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Klageflut gegen Schäubles Schnüffel-Gesetz
(Süddeutsche Zeitung, Heribert Prantl)
“Es ist ein Sturm der Entrüstung: 70.000 Deutsche unterstützen eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung.” – und man kann sich noch anschließen: Bis zum 24.12. beim AK Vorratsdatenspeicherung.

Die Worte der Verwirrten
(FAZ, Stefan Niggemeier)
“Nun ist nicht auszuschließen, dass Menschen, die dumm genug sind, für teures Geld an dieser Art Sendungen teilzunehmen, auch dumm genug sind, solche Antworten zu geben. Bemerkenswert aber ist, dass diese Menschen in außerordentlich überdurchschnittlicher Zahl ?Money Express? zu gucken scheinen und nicht die Programme der Konkurrenz.”

Warum wir Weihnachten Wiederholungen wollen
(welt.de)
“Sissi, der kleine Lord, die Hoppenstedts, Familie Heinz Becker – manche Sendungen gehören zu Weihnachten wie die Tanne und die Gans. Auch wenn wir längst wissen, wie es ausgeht, schalten wir jedes Jahr ein. Elf Autoren erklären, warum sie ihre Lieblingssendungen immer wieder gucken.”

Recherchieren und erzählen
(NZZ, Thomas Schuler)
” Als Tom Wolfe noch Reporter war, behauptete er, faktische Erzählungen lösten den Roman als vordringliche Literaturform ab. Sein «New Journalism» stand jedoch unter dem Generalverdacht, Fiktion und Fakten zu vermischen. Heute findet das Genre zurück zu seinen Wurzeln und erlebt als «erzählerischer Journalismus» ein Revival.”

Der Raub der Augsburger Puppenkiste
(faz.net, Alex Westhoff)
“Die Helden der Eltern aus der Augsburger Puppenkiste sind auch die Helden ihrer Kinder geworden. Viele der so liebevoll wie klar inszenierten Geschichten zwischen den Kistendeckeln sind zeitlos schön. Seit langer Zeit aber schon gibt es keine neuen Moritaten mit den Marionetten im Fernsehen mehr. Die Frage ist: Warum?”.

Vorratsdatenspeicherung interessiert Journalisten nur mäßig
(newsroom.de)
“Die 80 Teilnehmer einer Veranstaltung in Mannheim zeigten sich erstaunt, daß der Saal mit 300 Sitzplätzen nicht voll belegt sei. Insbesondere wurde kritisiert, daß sich die Journalisten sprichwörtlich an einer Hand abzählen ließen.”

Mindestlohn-Durchwinker: Hände hoch!

Der Bundesrat hat gestern gegen den Willen der “Bild”-Zeitung der Einführung von Mindestlöhnen für Briefzusteller zugestimmt. Das ist natürlich an sich schon eine Ungeheuerlichkeit, insbesondere aber deshalb, weil die Länder damit laut Meinungsumfragen dem Wunsch einer Mehrheit der Bevölkerung nachgekommen sind. Dabei handelt es sich laut “Bild” um eine besonders perfide und selbstzerstörerische Form des Populismus, denn die Entscheidung ist ja falsch, leugnet “Erkenntnisse” und widerspricht den Interessen des Volkes. Die Wähler werden das sicher nicht goutieren, wenn man einfach tut, was sie wollen, obwohl es falsch ist.

Ungefähr so argumentiert Martin Lohmann heute in “Bild”, aber sein Kommentar ist nicht nur logisch gewagt, sondern auch sachlich falsch. Kern seines Vorwurfs der “Scheinheiligkeit” und “Charakterschwäche” ist die Feststellung:

(…) gestern im Bundesrat: Alle, auch die größten Kritiker, winken ein falsches Gesetz durch.

Schon beim Lesen des “Bild”-Berichtes zum Thema hätten Lohmann Zweifel kommen können, denn darin heißt es:

11 Ministerpräsidenten stimmten dafür, darunter Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU). Dagegen enthielt sich Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) gemeinsam mit den Kollegen aus Baden-Württemberg Brandenburg, NRW und Thüringen.

Eine Enthaltung ist keine Zustimmung, und speziell im Bundesrat kann man — anders als in anderen Gremien — durch eine Enthaltung kein Gesetz indirekt “durchwinken”. Voraussetzung für einen Beschluss des Bundesrates ist nämlich immer, dass eine absolute Mehrheit mit “Ja” stimmt. Der Bundesrat selbst erklärt deshalb:

Insoweit spielen Enthaltungen bei der Abstimmung keine Rolle und werden als solche auch nicht festgehalten. Eine Enthaltung wirkt prinzipiell wie eine Nein-Stimme.

Von den 69 Mitgliedern des Bundesrates winkten also (laut “Bild”) nur 43 den Mindestlohn durch. 26 stimmten de facto gegen den Beschluss, vermutlich, weil sie ihn, wie “Bild”, für falsch halten. Ob es Kalkül der Zeitung ist, auch ihnen in einer für die Axel Springer AG so entscheidenden Frage Scheinheiligkeit und Charakterschwäche zu unterstellen, oder nur Ahnungslosigkeit, wissen wir natürlich nicht.

Unverblumt

Böll über Blum

“Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der ‘Bild’-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.”
(Heinrich Böll in seiner Vorbemerkung zu “Die verlorene Ehre der Katharina Blum”, 1974)
 
“Übrigens war die Reaktion der Presse, die sich getrost als mit diesem Buch ‘gemeint’ verstehen konnte, (…) streckenweise geradezu albern. Man verzichtete auf die wöchentliche Bestseller-Liste, weil man das Buch hätte nennen müssen.”
(Heinrich Böll in seinem “Nachwort zur Neuausgabe: ‘Die verlorene Ehre der Katharina Blum'”, 1984)

Es begab sich aber zu der Zeit, als der deutsche Schriftsteller Heinrich Böll gerade einen Bestseller veröffentlicht hatte, welcher sich kritisch mit der “Bild”-Zeitung einer großen deutschen Boulevardzeitung auseinandersetzte (die Böll nur “ZEITUNG” nannte) und von welchem noch heute behauptet wird, er habe an Aktualität nichts eingebüßt, dass die Bestseller-Listen, in denen Bölls Buch auftauchte, in den Zeitungen des Axel-Springer-Verlags plötzlich nicht mehr auftauchten.

Das war im September 1974.

Und warum wir das erzählen? Aus aktuellem Anlass natürlich. Denn auf die Frage, ob es ein Buch gebe, das sein Leben verändert habe, nennt der Komiker “Atze Schröder” heute u.a.:

"Bölls

Verändert hat das Buch sein Leben aber offensichtlich nicht: Denn gefragt wurde “Atze Schröder” von Norbert Körzdörfer — in einer großen deutschen Boulevardzeitung. Wir nennen sie “Bild”.

“weil halt”

Wir geben zu: Wir konnten uns nicht entscheiden. Weshalb es heute gleich drei “BILDblogger für einen Tag” gibt. (Aber dazu später.)

Als wir uns aber gestern Mittag mit einer Stellenanzeige auf die Suche nach einer Vertretung für den krankheitsbedingt kurzfristig ausgefallenen Gast-BILDblogger Harald Martenstein* machten, hatten wir nicht damit gerechnet, dass in den folgenden fünf Stunden über 70 Bewerbungen eingehen würden. Überrascht hat uns aber auch, warum die Bewerber/innen BILDblogger für einen Tag werden wollten. Deshalb mit Dank für die rege Teilnahme hier ein paar überraschende Begründungen:

  • weil Saarländer sonst selten ins bundesdeutsche Bewusstsein vordringen.
  • weil meine Mutter immer gesagt hat, dass “aus dem Jung’ mal was wird”.
  • “weil halt” (wie meine Kinder auf nervige Fragen immer öfter antworten).
  • weil ich es trotz meiner 15 jungen Jahre schon geschafft habe, mindestens 5 überzeugte “Bild”-Leser zu bekehren.
  • weil meine Lebensabschnittspartnerin bei Axel Springer in Hamburg arbeitet und das DIE Liebeserklärung sein wird, da ich nur ihr diesen einmaligen Blogeintrag widmen werde.
  • weil ich nur 15 Jahre alt bin.
  • weil bisher außer Knut kein Teilnehmer der Adventsaktion unter 30 war.
  • weil ich so viele Tage als Vertreter des Weihnachtsmanns immer nett und freundlich sein musste.
  • weil ich viel zu lange Sätze über viel zu viele Dinge schreiben kann, welche mich aufregen oder interessieren.
  • weil ich als kleiner Steppke jeden Morgen die “Bild” auf dem Küchenfußboden aus- und mich davorgelegt habe, die Seiten durchgegangen bin und teils lachend, teils sehr böse die Texte kommentiert habe — bis die Mutti endlich auf die regionale Tageszeitung umstieg.
  • weil mein Kommentar schon fertig ist (siehe anbei, Portrait ebenfalls schon beigefügt)!
  • weil ich als Arbeiterkind mit der “Bild”-Zeitung sozialisiert wurde.
  • weil ich während der Chaostage 1995 von einer “Bild”-Reporterin mit Bier bestochen wurde.
  • weil ein Punkt meiner Top 10-Lebens-To-Do-Liste somit abgehakt werden dürfte.
  • weil sich der Aufstieg vom Hinweisgeber zum BILDblogger für einen Tag sehr gut in meinem Lebenslauf machen würde.
  • weil ich die “Bild” nicht lese!
  • weil ich gerne mal wieder “Bild” lesen möchte.
  • weil der “Bild”-Aufmacher am Freitag lauten muss: “Propanganda-Wahnsinn! Chaos-Student übernimmt Hass-Forum!”
  • weil ich Charlotte Roche schätze und gerne das Kleid für meine Frau ersteigert hätte.
  • weil ich schon ein Praktikum bei “Bild” gemacht habe und dort köstliche Anekdoten sammeln konnte, die ich aber leider nur andeuten kann, weil alle Praktikanten eine entsprechende Unterlassungserklärung unterschreiben müssen, was ja an sich schon eine lustige Geschichte ist.
  • weil am Rhein.

BILDblogger/in für einen Tag sind heute jedoch:

*) Dem Kollegen Martenstein wünschen wir gute Besserung!

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Neuer Bertelsmann-Chef steuert Konzern um
(manager-magazin.de, Klaus Boldt)
“Der designierte Konzernchef Hartmut Ostrowski will nach Informationen von manager magazin den Medienkonzern Bertelsmann umbauen. Geplant sind etwa die Übernahme der Buchverlagsgruppe Harper Collins und der Verkauf der Beteiligung an Sony BMG. Zur Disposition könnte auch der Anteil am Verlagshaus Gruner + Jahr stehen.”

Sat 1 – Beinahe überflüssig
(FR Online, Jan Freitag)
Das ganze Elend von Sat 1 ausgezeichnet zusammengefasst: “So liest sich das Portfolio jenes Senders, der TV-Legenden wie Anke Engelke und Gerichtsshows, Sandra Maischberger und die Late Night, Erich Böhme und investigative Schäferhunde hervorbrachte, wie eine Liste des gediegenen Scheiterns.”

Journalismus und Internet – Online oder gar nichts
(sueddeutsche.de, Viola Schenz)
“In den USA stellen immer mehr Verlage ihre Printausgabe ein und auf Web um. Das Modell der Zukunft?”

When Will Google?s ?Big Project? YouTube Bring in Profits?
(Mediashift, Mark Glaser)
“While the site was sold to search giant Google for an eye-popping $1.6 billion in November 2006 there?s still one thing it hasn?t accomplished, by most people?s reckoning: profits.”

Ökologisch suspekt
(taz.de, Jenni Zylka)
“Internetportale mit Tipps für kritische Konsumenten liegen im Trend. An Werbung mangelt es ihnen nicht – deswegen aber an Glaubwürdigkeit”.

Lokalmedien – Heimatlos im Netz
(Spiegel Online, Jan Philipp Hein/Boris Hellmers)
“Internet-Unternehmen entwickeln unter Hochdruck lokale Dienste, doch die meisten Verleger regionaler Medien missachten die Gefahr: Ihre Webseiten hinken der Zeit chancenlos hinterher. Mit ihrem vermeintlichen Sparprogramm verschärfen sie die Krise ihrer eigenen Branche.”

Konkurrenten im Kampf um den primitiveren Witz


Martin Sonneborn, 42, ist (obwohl “Bild” das noch im November behauptete) schon seit zwei Jahren nicht mehr “Titanic”-Chefredakteur, sondern Mitherausgeber. Und darüber, “wie die TITANIC einmal die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holte”, hat er ein Buch geschrieben. Sonneborn ist Bundesvorsitzender der Partei DIE PARTEI, die vor der Bundestagswahl 2005 die Sendezeit für ihre WahlwerbeSpots bei Ebay versteigerte. Heute arbeitet er u.a. für die Satire-Rubrik von “Spiegel Online”, “Spam”, wo er auch in den Kurzfilm-Reihen “Hinterbänkler heute” und “Heimatkunde” zu sehen ist.
Auf Sonneborns Wunsch veröffentlichen wir seinen Gastbeitrag in alter Rechtschreibung.

Von Martin Sonneborn

Eins vorweg: Ich schätze Kai Diekmann und sein Blatt. Und das nicht nur, weil wir vieles gemeinsam haben. Diekmann ist Herausgeber der “Bild”-Zeitung — also nicht der neubebilderten “FAZ”, sondern der anderen –, und ich bin Mitherausgeber von “Titanic”. Auch wenn wir ständig Konkurrenten sind im Kampf um die lustigere Schlagzeile, den primitiveren Witz, so arbeiten wir doch seit Jahren erfolgreich mit “Bild” zusammen. Der Markt in Deutschland ist groß genug für zwei Satiremagazine! Und den “Focus” auch noch!

Bisher ist zum Glück kaum aufgefallen, daß wir uns mit dem Blatt des “9-cm-Mannes”, wie ihn selbst enge Freunde nicht offen nennen, perfekt die Bälle zuspielen. Als wir mit ein paar spaßigen Faxen Einfluß nahmen auf die Vergabe der Fußball-WM 2006, war “Bild” sich am nächsten Tag nicht zu schade, ein Foto von mir auf die Titelseite zu nehmen, meine Telefonnummer und die Aufforderung, doch mal anzurufen und mir die Meinung zu geigen. Von der zufällig mitgeschnittenen CD “Bild-Leser beschimpfen Titanic-Redakteure live am Telefon” wollten die Kollegen nicht mal Tantiemen! Und das, obwohl einige hundert ihrer besten Leser über sich hinaus wuchsen: “Im Rechtsstaat gehören Leute wie Sie ins KZ!”; “Man sollte Sie auswandern!”; “Vaterlandsverräter!”; “Ihnen gehört die Satire-Lizenz entzogen!”

Die Lizenz behielten wir aber und revanchierten uns u.a. mit der Erfindung des schreibenden “Bild”-Lesers (heute als “BILD-Leser-Reporter” bundesweit im Einsatz). Bei der genußintensiven Lektüre der “Bild”-Leserbriefspalte fällt ja schnell auf, daß sich die Zuschriften in ihrer Sprachgewalt nicht wesentlich vom redaktionellen Teil abheben. So riefen wir bei ausfindig gemachten Leserbriefschreibern an und baten — der Einfachheit halber gleich im Namen der “Bild”-Chefredaktion — um einen gepfefferten druckreifen Kommentar zu irgendwas für die nächste Ausgabe. Die Ergebnisse druckten wir dann in “Titanic”, sie haben uns viel Freude bereitet.

Kommentar Karl H., Münster:
Ist die SPD ein Auslaufmodell? Die SED sang die Internationale, ist weg vom Fenster. Die KPDSU sang die Internationale, ist weg vom Fenster. Wie lange singt die SPD noch die Internationale?

Na? Klingt fast wie “Post von Wagner”, was?

Immer im Gleichschritt mit “Bild” (Trittin! Schröder!) prügelten wir (Problembär Beck!) mit “Titanic”-Titeln jahrelang auf die Sozis ein, unterstützen dekadenlang erst Kohl (“Nach Arschbombe halb Asien überflutet: Massenmörder Helmut Kohl!”), dann das Merkel (“Darf das Kanzler werden?”), polemisierten gegen Ausländer (“Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?”; “10 Jahre sind genug: Auf Wiedersehen, Zonis!”) und druckten gleich seitenweise irgendwelchen unseriösen Quatsch.

In schweren Zeiten spendeten die Schlagzeilen der Hamburger Kollegen uns oftmals Trost und Rat: “Amokläufer erschießt vier Kollegen” — “Da dürften die Straßen jetzt wohl für eine Weile sicher sein”, dachten wir beruhigt und revanchierten uns gerade kürzlich mit dem großen, abgeschlossenen Fotoroman “Der Volks-Penis”, in dem ein für allemal in Wort und Bild klargestellt wird, daß Diekmann eben nicht total klein ist, untenrum.

Übrigens: Daß wir mit der “irren Titanic-PARTEI” (“Dresdner Morgenpost”) jetzt in Hamburg zur Landtagswahl antreten und mit unserem Spitzenkandidaten Heinz Strunk “Bild raus aus Hamburg!” fordern, ist nur eine populistische Forderung, die uns Stimmen bringen soll. Man wird das hoffentlich nicht persönlich nehmen — ich habe das Gefühl, was den Umzug anbetrifft, verstehen sie bei Springers einen guten Spaß. Und wenn nicht? Egal, notfalls gewinnen wir — und das unterscheidet uns vom Spitzenkandidaten der SPD, Alfred E. Naumann — die Wahl eben auch ohne Unterstützung der Springer-Presse!

Zum Schluß möchte ich aber auch eine kurze Kritik äußern, schließlich habe ich mir heute extra “Bild” gekauft und unter — ich nehme mir die Freiheit, Kai — Freunden muß das erlaubt sein: Für meinen Geschmack heben sich manchmal die Überschriften zu wenig vom Text der Fickanzeigen hinten ab:

Ich hab mir meinen Hund auf die Brust tätowiert. Sandy (21) — Mein Arsch gehört Dir. Resi (69) ist noch geil

Stünde nicht aus Versehen Resis Telefonnummer dabei, man könnte Anzeigen und redaktionelle Inhalte glatt verwechseln…
 
BILDblogger für einen Tag ist morgen ein BILDblog-Leser.

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Die Samariter-Definition der “Süddeutschen Zeitung”
(Indiskretion Ehrensache, Thomas Knüwer)
Schon am Montag erschienen, aber Pflicht: Thomas Knüwer hat sich internetvictims.de genauer angesehen, eine Website, deren Macher recht wohlwollend vom sueddeutsche.de-Mann Bernd Graff interviewt wurde. Und Knüwer fand: Eine Sex-Hotline und noch ein paar andere unerfreuliche Dinge.

Die dubiose Geschichte vom eingeritzten Hakenkreuz
(Spiegel Online, Florian Gathmann)
“Der Fall löste Entsetzen aus: Im sächsischen Mittweida hätten Rechtsradikale ein Mädchen überfallen, der 17-Jährigen ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt. Nun gibt es erhebliche Zweifel an der Geschichte. Möglicherweise gab es gar keinen Überfall.”

Brandon’s History Of Online BBC
(BBC Internet Blog, Brandon Butterworth, gefunden bei Alexander Svensson)
“We set up www.bbc.co.uk and started playing with mostly laughable content until we found a few like-minded people around the BBC who had more time and material for producing content.” – Brandon Butterworth erzählt, wie die BBC ins Netz ging.

Zeitgenössisches Contentmanagement – Was will der Spiegel von Wikipedia?
(FR Online, Christian Schlüter)
“Offenbar sollen hier die Erträge eines “guten Journalismus” mit den Inhalten eines diffusen, weitestgehend dezentralen und auf freiwilliger Basis organisierten Mitmachprojekts vermischt, verwässert, wenn nicht gar verhunzt werden. Oder auch nicht.”

?Google ist nicht gut genug?
(FAZ, Roland Lindner)
Wikipedia will Google mit einer Suchmaschine Konkurrenz machen (und das übrigens nicht erst, seitdem Google seine Wissensplattform Knol angekündigt hat).

“Die Zeitung ist ein in sich übersichtlicher Kosmos”
(dradio.de)
“Frank Schirrmacher sieht die Print-Medien nicht durch das Internet bedroht. Beide Medien würden sich ergänzen, glaubt der Herausgeber der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”. (…) Allerdings gebe es eine allgemeine Tendenz, die den Qualitätsjournalismus bedrohe.”

“Bild” belohnt Gaffer mit 500 Euro

Vor einer Woche sind eine Frau und ihre 18-jährige Tochter bei einem Verkehrsunfall mit ihrem Auto in den Main gestürzt. Beide konnten sich glücklicherweise rechtzeitig aus dem Wagen befreien und ans Ufer retten. Ein “Bild”-Leser fotografierte die Szene und schickte das Foto an “Bild”. Die zahlt dafür 500 Euro und druckte es am Donnerstag bundesweit ab:

"Auto versenkt! Hier retten sich Mutter und Tochter"

Am Freitag berichtete die “Main-Post” über den Unfall:

"Unter den Bildern, die der Mutter im Nachhinein kommen, ist eines besonders haften geblieben. Sie kann sich an viele Menschen erinnern, die herum gestanden, geguckt und fotografiert haben, während sie und ihre Tochter um ihr Leben kämpften. Einer hat sein Foto gar an eine Boulevard-Zeitung verkauft. (...) Aber nur ein einziger Mann hat beherzt zugegriffen,..."

Mit Dank an Heiko S. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 24.01.2008: Wie die “Main Post” berichtet, hatten die Unfallopfer “gegen die Laienfotografen Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung” und offenbar gegen die “Bild”-Zeitung wegen Aufforderung zu einer Straftat gestellt. Die Staatsanwaltschaft habe jedoch die Auffassung vertreten, “dass keine Aufforderung zu einer Straftat vorliege, weil es nur um die Zusendung von Bildmaterial und die urheberrechtliche Nutzung gehe.” Auch die Ermittlungen wegen Unterlassener Hilfeleistung wurden eingestellt. Offenbar, weil die Unfallopfer zum Zeitpunkt des Fotos “bereits gerettet” gewesen seien.

Hugo Müller-Scrooge

In Abwandlung der beliebten Volksweisheit “der Ehrliche ist der Dumme”, schrieb “Bild”-Kolumnist und -Kommentator Hugo Müller-Vogg gestern:

"Wer arbeitet, ist oft der Dumme"

Müller-Vogg arbeitet. Er arbeitet sich daran ab, dass die Preise für Öl und Benzin, Strom und Gas “nur noch eine Richtung” kennen würden, worunter besonders die fleißigen Arbeitnehmer litten. Anders als Sozialschmarotzer Hartz-IV-Empfänger:

Wer dagegen von Hartz IV oder Sozialhilfe lebt, der muss sich wegen der höheren Strom- und Gasrechnung keine Sorgen zu machen. Die übernimmt ja der Staat.

Schrieb Hugo Müller-Vogg, und das war quasi der zentrale Satz in seinem Kommentar.

Nun hat man aber bei der “Bild”-Zeitung herausgefunden, dass Stromkosten in der ALG-II-Regelleistung (347 Euro) nach Paragraph 20 Absatz 1 SGB II eigentlich schon enthalten sind und berichtigt das heute sogar:

BERICHTIGUNG: Im Kommentar "Wer arbeitet, ist oft der Dumme" hieß es, der Staat übernehme bei den Beziehern von Hartz IV und Sozialhilfe auch die gestiegenen Stromkosten. Das trifft nicht zu, da die Kosten für den Strom in der Regelleistung enthalten sind.

Im Klartext: Müller-Voggs Kommentar fällt mit dieser unscheinbaren Berichtigung eigentlich in sich zusammen. Eigentlich.

Leider ist die Berichtigung so jedoch nicht ganz richtig. Denn Müller-Vogg hatte, offenbar ohne es zu wissen, gar nicht mal so Unrecht. Immerhin entschied das Sozialgericht Frankfurt/Main im Dezember 2006, dass die Stromkosten nur bis zu einer Höhe von 20,74 Euro im Regelsatz enthalten sind. Angemessene, darüber hinausgehende Kosten hingegen können nach Paragraph 22 Absatz 1 SGB II zusätzlich von den Sozialleistungsempfängern eingefordert werden.*

Allerdings weiß das kaum jemand.

Weshalb wir gestern noch dachten, Müller-Voggs Kommentar sei im Grunde eine von vorweihnachtlicher Nächstenliebe für sozial Schwache geprägte Service-Kolumne für Hartz-IV-Empfänger — und die populistische Stimmungsmache gegen vermeintliche Sozialschmarotzer drumrum nur Tarnung.

Aber da haben wir uns offenbar geirrt.

*) Zur Präzisierung (20.12.2007): Es ist natürlich keineswegs gesagt, dass die Sozialleistungsträger Überprüfungsanträgen von Hartz-IV-Empfängern stattgeben. Tatsächlich sollen sich laut Berichten von Betroffenen viele trotz Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt weigern, höhere Stromkosten zu gewähren. Wie sich bereits aus dem oben verlinkten Eintrag im hartz.blogg entnehmen lässt, bedeutet das nach Einschätzung des Vorsitzenden der LINKEN Pirmasens, Frank Eschrich, dass “wohl jeder Betroffene letztlich den Gang zum Sozialgericht” wird antreten müssen.

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