Es gehört wirklich nicht viel dazu, obige Behauptung, die “Bild” heute auf der letzten Seite aufstellt, als das zu erkennen was sie ist: nämlich “in doppelter Hinsicht Unsinn”, wie “Spiegel Online” schreibt.
Denn erstens zitiert “Bild” selbst im Text den Klimatologen Reinhard Böhm (der übrigens laut einer Agentur-Meldung “konstruierte Horrorszenarien strikt ablehnt und dem meteorologische Überreaktionen so überhaupt nicht liegen”) mit den Worten:
“Wir erleben gerade die wärmste Periode* seit 1300 Jahren.” Hervorhebung von uns.
Und zweitens ist der Dezember — und auch das dürfte “Bild” bekannt sein — gerade mal sieben Tage alt. Wie er trotzdem den Weg in die Überschrift finden konnte, bleibt also das Geheimnis von “Bild”.
*) Dass Böhm mit “Periode” keineswegs den Monat Dezember meinen konnte, kann man übrigens auch daran erkennen, dass in der Studie, aus der die “1300 Jahre” stammen, lediglich “Jahresdurchschnittstemperaturen bis ins 8. Jahrhundert” errechnet wurden.
Mit Dank an Timo B. und Benjamin K. für den sachdienlichen Hinweis.
Prinzipiell natürlich sehr aufmerksam von der “Bild”-Zeitung, den Nicht-Anatomen unter ihren Lesern mithilfe einer “BILD-GRAFIK” zu illustrieren, was da genau bei diesem Basketballer kaputt gegangen ist, der seinen Fuß plötzlich “auf 3 Uhr” sah.
Wobei man da sogar als Laie stutzig werden könnte: Das Innenband des Fußes befindet sich also an der Außenseite des Fußes? Und das Syndesmoseband, das das Schien- mit dem Wadenbein verbindet, sitzt deutlich unterhalb von Schien- und Wadenbein?
Ist natürlich Quatsch. Wenn Sie sich die korrekten Orte der diversen Verletzungen bitte auf diesenGrafiken selbst raussuchen möchten, vielen Dank.
Wer in der Grafik einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
“Gewinner” des Tages in “Bild” ist heute Jürgen Rüttgers, denn:
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (55, CDU) hat es “geschafft”: Auf die Frage “Wer ist der beliebteste SPD-Politiker” nannte in einer Forsa-Umfrage die Mehrheit der Nordrhein-Westfalen ausgerechnet den Namen des CDU-Regierungschefs! Bitter für die SPD: Sie hat die Erhebung bezahlt.
BILD meint: Parteibuch tauschen!
BILDblog hingegen meint: KLAPPE HALTEN!
In der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa ging es nicht um den beliebtesten Politiker, sondern um den bekanntesten.
Der Namen Rüttgers wurde nicht von der “Mehrheit der Nordrhein-Westfalen” genannt, sondern, wie uns Forsa mitteilt, von “zwei Prozent der Befragten”.
Laut “Westfälischer Zeitung” war Rüttgers damit nur der drittbeliebtestebekannteste “SPD-Politiker” (hinter Müntefering und Steinbrück).
Wie uns ein SPD-Sprecher auf Anfrage mitteilt, hat die SPD die Umfrage zudem “weder bezahlt noch in Auftrag gegeben”. Auftraggeber waren die “Westfälische Rundschau” und der TV-Sender n-tv.
Und das Ergebnis der Umfrage wurde im Juli 2006 bekanntgegeben, Rüttgers überraschendes Abschneiden seitdem von vielen Medien, u.a. vom “Spiegel” verbreitet.
Aber okay, ein Teil des “Bild”-Unsinns stand vor zwei Tagen in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”, aus der “Bild” ihn heute offenbar ungeprüft (ohne Quellenangabe und unter Hinzufügung eigener Fehler) übernommen hat. Doch wie wir “Bild” kennen, wird die “FAZ” deshalb wahrscheinlich gleich morgen zum “Verlierer” des Tages.
So sah die “Bild”-Zeitung am 30. Mai dieses Jahres aus. Verpixelt war im Original nur das Gesicht der Lehrerin — nicht das des zwölfjährigen Schülers. Auf Seite 3 der Ausgabe Berlin-Brandenburg berichtete “Bild” auf fast einer ganzen Seite und zeigte den 12-jährigen Jungen erneut ohne irgendeine Unkenntlichmachung auf einem rund 20 Zentimeter hohen Foto. Auch am folgenden Tag zeigte “Bild” ein weiteres großes Foto des Jungen.
Für diese Berichterstattung wurde “Bild” nun vom Presserat gerügt. Es habe “kein öffentliches Interesse” gegeben, “das die Identifizierbarkeit der Personen gerechtfertigt hätte”. “Bild” verstieß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex, wonach die Presse “das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen” achten soll. In Richtlinie 8.1 heißt es:
Die Nennung der Namen und die Abbildung von Opfern und Tätern in der Berichterstattung über (…) Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (…) sind in der Regel nicht gerechtfertigt.
Der Presserat verurteilte auch diesen “Bild”-Artikel vom 17. Mai 2006 über eine Familientragödie in Erftstadt:
“Bild” zeigte große Fotos von dem Vater sowie seiner Frau und ihrem gemeinsamen zehnjährigen Sohn, die er erschossen haben soll — nach dem Urteil des Presserates zu unrecht. “Bild” hatte nur das Gesicht des überlebenden jüngeren Sohnes verpixelt.
Gerügt wurde die “Bild”-Zeitung außerdem dafür, dass sie das Foto einer Frau veröffentlichte, die verdächtigt wurde, ihr neugeborenes Kind erstickt zu haben.
Schließlich berichtete “Bild” im Sommer detailliert über den Selbstmord einer Mutter, die zuvor offenbar ihr Kind getötet hatte. Die Richtlinie 8.5 des Pressekodex lautet:
Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände.
Diese Regel hat einen sehr konkreten Hintergrund: Es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass ausführliche Berichte in den Medien über Selbstmorde dazu führen, dass mehr Menschen Selbstmord begehen.
“Bild” berichtet dennoch immer wieder detailliert, identifizierbar und unter Schilderung der konkreten Begleitumstände über Selbstmorde, wird dafür immerwiedergerügt und ist von diesen Rügen offenbar nachhaltig unbeeindruckt.
Im konkreten Fall zeigte “Bild” nicht nur ein großes, unverpixeltes Foto der Mutter, die sich das Leben nahm, und des Hauses, von dem sie in den Tod sprang, inklusive eines kleinen roten Pfeils, der ihren Sturz symbolisierte. “Bild”-Autor Moritz Stranghöner spekulierte auch ausführlich für das Motiv ihres Suizids, schilderte die Lebensumstände der Frau und erzählte minutiös den Ablauf des Dramas nach.
Der Presserat sprach eine öffentliche Rüge aus.
Bei Bild.de ist der gerügte Artikel unverändert online. Bereits in einem früheren Fall hat die “Bild”-Zeitung uns gegenüber deutlich gemacht, dass eine Rüge für sie kein zwingender Grund ist, einen Artikel aus dem Angebot von Bild.de zu entfernen oder zu ändern.
PS: In den ersten drei Fällen muss “Bild” die Rügen nicht veröffentlichen. Dies sei “im Sinne der Betroffenen”, erklärte der Presserat. “Nicht-öffentliche Rügen” werden angeblich ausgesprochen, um die Opfer zu schützen. Inwieweit es ihr Leben erschütterte, wenn die “Bild”-Zeitung in, sagen wir: ein oder zwei Jahren einen einzigen kryptischen Satz über die Rüge auf einer hinteren Seite versteckt, weiß wohl nur der Presserat.
Zu den ungeklärten Mysterien von Bild.de gehört das Phänomen, dass der Online-Ableger der “Bild”-Zeitung, wenn er Artikel von der gedruckten “Bild”-Zeitung übernimmt, offenbar nicht automatisch die letzte und korrekteste Fassung eines Artikels bekommt.
Gestern wieder. In Bild.de steht über einen Basketballspieler von Alba Berlin:
Vor einem Jahr verletzte sich Matej Mamic (31) schwer. Der Kapitän prellte sich das Rückenmark, blieb querschnittgelähmt.
Und das ist sehr abwegig, da gerade indenvergangenenWochen viele Medien die erstaunliche Geschichte erzählten, wie Matej Mamic wieder gehen lernte und nun sogar ein Comeback nicht ausschließt.
Der Bild.de-Artikel stammt aus der gedruckten “Bild”. Dort aber liest sich die Stelle, zumindest in einigen Ausgaben, etwas anders:
Vor einem Jahr verletzte sich Matej Mamic (31) schwer. Der Kapitän prellte sich das Rückenmark, blieb querschnittgelähmt auf dem Parkett liegen.
(Hervorhebung von uns.)
Und das ist vielleicht etwas irreführend, aber nicht falsch. Vielleicht war das einfach zu korrekt für Bild.de.
Schawinski in die SRG
(weltwoche.ch, Roger Köppel)
Der abtretende Sat-1-Chef Roger Schawinski wird spasseshalber als Leiter des Schweizer Monopolfernsehens SF DRS gehandelt. Die Idee ist gar nicht so schlecht.
“Verweigerung macht Medien scharf”
(taz.de, David Denk)
Die Schauspieler Muriel Baumeister und Pierre Besson über ihren Ärger mit den Boulevardmedien und die Schwierigkeit, ein ungestörtes Privatleben zu führen.
“Ein Spürhund, ein Spürhund, ein Spürhund”
(sueddeutsche.de, Gisela Freisinger)
Eine rote Eule, viele Uhren und zwei Leben in Burdas Reich: Ein Besuch bei Helmut Markwort, der 70 Jahre alt wird.
Maischbergers Mühe mit Mensch Lagerfeld
(faz.net, Michael Hanfeld)
Magermodels hält er für Einzelfälle, seine immergleiche Kleidung packt er in neunzehn Koffer und Bekannte aus frühen Tagen beschimpft er als ?Lustgreise?: Karl Lagerfelds Auftritt bei Sandra Maischberger geriet gestern abend zum zähen Ringkampf.
Frei und ängstlich
(woz.ch, Julian Weber)
Nach dem Abrauschen der New Economy formiert sich im Internet eine neue Generation der Selbstständigen. Wie sieht es in dieser Arbeitswelt aus?
tempo-jubiläumsausgabe
(popkulturjunkie.de)
So sieht sie aus. Erscheint am Freitag, ist etwa 400 Seiten dick, kostet 4,50 Euro. Ich bin gespannt.
Ist es nicht erstaunlich, wie flexibel manch ein Unternehmen zuweilen reagieren kann? Gestern noch “Exklusiv in BILD: Der Mehr-Lohn-Antrag” zum Ausfüllen und zur Vorlage an den Chef mit dazugehörigem Seite-1-Aufmacher, heute schon meldet “Bild” den Erfolg ihrer “großen” Aktion:
Fünf “Chefs” hat “Bild” gefunden, die angeblich “jetzt” und “Dank BILD!” die Gehälter erhöhen:
(…) weil Mitarbeiter mit dem BILD-Formular mehr Geld gefordert haben.
So steht es jedenfalls auf der Seite 1. Und im Seite-2-Text schreibt “Bild” nochmal:
Nach der großen BILD-Aktion mit dem “Mehr-Lohn-Antrag” meldeten sich jetzt erste Firmenchefs, die sagen: Ja, jetzt gibt es mehr Geld für meine Mitarbeiter (siehe Umfrage).
So schnell geht das? Und alles wegen “Bild”? Konnten wir uns ehrlich gesagt nicht vorstellen und haben vorsichtshalber mal nachgefragt, was es mit den Prämien, Bonus-Zahlungen und Extra-Gehältern, von denen “Bild” heute berichtet, so auf sich hat. Bei drei Firmen konnte oder wollte man uns jedoch keine Auskunft darüber geben, wann die Lohnerhöhungen oder Bonus-Zahlungen beschlossen wurden. Und in einer davon soll es nach unseren Informationen sogar noch nicht mal feststehen, ob es überhaupt mehr Geld für die Mitarbeiter gibt und wenn ja, wie viel. Aber sei’s drum.
Der Hamburger Dönerproduzent Celik Döner jedenfalls zahlt angeblich “Dank BILD!” 300 Euro “Extra-Weihnachtsgeld” und erhöht die Löhne ab Januar 2007 um 3-5 Prozent (siehe Ausriss). Auf die Frage, wann das beschlossen worden sei, und ob es da einen Zusammenhang zum gestrigen “Bild”-Artikel gebe, sagt uns Ertan Celik:
Das haben wir vor etwa sechs Wochen beschlossen. Mit “Bild” hat das nichts zu tun.
Ähnlich sieht es bei der Stollenbäckerei Dr. Quendt aus. Dort soll es “Dank BILD!” ein erfolgsabhängiges 13. und 14. Monatsgehalt geben, sowie eine Extra-Gratifikation (siehe Ausriss). Auf die Frage, seit wann es das gebe, erklärt uns Matthias Quendt:
Das haben wir letztes Jahr auch schon gezahlt. Das System gilt bei uns im Haus seit 2000.
Und dann ist da noch Peter Pohl vom Fernsehsender “Help TV”. Hier kann “Bild” ausnahmsweise den Foto-Beweis antreten, der zumindest belegt, dass Pohl das “Mehr-Lohn-Formular” aus der gestrigen “Bild” in der Hand hält (siehe Ausriss). Neben ihm steht seine Sekretärin. Die “beantragte 200 Euro mehr im Monat”, schreibt “Bild”. “Help TV”, bei dessen Geschäftsmodell Bild.de erst kürzlich “Abzocke” witterte, haben wir nicht gefragt. Das war auch nicht nötig. Schließlich schreibt “Bild” selbst über die Lohnforderung:
Manchmal lässt sich ganz eindeutig dokumentieren, wie “Bild” ein Zitat verfälscht. Bei diesem “Bild”-Artikel vom Montag über den Grünen-Parteitag zum Beispiel:
Die “Bild”-Zeitung gibt ihren Lesern nur eine Möglichkeit, das Zitat von Claudia Roth zu interpretieren: als pampige Reaktion auf das schlechte Wahlergebnis.
Diese Interpretation ist ohne jeden Zweifel falsch. Claudia Roths Satz bezieht sich keineswegs, wie “Bild” suggeriert, auf ihr schlechtes Wahlergebnis, sondern auf mögliche Koalitionen. Vollständig lautet er nämlich so:
“Wir hecheln anderen Parteien nicht hinterher, wir bieten uns nicht an wie Sauerbier.”
Dass Claudia Roth den Satz nicht so gemeint haben kann, wie “Bild” behauptet, ist offensichtlich und muss auch “Bild” bekannt gewesen sein. Sie sagte ihn nämlich nachweislich am Freitag. Das schlechte Wahlergebnis bekam sie aber erst am Samstag.
Und man möchte sich nun gar nicht ausmalen, wie “Bild” mit Zitaten umgeht, die nicht so gut dokumentiert sind.
Wir suchen einen Artikel, der vor einigen Wochen in “Bild” Aachen erschienen ist. Wer hat Zugang zu einem Archiv und kann uns dabei helfen? Bitte melden unter: [email protected].
Vielen Dank!
Danke an alle für die Mithilfe — hat sich erledigt!