Was schon immer über Sex drinstehen sollte

Und als wir gerade dachten, über die Hochzeit von Katie Holmes und Tom Cruise sei alles gesagt, kam “Bild” heute mit dieser großen Seite-1-Schlagzeile daher:

TOM CRUISE Geheimer Sex-Vertrag

Und was wollen wir nun als erstes wissen? Richtig:

Was über Sex drinsteht

Und was steht auf der letzten Seite, was über Sex drinsteht?

Nichts.

Es sei denn, es zählen diese beiden Sätze, die sich auf den “gemeinen” und “knallharten” Ehevertrag beziehen:

So sickerte durch, dass jeder Seitensprung Tom Cruise fünf Millionen Dollar kosten soll! Das Gleiche gilt allerdings auch, falls Katie untreu werden sollte.

Bisschen enttäuschend, oder?

Zumal diese Zahl nicht erst gestern, sondern schon am 10. November “durchgesickert” ist und u.a. von dpa aufgefangen und weitergeleitet wurde.

Und die Zahlen, die Katie Holmes laut dieses “geheimen” Vertrages angeblich im Fall einer Trennung oder Scheidung zustehen, ähneln auffallend denen, die bei der “Daily Mail” schon vor über einem halben Jahr durchgesickert waren.

Von einem “Sex-Vertrag” war damals natürlich nicht die Rede. Warum auch.

Danke an Christoph S., Tobias H., Kai und Björn!

Die Antworten lauten b. und Nein

"Jeder Anruf aus dem Festnetz der Deutschen Telekom AG (DTAG) kostet 0,46 Euro, sofern eine Verbindung hergestellt wurde. Dies gilt auch für Aussagen wie: diesmal haben Sie leider kein Glück, ..."

So steht es auf RTLtext-Seite 881. Ein Hinweis auf diese RTLText-Seite fand sich am vergangenen Freitagabend während des “Domino Day” auf dem RTL-Fernsehbildschirm, wie heute die “Bild”-Zeitung zeigt:

Warum? Eine von “Bild” nicht näher bezifferte Anzahl Zuschauer (“viele”) hatte, so “Bild”, die dort als kostenpflichtig ausgewiesene 0137-Nummer angerufen und die in den Teilnahmebedingungen genannte Ansage (“Diesmal haben Sie leider kein Glück…”) zu hören bekommen — mit dem Ergebnis: Sie “fühlten sich (…) abgezockt”.

Was “Bild” zu der empörten Überschrift veranlasste:

“Wurden Zuschauer beim Quiz abgezockt?”

Die Antwort lautet: Nein. Oder wie “Bild” selbst es formuliert:

“Der Telefoncomputer wählt aus, wer beim Einsatz von 49 Cent von vornherein null Prozent Gewinnchance hat!”

Genau. Beziehungsweise: Eben nicht “von vornherein”. Die Gewinnchancen schwinden erst in dem Moment, in dem der Telefoncomputer seine Wahl trifft. Und der ist, so gesehen, immer noch berechenbarer als “Bild”: Wer nämlich für 29 Cent (zzgl. Gebühren) ein “BILD-Leser-Reporter”-Foto per MMS an die Kurzwahl 1414 schickt, hat von vornherein null Ahnung, ob “Bild” sich dafür überhaupt interessiert. Aber das nur nebenbei.

Mit Dank an Dominic G. und Johannes für den Hinweis.

6 vor 9

US-Blogger in Beugehaft
(telepolis.de, Wolf-Dieter Roth)
Blogger werden immer mehr Journalisten und Medienunternehmen gleichgestellt – und das ist nichts, worüber sie sich wirklich freuen sollten.

Unter deutschen Dächern
(faz.net, Michael Hanfeld)
Sie sehen alles, und sie halten alles fest. Die ?Leserreporter? sind die Pest. Und sie sind ein Segen: Paparazzi werden arbeitslos. Doch wer sich aufregt, der vergißt, wie wichtig manche Amateurbilder sind.

In Google drin
(blick.ch, Sandro Brotz und Patrik Müller)
Zürich wird Google-City – und keiner merkts: Ganz im Stillen entsteht hier das Technologiezentrum der weltweit grössten Internet-Suchmaschine. Für SIE+ER öffnete die Schweizer Vertretung die Türen. Bericht aus dem Hirn eines Giganten.

“Wir nähern uns dem Internet schrittweise”
(spiegel.de, Hasnain Kazim)
Die Auflage des “Economist” wächst und wächst. Nur im Internet spielt das Nachrichtenmagazin so gut wie keine Rolle. Das soll sich jetzt ändern, sagt Chefredakteur John Micklethwait im Interview mit SPIEGEL ONLINE und spricht über seine Pläne für die Zeitschrift und das Netz.

Mehr Mut zum Risiko, liebe NZZ!
(medienspiegel.ch, Martin Hitz)
Die NZZ AG will ihr «Leistungsangebot» optimieren, wie in der gestern Freitag verbreiteten Medienmitteilung zu lesen ist. 10 bis 15 Stellen sollen laut Medienberichten dadurch verloren gehen.

Miesmachen als Volkssport
(dradio.de, Michael Miersch)
Würde Che Guevara heute wiederauferstehen, könnte er sich an fast jeden deutschen Stammtisch setzen. Er bekäme ein paar Biere spendiert und Applaus für seine 40 Jahre alten Kampfparolen.

Eine Diamantengeschichte ist unvergänglich

Natürlich ist es nicht leicht, täglich eine Tageszeitung zu machen – schon gar nicht, wenn es sich um eine Tageszeitung wie “Bild” handelt. Auch da müssen schließlich viele Zeitungsseiten jeden Tag aufs Neue mit Neuigkeiten gefüllt werden.

Eine solche Neuigkeit stand auch am Samstag in “Bild”: Eine Mutter, deren 11-jähriger Sohn im Februar tödlich verunglückt war (“Bild” berichtete), die ihre Trauer anschließend öffentlich machte (“Bild” berichtete) und die sich schließlich entschloss, die Asche ihres Sohnes zu einem Diamanten pressen zu lassen (“Bild” berichtete), hat die Asche ihres Sohnes nun offenbar zu einem Diamanten pressen lassen.

“Bild” zeigt, was “Bild” gewöhnlich einen “Foto-Beweis” nennt: eine Fotografie der Mutter mit dem Edelstein — daneben 100 Zeilen Text mit allerlei O-Tönen der Mutter:

  • Mama Berit: “Mein Junge liebte den Himmel, die Höhe, wollte Pilot werden. Ich konnte ihn nicht tief in der dunklen Erde begraben. Das hätte Vincent nicht gewollt.”
  • Mit Tränen in den Augen erzählt sie: “Auf unserer letzten gemeinsamen Reise las Vincent im Flugzeug einen Artikel über die Herstellung von Diamanten aus der Asche Verstorbener. ‘Das finde ich eine schöne Idee’, sagte er damals zu mir.”
  • Sie sagt: “Ich habe den Stein nicht schleifen lassen. Er ist ein Rohdiamant. Denn genau das war Vincent für mich: wertvoll, rein, jung – und kindlich ungeschliffen.”

BILDblog-Leserin Linda allerdings glaubt, das “hunderprozentig schonmal (…) gelesen” zu haben. Aber sie irrt. Am 28. März stand bloß folgendes in “Bild”:

  • Er wollte (…) Pilot werden. Vincent liebte die Höhe — bis hinauf zum Himmel. (…) “Wie hätten wir ihn begraben sollen – tief unten in der Erde? Das fühlte sich einfach falsch an”, sagt seine Mutter Berit (35).
  • Berit C.-S.: “Wir haben uns entschlossen, aus der Asche unseres Jungen diesen Edelstein pressen zu lassen. Vincent und ich hatten im Urlaub einen Artikel über die Methode gelesen. Er fand die Idee toll.”
  • Die Mutter: “Den Diamanten lassen wir nicht schleifen. Es bleibt ein Rohdiamant.” Denn genau das war Vincent für sie: “Wertvoll. Rein. So jung. Also auch so kindlich ungeschliffen.”

Es wirkt fast so, als habe “Bild” hier einfach die knapp acht Monate alten O-Töne der Mutter wiederverwertet und z.T. sogar aus “Bild”-Formulierungen Mutter-Formulierungen gemacht. Und nicht nur das: Auch der im beiden Texten zitierte “Experte”/”Edelsteinexperte” ist derselbe: Arthur de Leur.

Arthur de Leur ist jedoch nicht irgendein unabhängiger Juwelier oder Physiker, sondern war früher Geschäftsführer eines Krematoriums und arbeitet heute für die deutsche Niederlassung von Lifegem, einem internationalen Anbieter von… genau: Diamantpressungen aus Verstorbenenasche. Und in einer Werbebröschüre von LifeGem [pdf] heißt es: “Auf Wunsch sind einige Kunden (…) bereit, ihre persönliche Geschichte, ihre Erfahrungen mit LifeGem und mit dem LifeGem Diamanten mit den Medien zu teilen.” Bemerkenswert ist daher auch, was kurz nach der Gründung einer deutschen Lifegem-Niederlassung in einer Pressemitteilung de Leurs vom 22. März zu lesen steht — nämlich, dass “in Deutschland bisher noch keine Publikationen rund um diesen einzigartigen Edelstein erfolgten”. Danach dauerte es nur sechs Tage, bis “Bild” titelte: “Mein toter Junge wird ein Diamant”*

Um aber wieder auf die aktuelle “Bild” zurückzukommen: Einen Unterschied zwischen ihren beiden Diamant-Berichten gibt es dann doch. Anders als im März verzichtet “Bild” aktuell in ihrer Online-Ausgabe immerhin auf einen Link zu de Leurs Internetseite, die offensiv mit den “Bild”-Veröffentlichungen wirbt. Abgelegt sind sie dort unter dem Begriff “Testimonials”.

Mit Dank an Linda für den Hinweis!

*) Nachtrag, 20.11.2006: Wir müssen uns (mit Dank an Ingmar B.) leider korrigieren: Die Pressemitteilung de Leurs stammt vom 22. März 2005. Ein zeitlicher Zusammenhang zur “Bild”-Berichterstattung lässt sich also nicht herstellen.

Nachtrag, 20.11.2006, 18.55 Uhr: Ein weiterer Artikel zum Thema in der heutigen “Bild” (“Wie kann ich meinen Liebsten zum Diamanten pressen?”) wurde übrigens so illustriert, dass man gar nicht erst auf die Idee kommen düfte, es könne sich dabei um Schleichwerbung handeln…

“Bild” gewinnt bei “Popstars”

Verschwörungstheoretiker würden das alles wahrscheinlich bloß für einen clever eingefädelten Marketing-Gag halten: Pro7 lässt Amazon vorab das Cover einer CD zeigen, auf dem scheinbar schon die Gewinner der aktuellen “Popstars”-Staffel zu sehen sind, obwohl die doch erst am kommenden Donnerstag in einer Live-Sendung ermittelt werden sollen — und nachdem die ersten Amazon-Screenshots in Internetforen die Runde machen, lässt Pro7 das CD-Cover wieder entfernen und simuliert Krisenmanagement. Der vermeintliche Patzer ist vielen Medien, die sonst vielleicht nicht unbedingt über “Popstars” geschrieben hätten, ein paar Zeilen wert, und noch mehr Zuschauer als bisher dürften wissen wollen, wer wirklich das “Popstar”-Rennen macht, oder versuchen, für 49 Cent pro Anruf mitzuentscheiden…

…und das alles ohne “Bild”.

Das Blatt, das alle Jahre wieder mit allerlei Exklusiv-Geschichtchen dafür sorgt, dass eine Show wie “Deutschland sucht den Superstar” (RTL) im Gespräch bleibt, war diesmal offensichtlich eher schlecht informiert. Denn wie es heute in einem großen — auf der Titelseite angekündigten — Bericht über die “Riesen-Panne bei Popstars” heißt (der ausnahmsweise sogar gestern abend schon vorab und zunächst leicht variiert auf Bild.de veröffentlicht wurde):

Als Erste entdeckte BILD-Leser-Reporterin Particia E.* (33) das Cover.
*) Name von uns gekürzt.

Doch leider haben wir auch an dieser Nase-vorn-Behauptung unsere Zweifel. Nicht nur, dass schwerlich nachzuweisen sein dürfte, wer das Cover tatsächlich “als Erste” bei Amazon entdeckte — nein, “BILD-Leser-Reporterin” Patricia E. teilt uns selbst auf Nachfrage mit:

gegen 11 habe ich bei der BILD-Zeitung gepetzt :-)

Und dafür, dass sie damit eben nicht die Erste war, spricht dann zumindest ein stern.de-Artikel, wonach sich gestern bereits um 10.36 Uhr im Pro7-Forum (z.Zt. leider “aufgrund erhöhter Zugriffszahlen […] ausgelastet”) der erste sachdienliche Hinweis eines Users fand. Und als bei “Bild” bzw. Bild.de in den frühen Abendstunden (18.26 Uhr) die Zeit endlich reif war für die Frage “Was ist da bei den Pro7-‘Popstars’ los?” (siehe Ausriss), da stand die Auflösung schon sechs Stunden lang bei der Netzeitung, die offenbar ebenfalls durch “Lesermails von verwirrten TV-Zuschauern” auf die Amazon-Veröffentlichung aufmerksam gemacht worden war.

Schon möglich also, dass die “BILD-Leser-Reporterin” sich “als Erste” bei “Bild” gemeldet hat. Denkbar auch, dass der Gewinner bei “Popstars” schon vorher feststeht. Ganz sicher aber bei “Bild”: “Bild”.

“Bild” als WIKIPEDIAblog (2)

Schlimm, was für ein Unsinn in der Wikipedia steht. Findet “Bild”:

Immer mehr Fehler, Fehler, Fehler! (…)

Nach den BILD-Enthüllungen über das weltweit größte Internet-Lexikon Wikipedia (…) taucht immer neuer Unfug auf.

Neuer Unfug, soso. Dann gehen wir die Sachen mal schnell durch:

Von “Bild” entdeckter Unfug Wikipedia-Realität
“Thomas Anders (…) soll 1983 eine Single mit dem Titel ‘Hoden sind was Wertvolles’ veröffentlicht haben.” Diese Unterstellung überlebte am 9. November 2006 eine Minute lang im Wikipedia-Eintrag zu Thomas Anders.
“Günther Jauch (50) bekommt den Beinamen “Osama” und soll mit dem Eisernen Kreuz und dem WWF-Gürtel ausgezeichnet worden sein.” Beide Scherze stammen vom 13. November 2005 und blieben weniger als eine halbe Stunde lang unkorrigiert.
“Neue Wortschöpfung: Laut Wikipedia war Stefan Raab (40) ‘Messlattendiener’.” Das Wortspiel überlebte am 19. Januar 2006 nicht einmal eine Minute.
“Dieter Bohlen (52) soll die Schwerbehindertenschule besucht haben, sich dort seinen ersten Vibrator gekauft haben. Mit 14 Jahren sei Bohlen in die NPD eingetreten.” Am 16. Februar 2006 änderte ein Witzbold Bohlens Eintrag entsprechend. Es dauerte keine Minute, bis seine Verunglimpfungen entdeckt und rückgängig gemacht wurden.
“Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (65) plane angeblich die Eroberung der Welt.” Am 1. Dezember 2005 wurde Stoibers Eintrag entsprechend verunstaltet — für weniger als eine Minute.
“Die ‘Tokio Hotel’-Zwillinge Bill und Tom Kaulitz (17) werden im Internet-Lexikon als schwul bezeichnet, hätten angeblich schon seit ihrer Kindheit Sex miteinander.” Zuletzt stand das am 13. März 2006 im entsprechenden Wikipedia-Eintrag, und zwar eine Minute lang.
“Ferdinand Julius Hidermann soll der uneheliche Sohn von Johann Wolfgang von Goethe sein. Die Person hat nie existiert!” Der Mann heißt nicht Hidermann, wie “Bild” schreibt, sondern Hidemann. Und seit 12. September 2004 ist der entsprechende Eintrag als Witz (“Lexikon-Ente” bzw. “Nihil-Artikel” gekennzeichnet).
“Bill Gates (51) bekam den Adelstitel William Henry James III verliehen und Teufelshörner in sein Foto montiert.” Bill Gates heißt eigentlich William Henry Gates III.; von einem “William Henry James” haben wir keine Spur in der deutschen Wikipedia gefunden. Die Teufelshorngeschichte scheint sich auf die englische Wikipedia zu beziehen.

 
Ja: Schlimm, was für ein Unsinn in der “Wiki-Fehlia” steht.

Also: Stand. So manchmal. Vor Monaten. Oder Jahren. Für Minuten. Oder Sekunden.

Aber wo Sie suchen müssen, um Unfug zu finden, der nicht korrigiert wird, sondern monatelang und bis heute falsch im Internet herumsteht, müssen wir Ihnen ja nicht sagen.

Völlig zu Recht stellt “Bild” übrigens fest, dass die “Leuchtschnabelbeutelschabe” “zwar nicht in der Tierwelt, dafür aber bei Wikipedia” existiere. Der entsprechende Wikipedia-Eintrag ist ein Witz, wie man bereits seit über zwei Jahren der zugehörigen Diskussionseite entnehmen kann. Es soll sich um das Wikipedia-Gegenstück zur fiktiven Steinlaus von Loriot handeln, die es u.a. bis in das medizinische Nachschlagewerk Pschyrembel schaffte (pdf).

Allgemein  

“Bild” löst gelösten Fall

Am 2. November berichtete “Bild” das erste Mal über “die hübsche Daniela (17)”, die damals seit zwei Wochen vermisst wurde (siehe Ausriss). “Bild” forderte ihre Leser auf, die Polizei anzurufen, wenn sie Daniela gesehen haben sollten und schrieb:

Ist die Realschülerin (10. Klasse) entführt worden oder einfach nur abgehauen? Die Mutter: “Dieses Jahr hatte sie nur Einsen und Zweier. Alles lief gut für meine Daniela.”

Außerdem hieß es einleitend:

Nach dem Frühstück legte Daniela (17) einen Zettel auf den Küchentisch: “Mama, nach der Schule gehe ich noch einkaufen.” Das letzte Lebenszeichen der hübschen Schülerin (…)

Dann war eine Weile Ruhe. Doch vorgestern berichtete “Bild” wieder über das vermisste Mädchen und schrieb:

Das letzte Lebenszeichen: ein Zettel auf dem Küchentisch: “Mama, gehe nach der Schule noch shoppen.”

Anlass war diesmal ein Brief der Mutter an Daniela, den “Bild” zusammen mit dem erneuten Aufruf an die Leser veröffentlichte, gegebenenfalls die Polizei zu informieren.

Und gestern konnte “Bild” tatsächlich erleichtert vermelden:

Jetzt rief die junge Frau bei BILD an.

“Es geht mir gut”, sagte sie. “Aber ich will nicht mehr nach Hause. Ich lebe bei einer Familie, passe auf deren Kinder auf und verdiene mir so ein wenig Geld. Ich habe zu essen und zu trinken.”

Der Hinweis auf den ominösen Zettel fehlte auch hier nicht:

Daniela hatte ihrer Mutter nur einen Zettel in die Küche gelegt (“Gehe nach der Schule noch shoppen”) und war verschwunden.

Tatsächlich aber war alles ganz anders, als “Bild” wiederholt nahe legte: Daniela hatte nämlich einen Abschiedsbrief an ihre Mutter geschrieben, in dem sie ihr mitteilte, dass sie abhauen würde und nicht zurückkommen will. Auch war nicht der vermeintliche Zettel von “Bild” das “letzte Lebenszeichen” von Daniela, sondern eine E-Mail an die Polizei, in der sie den Inhalt des Abschiedsbriefs bestätigte. Folglich gab es auch keine Hinweise auf eine Straftat.

Und: Nach unseren Informationen wusste “Bild” all das auch — und zwar schon vor Veröffentlichung des ersten Artikels am 2. November. Dennoch erwähnt “Bild” nichts davon.

Übrigens: Seit vorgestern kann man die wahre Geschichte in einer Pressemitteilung der Polizei Aalen nachlesen, in der auch steht, warum die öffentliche Fahndung erst jetzt eingeleitet wurde:

"Nachdem in der BILD eine von der Mutter veranlasste Veröffentlichung zu der Vermissten erschienen war, meldeten sich sowohl Personen, die die Vermisste an verschiedenen Orten gesehen haben wollten, als auch solche, die angaben, dass sie sich in ihrer Gewalt befinde.
Da die Ernsthaftigkeit nicht genau eingeschätzt werden kann, muss die Polizei davon ausgehen, dass möglicherweise im Zuge des Vermisstseins eine Straftat an ihr begangen wurde."

Und wir fassen zusammen: “Bild” erweckt wider besseres Wissen den Eindruck, eine 17-Jährige sei möglicherweise entführt worden, verschweigt ihren Abschiedsbrief und bringt mit einem eigenen öffentlichen Fahndungsaufruf offenbar Trittbrettfahrer dazu, eine Straftat vorzutäuschen, so dass die Polizei am Ende tatsächlich die öffentliche Fahndung einleiten muss.

Mit Dank an Martin M. für den sachdienlichen Hinweis.

Günther Jauch hat Recht

Als Bild.de am 6. August einen Artikel aus der “BamS” übernahm, übernahm Bild.de natürlich auch die Überschrift:

“Richter zitiert Jauch vor Gericht”

Denn der Richter habe für eine Verhandlung am 7. September “das persönliche Erscheinen von (…) Herrn Jauch angeordnet”. Dummerweise war diese Anordnung aber bereits am 30. Mai, also mehr als zwei Monate vor dem Bild.de/”BamS”-Bericht, aufgehoben worden.

So jedenfalls steht es heute in einer “Gegendarstellung” Jauchs mit Datum vom 9. August, die Bild.de heute veröffentlicht. Und mit Datum vom 17. November fügt “Die Redaktion” hinzu:

"Herr Jauch hat Recht"

Bild.de weiß mehr oder weniger

US-Medien berichten dieser Tage über einen Mann aus Wisconsin, dem vorgeworfen wird, sexuelle Handlungen an einem angeblich tot am Straßenrand aufgefundenen Reh vorgenommen zu haben. (Der Fall sorgt insbesondere deshalb für Aufsehen, weil das zuständige Gericht offenbar die grundsätzliche Frage klären muss, ob ein tot am Straßenrand aufgefundenes Reh ein “Tier” sei oder ein “Kadaver”, denn: Sex mit Tieren sei strafbar, Sex mit Kadavern nicht.)

Aber natürlich beschäftigt sich auch Bild.de (“Ekelhafter geht’s wirklich nicht.”) mit der “Ekel-Tat” des Mannes, der “seine perversen Fantasien an einem Tier-Kadaver ausgelebt” habe. Und so berichtet Bild.de über den Tathergang:

"Eigentlich hätte er ja vorgehabt, ein Pferd zu töten, sagte der 20-Jährige. Klappte aber nicht. Und da kam ihm das tote Reh, das er nach eigenen Angaben am Straßenrand fand, gerade recht."

Der Schilderung ist seltsam. In den US-Berichten ist nämlich nirgends die Rede davon, dass der 20-Jährige eigentlich ein Pferd zu töten vorgehabt zu haben behauptet habe. Stattdessen ist dort von etwas anderem die Rede. So schreibt beispielsweise thesmokinggun.com (eine Quelle, auf die auch Bild.de gern zurückgreift) an ungefähr derselben Stelle, an der bei Bild.de der Pferde-Satz steht:

“The Wisconsin man (…) previously has served time for killing a horse he intended to sexually assault (…).”
(Der Mann aus Wisconsin hat zuvor eine Haftstrafe abgesessen, weil er ein Pferd getötet hatte, an dem er sich sexuell vergehen wollte.)

Diese Info aber bleibt Bild.de ihren Lesern quasi weltexklusiv schuldig.

Nachtrag, 18.11.2006: Bild.de hat den oben zitierten Absatz komplett gestrichen und durch den folgenden ersetzt:

"Das Reh habe er nach eigenen Angaben tot am Straßenrand gefunden."

6 vor 9

»Ich habe unter klinischen Bedingungen LSD getestet«
(sz-magazin.sueddeutsche.de)
Regisseur Peter Bogdanovich führt ein langes Gespräch mit Schauspieler Jack Nicholson (Original in Englisch).

“Von hinten durch die Brust ins Auge”
(derstandard.at, Doris Priesching)
Für ihre TV-Reportage über Kinder von Strafgefangenen in China (Trailer) kürte CNN Ariane Reimers zur besten Nachwuchs­journalistin (Website des CNN Journalist Award der MEDIENTAGE 2006).

Kampf ums Weltbild
(nzz.ch, Miriam Meckel)
Immer mehr Länder gründen internationale TV-Nachrichtensender. Meist stehen dabei nicht wirtschaftliche, sondern politische und publizistische Motive im Vordergrund. Diese Woche ging die englische Ausgabe des arabischen Fernsehens al-Jazira an die Startrampe.

Dieter Thomas Heck in den Händen der Spaßguerilla
(welt.de, Hendrik Werner)
Spaßguerilleros nutzten das Online-Lexikon, um Unfug anzustellen. Dabei will Wikipedia vor allem seriös werden. Die Plattform muss den Kinderspielen wirkungsvoll begegnen und endlich unveränderbare Artikel als zusätzlichen Abgleich anbieten.

?Alte? und ?neue? Medien ergänzen sich ideal
(faz.net, Scott Kessler, S&P Equity Research)
?Neue? Medien verdrängen die ?alten?, heißt es. Das stimmt aber nicht. Such- und Werbedienste wie Google und Yahoo können traditionellen Medienunternehmen helfen, Geld zu verdienen, so Scott Kessler von S&P Equity Research.

Im Stadion ist keiner schwul
(netzeitung.de, Ronald Düker)
Es gibt wenig Orte, an denen Schwule sich noch so verstecken müssen wie im Fußballstadion. Die Netzeitung sprach mit Oliver Lück vom Fußballmagazin «Rund» über die Angst und das Doppelleben homosexueller Profis.

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