Gute Zitate, selbstgemacht

In großer Aufmachung berichtet “Bild” heute erneut über den “Gier-Banker”, den “feinen Herrn Welteke”, der vor Gericht eine Erhöhung seiner Bundesbank-Pension von 8000 auf rund 12.500 Euro im Monat durchsetzte. “Bild” dokumentiert mit mehreren Zitaten, dass auch in anderen deutschen Zeitungen “Riesenempörung” über die “fette Pensions-Erhöhung” herrsche. An erster Stelle steht dieses:

Süddeutsche Zeitung: "Zynisch gegenüber jenen, die jeden Cent umdrehen müssen. Der Mann hat immer noch nicht verstanden, dass der Umgang mit viel Geld auch ethisch und intellektuell verpflichtet."

Bemerkenswert an diesem Zitat ist, dass es kein Zitat ist — trotz der Anführungszeichen, die das Gegenteil suggerieren. Das Wort “zynisch” etwa kommt in dem “SZ”-Kommentar nicht vor.* Wenn man den Original-Text der “SZ” liest, kommt man auch ins Grübeln, ob er wirklich als Beleg für die “Riesenempörung über Weltekes fette Pensions-Erhöhung” taugt:

(…) Dass ein ehemaliger Bundesbankpräsident und Landesminister 12 500 Euro im Monat erhält, sollte die Debatte über das Verhältnis von Gehalt und späterer Pension bei Politikern beflügeln — unmoralisch hoch ist das aber nicht, verglichen mit vielen Manager-Abfindungen.

Warum also die Empörung über den angeblichen Raffke Welteke? Weil der Mann immer noch nicht verstanden hat, dass der Umgang mit viel Geld auch ethisch und intellektuell verpflichtet. Mit 33 Prozent des alten Gehaltes könne man nicht leben, hat er gesagt. Das ist schwer zu vermitteln gegenüber jenen, die jeden Cent umdrehen müssen. Und es eignete sich trefflich für jene Boulevard-Kampagne, die ihn 2002 den Posten bei der Bundesbank kostete. (…)

*) Nachtrag, 14. Dezember. Wir müssen uns korrigieren. Von dem Kommentar sind in verschiedenen Ausgaben der “Süddeutschen Zeitung” verschiedene Versionen erschienen. Die eine ist die, aus der wir oben zitieren. In einer anderen kommt tatsächlich das Wort “zynisch” vor. Im Kontext liest sich das so:

Mit 33 Prozent des alten Gehaltes könne man nicht leben, hat er gesagt. Das ist zynisch gegenüber jenen, die jeden Cent umdrehen müssen, und unbedarft gegenüber den Mechanismen des Boulevardjournalismus. 2002 kostete ihn das den Chefposten bei der Bundesbank; nun schrieb sich wieder einmal die Schlagzeile über Welteke wie von selber.

(Übrigens trat Welteke nicht 2002 zurück, wie die “SZ” schreibt, sondern 2004.)

6 vor 9

McDeutsch: Wie global ist deutsch?
(Deusche Welle, Birgut Adolf)
Ist aus dem vermeintlich deutschen Sprachschatz längst ein internationales Gemeingut geworden? Ein Symposium zur Globalisierung der deutschen Sprache in Berlin sucht nach Antworten.

Zeitungsverlage starten Imagekampagne
(Werben & Verkaufen)
“Die Zeitungen. Wer liest, versteht” – unter diesem Leitspruch werden vom 15. Dezember bis März 2007 Anzeigen mit insgesamt 40 Motiven in deutschen Zeitungen geschaltet.

Das ZDF zeigt Mut zum Scheitern
(FAZ.net, Peer Schader)
Zwar gibt es zur Zeit im deutschen Fernsehen kaum ein Genre, das die Sender so konsequent bedienen wie das der Auswanderer-Reportage. Die ZDF-Reportage “37 Grad: Nichts wie weg? Von Auswanderern und Rückkehrern” war erfrischend anders.

Falsch herum verliebt
(Spiegel Online, Peer Schader)
Sat.1 stellt die Telenovela “Schmetterlinge im Bauch” ein, bei der ARD ist “Zwei Engel für Amor” gefloppt. Die Sender wissen nicht mehr, was die Zuschauer am Vorabend sehen wollen – und planen ins Blaue hinein.

Wikio: Yigg in Professionell
(e-commerce-blog.de, Daniel Schäfer)
Der neue deutschsprachige Newsaggregator Wikio geht an den Start und scheint um einiges professioneller zu sein als Yigg.

Pendlerblog hört auf
(Pendlerblog, Der unmündige Leser)
Dies ist der letzte Beitrag des Pendlerblogs [*14. Februar 2005; ? 12. Dezember 2006]. Es war eine schöne Zeit.

Allgemein  

Raum-Zeit-Kontinuum in Tötensen gestört

Wenn man zynisch wäre, könnte man sagen: Was Dieter Bohlen passiert ist, ist das Beste, was “Bild” passieren konnte. Dass der “Pop-Titan” Dieter Bohlen, der Beruf und Privatleben in einem außerordentlichen Maße mit “Bild” teilt, in seinem Haus spektakulär überfallen und ausgeraubt wird und eine Überwachungskamera eine Fülle eindrucksvoller Aufnahmen von dem Geschehen liefert. Den größten Teil der Titelseite und zwei ganze Seiten im Inneren (siehe Ausrisse) füllte “Bild” am Dienstag mit Fotos, Zeichnungen, Berichten und Einzelheiten — und dass die Polizei Bohlen vorwirft, er habe dadurch, dass er gegenüber “Bild” und RTL so viele Details ausplauderte, die Ermittlungen erschwert, damit wird “Bild” leben können.

“Bild” war offensichtlich schon kurz nach dem Überfall vor Ort — oder versucht jedenfalls nachhaltig, diesen Eindruck zu erwecken. Ein langes “Bild”-Interview mit Bohlen beginnt so:

Gestern morgen, 11.42 Uhr. Dieter Bohlen (52) sitzt auf der Eckbank in der Küche seiner 600-Quadratmeter-Villa in Tötensen. Lebensgefährtin Carina (23) reicht ihm Früchtetee. Im Flur und an der Haustür sichern die Beamten der Kripo Buchholz Spuren. Es ist gerade 117 Minuten her, dass zwei bewaffnete Männer sein Haus gestürmt, ihn gefesselt und mit der Pistole bedroht haben. Dieter Bohlen wirkt sehr gefasst. An den Unterarmen hat er Schürfwunden, die er bei der Rangelei mit den Tätern erlitten hat.

BILD: Herr Bohlen, wie fühlen Sie sich? …

Und vermutlich meint “Bild” nicht 117, sondern 177 Minuten, denn der Überfall war um 8.45 Uhr. Dennoch ist das ja wirklich eindrucksvoll, das Tempo, mit dem die “Bild”-Leute und Bohlen sich nach so einem Überfall an die “journalistische” Aufbereitung des Geschehens machen. Allerdings endet das “Bild”-Interview, das um 11.42 Uhr begann, so:

BILD: Wie geht es Ihrer Lebensgefährtin?

Bohlen: “Carina war die ganze Zeit sehr tapfer. Aber am Nachmittag brach dann alles aus ihr raus. Sie bekam Beruhigungsmittel, inzwischen geht es ihr besser.”

(Hervorhebungen von uns.)

Und falls Bohlen diesen Satz überhaupt gesagt hat, dann jedenfalls nicht am Vormittag. Aber eine gute Erklärung für diese erstaunliche Diskrepanz müssen Sie sich schon selbst ausdenken. Wir haben nämlich keine.

Danke an Sebastian L., Svenja K., Günther F., Knut I. und Felix S.

Nachtrag, 13. Dezember. Die Störung des Raum-Zeit-Kontinuums ist anscheinend noch größer als bisher angenommen. Bohlens Freundin Carina sagt heute “EXKLUSIV” in “Bild”, sie habe es am Montag nicht mehr in dem Haus in Tötensen ausgehalten und sei deshalb am Nachmittag mit Bohlen nach Köln geflogen. Wenn das stimmt, wäre an dem “Bild”-Interview entweder nicht nur die Zeitangabe, sondern auch die Ortsangabe falsch — oder natürlich das Interview.

6 vor 9

BND bezahlte 20 Reporter im Ausland
(Berliner Zeitung, Andreas Förster)
Die von “Focus” aufgedeckte Affäre rund um deutsche Auslandskorrespondenten, die auch für den Geheimdienst arbeiteten, bringt den Journalismus in Verruf und Medienleute in Gefahr. (Und die Tatsache, dass ausgerechnet “Focus” darüber berichtet, aber keine Namen nennt, bringt dem Blatt Schelte der “taz” ein.)

Eine Zeitschrift wie ein Friedhof
(Welt.de, Franz Josef Wagner)
Ein “Blättern in toter Materie”: Die “Tempo”-Gedenknummer hätte Hunter S. Thompson, dem Erfinder des “New Journalism”, nur ein “Shit” entlockt. Ohne ein Ausrufezeichen.

So wird man Milliardär
(Sueddeutsche.de, Caspar Busse)
Drei Bieter sind noch im Rennen um den Deutschen TV-Konzern Pro Sieben Sat 1. Verkäufer Haim Saban treibt den Preis weiter hoch. Dabei sind die Aussichten für das TV-Imperium nicht unbedingt rosig.

Zeitzeugen sind stark beeinflussbar
(Netzeitung)
“Oral History” ist nicht immer für bare Münze zu nehmen. Eine Studie zeigt, dass Meinungen und historische Verklärungen die Erinnerung der Zeugen beeinflussen.

Ein Tag wie jeder andere
(Stefan Niggemeier)
Der 11. Dezember 2006 war ein besonderer Tag für Hans-Jürgen Jakobs. Der Mann mit dem beeindruckenden Wörter-Setzkasten ist der neue Chef der Sueddeutschen Online…

US benutzen Google als Geheimdienst-Quelle
(Washington Post, Dafna Linzer)
Weil die CIA dem State-Department keine Auskunft geben mochte, suchte ersteres halt via Google nach den Namen von iranischen Nuklear-Experten – und fand sie, vor allem in veröffentlichten CIA-Papieren. (Englischssprachiger Artikel)

Schon wieder ein Jahr um!

Zum 1. Januar: Abgeordnete kriegen mehr Geld!

Sagen wir mal so: Falsch an dieser “Bild”-Schlagzeile von heute ist nur das Ausrufezeichen.

Denn die Abgeordneten des Deutschen Bundestages kriegen jedes Jahr zum 1. Januar mehr Geld, weil sich dann ihre steuerfreie Kostenpauschale erhöht. Und zwar um den Prozentsatz, um den die Lebenshaltungskosten zwei Jahre zuvor gestiegen sind. Das steht so im Abgeordnetengesetz. Weil die Lebenshaltungskosten 2005 um zwei Prozent stiegen und die Pauschale aktuell 3.647 Euro beträgt, bekommen die Abgeordneten 2007 also rund 70 Euro im Monat mehr.

Wer wollte, konnte sich das schon am 17. Januar 2006 ausrechnen, als das Statistische Bundesamt die Teuerungsrate veröffentlichte.

Wer will, kann daraus aber noch am 11. Dezember einen Aufreger machen und aus einer automatischen Erhöhung einen aktiven Akt ungenierter Selbstbedienung:

Von Dirk Hoeren. Berlin – Bundestagsabgeordnete und Parteien bereiten den nächsten Griff in die Staatskasse vor:

Und wer ist wieder ganz vorne dabei, beim Selbstbedienen? Klar: der Lammert.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) plant nach BILD-Informationen eine Steigerung um rd. 70 Euro/Monat ab Januar.

Aber schön, dass sich das, was Lammert “nach BILD-Informationen plant”, mit dem deckt, was nach BILDblog-Informationen Gesetz ist.

Vielen Dank an Jason M. für den sachdienlichen Hinweis!

6 vor 9

Die Physik der Bond-Tricks
(Stern online, Stefan Biestmann, DPA)
Physik-Professor Metin Tolan analysiert die Realitätsnähe der 007-Tricks

Kein Staatsbegräbnis für den General
(Sueddeutsche Zeitung, Peter Burghardt)
Augusto Pinochet sah sich bis zuletzt als “Befreier” Chiles. Jetzt ist er 91jährig gestorben.

Der Fußball als Hass- und Gewaltmaschine
(Telepolis.de, Marcus Hammerschmitt)
Wo der Sport die Sau aus dem Manne holt: Warum Hass und Wut rund ums Stadion so oft überkochen.

Selbst Barney ist ratlos
(Facts, Marc Pitzke)
Der schlechteste Präsident der USA hat keinen Schimmer.

Sie nennen es Arbeit
(FAZ.net, Eberhard Rathgeb)
Wie man herausfindet, was man werden will.

Zu klein geraten?
(Netzeitung)
Indische Männer haben ein Problem mit der Standard-Grösse.

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