Spot-Dernière

Man muss ja nicht immer gleich an Schleichwerbung denken, bloß weil Bild.de darüber berichtet, für welches Versandhaus Sylvie van der Vaart vom Katalog-Cover lächelt, für welche Firma Matthias Reim, Wayne Rooney, die Klitschkos, Roberto Blanco und Jürgen Drews in einem TV-Spot mitspielen — oder Michael Schumacher und Kimi Räikkönen.

Aber wenn es heute zu Schumi und Kimi bereits auf der Bild.de-Startseite heißt…

"Neue Schumi-Werbung -- Wussten Sie schon, dass Formel-1-Star Kimi Räikkönen deutsch spricht? Nein? Dann müssen Sie unbedingt den neuen TV-Spot von Fiat sehen"
… dann kommt man schon ins Grübeln. Vor allem, weil die “neue Schumi-Werbung”, die Bild.de redaktionell doch eher spärlich aufbereitet, seit immerhin fast zwei Monaten im deutschen Fernsehen läuft.

Mit Dank an Jens V. und Matthias K.

6 vor 9

Höchststrafe für DJ Tomekk
(stefan-niggemeier.de)
“Ich würde mir so sehr wünschen, der Zentralrat würde nicht jedesmal über dieses Stöckchen springen, das ihm ‘Bild’ oder sonst ein Medium hinhält, sondern wenigstens einmal dem Kollegen so etwas antworten wie: ‘Wissen Sie was? Ich glaube, das können Sie auch als Nichtjude ganz gut beurteilen, was von so einem Hitlergruß zu halten ist. Sie müssen da nicht jedesmal einen organisierten Juden anrufen und als Empörungshansel missbrauchen. Oder wäre der Hitlergruß okay, wenn wir Juden sagen würden, er ist okay? Wäre es nicht ein Zeichen von Reife der deutschen, überwiegend nicht-jüdischen Gesellschaft, sechs Jahrzehnte nach dem Holocaust, von ganz alleine, ohne Vorgabe von uns, die nötige Empörung oder Nicht-Empörung aufzubringen? Und whothefuck ist DJ Tomekk?'”

Worthülsen
(blog.tagesschau.de, Christian Thiels)
Wenn die Pressesprecher der Bundesregierung Stellungnahmen abgegeben, dann kann man ihre Worte nach einiger Zeit problemlos mitsprechen – so vorhersehbar sind sie. Das Gleiche gilt allerdings auch für einige Journalisten-Kollegen.

Google und das “Jahr der Mathematik”
(de.youtube.com, zdf, Claus Kleber, Video, 3:44 Minuten)
Das Jahr der Mathematik soll der Öffentlichkeit die Vielfalt der Zahlenwelt näherbringen. Die Internet-Suchmaschine “Google” ist ein Beispiel dafür, wie wichtig Mathematik für das tägliche Leben ist.

Insel der blinden Passagiere
(zeit.de, Christian Schmidt-Häuer)
Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez berichtet aus einem verschlossenen Land, das sich widerwillig öffnet.

Qualität als Statussymbol (+)
(sueddeutsche.de, Leif Kramp und Stephan Weichert)
Noch lebt die Zeitung als Garant für Qualität. Aber wie lange noch? Print-Medien werden kaputtgespart und der Online-Anteil im Nachrichtenwesen wächst. Eine Prognose zur Zukunft des Journalismus.

Kolumnisten als Stylisten
(watchberlin.de, Video, 4:48 Minuten)
Ein paar deutsche Kolumnisten treffen sich zu einem Fotoshooting und plaudern.

Immer mehr “BamS”-Leser kaufen keine “BamS”

Bild.de berichtet:

Eine gute Nachricht für BILD am SONNTAG: Immer mehr Leser greifen am Kiosk zu Deutschlands größter Sonntagszeitung.

Der Satz stimmt, abgesehen von Kleinigkeiten: Statt “gute Nachricht” müsste es “schlechte Nachricht” heißen, und statt “immer mehr” “immer weniger”. Denn die verkaufte Auflage der “Bild am Sonntag” sinkt seit Jahren, schneller sogar noch als die der Werktags-“Bild”: Seit 1998 ist sie um eine Dreiviertelmillion zurückgegangen, das entspricht einem Verlust von 30 Prozent.

Was Bild.de vermutlich meint und als “RIESENERFOLG” bezeichnet, ist das Ergebnis der “Media-Analyse”. Danach hat die Zahl der “Bild am Sonntag”-Leser im Jahresvergleich tatsächlich zugenommen und liegt wieder auf dem Stand von vor drei Jahren. Die “Media-Analyse” beruht allerdings nicht auf der Zählung von Kiosk- oder sonstigen Verkäufen, sondern auf einer Umfrage, wer welche Zeitungen oder Zeitschriften gelesen hat.

Richtig formuliert lautete der Satz aus Bild.de also: Immer mehr Leser greifen nicht am Kiosk zu Deutschlands größter Sonntagszeitung, sondern beim Nachbarn, im Café oder wo auch immer sonst sie gerade rumliegt und man nichts dafür bezahlen muss.

Allgemein  

Todeswunsch-Origami mit Heath Ledger

Warum brachte sich der Frauenliebling um?

Um die Überschrift zu korrigieren, unter der “Bild” heute über den Tod des Schauspielers Heath Ledger berichtet, müsste man nur das erste Wort streichen — denn die Todesursache ist nach wie vor völlig ungeklärt. Aber da die “Bild”-Redaktion sich nun einmal auf einen Selbstmord festgelegt hat, konstruiert sie sich passende Indizien für diese Version und schreibt:

Neben dem Leichnam fand die Polizei etliche rezeptpflichtige Arzneimittel. Und erst kürzlich hatte Ledger in einem Interview gesagt: „Wenn ich jetzt sterben würde, wäre es o.k.“ – schließlich lebe er durch Tochter Matilda (2) weiter.

Nur klingt Ledgers Zitat in voller Länge keineswegs nach der Ankündigung eines Selbstmordes. Ledger wurde gefragt, wie es ist, Vater einer Tochter zu sein, und antwortete:

“Man wird gezwungen, sich selbst mehr zu respektieren. (…) Man geht auch mit dem Tod anders um. Es ist irgendwie ein interessanter Zwiespalt: Wenn ich jetzt sterben würde, wäre es okay, weil ich in ihr weiterlebe. Gleichzeitig will man aber nicht sterben, weil man ihr ganzes Leben lang für sie da sein will.”

Mit Dank an Christoph von G., Gustav L., Esther T. und Martin N.!

Mars-Füllung macht mobil (2)

Die “Bild”-Zeitung nimmt sich heute tatsächlich noch einmal der “rätselhaften Figur auf dem Sensations-Foto vom Roten Planeten” an. Diesmal unter der Überschrift “Experten streiten: WER oder WAS ist das da auf dem Mars?”.*

Das ist Unsinn etwas ungenau. Die beiden Experten, die “Bild” befragt hat sind nämlich übereinstimmend der Meinung, dass es sich bei der “rätselhaften Figur” wohl um eine Gesteinsformation handelt. “Streiten” tun sie insofern allenfalls mit Hartwig Hausdorf. Er ist der einzige von “Bild” Befragte, der in der Figur einen Hinweis auf außerirdisches Leben erkennen mag. Und wenn Hausdorf für irgendwas Experte ist, dann dafür, “Bild” irrwitzige Geschichten zu erzählen. Wie die von einem Volk in China, das die Nachkommenschaft “von außerirdischen Havaristen” sei. Oder dass “Außerirdische auf die Erde kommen, um zu töten”. Und vor einem knappen Jahr noch stützte er die “Bild”-Theorie von den Mars-Menschen, die im Mars leben würden (wir berichteten).

*) Ganz so ernst scheint “Bild” es mit der Überschrift immerhin nicht mehr zu meinen. Schließlich mutmaßt sie, es könne sich bei der Figur um eine “Osterinsel-Staue”, “Elvis Presley”, die “Kleine Meerjungfrau”, den “Yeti” oder — und das ist ziemlich geschmacklos — den vermissten “US-Abenteurer Steve Fossett” handeln. Und übrigens wurde das “sensationelle Bild”, anders als “Bild” in einer Foto-Unterzeile behauptet, nicht von dem “NASA-Roboter ‘Messenger'” vom Mars zur Erde gefunkt, sondern von “Spirit”, einem der beiden Roboter der “Rover”-Mission. “Messenger” ist eine Raumsonde, die just am Planeten Merkur vorbeigeflogen ist.

Mit Dank an Robert H. und Matthias L. für den Hinweis.

Die Polizei sprach zuerst mit dem Toten

Was soll man schon denken, wenn die Überschrift lautete:

"18-Jähriger erschlägt Hotel-Portier"

Da hat dann wohl ein 18-Jähriger einen Hotel-Portier erschlagen. Zumindest muss sich das der Teaser-Texter von Bild.de gedacht haben — und also die Nachricht wie folgt angekündigt:

"Raubmord im Hotel -- 18-Jähriger erschlägt Hotel-Portier / Brutaler Mord: In einem Münchner Hotel erschlug ein 18-Jähriger mit einen Hammer den Portier."

Hätte Bild.de Recht, wäre es schon sehr verwunderlich, dass der “Münchner Merkur” schon gestern zu berichten wusste, die Polizei habe nach dem “brutalen Mord” mit dem Portier bereits “kurz sprechen” können. Und was die “Süddeutsche Zeitung” ebenfalls gestern über das “Raubmord”-Opfer berichtete, wäre ein echtes Wunder:

Der 72-jährige Portier befindet sich auf dem Weg der Besserung. (…) Er wurde am Dienstag bereits aus der Intensivstation entlassen, er war ansprechbar, erkannte seine Familie am Krankenbett und wurde auch kurz von der Kriminalpolizei vernommen. (…) Zugute kommt dem 72-Jährigen wohl auch seine Konstitution. Er sei “fit wie ein Turnschuh” attestierte ihm sein Chef (…).

Mit Dank an die Hinweisgeber.*

*) Apropos “Hinweisgeber”: Ob (oder wie) auch die Münchner Lokalausgabe der gedruckten “Bild” berichtet, wissen wir leider nicht. Kann uns da jemand weiterhelfen?

Nachtrag, 25.1.2008 (mit Dank an Marko H. und andere): In der gedruckten “Bild” war offenbar nicht von “Mord” die Rede.

6 vor 9

Wenn Kollegen vor Häme triefen
(persoenlich.com, Helmut-Maria Glogger)
Am Dienstag vermeldete die deutsche Presse, dass Star-Kolumnist Michael Graeter in Zürich festgenommen wurde, weil er gegen Bewährungsauflagen verstossen hat. Für den Publizisten Helmut-Maria Glogger zeigt der Fall des deutschen Gesellschaftsreporters vor allem eines: Nämlich wie schnell Kollegen über einen herfallen, der ihnen an Wissen, Recherche und auch Unbestechlichkeit himmelweit überlegen war. Und ist.

Wo das Echte zählt
(tagesspiegel.de, Harald Martenstein)
Aufregung um einen Video-Blog: Im Internet gilt der Experte wenig, der Authentische viel.

Die Wahrheit über Britney Spears
(taz.de, Christine Brügge)
Britney Spears hat einen dramatischen Abschiedsbrief geschrieben! Hat sie? Warum man besser keiner Meldung über ihr “wildes Leben” glaubt.

Medientagebuch
(woz.ch, Stefan Keller)
“Einen Politiker gibt es, der sogar fast keinen Satz ohne «ich» von sich gibt, egal um welche Katastrophe es geht. Er heisst Moritz Leuenberger und führt einen Blog mit der Adresse http://moritzleuenberger.blueblog.ch. Glaubt man Leuenbergers öffentlichen ­’Notizen zu Politik und Gesellschaft’, dann verbringt er wirklich besorgnis­erregend viel Zeit damit, sich Gedanken über den Umstand zu machen, dass er oft falsch verstanden wird.”

Auf zum großen Medienmischmach
(netzeitung.de)
Die Grenzen zwischen Print, Online und bewegten Inhalten lösen sich mehr und mehr auf, wie Experten nun beobachtet haben. Der Trend gehe zu immer neuen Plattformen. Aber nur die Ruhe: So schnell geht das alles nicht.

US-Journalisten haben regelrechte Angst
(derwesten.de)
Regelrechte Angst haben US-Journalisten vor der Entwicklung der Nachrichtenberichterstattung und fürchten um ihre Existenz. Ursachen sind vor allem der Qualitätsverlust durch schlechte Personalkapazität und die Konkurrenz zum Internet.

Skandal: DJ Tomekk marschiert auf der Stelle!

“Bild” hat also ein Video gekauft und veröffentlicht, das dazu führte, dass der Musiker DJ Tomekk vorzeitig das RTL-Dschungelcamp verlassen musste, in der Aufregung aber offenbar vergessen, worin genau der Skandal nochmal bestand. Denn dass ein in Deutschland lebender Pole mit marokkanischem Vater und schwarzer Freundin, der amerikanische Musik macht, für “Integration und Zusammenhalt der Kulturen” stehen könnte, das nimmt “Bild” DJ Tomekk offenbar nicht richtig ab und fragt in der Online-Ausgabe:

Kann jemand für den “Zusammenhalt der Kulturen” stehen, wenn er nur kurz zuvor auf der Stelle marschiert und dazu das Deutschland-Lied singt?

Nun: Die kürzeste Antwort darauf würde “Ja” lauten.

Alternativ empfiehlt sich auch ein Blick ins “Bild”-Archiv, in dem sich ganze empörte Artikel darüber finden, dass der damalige Außenminister 1999 bei der Vereidigung des Bundespräsidenten das “Deutschlandlied” nicht mitsang, und andererseits “Bild”-Kolumnist Peter Hahne sich 2002 zu den olympischen Winterspielen einfach ungestraft “das Deutschlandlied zur Siegerehrung” wünschen darf.

Gut, andererseits steht “Bild” vielleicht auch gerade in diesen Tagen nicht für den “Zusammenhalt der Kulturen”.

Mitfahrzentralenjournalismus

Huub Stevens ist derzeit und noch etwa sechs Monate Trainer des Fußballbundesligisten Hamburger SV. Im Sommer wird er aus privaten Gründen den Verein verlassen. Folgerichtig sucht der HSV einen neuen Chefcoach. Aber welche Rolle spielt Stevens dabei? Die Hamburg-Ausgabe der “Bild” meinte am Montag:

"Stevens hilft bei Trainersuche"
Kein Wunder, dass nach dem Test in Aachen (2:1) Stevens und Sportchef Dietmar Beiersdorfer in den Wagen sprangen, auf “Trainer-Tour” in die Niederlande fuhren.

Gestern war sich dagegen das “Hamburger Abendblatt” sicher:

"Trainer Huub Stevens über seinen Nachfolger: Ich suche nicht mit"

Im Artikel wird Stevens dann recht deutlich (siehe auch Kasten):

Fahrgemeinschaft
 
“Schmunzeln musste Stevens dagegen über Vermutungen, dass er dem HSV bei der Suche nach seinem Nachfolger helfen und bereits intensiv involviert sein soll. Tatsächlich nahm Stevens am Freitagabend auf dem Weg in seiner [sic] Heimat Sportchef Dietmar Beiersdorfer ein Stück mit dem Auto mit, bevor sich dieser zu einem Treffen verabschiedete — ohne Stevens.”
(Quelle: “Abendblatt”)

Ich bin bei der Trainerfrage weder einbezogen worden noch nach meiner Meinung gefragt worden und habe auch keine Tipps gegeben.

Laut “Abendblatt” ging es bei Beiersdorfers Reise “offenbar ausschließlich um das Sichten von Spielern”. Aber Stevens Version ist ohnehin plausibler, denn kein Trainer wird sich die Blöße geben, seinen eigenen Nachfolger zu bestimmen. Dann könnte er nämlich gleich zurücktreten und dem Neuen das Feld auf der Stelle überlassen, so groß wäre der Autoritätsverlust — oder, wie man es heute beim HSV auf unsere Nachfrage hin formulierte:

Stevens würde ja wohl der Teufel reiten, wenn er nach dem neuen Chefcoach suchen würde.

Mit Dank an Lennart F. für Hinweis und Scans.

Mars-Füllung macht mobil

Schwer zu sagen, ob die Mars-Menschen entgegen anders lautender “Bild”-Berichte doch nicht im Mars leben, oder ob kürzlich bloß ein Marsbewohner an die Oberfläche gekommen ist, um mal zu sehen, wie das Wetter ist. Jedenfalls stellt “Bild” heute auf der Titelseite (!) folgende Frage:

"Sehen wir hier zum 1. Mal ein Mars-Männchen?"

Als Quelle für die Geschichte, nach der NASA-Forscher derzeit über ein bestimmtes Foto “rätseln”, das Ende letzten Jahres auf der Mars-Mission “Rover” aufgenommen wurde, gibt “Bild” artig die britische “Times” an. Die schreibt tatsächlich, ähnlich wie “Bild”:

Zeigt das hier, dass es Leben auf dem Mars gibt?

Ist es ein Felsen? Spielt das Mars-Licht den Augen einen Streich? Oder winkt Osama Bin Laden aus seinem öden Versteck, 300 Millionen Meilen entfernt vom Planeten Erde?

Dass Osama bin Laden hier auftaucht, könnte man als subtilen Hinweis darauf deuten, wie ernst die “Times” es mit ihrer Frage nach Leben auf dem Mars wirklich meint. “Bild” tut das jedoch nicht, und kommt in ihrem kleinen Artikel gänzlich ohne Osama bin Laden und auch sonst ohne Ironie oder Humor aus — und ohne Erkenntnisgewinn.

Anders als die “Times”, die in ihrem Wissenschafts-Teil schreibt…

[Das Foto] wird Weltraumbeobachter begeistern, die bis jetzt enttäuscht waren vom Mangel an Bildern kleiner Grüner Männchen (…).

…um dem interessierten Leser immerhin allerhand Details über die Mars-Mission nahe zu bringen.

Mit Dank an thori und Sebastian M. für den sachdienlichen Hinweis.

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