgreich: Man habe fast zehnmal so viele Einreichungen erhalten wie der Deutsche Werberat. Bei “Horizont” werden die eingereichten Meldungen aufgeschlüsselt und analysiert.

“Spiegel” ohne Beweise, Tabuthema Politikerposts, Zivilisationsbruch

1. Nach 5 Jahren Mauern: “Spiegel” räumt ein, keinen Beweis für Enthüllung zu haben
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Es ist ein deprimierendes und unwürdiges Trauerspiel. Und es ist Wasser auf die Mühlen all der “Lügenpresse”-Rufer: Nach fünf Jahren des Mauerns und Herumlavierens hat der “Spiegel” eine unhaltbare Geschichte aus dem Netz genommen. Der Autor, den der “Spiegel” sogar zum Chef des Investigativressorts machen wollte, führte einen Facebook-Chat als Beweis an. Einen Beweis, den er jedoch nicht vorzeigen konnte, was er laut “Süddeutscher Zeitung” so begründet: “Der Chat mit dem Wettbetrüger habe sich vor seinen Augen aufgelöst. Dass er gehackt worden oder in eine Interpol-Operation gegen die Wettmafia geraten sei oder dass das Chatprogramm einen Bug gehabt habe? Alles sei möglich. Screenshots, die er in den sich selbst löschenden Chat hinein noch gemacht habe, seien verloren gegangen, als sein Handy in eine Pfütze gefallen sei.” Stefan Niggemeier kommentiert: “Der Fall wirft natürlich Fragen danach auf wie sehr dem “Spiegel”-Star-Investigativjournalisten Rafael Buschmann zu trauen ist. Er wirft aber auch Fragen auf nach der Arbeitsweise des “Spiegel” quer durch die Hierarchie. Wenn zwei Ressortleiter, das Justiziariat und die (damalige) Chefredaktion ausdrücklich der Veröffentlichung eines solchen Artikels zugestimmt haben — welchen ähnlich zweifelhaften Veröffentlichungen haben sie noch zugestimmt? Inwiefern war es allgemein akzeptabel beim “Spiegel”, heikle Behauptungen zu veröffentlichen, von denen man weiß, dass man sie nicht belegen kann?”

2. Facebook will Politikerposts nicht auf Fakten checken und auch nicht löschen
(heise.de, Eva-Maria Weiß)
Facebook müsste laut eigenem Anspruch eigentlich alle Posts entfernen, die gegen die Regeln verstoßen oder “Fake News” sind. Doch bei Aussagen von Politikerinnen und Politikern macht das Netzwerk eine Ausnahme, es wolle kein “Schiedsrichter” sein. Man ziehe jedoch die Grenze “bei Reden, die zu Gewalt und Schaden führen können.”

3. Google zeigt nur noch Überschriften von Medien an
(golem.de, Friedhelm Greis)
Durch die neue Gesetzgebung von Googles Erlösen profitieren — die Verlegerallianz hatte es sich so schön erträumt … Doch daraus wird nichts, denn Google passt einfach die Suchergebnisse an und kürzt bei Pressepublikationen die Snippets durch eine Reduktion auf die Überschrift ein. Ab dem 1. Oktober in Frankreich und bald danach wahrscheinlich in den anderen EU-Staaten.

4. Gleich an zweiter Stelle
(taz.de, Alexander Graf)
Regisseure und Schauspieler genießen im deutschen Filmbusiness Respekt, Ruhm und Anerkennung, doch Drehbuchautorinnen und -autoren stehen eher im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung. Dieser Basiskonflikt zeigt gerade konkrete Auswirkungen: Der Verband Deutscher Drehbuchautoren und das Filmfest Hamburg zoffen sich. Vordergründig geht es um einzelne Formulierungen, doch dahinter steckt ein systemisches Problem.

5. Radiomachen 1200 Meter unter Tage
(faz.net)
Gestern wurden in der Hamburger Elbphilharmonie die Gewinner des Deutschen Radiopreises 2019 bekanntgegeben. Ein groß aufgezogenes Event mit rund 1400 geladenen Gästen und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Ehrengast. Der (undotierte) Radiopreis wurde in zwölf Kategorien vergeben. Die Auswahl aus den mehr als 400 Einreichungen besorgte eine unabhängige Jury des Grimme-Instituts. Beim Lesen der Gewinnerproduktionen bekommt man augenblicklich Lust, den Sendungen hinterher zu googeln und den Audioplayer anzuwerfen.

6. Wie der vom Verfassungsschutz beobachtete Rapper Chris Ares die Charts erobert – und was AfD-Funktionäre damit zu tun haben
(br.de, Stefan Sommer)
Stefan Sommer nennt es einen “popkulturellen Zivilisationsbruch”: Der deutsche Rechts-Rapper Chris Ares hat es in die Amazon-Charts geschafft. Wie konnte das passieren? Das BR-Jugendradio “Puls” ist der Sache in einer Recherche nachgegangen.

Wachhund “taz”, Shopping mit Silke und Holger, Philosophia Nonsensis

1. taz ist “Wachhund der Öffentlichkeit”
(blogs.taz.de, Jony Eisenberg)
Die “taz” hatte nach dem Einzug der AfD in den Bundestag zu den Hintergründen der AfD-Abgeordneten und ihren Mitarbeitern recherchiert. Dagegen war ein mittlerweile ehemaliger Bundestagsmitarbeiter juristisch vorgegangen, dessen rechtsradikale Vergangenheit von der “taz” aufgedeckt worden war. Nachdem die “taz” in erster Instanz unterlag, kündigte das Oberlandesgericht nun an, ihr recht zu geben. Eine Entscheidung von herausragender Bedeutung für die Berichterstattung über die AfD und deren Bundestagesmitarbeiter, wie “taz”-Jurist Jony Eisenberg anmerkt.

2. Newsrooms: Notwendig oder nicht?
(politik-kommunikation.de, Kathi Preppner)
Parteien wollen gerne die Kontrolle über ihre öffentliche Wahrnehmung haben. Im Social-Media-Zeitalter liegt es nahe, eigene Medienkanäle zu schaffen und diese direkt zu bespielen. Manche Parteien haben dazu sogenannte “Newsrooms” eingerichtet, in denen sie an der journalistischen Aufarbeitung ihrer Botschaften basteln. “politik & kommunikation” hat sich bei den großen Parteien umgehört, wie sie in Sachen Kommunikation und Medienarbeit verfahren.

3. Provokant gefragt
(deutschlandfunk.de, Susanne Lettenbauer, Audio: 5:56 Minuten)
Der österreichische Milliardär und Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ist auch Medienunternehmer und steckt direkt beziehungsweise indirekt hinter dem österreichischer Privatfernsehsender ServusTV und der Rechercheplattform “Addendum”. Mateschitz fiel in der Vergangenheit durch rechtspopulistische Äußerungen auf. Ist “Addendum” deshalb eine Art “Breitbart der Alpen”? Eher nicht, findet Susanne Lettenbauer im Deutschlandfunk.

4. “Philosphia Perennis” veröffentlicht irreführende Liste von Fällen, bei denen angeblich Ausländer Personen vor Züge stießen
(correctiv.org, Philip Steeg)
“Correctiv” hat einen Artikel des rechten Blogs “Philosophia Perennis” mit einer Liste “ausländischer Gleisschubser” auf seine Wahrhaftigkeit untersucht. Das Ergebnis: “Bei etwa der Hälfte waren die Täter entweder unbekannt oder deutsche Staatsbürger. Die Behauptung, dass ausschließlich Ausländer an den Delikten beteiligt seien, stimmt nicht.”

5. Rezo-Style als neues YouTube-Genre: Zerstörungsversuche vor den Wahlen in Österreich
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Das Video “Die Zerstörung der CDU” des Youtubers Rezo war ein sensationeller Erfolg (16 Millionen Aufrufe), den nun auch andere wiederholen wollen: Anlässlich der bevorstehenden Parlamentswahlen in Österreich gehen gleich mehrere Youtuber mit ähnlichen Videos an den Start. Die Abrufzahlen sind derzeit eher bescheiden und ein Einfluss auf das Wahlergebnis erscheint unwahrscheinlich. Laut Leonhard Dobusch können diese und ähnliche Videos im Rezo-Style dennoch als “Indiz für eine breitere Politisierung von YouTube” gelten.

6. Silke und Holger kaufen sich eine Zeitung
(neues-deutschland.de, Tim Wolff)
Die DuMont-Mediengruppe hat ihren Berliner Verlag mitsamt Druckerei und “Berliner Zeitung” verkauft. Neue Eigentümer sind Silke und Holger Friedrich, ein in der Medienbranche bislang weitgehend unbekanntes Unternehmerpaar. Ex-“Titanic”-Chef Tim Wolff hat sich einige Äußerungen des medienunerfahrenen Pärchens angeschaut. Sein Befund: “Nein, hysterisch wird im Angesicht von Silke und Holger niemand, denn sie sind ein hervorragendes Beispiel dafür, was die beiden Deutschlands und die Weltläufte hervorgebracht haben: Menschen, die pathologisch beliebig Wörter von schwammiger Bedeutung aneinanderreihen und das Ergebnis mit so etwas wie »Haltung« verwechseln.”
Zusätzlicher Hörtipp: Silke und Holger Friedrich im ausführlichen Interview bei radioeins (radioeins.de, Jörg Wagner & Daniel Bouhs, Audio: 1:10:09 Stunden).

Gabalier-Fangespräch, “NZZ”-Drift, Denunzierportal der AfD offline

1. Mehr Fan als Journalist
(taz.de, Volkan Agar)
Volkan Agar hat sich die NDR-Radiosendung “Stars am Sonntag” mit Talk-Gast Andreas Gabalier angehört und ist verwundert, dass bestimmte Aspekte nahezu komplett ausgeklammert blieben: “Ein Interview mit einem Künstler zu führen bedeutet nicht unbedingt, dass man sich mit ihm und seinen Ansichten gemein macht. Wenn von einer halbstündigen Redezeit aber nur knapp zwei Minuten kritischen Fragen gewidmet sind, dann wirkt das bei einem Gaba­lier aber schon etwas komisch.”
Weiterer Lesehinweis: Gabalier-Interview für ORF abgebrochen – und nicht gesendet (derstandard.at).

2. Political Clickbait – Der Rechtsruck der NZZ
(kotzendes-einhorn.de, Daniel Decker)
Die “NZZ” setzt unter Chefredakteur Eric Gujer immer wieder auf rechtspopulistische Inhalte und erntet für ihre Provokationen online viele Klicks. Der Rechtsdrift habe Folgen, wie Daniel Decker kommentiert: “Der NZZ hilft dabei, dass in der Schweiz mit der SVP eine nationalistische rechtspopulistische Partei seit 1999 die grösste Fraktion in der Bundesversammlung bildet. Ton und Vokabular, das die AfD hier versucht zu normalisieren, ist in der Schweiz bereits Normalität.”

3. Lehrer-Mel­de­portal “Neu­trale Schule” off­line
(lto.de)
Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern hat Schülerinnen und Schüler dazu aufgerufen, Lehrerinnen und Lehrer wegen angeblicher Verstöße gegen das Neutralitätsgebot anzuschwärzen. Um möglichst viele der Polit-Petzereien zu erhalten, hatte die Partei im Netz ein “Meldeportal” eingerichtet. Dagegen hat nun der Landesdatenschutzbeauftragte eine Verbotsverfügung erlassen. Die AfD hat zwar das Online-Formular aus dem Netz genommen, will aber juristisch gegen die Verfügung angehen.

4. Zeitungen, die nie ankommen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat den Themenbericht “Newspapers that never arrive” (PDF) veröffentlicht. Dort zeigt die Organisation, auf welch unterschiedliche Weise Regierungen, staatliche Institutionen, mächtige Oligarchen und Unternehmen den Vertrieb von Zeitungen behindern. Das reicht von der Drangsalierung und Behinderung von Druckereien und Zulieferern, der Beschlagnahme ganzer Ausgaben und dem Angriff auf Transportfahrer bis zur Ermordung von Zeitungsverkäuferinnen und -verkäufern. Bereits die deutsche Zusammenfassung des Berichts liest sich mehr als erschütternd.

5. “Wer kritische Fragen stellt, ist ein Feind”
(spiegel.de, Elisa von Hof)
Der “Spiegel” hat sich mit der Geschlechterforscherin und Soziologin Franziska Schutzbach über den Umgang mit rechter Rhetorik unterhalten. Schutzbach hat gerade ein Buch über “rechtspopulistische Diskursstrategien” veröffentlicht und kennt sich daher gut mit den Tricks und Strategien der Rechtsideologen sowie dem Vokabular der Szene aus.

6. Augen zu und feiern
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Jürgen Schmieder hat sich am vergangenen Wochenende die Emmy-Verleihung angeschaut und ist von der “unfassbar öden, verkrampft um gesellschaftliche Relevanz buhlenden, bisweilen peinlich um Lockerheit bemühten Veranstaltung” wenig begeistert: “Die Branche feiert ihr eigenes goldenes Zeitalter, doch es gelingt ihr nicht, diese Fete so interessant zu gestalten, dass die Leute zuschauen wollen.”

Klimaberichterstattung, Spenden-Schiff-Desaster, Künast-Beschluss

1. Die Homogenisierung der Klima-Berichterstattung ist ein Problem
(uebermedien.de, Axel Bojanowski)
Der Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski kritisiert auf “Übermedien” den Umgang mancher Redaktionen mit dem Thema Klimawandel: “Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich in den meisten Fällen nicht bestimmen lässt, wie wahrscheinlich die Risiken sind. Auch robuste Klimaszenarien für einzelne Regionen sind bislang nicht möglich, und Extremwetterphänomene zeigen häufig noch keinen Trend. Dem braven Umweltjournalismus gegenüber steht also ein hochkomplexer Wissenschaftszweig mit Tausenden multikausalen Wechselwirkungen, mit Widersprüchen und Wissenslücken.”
Weiterer Lesetipp: Wissenschaftler zum Klimapaket der Bundesregierung: Gute Nacht (spiegel.de, Susanne Götze).
Und außerdem: Der Klima-Podcast, der verschwand: “WDR und SWR planten einen ambitionierten Podcast zur Klimapolitik. Nach der ersten Ausgabe war Schluss. Eine Spurensuche.” (taz.de, Alexander Nabert).

2. Kein Schiff wird kommen
(addendum.org, Christoph Lehermayr)
Vor etwa einem Jahr sammelte der TV-Entertainer Klaas Heufer-Umlauf rund 300.000 Euro Spendengelder für die Seenotrettung ein. Es gehe darum, Schiffe zu chartern, erklärte er in seinem Spendenaufruf. Christoph Lehermayr hat recherchiert, was aus dem Projekt “Civilfleet” geworden und was mit dem Geld passiert ist. Es ist eine traurige Geschichte des Scheiterns mit missglückter beziehungsweise unterlassener Kommunikation sowie fehlender Transparenz. Das Team von “Civilfleet” hat auf den Artikel geantwortet.

3. Offener Brief an den Bundesrat: Warum wir gemeinnützigen Journalismus brauchen
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Gemeinwohlorientierter Journalismus genießt in Deutschland keine Vorteile, denn er gilt nicht als “gemeinnützig”. Nun hat sich Netzpolitik.org mit anderen Medien und Verbänden an den Bundesrat gewandt. In einem offenen Brief fordern die Plattformen, die “Förderung des Journalismus” in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke aufzunehmen.

4. Heikle Verwirrspiele mit dem Publikum
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler beschäftigt sich mit einer leider immer noch verbreiteten Unsitte von Medienhäusern: dem Verschleiern von Werbeinhalten: “Bei der Beantwortung der Frage, ab wann eine Werbebotschaft genügend klar deklariert ist, nutzen die Verlage einen grossen Interpretationsspielraum aus. Sicher aber begeben sie sich systembedingt auf eine Gratwanderung, wenn sie von Dritten finanzierte Beiträge im Layout der redaktionellen Angebote zulassen. Man rechnet bewusst mit der Unaufmerksamkeit des Lesers, der erst im Nachhinein erkennt, dass er bei der Lektüre eines jeweiligen Beitrags den redaktionellen Sektor verlassen hat.”

5. Beschimpfungen – Künast will gegen Urteil vorgehen
(morgenpost.de, Philipp Siebert)
Die Bundestagsabgeordnete der Grünen und ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast ist auf Facebook auf das Übelste beleidigt und beschimpft worden, doch das Berliner Landgericht konnte daran nichts Rechtswidriges finden. Zum Entsetzen nahezu aller Beobachter … Nun will Künast Widerspruch gegen den Beschluss einlegen.
Weitere Lesetipps: Annette Ramelsberger kommentiert bei Süddeutsche.de: “Dieses Gericht hat seine gesellschaftliche Aufgabe verfehlt. Es hat keine Brandmauer eingezogen zwischen dem Müll, der aus dem Netz schwappt, und dem notwendigen, kritischen Diskurs. Es setzt den Persönlichkeitsschutz von Politikern auf null. Gegen sie darf man hetzen, wüten, ihre Worte verdrehen. Dieser Beschluss zeugt von einer Verachtung der politischen Klasse. Wer soll sich da noch für dieses Land engagieren wollen?”
Der Jurist Heinrich Schmitz erklärt auf “Die Kolumnisten” die einschlägigen Paragraphen und Urteile. Seine Prognose: “[D]er Rechtsstaat in Form des Berliner Kammergerichts hat nun die Gelegenheit, diesen Beschluss zu kippen. Das ist ja das Schöne am Rechtsstaatsprinzip, dass es immer mindestens eine zweite Instanz gibt, die falsche Entscheidungen revidieren kann. Und auch, wenn ich selten auf Gerichte wette, in diesem Fall bin ich sicher, dass es das auch tun wird.”

6. Was Bundesliga-Spieler wirklich sagen würden: Das ehrliche Sportlerinterview
(rnd.de, Imre Grimm)
Nach jedem bedeutenden Fußballspiel setzt eine Art ritualisiertes Schauspiel ein: Reporter bestürmen die verschwitzten und erschöpften Fußballspieler mit erwartbaren Fragen. Die Fußballspieler wiederum antworten darauf mit, nun ja, erwartbaren Antworten. Imre Grimm hat die Floskeln übersetzt.

Verdrehte Reuters-Studie, Topf Secret, Rundfunkrat Markwort

1. Linke Programme für ein linkes Publikum? Was die Reuters-Studie wirklich zeigt
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Hat eine große Studie eines renommierten Instituts tatsächlich herausgefunden, dass ARD und ZDF fast nur noch für ein linkes Publikum senden? Dies wird jedenfalls von rechtskonservativen bis rechtsextremen Kreisen behauptet und als Beleg die aktuelle Reuters-Studie angeführt. Medienjournalist Stefan Niggemeier ist der Sache nachgegangen.

2. Altherrenverein war gestern
(magazin.zenith.me, Moritz Behrendt)
Jahrzehntelang bestimmten altgediente Haudegen und Platzhirsche wie Peter Scholl-Latour und Gerhard Konzelmann, wie wir den Nahen Osten sahen und über ihn dachten. Doch die beiden Starreporter und Bestsellerautoren waren mindestens in der Fachwelt umstritten. Konzelmann galt zudem als “Allahs Plagiator”. Wie ist es derzeit um den Journalismus aus Nahost bestellt? Moritz Behrendt, Mitgründer und Mitherausgeber von “zenith – Zeitschrift für den Orient”, erzählt vom derzeitigen Stand der Nahost-Berichterstattung.

3. Der Gegner im eigenen Bett?
(deutschlandfunk.de, Michael Watzke, Audio: 4:44 Minuten)
Helmut Markwort sitzt im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Das ist insofern pikant, als Markwort zugleich Miteigentümer mehrerer Konkurrenzsender ist und sich das Vorliegen eines handfesten Interessenkonflikts aufdrängt. Ein Interessenkonflikt, von dem Markwort natürlich nichts wissen will und dabei das bayerische Justizministerium auf seiner Seite weiß. Nun kann wohl nur eine Gesetzesänderung helfen. Die kann jedoch lediglich Zukünftiges regeln. Markwort wird also seinen Platz im Rundfunkrat trotz seines wirtschaftlichen Engagements bei der Konkurrenz behalten.

4. Berliner Bezirke sabotieren “Topf Secret”: Interne Dokumente offenbaren Streit zwischen Bezirken und Landesregierung
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Das Projekt “Topf Secret” setzt sich dafür ein, dass die Berliner Bezirke die Hygiene-Kontrollergebnisse zu Lebensmittelbetrieben der Stadt herausgeben müssen. Über eine Online-Plattform beziehungsweise App können Verbraucherinnen und Verbraucher dazu einen Antrag stellen. Eine Möglichkeit, von der insgesamt mehr als 30.000 mal Gebrauch gemacht wurde (in Berlin rund 3.000 mal), allein es nützt nichts: “Die Berliner Bezirksämter sabotieren die Online-Plattform “Topf Secret” und widersetzen sich damit wiederholten Empfehlungen der Landesregierung.” Nun sind interne Dokumente aufgetaucht, die einen Streit zwischen Bezirken und Landesregierung nahelegen.

5. Geheimdienst muss transparenter werden
(tagesspiegel.de, Fatina Keilani)
Das Bundesverwaltungsgericht hat entscheiden, dass der Bundesnachrichtendienst Auskunft über seine Hintergrundgespräche mit Journalistinnen und Journalisten erteilen muss. Dem Urteil vorausgegangen ist die Klage eines “Tagesspiegel”-Redakteurs. Das Gericht stellt unter anderem fest: “Dadurch, dass dem Kläger mitgeteilt wird, welche Medienvertreter jeweils eingeladen waren und an welchen Gesprächen der Präsident des BND teilgenommen hat, werden keine für eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BND relevanten zusätzlichen Informationen verbreitet.”

6. Fußball-Fake: Wenn das Studio zum Stadion wird
(fair-radio.net, Mario Köhne)
Beim Radiosender Life Radio Tirol kommt tolle Fußballstimmung auf, als die Moderatorin scheinbar live ins Fußballstadion in Graz zu ihrem Reporterkollegen schaltet. Doch der steht nicht im Stadion zwischen Tausenden von Fans, sondern ihr gegenüber im Studio. Herausgekommen ist der Fake, weil der Sender die Studiocam mitlaufen ließ, und die Bilder auf Youtube landeten.

Social-Media-Fotoverbot, Rundfunk-Gedächtnis, Lautes Grönemeyer-Echo

1. Urteil: Polizei darf keine Fotos von Versammlungen in sozialen Netzwerken veröffentlichen
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass die Polizei aus Essen keine Fotos von Demonstrierenden beziehungsweise Versammlungsteilnehmenden auf Twitter oder Facebook veröffentlichen darf. Ein Urteil, das bundesweite Bedeutung haben könnte.

2. Der mühsame Weg, das Rundfunk-Gedächtnis zugänglich zu machen
(uebermedien.de, Daniel Bouhs)
Bei den Öffentlich-Rechtlichen verschwinden viele Beiträge nach der Ausstrahlung und einem Zwischenaufenthalt in einer Mediathek im Nirwana beziehungsweise im sendereigenen Archiv. Immer wieder wird gefordert, die Inhalte dauerhaft öffentlich zugänglich zu machen, doch Urheberrecht und Rundfunkstaatsvertrag verkomplizieren die Lage. In einer Art Pilotprojekt will der SWR als erster öffentlich-rechtlicher Sender systematisch historisches Material ins Netz stellen. Daniel Bouhs berichtet vom ehrgeizigen Vorhaben des Südwestrundfunks. Und er hat sich für “Übermedien” bei den anderen Anstalten erkundigt, wie diese mit ihren Inhalten verfahren und ob ähnliche Pläne vorliegen.

3. Kaufen sich zwei Ostberliner eine Zeitung
(zeit.de, Zacharias Zacharakis)
Bereits seit einiger Zeit versucht die Unternehmensgruppe DuMont, manche ihrer Verlage und Medien abzustoßen. Nun wechselt der Berliner Verlag samt “Berliner Zeitung”, “Berliner Kurier” und “Berliner Abendblatt” den Eigentümer. Käufer ist das in der Branche bislang unbekannte Ehepaar Silke und Holger Friedrich.
Weiterer Lesehinweis: In eigener Sache: Der Berliner Verlag kommt wieder in Berliner Hand (berliner-zeitung.de).

4. Bis wie viel Dezibel ist Antifaschismus erlaubt?
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
Margarete Stokowski beschäftigt sich mit dem Echo auf Herbert Grömemeyers Äußerungen bei einem Konzert in Wien: “Es ist eigentlich nicht so kompliziert. Herbert Grönemeyer hat sich auf einem Konzert gegen Rassismus geäußert, nicht zum ersten Mal und nicht besonders ausführlich. Das sollte im Grunde überhaupt nicht kontrovers sein. Die Debatte darüber entsteht, weil wir in einer Zeit leben, in der Menschen sich von so einer schlichten Aussage angegriffen fühlen. In einer Zeit, in der offen Rechtsextreme immer wieder versuchen, ihre GegnerInnen als die eigentlichen FeindInnen der Demokratie zu beschimpfen. In einer Zeit, in der Leute sich bisweilen sehr genau überlegen, ob und wie sie sich gegen Nazis engagieren, weil sie die Konsequenzen fürchten, und das nicht ohne Grund.”

5. Ein Interview mit Edward Snowden
(stefan-fries.com)
Die Gelegenheit zu einem Interview mit Edward Snowden bekommt man nicht alle Tage. Stefan Fries und sein Kollege Stefan Koldehoff durften für den Deutschlandfunk mit dem berühmten Whistleblower sprechen. In seinem Blog erzählt Fries von den Begleitumständen und der Entstehungsgeschichte des Gesprächs. Inklusive interessanter weiterführender Links.

6. “In der Dimension einmalig”
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 6:18 Minuten)
Der Deutschlandfunk hat mit Juan Moreno gesprochen, der die Fälschungen des ehemaligen “Spiegel”-Vorzeigereporters Claas Relotius aufdeckte. Im Gespräch geht es auch um das psychologische Moment, das sich Relotius bei seiner Arbeitsweise zunutze machte.

“Tausend Zeilen Lüge”, SUV-Panzer, “Kraft durch Freude” beim Boxen

1. “Claas Relotius war nie Reporter”
(spiegel.de, Juan Moreno)
Der Journalist Juan Moreno hat ein Buch über das geschrieben, was der “Spiegel” den “Fall Claas Relotius” nennt, was aber auch der “Fall Spiegel” heißen könnte. Immerhin veröffentlicht der “Spiegel” nun einen Auszug des Buchs, nachdem er dem Autor — nach dessen Aussage — wenig bis keine Unterstützung bei der Buchrecherche hat zukommen lassen. Vom Geschehen davor ganz zu schweigen.

2. Angst vor kritischen Fragen
(sueddeutsche.de, Laura Hertreiter)
Ist das ZDF mit dem abgebrochenen Höcke-Interview richtig umgegangen? Ja, findet Laura Hertreiter in der “Süddeutschen”: “Im Fall der AfD aber — einer Partei, die die Arbeit mit Medien neu verhandeln will — war es richtig vom ZDF, den Fall öffentlich zu machen. Am Ende des Videos reagiert Höcke mit Flucht und Drohgebaren, beides oft Begleiterscheinungen von Angst. Für Angst gibt es meist gute Gründe. Eine freie Presse zählt nicht dazu.”

3. Ok Leute schauen wir uns das Höcke-Interview noch einmal genauer an.
(twitter.com, Natascha Strobl)
Natascha Strobl ist eine Meisterin im Analysieren von politischen Reden. Aktuell hat sie sich mit dem Höcke-Interview auseinandergesetzt. Es ist ein etwas längerer Twitter-Thread geworden, denn “Interviews analysieren ist immer etwas anstrengender und inkohärenter als Reden etc zu sezieren”.

4. Medienwandel: Wie eine Achtjährige sich Informationen sucht
(eggers-elektronik.de, Jan Eggers)
Der Journalist Jan Eggers hat seiner achtjährigen Tochter bei der Informationsbeschaffung im Internet über die Schulter geschaut und seine Erkenntnisse notiert. Gute Tipps für Eltern, die ihre Kinder auf den ersten Streifzügen ins Internet begleiten wollen.

5. Bei @Bild sind sie ganz empört, dass #SUV “jetzt” sogar “Panzer” genannt werden.
(twitter.com, Stefan Niggemeier)
Im “Bild”-Kommentar empört sich Frank Schmiechen, Mitglied der Chefredaktion, dass SUVs von manchen als “Panzer” bezeichnet werden. Stefan Niggemeier fragt auf Twitter “Wer macht denn auch sowas?” und liefert die Antwort gleich mit.

6. Neonazi steigt mit “Kraft durch Freude”-Shirt in den Ring – und will keine Ahnung von der Bedeutung haben
(fr.de, Katja Thorwarth)
Am Wochenende übertrug die ProSiebenSat1-Plattform “ranfighting” einen Boxkampf, bei dem es einen denkwürdigen Auftritt des Eigentümers und Managers vom “Germanen Boxstall Kiel” gab. Der war nämlich mehrfach mit seinem T-Shirt zu sehen, auf dem in Frakturschrift der Nazi-Slogan “Kraft durch Freude” prangte. Der “German Boxstall Kiel” gibt sich unschuldig und sieht sich zu Unrecht kritisiert (“Nazikeule”). Katja Thorwarth ist dem Fall nachgegangen und hat ihre berechtigten Zweifel an dieser Verteidigungsstrategie.

Björn bricht, Snowden-Interview, Morenos Erlebnisse

1. Höcke bricht ZDF-Interview ab und droht
(zdf.de, David Gebhard & Dominik Rzepka)
Der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke hat ein Interview mit dem ZDF abgebrochen. In dem Gespräch ging es unter anderem um Höckes Bedeutung für die Bundes-AfD und um seine Sprache. Das ZDF hatte AfD-Abgeordneten Höcke-Äußerungen vorgelegt und sie gefragt, ob es Höcke- oder Hitler-Zitate seien. Nach zehn Minuten unterbrach Höckes Sprecher: “Das geht so nicht. Sie haben jetzt Herrn Höcke mit Fragen konfrontiert, die ihn stark emotionalisiert haben” und schlug vor, das Interview “noch mal von vorne” zu wiederholen. Das abgebrochene Interview mit Björn Höcke in voller Länge gibt es hier zu sehen, das Interview in Schriftform hier.
Weiterer Lesehinweis: Katja Thorwarth hat für die “Frankfurter Rundschau” das ARD-Sommerinterview mit dem AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland besprochen: “Gauland hätte im Vorfeld eigentlich Zuschauerfragen beantworten sollen, hatte darauf aber keine Lust. “Warum muss ich sozusagen in ein schwarzes Loch gucken?”, sollte sich der AfD-Mann später rechtfertigen, den erzürnte, dass er die Fragen nicht im Vorfeld zur Einsicht bekam. Wohl, damit er sich seine Phrasen zurecht legen kann, doch es sind ja gerade die spontanen Antworten gefragt — offensichtlich eine Überforderung für Gauland. Allerdings ist “Fragt selbst!” fester Bestandteil der Sendung, und konsequenterweise hätte das Erste den AfD-Fraktionsvorsitzenden ausladen müssen, immerhin hatten sich alle anderen Politiker bislang jenem Part gestellt.”
Außerdem lesenswert Philipp Peyman Engel von der “Jüdischen Allgemeinen”: Warum wir nicht mit der AfD sprechen: “Mit Politikern, die den Holocaust als »Vogelschiss der Geschichte« und das Holocaustmahnmal in Berlin als »Schande« bezeichnen, gibt es für uns nichts zu besprechen. Eine Partei mit einem gefährlichen Scharfmacher samt bester Neonazi-Kontakte als Landeschef disqualifiziert sich ohnehin von ganz alleine — und hat alle Fragen damit bereits selbst beantwortet.”

2. Was wäre die Gesellschaft ohne Whistleblower?
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries & Stefan Koldehoff, Audio: 67:42 Minuten)
Der Deutschlandfunk hat ein längeres Interview mit Edward Snowden geführt. Darin geht es unter anderem um staatliche Überwachung, die Notwendigkeit von Aufklärung und Whistleblowing sowie Snowdens Lebensgeschichte: “Erst, nachdem ich immer tiefer in die Regierung gekommen bin, nachdem ich die Leiter nach und nach hinaufgestiegen bin, erst nachdem ich zur CIA und NSA gegangen bin, nachdem ich mit diesen Systemen lange gearbeitet habe, hatte ich denn die Perspektive, hatte ich die Möglichkeit zur Selbstreflexion, dass ich mich fragen konnte: Was habe ich eigentlich mit dieser Arbeit gemacht? Was macht meine Regierung? Es hat nicht den Zweck, die Menschen zu befreien, sondern zu unterdrücken. Es ging um die Kontrolle. Es ging nicht darum, die Demokratie zu schützen, sondern leider eigentlich, die Demokratie zu gefährden im Endeffekt. Wenn wir uns unsere Werte anschauen: Wir zerstören genau das, was wir gerne schützen möchten.”

3. Der Stoff, der den Journalismus verändert hat
(sueddeutsche.de, Ralf Wiegand)
Dem Journalisten und freien Autor des “Spiegel” Juan Moreno ist es zu verdanken, dass die Fälschungen von Claas Relotius aufgedeckt wurden. Nun hat Moreno ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben. Der Fälschungsskandal ist das eine, der Umgang damit das andere: Man möchte nicht in Morenos Haut gesteckt haben, als man ihm beim “Spiegel” durchaus brutal und arrogant zu verstehen gab, dass man ihn jederzeit feuern könne.

4. “Das ist kein Spaß mehr”: Klenk stellt Entschädigungsantrag gegen Jeannée und “Krone”
(derstandard.at)
“Falter”-Chefredakteur Florian Klenk wehrt sich nun auch gerichtlich gegen den gedruckten Hass-Post des österreichischen “Krone”-Kolumnisten Michael Jeannée. Siehe dazu auch Klenks Tweet: “Ich bringe Klage gegen Jeanne und die Krone ein. Ich beantrage eine strafrechtliche Verurteilung von Jeannee wegen übler Nachrede und den höchsten Entschädigungsbetrag, den das MedienG hergibt. Je 50.000 € von Krone Verlag und Krone Multimedia. Ja, wird bei Obsiegen gespendet.”

5. Presserat rügt Sensationsberichte über Schwertmord
(stuttgarter-nachrichten.de)
Der Deutsche Presserat hat Berichte der “Bild”-Medien über den sogenannten Stuttgarter Schwertmord als übertrieben sensationell und respektlos gerügt. Vor allem die Täterperspektive wird kritisiert: “So habe die Redaktion auf der Titelseite ein Foto des mutmaßlichen Mörders mit erhobenen blutigen Armen gezeigt und sei damit Gefahr gelaufen, sich zum Werkzeug des Verbrechers zu machen. Auch die identifizierende Darstellung des Opfers sei nicht vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Zu sehen war ein Porträtfoto des Mannes vor der Tat, daneben ein verpixeltes Bild des Sterbenden in einer Blutlache.”

6. “Angry German Kid”: Wie ein Internetvideo das Leben eines Teenagers zerstörte
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Matthias Schwarzer erzählt die tragische Geschichte eines Jugendlichen nach, der auf Youtube als “Angry German Kid” bekannt wurde. Sie beginnt 2006, als der damals 13-Jährige ein gespieltes Brüllvideo von sich aufnimmt und auf die Plattform hochlädt, das bei “Focus TV” landet — der Startpunkt einer für den Youtuber äußerst unheilvollen Entwicklung.

Klatsche mit Ansage, CSU-Par­tei­funk mit Frak­ti­ons­geld?, Haltet ein!

1. Verlustgeschäft für deutsche Verlage
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz & Sebastian Wellendorf, Audio: 5:31 Minuten)
Es war eine Klatsche mit Ansage: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das deutsche Gesetz zum Leistungsschutzrecht gekippt, und zwar wegen eines lange bekannten Formfehlers. In dem fünfeinhalbminütigen Beitrag werden die Hintergründe erklärt — nämlich die Idee der Verlage, etwas vom Google-Kuchen abzubekommen. Eine Idee, die beim Suchmaschinenriesen verständlicherweise auf wenig Gegenliebe stieß.
Lesetipp für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema: EuGH erklärt deutsches Leistungsschutzrecht für unzulässig (golem.de, Friedhelm Greis).

2. Unzu­läs­siger Par­tei­funk mit Frak­ti­ons­geld?
(lto.de, Alexander Hobusch)
Die CSU hat für ihren Youtube-Clip aus der Reihe “CSYou” einiges an Kritik und Spott kassiert. Nun äußert der Experte für Parteienfinanzierung Alexander Hobusch auf “Legal Tribune Online” auch noch juristische Bedenken zur Rechtmäßigkeit des Formats: “Nach einer Folge steht jedenfalls der Verdacht im Raum, dass (teilweise) Partei-PR mit Fraktionsmitteln betrieben wird: Zu weit entfernt sind die Inhalte vom parlamentarischen Betrieb, zu stark ist ihr Parteibezug. Der Vorfall zeigt anschaulich das Dilemma der Abgrenzung zwischen Partei- und Fraktionsöffentlichkeitsarbeit auf: Wie viel allgemeinpolitische Diskussion und wie viel Zuspitzung kann mit Fraktionsgeldern betrieben werden?”

3. Gewinner aus Saudi-Arabien, Malta und Vietnam
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat in Berlin die 27. internationalen Press Freedom Awards verliehen. Ausgezeichnet wurden die saudi-arabische Bloggerin und Journalistin Eman al-Nafjan, die Malteserin Caroline Muscat und die Vietnamesin Pham Doan Trang. Leider konnte Eman al-Nafjan den Preis nicht persönlich entgegennehmen: Sie wurde in Saudi-Arabien zwar aus der Haft entlassen, ist aber mit einem Ausreiseverbot belegt.

4. Datenschützer können Abschaltung von Facebook-Fanpages verlangen
(horizont.net)
Sind deutsche Facebook-Seitenbetreiber für den Datenschutz verantwortlich, auch wenn die Datenverarbeitung durch Facebook erfolgt? Ein schwieriges juristisches Thema, mit dem sich nun anhand eines konkreten Falls das Bundesverwaltungsgericht beschäftigt hat. Das Urteil bezeichnet die initiierende Datenschutzbeauftragte als “Rückenwind für den Datenschutz”.

5. Haltet ein!
(spiegel.de, Thomas Fischer)
Ex-BGH-Richter Thomas Fischer beschäftigt sich mit dem Kinderpornografie-Vorwurf gegen einen ehemaligen Fußballspieler, der medialen Behandlung des Falls und den Aspekten der Unschuldsvermutung. Und er merkt etwas an, was zumindest diskutierenswert erscheint: “Ich vertrete gewiss nicht die generelle Straflosigkeit von Kinderpornografie. Aber man muss sich einer wenig nützlichen, kontraproduktiven Hysterisierung auch hier entgegenstellen. Und man muss sich gelegentlich in Erinnerung rufen, in welch exzessivem Maß unsere Gesellschaft öffentlich sexualisiert und geradezu manisch auf jugendliche Sexualität fixiert ist: in Werbung, Mode, Showgeschäft, Freizeit, Unterhaltungsindustrie.”

6. Vorerst kein Schadenersatz für Haft
(taz.de)
Ein türkisches Gericht hat die Entschädigungsklage von Reporter Deniz Yücel für die erlittene einjährige Haft in einem Istanbuler Hochsicherheitsgefängnis ohne Angabe von Gründen abgewiesen. Yücels Anwalt will sich nun an das türkische Verfassungsgericht wenden und nimmt dafür persönliche Risiken in Kauf: Er wurde bereits wegen “öffentlicher Beleidigung der Justiz” zu fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und riskiert, ins Gefängnis geworfen zu werden.

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