Archiv für 6 vor 9

Polizeiliche Schuldumkehr, WhatsApp vom Prinzen, Bolsanaros Rache

1. Schuldzuweisung statt Opferschutz
(netzpolitik.org, Daniel Laufer)
Wegen einer Morddrohung habe sich die Streamerin Powny an die Bremer Polizei gewandt. Der zuständige Beamte habe sie nicht ernst genommen und mit unpassenden Bemerkungen bedacht. Die Bremer Polizei habe immerhin reagiert: “Das geschilderte Verhalten des aufnehmenden Beamten entspricht nicht unserem Verständnis von einer bürgernahen Polizeiarbeit”, so die Polizeisprecherin: “Wir arbeiten intensiv an der Aufklärung des Sachverhaltes.” Der beschuldigte Beamte sei bis zur Klärung “von seinen derzeitigen Aufgaben mit Bürgerkontakt entbunden”.

2. Oh Lord
(sueddeutsche.de, Cathrin Kahlweit & Laura Hertreiter)
Für viele überraschend, gibt Tony Hall, Generaldirektor der BBC, seinen Posten als einer der mächtigsten Medienmanager der Welt ab. Der Sender erlebe gerade schwierige Zeiten: Teile der Politik würden ihn wegen seiner angeblich unverhältnismäßigen Brexit-Kritik boykottieren. Premier Boris Johnson stelle sogar das komplette Finanzierungsmodell der BBC infrage. Cathrin Kahlweit und Laura Hertreiter erklären Hintergründe und Zusammenhänge.

3. kontertext: Online-Zeitungen – die grosse Versuchung
(infosperber.ch, Rudolf Walther)
Anhand der Beispiele “Guardian” und “Independent” beschreibt Rudolf Walther, welche positiven und negativen Folgen eine Schwerpunktverlagerung aufs Digitale haben kann. Die “taz” könne demnächst vor einem ähnlichen Umbruch stehen: “Die hohen und tendenziell steigenden Vertriebskosten und die Unwägbarkeiten der Vertriebssysteme, deren Träger unrentable Regionen lieber heute als morgen ‘vergessen’ lassen würden, sowie der unabsehbaren Kosten und Zumutungen der Postzustellung könnten die Geschäftsführung in Zukunft zu einem radikalen Schnitt zwingen.”

4. Rache liegt in der Luft
(taz.de, Simon Sales Prado)
Der US-amerikanische Journalist Glenn Greenwald wurde international berühmt, als er als Erster die Snowden-Papiere einsah und darüber im “Guardian” berichtete. Seit einigen Jahren lebt und arbeitet Greenwald in Brasilien und veröffentlichte dort unter anderem belastende Dokumente gegen die rassistische und neoliberale Bolsonaro-Regierung. Die könnte sich nun rächen wollen: Die brasilianische Bundesstaatsanwaltschaft klage Greenwald wegen “Cyberkriminalität” an.

5. Schon drei Journalisten seit Jahresbeginn getötet
(reporter-ohne-grenzen.de)
Laut Reporter ohne Grenzen sind im Irak seit Jahresbeginn bereits drei Journalisten getötet worden: “Über die Proteste und das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte zu berichten, ist für irakische Journalistinnen und Journalisten im Irak inzwischen lebensgefährlich.”

6. Wenn der Kronprinz dir ein Video schickt
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Wenn einem jemand wie der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman per WhatsApp ein Video zuschickt, muss er es nicht unbedingt gut mit einem meinen: IT-Forensiker haben herausgefunden, dass auf diese Weise womöglich das Handy des Amazon-Milliardärs und Besitzers der “Washington Post” Jeff Bezos gehackt wurde. Die saudische Botschaft in den USA habe die Vorwürfe als “absurd” zurückgewiesen. Nun sollen weitere Untersuchungen folgen.

Künasts Teil­er­folg, Verklagter Seehofer, Täuschende Politwerbung

1. Künast mit Teil­er­folg gegen Hass­pos­tings im Netz
(lto.de, Markus Sehl)
Die Grünen-Politikerin Renate Künast hat einen juristischen Teilerfolg erzielt: Das Landgericht Berlin ist zu der (späten) Einsicht gekommen, dass bestimmte Äußerungen über Künast keinen Sachbezug haben, sondern Beleidigungen sind. Darunter so hübsche Aussagen wie “Schlampe”, “Drecks Fotze” und “Diese hohle Nuß gehört entsorgt, aufe Mülldeponie, aber man darf ja dort keinen Sondermüll entsorgen”. Die Bezeichnung “Stück Scheisse” sei ebenfalls eine Beleidigung, jedoch keine Formalbeleidigung, da im Nachsatz ein “Sachzusammenhang” hergestellt werde. Nun ja.

2. Die E-Mails des Ministers: Wir verklagen Innenminister Seehofer
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Es geht um nichts weniger als eine Grundsatzfrage: Bezieht sich das Informationsfreiheitsgesetz auch auf E-Mails von Ministern? Das Transparenzportal “FragDenStaat” verklagt Innenminister Horst Seehofer, nachdem dieser sich weigere, E-Mails aus einem bestimmten Zeitraum herauszugeben. Hintergrund ist eine Pressekonferenz im Juni 2018, in der der Minister von einem Artikel gesprochen habe, den er im Internet gelesen habe und in dem “die Bundesrepublik Deutschland so richtig ironisch eine Hinrichtung erfährt.” In der ersten Instanz seien für die Klage rund 2.000 Euro fällig, die man auch über Spenden abdecken wolle.

3. Die “Mopo” vor ungewisser Zukunft
(deutschlandfunk.de, Axel Schröder, Audio: 5:24 Minuten)
Die “Hamburger Morgenpost” ist schwer angeschlagen: Dramatischer Auflagenschwund, ein reduzierter Mitarbeiterstab und über all dem die Sorge, von Eigentümer DuMont abgewickelt beziehungsweise verkauft zu werden. Deutschlandfunk-Landeskorrespondent Axel Schröder hat das Hamburger Traditionsblatt mit der über 70-jährigen Geschichte besucht.

4. Neonazis verprügeln deutschen Korrespondenten
(reporter-ohne-grenzen.de)
Als Thomas Jacobi, freier Korrespondent für die Deutsche Welle, über eine Neonazi-Demo in Athen berichten wollte, wurde er brutal angegriffen und verprügelt. Dabei sei sein Handy zerstört und das Aufnahmegerät geraubt worden. Die anwesende Polizei sei nicht eingeschritten. Der Vorstandssprecher der Reporter ohne Grenzen kommentiert: “Rechtsextreme Angriffe auf die Medien werden in Griechenland viel zu oft ignoriert. Die Regierung muss dafür sorgen, dass die Polizei Journalistinnen und Journalisten auf Demonstrationen besser schützt und dass derartige Angriffe wirksam verfolgt werden.”

5. Native Advertising bei Tamedia: Politwerbung mit Täuschungspotenzial
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Der Schweizer Medienkonzern Tamedia übertreibt es mit dem Native Advertising derart, dass sich sogar die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per offenem Brief (PDF) dagegen aussprechen. Die Verschleierung von kommerziellen Inhalten schade der Glaubwürdigkeit der Medien. “Medienwoche”-Redakteur Nick Lüthi schreibt dazu: “Der kurzfristige Nutzen liegt auf der Hand: Werbung bringt Geld. Doch langfristig riskiert der Verlag, seinen Medien zu schaden.”

6. Wir dürfen Twitter und Facebook nicht dem Mob überlassen!
(journalist.de, Nicole Diekmann)
In der empfehlenswerten Serie “Mein Blick auf den Journalismus” kommt diesmal die couragierte ZDF-Hauptstadtjournalistin Nicole Diekmann zu Wort. Diekmann wünscht sich mehr Social-Media-Kompetenz in den Redaktionen: “Wenn an Wahlabenden in Sendungen Sätze fallen wie ‘Hat bei Facebook getwittert’, können wir ‘diese jungen Leute’ noch so sehr becircen — sie nehmen uns nicht für voll.”

Clearviews Gesichtserkennung, Briefmarkenformat, BND-Lehren

1. Gewaltige Fotodatenbank zeigt, wie gefährlich Gesichtserkennung ist
(zeit.de)
Laut “New York Times” soll das wenig bekannte Startup Clearview eine Datenbank mit Milliarden Bildern von Menschen zusammengesammelt haben, die mittels Gesichtserkennung zuzuordnen seien. Clearview soll dafür Facebook, Youtube und viele andere Websites geplündert haben. Das Unternehmen biete seine Dienste sowohl Behörden als auch Privatunternehmen an. Es lohnt sich, auch den “NYT”-Beitrag im Original zu lesen. Er hat Elemente einer alarmierenden Dystopie.

2. Eine Frage der Größe
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Wenn es nach einem “Diskussionsentwurf” des Justizministeriums zur Umsetzung des Leistungsschutzrechts geht, sollen Vorschaubilder bald nur nur noch im Briefmarkenformat erlaubt sein. Simon Hurtz erklärt Hintergrund, Zusammenhänge und Interessenlagen.

3. Wenn überall das Gleiche steht
(taz.de, Anne Fromm)
Im Osten Deutschlands schrumpft die Presse auf einige wenige Anbieter zusammen. Nach dem Verkauf der “Mitteldeutschen Zeitung” an die Bauer Media Group, die mit der “Volksstimme” bereits die andere große Tageszeitung in Sachsen-Anhalt besitzt, kommentiert Anne Fromm: “Das mag Ihnen in Tübingen oder Oldenburg egal sein. Vielleicht nehmen Sie von ihr nur dann Kenntnis, wenn sie morgens in der ‘Presseschau’ im Deutschlandfunk zitiert wird. Doch zur Demokratie gehört ein dichtes Netz aus Meinungsvielfalt und Pressevielzahl.”

4. AfD- und Nichtwähler nutzen wenig Nachrichtenquellen
(heise.de, Andreas Wilkens)
Psychologinnen und Psychologen der Universität Ulm haben Wähler politischer Parteien zu deren Nachrichtenkonsum befragt. Das Ergebnis: Nicht- und AfD-Wähler sowie Unterstützer kleiner Parteien bezögen sich auf die vergleichsweise wenigsten Nachrichtenquellen. Außerdem würden ältere Befragte laut Studie mehr Nachrichtenquellen nutzen als jüngere.

5. Nach der Verhandlung über die BND-Massenüberwachung: 7 Lehren für die (investigative) journalistische Arbeit
(medium.com, Daniel Moßbrucker)
Das Bundesverfassungsgericht befasst sich derzeit mit der Massenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst und prüft, ob diese das Grundgesetz verletzt. Durch das energische Nachfragen der Richterinnen und Richter seien so viele Details und Zahlen wie lange nicht bekannt geworden. Daniel Moßbrucker hat daraus sieben Erkenntnisse für Journalistinnen und Journalisten abgeleitet.

6. Wie Polizeimeldungen Autounfälle verharmlosen
(tagesspiegel.de, Stefan Jacobs)
In Polizeiberichten über Autounfälle werde oft die Perspektive des Autoverkehrs eingenommen, was zu einer Verharmlosung und Falschbewertung des tatsächlichen Unfallgeschehens führen könne. Stefan Jacobs hat einige Beispiele aus Berlin zusammengetragen und sensibilisiert damit für das wichtige Thema.

Kritik an Deutscher Welle, Björn Höcke will nicht, CC-Bilderfalle

1. Macht und Missbrauch
(taz.de, Peter Weissenburger)
Der Auslandssender Deutsche Welle (DW) kommt nicht zur Ruhe. Im Hintergrund schwelt ein noch nicht geklärter #Metoo-Fall. Nun berichtet ein Whistleblower im “Guardian” von weiteren Missständen: Dem Sender werden Rassismus, Mobbing und systematische Unterdrückung von Kritik vorgeworfen (worauf Angestellte der DW mit einem offenen Brief geantwortet haben). Die “taz” hatte in den vergangenen Monaten Kontakt mit verschiedenen ehemaligen und gegenwärtigen DW-Mitarbeiterinnen und -Mit­ar­bei­te­rn, die von Drohungen und Machtmissbrauch sprechen.

2. Björn Höcke will doch nicht reden
(n-tv.de, Benjamin Konietzny)
Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im thüringischen Landtag, beklage sich oft, dass viel über ihn, aber nie mit ihm geredet werde. Die Redaktion von RTL und n-tv hat sich nach eigener Aussage vier Monate lang um ein Interview mit Höcke bemüht, doch 48 Stunden vor dem abgesprochenen Termin sei überraschend die Absage erfolgt. Die habe vermutlich auch mit angekündigten Fragen zu Höckes Buch zu tun: “Auf Nachfrage, wann der Termin nachgeholt werden könne, heißt es, man werde ntv überhaupt keine Interviews mehr geben.”

3. “Kreative Rechnungen” – c’t-Artikel über Kostenfalle Creative-Commons-Bilder
(kanzleikompa.de, Markus Kompa)
In der Computerfachzeitschrift “c’t” haben sich der Verlagsjustiziar Joerg Heidrich und der Journalist Keywan Tonekaboni mit der Kostenfalle Creative-Commons-Bilder auseinandergesetzt. Urheberrechts-Anwalt Markus Kompa bewertet die Dinge teilweise anders. Pflichtlektüre für jeden, der Creative-Commons-Bilder einsetzt.

4. Leipziger Polizeisprecher mischte sich unter Pseudonym in Gewalt-Debatte ein
(tagesspiegel.de, Maximilian König)
Von einem Polizeisprecher erwartet man öffentliche Stellungnahmen, doch der Leipziger Polizeisprecher schaltete sich unter Pseudonym in die Debatte zur Gewalt in Connewitz ein. Nicht das erste Mal, dass er sich ungefragt einmische, wie Maximilian König feststellt: “Unter einem Artikel des Leipziger Stadtmagazins ‘Kreuzer’ zu einer Attacke von Kampfsportfans auf einen Club, kommentierte er 2016 unter dem Usernamen ‘Polizei Leipzig’ Vorwürfe an die Polizei.”

5. Journalistischer Kitsch über Soleimani
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler kritisiert Teile der Berichterstattung über den Anschlag der USA auf den iranischen General Kassem Soleimani: “Man mag Soleimani zu den brutalen Zeitgenossen zählen. Wer ihn jedoch zum schlechthin Bösen erklärt, macht aus der realen Welt, in der der Mensch aus krummem Holz geschnitzt ist, ein Disneyland. Mit journalistischem Kitsch missachtet man das mündige Publikum.”

6. Das Problem mit den Seichtreportagen im Fernsehen
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff hat sich eine ZDF-Reportage über deutsche Trucker angeschaut, in der es um Dinge wie einen verschwundenen Grillrost gehe. Anhand dieses Beispiels erklärt er, wie das Genre “Seichtreportage” funktioniere: “Man muss nur alle paar Minuten ein gewichtiges Problem andeuten, dann bleibt der Zuschauer dran. Mögen die Probleme auch noch so nichtig sein, sie müssen benannt werden.”

“Bild” wetzt Messer, Memes wie zu Atari-Zeiten, Sterbehilfe

1. Analyse: BILD wetzt die Messer und schneidet dabei schlecht ab …
(volksverpetzer.de, Tobias Wilke)
Im “großen BILD-Messer-Report” geht es angeblich um die “ganze Wahrheit über die Zunahme der Gewalt”. Doch nicht alle Zahlen, die “Bild” dabei nennt, haben auch etwas mit Gewalt zu tun. Tobias Wilke kommentiert: “Eine Bedrohung ist selbstverständlich eine sehr ernst zunehmende Straftat. Aber anders als BILD in seiner ‘Ganzen Wahrheit’ in ihrem ‘Großen Report’ suggeriert, wurde hier niemand abgestochen. Allein dieser Straftatbestand macht mit 1261 von 3550 Delikten im ersten Halbjahr mehr als ein Drittel (35,5%) dessen aus, was BILD als ‘Gewalt mit Messern!’ zu verkaufen versucht. Langsam wird es einfach stumpf.”
Weiterer Lesehinweis von uns zur Messerfixiertheit der “Bild”-Redaktion: “Bild” meldet falsche “Messer-Attacke” auf Karamba Diaby (bildblog.de).

2. “Mitglieder müssen zahlen”
(taz.de, Peter Weissenburger)
Die Gründung des Onlinemagazins “Republik” basiert auf einem sehr erfolgreichen Crowdfunding von vor zwei Jahren, bei dem mehr als 3 Millionen Schweizer Franken zusammenkamen. Das Geld scheint jedoch nicht zu reichen. In einem dramatischen Aufruf heißt es, wenn “Republik” bis März dieses Jahres nicht die 19.000 zahlenden Mitglieder halten kann, sei das Experiment beendet. Peter Weissenburger hat mit Clara Vuillemin, Mitgründerin, Verwaltungsrätin und Vorständin bei Republik.ch, über die Malaise gesprochen.

3. Chinas Botschaft warb in Deutschland um Geld
(sueddeutsche.de, Christoph Giesen & Georg Mascolo)
Mit einem neuen Informationsportal über China (Arbeitstitel: “Chinareporter”) wollten zwei deutsche Journalisten der chinesischen Regierung helfen, ihr Image in Deutschland aufzupolieren. Heikel wird das Projekt durch einen Brief des chinesischen Botschafters, den er an große Stiftungen und Dax-Konzerne in Deutschland verschicken ließ und der um finanzielle Unterstützung bat. Christoph Giesen und Georg Mascolo kommentieren: “‘Chinareporter’ ist dann nicht gestartet, das Schreiben aber gibt einen seltenen Einblick, wie Pekings Vertreter in Deutschland versuchen, die Meinungsbildung zu beeinflussen. Sie setzen in China engagierte Unternehmen unter Druck, damit diese die von ihnen gewünschten Inhalte finanzieren. Anfragen dazu beantwortete die chinesische Botschaft nicht.”

4. Wikipedia ist in der Türkei wieder zugänglich
(spiegel.de)
Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Nach fast drei Jahren hat die Türkei ihre Wikipedia-Sperre beendet. Passenderweise am 19. Geburtstag der Ehrenamts-Enzyklopädie, dem sogenannten Wikipedia-Tag. Auf der Blockiererliste stehe nun nur noch China.

5. Lasst Lokalzeitungen sterben, damit Lokaljournalismus leben kann!
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Leonhard Dobusch überlegt, ob es nicht manchmal sinnvoll sein kann, notleidende Regionalzeitungen untergehen zu lassen: “Kann es nicht sogar sein, dass das Fortbestehen von Zombie-Regionalzeitungen das Entstehen von unabhängigerem Lokaljournalismus mehr behindert als befördert? Ist nicht der Umstand, dass viele Menschen immer noch ‘etwa 40 Euro’ monatlich für ihre Lokalzeitung ausgeben, ein Grund dafür, dass sie keine Notwendigkeit oder Möglichkeit sehen, stattdessen 10 bis 20 Euro für lokaljournalistische Blogs auszugeben, die sich mit klein(st)em Team auf genuin journalistische Recherche konzentrieren?”

6. Memes sollen nur noch 128 mal 128 Pixel groß sein
(golem.de, Friedhelm Greis)
In einem “Diskussionsentwurf” für das neue Leistungsschutzrecht geht es unter anderem um die Nutzung von Pressefotos und Videos für Memes und Vorschaubilder. Wenn es nach dem Papier geht, soll künftig nur noch “‘ein kleinformatiges Vorschaubild mit einer Auflösung von bis zu 128 mal 128 Pixeln’ und eine ‘Tonfolge, Bildfolge oder Bild- und Tonfolge mit einer Dauer von bis zu drei Sekunden’ lizenzfrei genutzt werden dürfen.” Die Urheberrechtsexpertin und frühere Europaabgeordnete Julia Reda kommentiert auf Twitter: “Die Ausnahmen für kleine Ausschnitte sind absolut weltfremd definiert. 128×128 Pixel? Wie zu Atari-Zeiten!”

Nazi-Vergangenheit, Kein Recht auf Vergessenwerden, Omas Väter

1. Profitierte Bauer Media Group vom Nazi-Regime?
(ndr.de, Sebastian Friedrich, Video: 6:07 Minuten)
Die Bauer Media Group ist mit 600 Magazinen in 17 Ländern das größte Zeitschriftenhaus Europas und kann auf eine fast 150-jährige Geschichte zurückblicken. In der veröffentlichten Firmenhistorie werde die Zeit des Nationalsozialismus jedoch weitgehend ausgespart. Recherchen von “Spiegel” und “Zapp” hätten ergeben, dass das Unternehmen in der Nazizeit den entscheidenden Aufschwung erfuhr. Nun wolle das Verlagshaus, dessen historisches Interesse bisher begrenzt gewesen sei, einen Historiker mit der Aufarbeitung der Verlagsgeschichte beauftragen.
Weiterer Lesehinweis: Ein Verlag stellt sich seiner Nazi-Vergangenheit (spiegel.de, Nils Klawitter).

2. Kein Recht auf Vergessenwerden
(jmwiarda.de, Jan-Martin Wiarda)
Nach jahrelangem Streit mit insgesamt drei Verfahren hat nun das Oberlandesgericht Frankfurt am Main geurteilt: Eine des Doppel-Plagiats (Promotion und Habilitation) bezichtigte ehemalige Vizepräsidentin der Universität Flensburg müsse es hinnehmen, dass in der Berichterstattung darüber ihr Name genannt werde. Dagegen hatte sich die Beschuldigte bislang gewehrt und war gegen “Flensburger Tageblatt”, “Cicero”, die “FAZ” sowie den Publizisten und Autor Jochen Zenthöfer vorgegangen. Das Oberlandesgericht habe nun entschieden, dass die Klägerin ein “Recht auf Vergessenwerden” nicht geltend machen könne.

3. Werbeverstöße: Diese Sender werden besonders oft gerügt
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) kontrolliert unter anderem die Werbung bei Privatsendern und spricht bei Regelverstößen Beanstandungen aus oder stellt mögliche Rechtsverstöße fest. Da die Rügen finanzielle Nachteile mit sich bringen, prozessieren die betroffenen Werbesünder oft gegen die Entscheidungen. Nach einer “DWDL”-Auswertung käme in den vergangenen Jahren kein anderer Sender auch nur annähernd auf so viele Beanstandungen wie Sport1.

4. Kritik an Wahl der Direktorin
(deutschlandfunk.de, Tonia Koch)
Die CDU-Politikerin Ruth Meyer ist zur neuen Direktorin der saarländischen Landesmedienanstalt gewählt worden. Doch “Wahl” ist hier vielleicht der falsche Ausdruck, denn Medienrechtler kritisieren diese als intransparent und gegen die Chancengleichheit verstoßend: Die Staatsferne der Medienanstalt sei gefährdet. Nun werde damit gerechnet, dass ein nicht berücksichtigter Bewerber gegen die Entscheidung des Landtags klagt.

5. War #Omagate ein von rechts orchestrierter Shitstorm?
(belltower.news, Simone Rafael)
Der zum Skandal aufgeblasene Vorgang um das harmlose Satireliedchen von der Oma als “Umweltsau” beherrschte viele Tage die Medien. Der Shitstorm wurde maßgeblich von der rechtsextremen Internetszene erzeugt, die den Fall nutzte, um rituell gegen den Rundfunk und die damit verbundenen Gebühren zu hetzen. Simone Rafael hat das Zusammenspiel der Protagonisten und die inszenierte Empörung analysiert.

6. Hinter jedem Baum lauert der Wahnsinn.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Wenn Jakob Buhre Interviews durchführt, dann stets wohltuend ausführlich und in die Tiefe gehend. So auch diesmal bei seinem Gespräch mit Ingo Appelt über dessen bewegte Karriere als Comedian. Appelt äußert sich darin auch zu den geschlechtsspezifischen Besonderheiten von Humor: “Frauen haben eine ganz andere Form von Humor, sie sind viel moralischer als wir Männer in der Bewertung. Das kann man gut bei Comedy-Shows sehen, wenn da ein Mann auf der Bühne steht und die Kamera ins Publikum schwenkt, geht der erste Schnitt immer zu Frauen. Immer, grundsätzlich. Weil: Wenn die Frau lacht, ist alles gut. Wenn der Mann lacht, könnte es auch eine Hinrichtung sein.”

Unwort des Jahres, Assanges Hinrichtung auf Raten, Herrenwitz

1. Selbstverliebte Männer
(taz.de, Ingo Arzt)
Eine Jury aus vier SprachwissenschaftlerInnen und einem Journalisten hat entschieden: Unwort des Jahres ist “Klimahysterie” (Pressemitteilung als PDF). Im Interview mit dem “Spiegel” erklärt Jurychefin Nina Janich, warum das Wort irreführend und diskreditierend sei: “Wenn man die Klimadebatte mit einem Wort wie Hysterie in Zusammenhang bringt, dann diskreditiert man die Debatte, indem man sie pathologisiert und wie eine kollektive Psychose behandelt. Damit werden in der Konsequenz alle, die sich für Klimaschutz engagieren, als Hysteriker abgestempelt. Irreführend ist der Begriff deshalb, weil die Klimadebatte auf Basis wissenschaftlicher Ergebnisse geführt wird, mit dem Wort Hysterie wird sie aber in einen Krankheitsbereich verschoben.” “taz”-Redakteur Ingo Arzt kommentiert: “Auch FDP-Neoliberale, CDU-Konservative und diverse Journalisten nutzten es, denn sie eint mit den Rechtspopulisten das dumpfe Gefühl, dass ihnen da jemand die argumentative Lufthoheit geraubt hat. ‘Hysterie’ als Kampfbegriff gegen eine größtenteils weibliche Klimabewegung lag da auf der Hand.”

2. Gericht stärkt Faktenchecks von Correctiv
(correctiv.org, David Schraven)
Wie “Correctiv”-Chef David Schraven berichtet, habe das Landgericht Mannheim die Klage des Blogs “Tichys Einblick” auf eine einstweilige Verfügung abgewiesen (Urteil als PDF). Bei “Tichys Einblick” hatte man sich an “Correctivs” Faktencheck für Facebook gestört. Die Entscheidung sei auf 45 Seiten ausführlich und umfassend begründet. Trotzdem hätten Tichys Anwälte angekündigt, in Berufung gehen zu wollen. Der Streit wird also vermutlich fortgeführt.

3. Julian Assanges Hinrichtung auf Raten
(deutschlandfunkkultur.de, Milosz Matuschek)
Nach einem langjährigen Aufenthalt in der Botschaft Ecuadors sitzt Wikileaks-Gründer Julian Assange nun in einem Hochsicherheitsgefängnis in Großbritannien. Der UN-Folterbeauftragte Nils Melzer spreche in diesem Zusammenhang von “psychologischer Folter”. Trotz dieses Vorwurfs würden sich nur wenige Journalistenverbände für Assanges Freilassung einsetzen. Der Publizist und Jurist Milosz Matuschek spricht in seinem Kommentar von einem Totalversagen: “Wäre Julian Assange in einem Keller über Monate eingesperrter, gequälter Hund — wir hätten vermutlich längst einen Prozess gegen die Tierquäler, eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes und ‘Donnerstage für Doggen’-Demos gesehen. Doch Assange ist — zu seinem Pech — leider ein Mensch. Und zwar einer, der sich bei Mächtigen nicht beliebt gemacht hat.”

4. Liebe Kollegen der @berlinerzeitung …
(twitter.com, Julius Betschka)
Julius Betschka wirft der “Berliner Zeitung” in einem Twitter-Thread vor, zum wiederholten Mal Falschmeldungen über die Mordrate in Berlin zu verbreiten: “Jeder macht Fehler. Man kann sich korrigieren und entschuldigen. Aber anstelle einer Entschuldigung wird hier eine unhaltbare These mit wiederholt falschen Fakten und besonders markigen Worten verteidigt. Verstehe ich nicht, liebe @berlinerzeitung.”
Lesehinweis zum Hintergrund: Berlin doch nicht Mordmetropole Europas (uebermedien.de, Stefan Niggemeier).

5. “Deutschland sticht absolut heraus”
(deutschlandfunk.de, Bettina Schmieding, Audio: 6:30 Minuten)
Bettina Schmieding hat sich im Deutschlandfunk mit der Wissenschaftlerin Susanne Fengler unterhalten, die sich mit ihrem Co-Autor Marcus Kreutler die Berichterstattung über Geflüchtete genauer angeschaut hat (“Stumme Migranten, laute Politik, gespaltene Medien”). In Deutschland werde zwar intensiv über Migration und Flucht berichtet, aber dies erfolge sehr selektiv. So kämen Migranten und Geflüchtete nur in einem Viertel der Berichte als zentrale Akteure vor. Auch Herkunft und Kontext sowie der Status — Geflüchteter oder Migrant — seien oft kein Thema, so Fengler.

6. Herrenwitz: Keine Partei wird anteilig häufiger von Männern gewählt
(einfacherdienst.de)
Welche Partei wird laut offizieller Wahlstatistik des Bundeswahlleiters am meisten, nämlich zu zwei Dritteln, von Männern gewählt? Ist es die AfD? Oder vielleicht die FDP? Nein, es handelt sich dabei um die Satirepartei Die Partei mit ihren Spitzenleuten Martin Sonneborn und Nico Semsrott. Das krasse Geschlechter-Ungleichgewicht bei der Wählerschaft soll sich jedoch ändern. Laut Semsrotts Pressesprecherin Isabel Prößdorf stelle man sich nun “immer die Frage, ob Frauen aber auch Personen, die sich selbst als divers bezeichnen würden, genug in unsere Aktionen miteingebunden sind und sich angesprochen fühlen.” Männer seien dabei egal, “die werden von der AfD und CSU schon genug vertreten.”

BND-Schreckensszenarien, Frauen zählen, Der 16-Mio-Kommentare-Post

1. Wie Ex-BND-Präsidenten mit Unwahrheiten die Überwachung von Journalist:innen rechtfertigen
(medium.com, Daniel Moßbrucker)
Wie Daniel Moßbrucker berichtet, werde das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal seit über 20 Jahren die Massenüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) verhandeln. Auslöser des Rechtsstreits sei eine Klage von Journalisten und Journalistinnen, die eine Aushöhlung des Quellenschutzes befürchten. Im Vorfeld hätten die ehemaligen BND-Präsidenten August Hanning und Gerhard Schindler “Schreckensszenarien und Schein-Wahrheiten” gestreut, um die Überwachung zu rechtfertigen.

2. [Kolumne] Frauen zählen gegen #frauenzählen?
(54books.de, Johannes Franzen)
Zählt man die aktuellen Verlagsprogramme der großen Verlage durch, fällt die Dominanz männlicher Autoren auf. Die etablierten Literaturverlage hätten nach wie vor kein Problem damit, Programme mit wenigen Autorinnen in die Saison zu schicken (Hanser 4/14, Fischer 4/11, Diogenes 5/15). Dies rief einige Kritik hervor. Doch es gebe auch Kritik an der Kritik, zum Beispiel von Mara Delius, der Leiterin der “Literarischen Welt”. Johannes Franzen ordnet die Positionen ein.

3. Streaming-Gigant unter Druck: Wann öffnet sich Netflix für Werbung?
(meedia.de, Nils Jacobsen)
Der Streamingdienst Netflix könne auf ein gigantisches Wachstum zurückblicken, doch die Erfolgsgeschichte sei in Gefahr: Der Heimatmarkt sei weitgehend ausgereizt, und mit Disney+ und Apple TV+ seien zwei mächtige Gegner am Start, die zudem mit günstigeren Preisen operieren. Nun kommen von außen Forderungen auf, Netflix möge sich für Werbung öffnen — etwas, das der Streamingdienst in der Vergangenheit stets abgelehnt habe.

4. Warum wir geschlechtergerechte Sprache verwenden
(netzpolitik.org)
netzpolitik.org wird nach eigener Aussage häufig für das Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache kritisiert und nimmt deshalb Stellung: “Verlangen wir zu viel von unseren Leser:innen, wenn wir in unseren Texte ein * oder : verwenden, um die Vielfalt der Geschlechter sichtbar zu machen? Wir finden, das ist nicht zu viel verlangt. Denn es ist doch so: Unserer Leser:innen sind vielfältig, die Menschen, über die wir schreiben, sind vielfältig und deswegen sieht man das auch an unseren Texten. Wir finden, das ist nicht radikal. Das ist im Grunde selbstverständlich.”

5. Mitarbeiter befürchten Einstellung des deutschen Online-Programms
(deutschlandfunk.de, Henning Hübert, Audio: 4:20 Minuten)
Die steuerfinanzierte Deutsche Welle verfüge über so hohe Mittel wie noch nie (mehr als 365 Millionen Euro im Jahr 2020). Dennoch gäbe es drastische Einschnitte im deutschsprachigen Online-Angebot des Auslandssenders, wie rund 50 freie Journalistinnen und Journalisten in einem offenen Brief (PDF) kritisieren. Im Interview mit @mediasres erklärt DW-Programmdirektorin Gerda Meuer ihre Sichtweise: “Die Deutsche Welle steht dazu, dass wir die deutsche Sprache fördern auf allen unseren Ausspielwegen, aber wir müssen uns der veränderten, der digitalen Welt stellen und das heißt auch Veränderungen im Digitalen, im Online-Angebot.”

6. 15,9 Millionen Kommentare mit einem Instagram-Post: Dealbunny kratzt mit Bibi am Rekord
(omr.com, Roland Eisenbrand)
Instagram-Berühmtheit Bianca Claßen (“BibisBeautyPalace”) hat mit einem Gewinnspiel eine Schnäppchenseite beworben. Der Trick: Die Teilnahme war an die Abgabe eines Kommentars geknüpft und zusätzlich an die Bedingung, sowohl der geschäftstüchtigen Schminkerin als auch dem Onlineverkäufer zu folgen. Aus Marketing-Sicht ein schier unglaublicher Erfolg: Der Gewinnspiel-Post hat 15,86 Millionen Kommentare angesammelt. Über den Aktionszeitraum habe das Unternehmen mehr als 523.000 neue Instagram-Followerinnen und -Follower hinzugewonnen, bei Anmal-Expertin Bibi seien es 260.000 gewesen — für den vergleichsweise bescheidenen Einsatz von etwas Technikkrempel als Digitalköder.

Flatrate-Versuche, Lebenshilfe vom “Spiegel”, Zugstattflugreportage

1. Ein Netflix für Journalismus
(taz.de, Alexander Graf)
Immer wieder taucht die Forderung nach einem Portal für Zeitungsartikel auf, einem “Netflix für Journalismus”. Vor einigen Jahren gab es mit Blendle den weitgehend gescheiterten Versuch, ein derartiges Modell zu etablieren. Heutzutage versucht sich vor allem das Unternehmen Readly mit einer Art Journalismus-Flatrate. Im Magazinbereich sei das bereits ganz gut gelungen, doch alle wichtigen überregionalen Zeitungen würden fehlen. Die Verlagshäuser hätten Angst, dass ein neuer Branchenriese entsteht. Doch genau der stehe mit Apple und seiner App “News+” bereits in den Startlöchern.

2. Lebenshilfe-Themen sollen Abos bringen
(daniel-bouhs.de, Audio: 5:16 Minuten)
Daniel Bouhs hat sich den neuen Onlineauftritt des “Spiegel” angeschaut. Dort fiele, neben vielen weiteren Änderungen, vor allem das neue Ressort “Leben” auf. Welche Strategie verfolgt das Nachrichtenmagazin? Und wie kann das Verschmelzen von Print und Online gelingen? Für den Deutschlandfunk hat Bouhs die beiden “Spiegel”-Spitzen Barbara Hans und Steffen Klusmann befragt.

3. BILD erklärt lebende Frau für tot | WALULIS DAILY
(youtube.com, Video: 8:31 Minuten)
Vergangene Woche berichtete “Bild” über einen tödlichen Unfall in Südtirol und veröffentlichte Fotos der Opfer und des Unfallfahrers auf der Titelseite. Darunter eine Frau, die mit dem Unfall nichts zu tun hatte und sich auf Facebook bitterlich beschwerte: “LIEBE BILD? Wie kann das passieren? Ich bin am Leben und es wird wahllos ein Bild vor gefühlt 8 Jahren ins Netz gestellt obwohl ich nicht betroffen bin? HABT IHR SIE NOCH ALLE? schlimm genug dass ihr mit der Story Kohle verdient!” (BILDblog berichtete). Das Walulis-Team hat sich des traurigen Falls angenommen und in einem achtminütigen Video auf satirische Weise nachgespielt, wie es bei “Bild” wohl zugegangen sein muss: “Stell dir vor, die BILD-Zeitung erklärt dich für tot.”

4. Von A wie Alte Tante bis Z wie Zensur: Was Sie über die NZZ wissen sollten
(nzz.ch, Claudia Mäder & Thomas Ribi & Nicole Rütti & Marc Tribelhorn)
Die “Neue Zürcher Zeitung” (“NZZ”) erscheint seit mittlerweile 240 Jahren. Anlässlich dieser stolzen Zahl und dem dazugehörigen Jubiläum gibt es ein kleines ABC von “A wie Alte Tante” (einem Spitznamen der Zeitung) bis zu “Z wie Zensur”.
Weitere Lesehinweise: “Journalismus als Wagnis”: Urs Hafner schreibt über die turbulenten Anfänge der “NZZ”.
Außerdem interessant: Für eine Million Franken lasse man derzeit die alten “NZZ”-Bände einscannen: Bald kann man die “NZZ” bis 1780 zurück nach Stichworten durchforsten (nzz.ch, Adi Kälin & Karin Hofer).

5. Maulkorb von oben: Eigentümer beschneiden die Pressefreiheit ihrer Redaktionen
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Immer wieder kommt es vor, dass branchenfremde Reiche, Industrielle und Unternehmer in Medien investieren. Dagegen wäre nicht viel einzuwenden, wenn da nicht die Sache mit den möglichen Interessenkonflikten wäre. Adrian Lobe hat sich die vergangenen Kontroversen in Frankreich, den USA und Deutschland angeschaut. Lobe bringt es im Schlussteil auf den Punkt: “Zu einem unabhängigen Journalismus gehört beides: Eigentümer, die die Pressefreiheit respektieren. Und Journalisten, die keine Beisshemmungen gegenüber den Mächtigen haben. Auch nicht gegenüber ihrem Eigentümer.”

6. Journalismus-Trend des Jahres: Die Zugstattflugreportage
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff lästert über die, seiner Meinung nach, derzeit auffällig oft erscheinenden Zugreportagen: “Was früher die Provinzreportagen waren, sind heute die ‘Papa fährt Bahn’-Geschichten, die sich in der Regel wirklich putzig und sehr unterhaltsam lesen, auch wenn sie natürlich dem durchschnittlichen Bonusmeilensammler ein bisschen vorkommen wie Stories From Outta Space. Aber es gilt nun mal weiterhin der zuverlässige Merksatz, dass Dinge, die ein Journalist entdeckt, genau dann neu sind, wenn der Journalist sie entdeckt.”

“Spiegel”-Gate(s), Namen nennen?, Die Asche des Großvaters

1. Name des Beschuldigten tausendfach bei Twitter
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Annika Schneider, Audio: 5:32 Minuten)
Vor Silvester soll ein betrunkener Kölner Lokalpolitiker nach einem kurzen Streit auf einen 20-Jährigen geschossen haben. In der Berichterstattung zum Fall hätten die meisten Medien darauf verzichtet, den Namen des Beschuldigten zu nennen. Auf Twitter habe dessen Name zeitweise jedoch auf Platz 1 der am häufigsten verwendeten Hashtags gestanden. Helmut Frangenberg vom “Kölner Stadtanzeiger” sagt im Gespräch mit Brigite Baetz, dass er eine Namensnennung aus journalistischer Sicht nicht für wichtig halte. Die rechtliche Bewertung könne sich bei neuen Erkenntnissen jedoch ändern. Und das hat sie offensichtlich prompt getan: Wie der Deutschlandfunk in einem Update hinzufügt, habe sich der “Kölner Stadtanzeiger” nun entschieden, den Namen des Verdächtigen doch zu nennen.

2. Spiegel-Gate(s)
(mmm.verdi.de, Oliver Neß)
Oliver Neß berichtet von einer möglichen Befangenheit des “Spiegel” in Sachen Atomkraftberichterstattung: Der Software-Milliardär und Nuklearinvestor Bill Gates habe den “Spiegel” mit einer millionenschweren Zuwendung bedacht. In zeitlichem Zusammenhang seien auffällig atompositive Berichte wie zuletzt der Titel “Atomkraft? Ja bitte” (Ausgabe 51/2019) erschienen.
Nachtrag, 13. Januar: Laut “Süddeutsche” halte der “Spiegel” die Vorwürfe für “absurd”: Magazin erklärt Details zur Kooperation.

3. “Ich bin sicherlich nicht der übliche Sportfan”
(sueddeutsche.de, Christopher Gerards)
Der ARD-Sportreporter Hajo Seppelt ist mit seinen investigativen Reportagen bekannt geworden. So deckte er beispielsweise das russsische Staatsdoping auf. Im Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” kritisiert Seppelt den organisierten Sport in seiner derzeitigen Ausprägung: “Der organisierte Sport ist aus meiner Sicht anachronistisch aufgestellt. Er wird teils aus öffentlichen Kassen subventioniert, pocht aber immer auf seine Autonomie und lässt sich ungern in die Karten schauen. Es sind mitunter feudale Strukturen. Man denke allein ans Internationale Olympische Komitee, wo ja nach wie vor ein großer Teil der Mitglieder ernannt wird wie damals am Hofe und man sich die Frage stellt: Ist das zeitgemäß, sind das demokratische Strukturen, wie wir sie heutzutage für selbstverständlich halten? Zudem hat sich gezeigt: Die oft zitierten Selbstreinigungskräfte des Sports — gerade in Sachen Doping und Korruption — sind eine Illusion.”

4. Die Asche meines Großvaters
(juedische-allgemeine.de, Eliyah Havemann)
Als der in Israel lebende Eliyah Havemann davon hört, dass das Zentrum für Politische Schönheit angeblich Asche von Holocaustopfern in einem Mahnmal vor dem Reichstagsgebäude ausstellt, ist seine erste Reaktion eine Mischung aus Ekel und tiefer Betroffenheit: “Mir war natürlich klar, dass rein mathematisch die Wahrscheinlichkeit dafür gegen null geht, aber sie war da: Darin könnte auch die Asche meines Großvaters Dagobert Biermann enthalten sein.” Havemann beschließt, dem Fall nachzugehen und nach Berlin zu reisen. Wieder in Israel fasst er seine Rechercheergebnisse und Gedanken zusammen: “Dieses ‘Kunstwerk’ ist offenbar nicht reparabel. Es hat die Schoa missbraucht, die Totenruhe verletzt, sein politisches Ziel verfehlt, und es ist künstlerisch wertlos. Es muss weg.”

5. Viktor Orban und die Auslandspresse
(ard-wien.de, Christian Limpert)
Christian Limpert ist seit dem 1. August 2019 Auslandskorrespondent im ARD-Studio Wien/Südosteuropa. Damit fällt auch der ungarische Regierungschef Viktor Orbán in seinen Zuständigkeitsbereich. Doch einen Termin bei Orbán zu bekommen, sei schwer bis unmöglich. Und auch bei offiziellen Presseterminen müssten die Fragen vorher eingereicht werden. Limpert berichtet, wie es auf einem derartigen Pressetermin zugeht und zu welchen Themen sich Ungarns Ministerpräsident zuletzt geäußert hat.

6. “Als Mitglied des Königshauses darf man sich nicht die Rosinen herauspicken”
(spiegel.de, Julia Smirnova)
Der “Spiegel” hat sich mit dem früheren BBC-“Royal Correspondent” Michael Cole über Prinz Harrys und Herzogin Meghans Rückzug von ihren royalen Pflichten unterhalten. Im Interview äußert Cole sein Unverständnis über diesen Schritt. Beim Lesen seiner Antworten könnte man gar den Eindruck bekommen, dass Cole der Ansicht sei, Medien und Öffentlichkeit hätten ein allumfassendes Anrecht auf das Paar — was den Entschluss von Meghan und Harry nochmal verständlicher macht.

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