Gut gebrüllt, “Bild”

"Brüll-Rekord: Schalke-Fans schaffen 129 Dezibel"

Das muss aber laut gewesen sein am vergangenen Sonnabend beim Spiel Schalke 04 gegen den VfB Stuttgart. 129 Dezibel! Das sei, schrieb “Bild” am Montag, “so laut wie nirgendwo anders in der Liga”. Außerdem sei das fast so laut wie eine startende Rakete und lauter als ein startender Düsenjet. So stand es jedenfalls in der “Lärm-Tabelle”, die “Bild” abdruckte und in der sie sogar erklärte, was ein Dezibel ist. Wie “Bild” auf diese “129 Dezibel” gekommen war, stand auch im Text:

Der Lärm-Check wird in der Veltins-Arena mehrfach pro Spiel angezeigt.

Der “Bild”-Artikel wird seit seinem Erscheinen eifrig im Schalke-Forum diskutiert. Für eine gewisse Verwirrung sorgt dabei, dass der “ELE-Soundcheck” (vom Stromversorger ELE), den “Bild” “Lärm-Check” nennt, bekanntermaßen nicht in Dezibel misst und in der Vergangenheit schon viel höhere Werte angezeigt hat als 129 (der Rekord scheint so bei 183 zu liegen). Entsprechend werden die “129 Dezibel” von “Bild” im Schalke-Forum vereinzelt angezweifelt. Zuweilen wird aber auch die Theorie ventiliert, dass man den ELE-Wert circa durch 1,5 teilen muss, um auf Dezibel zu kommen.

Diese schöne Theorie können wir leider nicht bestätigen. Wie uns jetzt ein Sprecher der Veltins-Arena mitteilt, misst der ELE-Soundcheck Volt, die dann in eine Fantasie-Skala übersetzt werden, die bis 200 reicht. Und, so der Sprecher:

Das kann man nicht in Dezibel umrechnen.

Insofern hat es also durchaus Sinn, von Maßeinheiten wie “SCHALL(-KE)” oder “dELEzibel” zu sprechen.

Das wollten wir nur mal anmerken, damit sich nicht wieder irgendwelche Behauptungen zur Tatsache verfestigen.

Mit Dank an Hanno E. für den sachdienlichen Hinweis.

Fällt die “Bild”-Redaktion jetzt auseinander?

  • Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?
  • Wer wird Millionär?
  • Darf’s ein bisschen mehr sein?
  • WIRD “BILD” EINGESTELLT?

Es gibt so viele Fragen auf der Welt. “Bild” hat sich für ihre heutige Ausgabe die folgenden ausgedacht:

  • LETZTE TOURNEE?
  • LETZTES ALBUM?
  • Holt die Polizei TOKIO-BILL zur Musterung?
  • Ist es jetzt vorbei mit dem wilden Rockstar-Leben?
  • Wollten sich Bill und Tom vor der Bundeswehr drücken?
  • Wie sollen Bill und Tom neun Monate Grundwehrdienst und ihre Musiker-Karriere unter einen Hut bringen?
  • WIRD IHRE BEVORSTEHENDE TOURNEE (AB 3. APRIL) IHRE LETZTE SEIN?
  • Werden sie überhaupt je wieder eine Platte aufnehmen?
  • Fällt die Band jetzt auseinander?
  • Wie wollen Bill und Tom jetzt weiter verfahren?

Anlass für all diese Fragen: ein sog. “Fragebogen zur Musterungsvorbereitung” [pdf], der allen Deutschen, die wehrpflichtig werden, nach ihrer “Erfassung” zugeschickt wird — und der laut “Bild” von zwei 17-jährigen Mitgliedern der Popgruppe Tokio Hotel bislang nicht beantwortet wurde, weshalb sie ein weiteres Schreiben vom Kreiswehrersatzamt bekommen hätten, in dem es heiße: “Bitte beachten Sie, dass die Verweigerung der erbetenen Auskünfte als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden kann!”

Diese, öh, Nachricht nutzt “Bild” heute für eine dramatische Titelschlagzeile (siehe Ausriss) und “Bild”-Redakteur Mark Pittelkau für die vielen aufgeregten Fragen — denen “Spiegel Online” inzwischen noch zwei weitere hinzufügt:

Gab es die Drohung der Geldbuße gar nicht? Oder aber ist der Fall sogar gravierender (…)?

Laut “Spiegel Online” erhält man das von “Bild” zitierte Schreiben nämlich “erst nach zweimaligem Ignorieren eines Musterungsbescheids (…) Demnach wären die Kaulitz-Brüder bereits zur Musterung geladen worden, dort aber nicht erschienen.” Dann ergäben zwar die “Bild”-Überschriften plötzlich mehr Sinn, dafür wäre aber dazugehörige Artikel irgendwie Murks.

Im Anschluss an die letzte “Bild”-Frage (“Wie wollen Bill und Tom jetzt weiter verfahren?”) schreibt Pittelkau:

Die Zwillinge und ihr Management wollten sich gestern gegenüber BILD nicht äußern.

Er hätte auch schreiben können: “Fortsetzung folgt…”

(Fortsetzung folgt…)

Nachtrag, 16.35 Uhr: Anders als “Bild” hat “Spiegel Online” die eigenen offenen Fragen inzwischen in einer aktualisierten Fassung des Artikels beantwortet:

Eine Sprecherin der Wehrbereichsverwaltung Nord in Hannover bestätigte heute, dass die beiden den Fragebogen bekommen hätten. Ein Musterungsverfahren sei aber noch nicht eingeleitet worden.

Der aktuelle Zwischenstand lautet demnach:
“Bild”-Artikel bloß irreführend, “Bild”-Überschriften Murks.

(Fortsetzung folgt…)

6 vor 9

Modernes Raubrittertum
(mmm.verdi.de, Gisela Sonnenburg)
Das Internet bringt nicht nur Segen. Sondern es erleichtert auch Urheberrechtsverletzungen. Betroffene Journalisten haben dadurch viel Ärger, reichlich Verluste, einen hohen Zeitaufwand – und Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Europas erste Klinik für Computerspielsüchtige
(welt.de, Eva Eusterhus)
Computersucht gilt heute als ernst zu nehmende Krankheit. Durch das jahrelange Spiel am Computer sind die Süchtigen extrem isoliert. Mitten im Herzen von Amsterdam werden ihnen wieder minimale Sozialkompetenzen beigebracht.

Alphablogger der deutschen Blogosphäre. Heute: Thomas Knüwer, Grenzgänger
(readers-edition.de, Peter Turi)
Thomas Knüwer, 37, ragt mit seinen Einsfünfundneunzig nicht nur optisch aus dem Kreis seiner Kollegen hervor, Knüwer ist der Vorzeigeblogger unter den Journalisten und der Vorzeigejournalist unter den Bloggern. Der festangestellte Redakteur bei der Wirtschaftszeitung ?Handelsblatt? hat sich als Grenzgänger zwischen klassischem Journalismus und der wachsenden Blogosphäre mit seinem Blog http://blog.handelsblatt.de/indiskretion/ einen Namen gemacht.

Schluss mit “How Are You Today Honey”
(sueddeutsche.de, Else Buschheuer)
Weg aus New York. Aber wohin? München ist zu bussibussi. Hamburg zu kühl, Köln zu schwul. Leipzig! Schriftstellerin Else Buschheuer über ihre Rückkehr in die Heimat.

Das Leben der anderen
(taz.de, Barbara Bollwahn)
Seit ich ein digitales Aufnahmegerät habe, schneide ich mit Begeisterung heimlich Gespräche mit.

Ohne Worte
(bildblog.de, lupo)

Wahrnehmungsstörung (vermutl. chronisch)

Heute lernen wir wieder etwas darüber, wie “Bild” (oder im konkreten Fall: Bild.de) die Welt sieht. Wenn Sie sich bitte zunächst diesen Ausschnitt aus einem Bild.de-Artikel von heute über einen dramatischen Vorfall nach dem FA-Cup-Spiel Tottenham gegen Chelsea durchlesen würden:

Jetzt stellen Sie sich die beschriebene Szene bitte bildlich vor.

Fertig?

Gut, dann vergleichen Sie den Film, den Bild.de Ihnen soeben vor Ihrem geistigen Auge entstehen ließ, jetzt bitte mit diesem Film, den Fernsehkameras von dem Geschehen aufgenommen haben:


Vielen Dank an Sascha W.!

Deutschlands dümmste Anonymisierer

Den Mann, der im vergangenen Jahr in einer Drogerie mit Lotto-Annahmestelle die Herausgabe des Jackpots forderte, nennt “Bild” “Deutschlands dümmsten Lotto-Räuber”.

Die Besitzerin des überfallenen Ladens nennt “Bild” “Roswitha R.”.

Tja. Wie mag sie wohl mit Nachnamen heißen?

Danke an Manfred H. für den sachdienlichen Hinweis!

Liebe Kinder,

wie wir heute aus der “Bild”-Zeitung erfahren, habt ihr gestern offenbar “gegen die Todesspritze für Knut” "1. Eisbär-Demo: Kinder kämpften für Knut"demonstriert (siehe Ausriss). Wir freuen uns, dass ihr dafür im Berliner Zoo wart. Dort kann man schließlich eine Menge lernen — nicht nur über Eisbären, auch über andere Tiere.

Allerdings müssen wir euch auch etwas Trauriges erzählen, etwas, das man im Zoo nicht lernt: Ihr wurdet reingelegt. Knut sollte nämlich gar nicht getötet werden. Niemand hatte das ernsthaft gefordert. Ihr (und offenbar auch die Erwachsenen) seid einer “Falschmeldung” aufgesessen, wie man so sagt. Genauso wie viele Medien, die die Geschichte aus der “Bild”-Zeitung weitererzählt haben. Deshalb stimmt leider auch nicht, was heute in der “Bild”-Zeitung über euch steht:

Sie erhoben ihre Kinderstimmen, um ihren Lieblingsbären vor der Todesspritze zu retten! Und sie hatten Erfolg: KNUT DARF LEBEN!

Das ist wahrscheinlich das Schlimmste: Die “Bild”-Zeitung missbraucht euch heute, um ihre Desinformation von gestern auf abstruse Art und Weise gerade zu rücken. Und dabei wiederholt sie sie auch noch:

Tierschützer hatten in BILD (…) den Tod des von seiner Mutter verstoßenen Bären gefordert.

Das ist jetzt sicher alles ziemlich schwer für euch zu verstehen, aber vielleicht werdet ihr es begreifen, wenn ihr größer seid. Und vielleicht nehmt ihr dann auch an weniger überflüssigen Demonstrationen teil.

Mit pelzigen Grüßen,

euer BILDblog

6 vor 9

Störer im Stadt-Bild: Wie 50 junge Münchner mit der Macht der Medien spielen
(jetzt.sueddeutsche.de, Roland Schulz)
Die Schlagzeile war gewohnt gewaltig und ungewohnt absurd: ?Leser wehrt euch! 23 Exkremisten dönern deutsche Buben zu Tode? war am 19. Februar in München auf den Plakaten zu lesen, mit denen ?Bild? seine Zeitungskästen bestückt. Ein Scherz? Schnell stellte sich heraus, dass es sich um eine gefälschte Schlagzeile handelte.

Armes Opfer “Bild”-Zeitung
(taz.de)
Presserat weist den Vorwurf des Springer-Blatts zurück, die jüngste Schleichwerbung-Rüge sei politisch motiviert.

Wahlkampf im Internet
(sf.tv, Video, 3:55 Minuten)
Flugblätter verteilen und öffentliche Brandreden halten war gestern. Auch in der Schweizer Politik gilt zunehmend: Wer neue Wähler mobilisieren will, geht mit seiner politischen Botschaft online. 10vor10 zeigt gelungene Beispiele und erste Gehversuche von Netz-Kampagnen unterschiedlichster politischer Couleur.

Alphablogger der deutschen Blogosphäre. Heute: Robert Basic, Messias wider Willen?
(readers-edition.de, Peter Turi)
Über 1.700 Blogger haben ihn zitiert und verlinkt, zwischen 4.000 und 8.000 Menschen besuchen täglich seine Seite www.basicthinking.de. Basic hat kroatische Wurzeln, spricht sich also eigentlich Baschitsch, ist 40 Jahre alt und hat zwei Kinder.

Tausendundein Missverständnis
(spiegel.de, Yassin Musharbash)
Irgendwo zwischen BBC, CNN, al-Dschasira und al-Qaida, da muss doch die verflixte Wahrheit liegen! In Lugano diskutierten arabische und westliche Medienexperten darüber, warum sie einander einfach nicht verstehen. Die magischen Momente: Debatten voller Selbstkritik.

?Absurd?, sagte Fischer. Und kam nicht
(tagesspiegel.de, Thomas Eckert und Joachim Huber)
Jörg Thadeusz will sie alle, aber nicht alle wollen zu ihm. Ein Gespräch über Gäste und ?Jörgs Allerlei?.

Knallhart recherchiert (3)

Kürzlich hatte sich ja (wie berichtet) die “Bild”-Zeitung öffentlich darüber beschwert, dass der Presserat sie für einen Fall von Schleichwerbung gerügt hat. In einer Pressemitteilung hieß es, der Presserat habe die Rüge ausgesprochen, “um in einwandfreie journalistische Arbeit politisch einzugreifen” und sich bei seiner Entscheidung “offensichtlich von politischen Beweggründen” leiten lassen.

Die Frage, um welche “politischen Beweggründe” es sich dabei handeln soll, wollte “Bild” uns bislang leider nicht beantworten — dafür aber der “taz”*. Und zwar so:

Im Presserat herrsche seit einiger Zeit der Trend, “Schleichwerbung zum Trend zu machen”. Doch diesen Trend gebe es statistisch überprüfbar gar nicht. Der Presserat sorge vielmehr nun für eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Laut “taz” findet der Presserat den “Bild”-Vorwurf “so absurd, dass man sich ‘nicht genötigt sehe, darauf einzugehen'”.

*) Nachtrag, 20.3.2007: Wir sind zwar nicht das tazBLOG, aber…
… die “taz” beginnt ihren Artikel mit den Worten: “Natürlich könnte man es als peinlich einstufen, wenn die Berichterstattung über Urlaubsreisen in einer großen Tageszeitung (Bild) in erster Linie aus den dürren Fakten besteht, die das jene Urlaubsreisen anbietende Unternehmen (Aldi) auch in seinen Anzeigen aufführt.” Jedoch könnte man es (mit Dank an BILDblog-Stammleser Dirty Harry für den Hinweis) natürlich ebenfalls als peinlich einstufen, wenn auch die Berichterstattung über Urlaubsreisen in einer kleinen Tageszeitung (“taz”) in erster Linie aus den dürren Fakten bestand, die das jene Urlaubsreisen anbietende Unternehmen (Aldi) auch in seinen Anzeigen aufführt.

Knut-Content

Wie es zu dieser “Falschmeldung” kam, steht ausführlich bei FAZ.net. Hier deshalb nur soviel:

  • Nein, Knut wird nicht totgespritzt.
  • Auch wenn es in “Bild” anders aussieht: Niemand hat ernsthaft eine Tötung des Berliner Eisbären gefordert.
  • Dass der “Spiegel” in seiner aktuellen Ausgabe indirekt auf einen entsprechend missverständlichen “Bild”-Bericht vom 25. Januar verwies, nahm “Bild” heute zum Anlass, die eigene Geschichte von damals unter Verweis auf den “Spiegel” (“Stimmt!”) nochmals hervorzukramen — dieses Mal als Titelgeschichte.

Und während bei FAZ.net steht, wie’s wirklich war, steht bei Bild.de etwas ganz anderes. Unter der Überschrift “Forderung nach Todesspritze für Berliner Eisbär-Baby abgelehnt — Eisbär-Baby Knut soll leben” behauptet Bild.de in einer aktualisierten Version des “Bild”-Artikels:

Der kleine Eisbär, der ganz Deutschland verzaubert, kann weiter von seinen Pflegern groß gezogen werden. Das erklärte Tierarzt André Schüle vom Zoologischen Garten Berlin. Er widersprach damit rigoros Tierschützern, die am Wochenende [sic] empfohlen hatten, dem Tier die Todesspritze zu geben.

Und das ist nur insofern eine Neuigkeit, als “Bild” heute ja (wider besseres Wissen)* das Gegenteil suggeriert hatte.

Mit Dank an diverse Hinweisgeber.

*) Der Tierrechtler Frank Albrecht hatte im Januar den Berliner Zoo “wegen groben Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz” angezeigt, um auf “die Scheinheiligkeit und Heuchelei” bei der Zootierhaltung aufmerksam zu machen. Die Behauptung, dass er die Tötung des Eisbären fordere, hatte er in einem offenen Leserbrief an die “Berliner Zeitung” zudem bereits im Februar als “völlig falsch” bezeichnet und dies, wie er BILDblog sagte, auch aktuell (aber erfolglos) gegenüber der “Bild”-Zeitung deutlich zu machen versucht. Das von Albrecht angestoßene Verfahren indes wurde, wie uns der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft mitteilt, “mangels Straftat eingestellt”. Albrecht habe sich jedoch dagegen beschwert, “so dass nunmehr die Generalstaatsanwaltschaft den Vorgang zu prüfen haben wird”.

Mehr dazu hier.

Nachtrag, 21.3.2007: Wie schon damals, als “Bild” fälschlicherweise behauptet hatte, ein Erfinder würde in Sachsen “aus Katzen Benzin” machen, und die abstruse Behauptung hernach in internationalen Medien weiterverbeitet wurde, verbreitet sich nun auch die Knut-“Falschmeldung” weltweit (siehe auch hier)– und “Bild” scheint sogar stolz drauf ist das wieder eine Knut-Meldung wert.

Nachtrag, 27.3.2007: Obwohl doch sogar Knut selbst in seinem Weblog findet, dass der ganze Rummel um ihn “beim Bildblog wirklich gut erklärt” sei, zeigt sich “Bild” unbelehrbar und schreibt (weil “Knut und Menschen-Papa” bald getrennt schlafen müssen) auch heute wieder fälschlicherweise, dass “Tierschützer (…) das Bären-Baby mit der Todesspritze von dieser ‘nicht artgerechten Haltung’ erlösen wollten”.

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