“Bild” leidet unter Mautismus

Vergangene Woche wurde auf dem Autobahn-Rastplatz Röhrse bei Peine der Fahrer eines LKW getötet. Offenbar wurde er von einem anderen LKW überrollt. Der Täter konnte noch nicht ermittelt werden. “Bild” berichtete vor drei Tagen schon darüber und fragte vorgestern:

"LKW-Fahrer überrollt: Entlarvt Maut-Kamera seinen Killer?"

“Bild” zitiert einen “Polizeisprecher” mit den Worten:

“Kurz vor dem Parkplatz ist eine Mautbrücke, die jedes Kennzeichen erfasst. Der Mörder muss daran vorbei gekommen sein. Wir versuchen jetzt, die Daten auszuwerten…”

Doch die Polizei wird damit wohl keinen Erfolg haben. Daten, die für die LKW-Maut erhoben werden, dürfen nur “für Abrechnungszwecke genutzt werden”, wie uns ein hilfsbereiter Mitarbeiter des Niedersächsischen Datenschutzbeauftragten sagt:

“Die Nutzung dieser Daten für die Strafverfolgung ist definitiv nicht möglich, sie können nach der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht für andere Zwecke beschlagnahmt werden.”

Die Antwort auf die “Bild”-Frage lautet also: Nein. Außer bei “Bild”.

Übrigens: Anders als “Bild” schreibt, jagt nicht die “Mord-Kommission” Salzgitter den “Todes-Fahrer vom Rastplatz”. Denn es wird gar nicht wegen Mordes, sondern wegen fahrlässiger Tötung und Fahrerflucht ermittelt, wie uns Wolfgang Klages, Sprecher der Polizei Braunschweig, sagt. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand gebe es “keine Hinweise auf ein vorsätzliches Tötungsdelikt”. Das mit der “Mord-Kommission” sei eine “falsche Info aus Polizeikreisen” gewesen. Wir sind gespannt, ob “Bild” das in nächster Zeit irgendwie richtig stellt – rechnen aber eigentlich nicht damit.

Mit Dank an Christopher für den sachdienlichen Hinweis.

… und nichts als die halbe Wahrheit (2)

Aber zurück zur “Bild”-Zeitung — bzw. zu “Bild”-Reporter Damian Imöhl, der heute noch einmal über den gestrigen Prozess vor dem Dortmunder Amtsgericht berichtet (wir berichteten). Ein Autofahrer (ohne deutschen Führerschein) war wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Er hatte einen entgegenkommenden Motorradfahrer beim Linksabbiegen tödlich verletzt. Imöhls inzwischen dritter “Bild”-Bericht ist unfair, verletzt offensichtlich die Persönlichkeitsrechte des Verurteilten und könnte, wie schon gestern, ausländerfeindliche Ressentiments bedienen.

Anders gesagt:

  • “Bild” nennt den Verurteilten “einen Iraker, der weder einen Führerschein noch einen genehmigten Asylantrag hat. Dafür aber einen dicken BMW, eine Duldung durch die deutschen Behörden und seine Freiheit.” Denn: “Aus dem Gericht spazierte er als freier Mann”. Und “Bild”-Mann Imöhl lässt sich von einem “Strafrechtsexperten”, der in den vergangenen Jahren wiederholt mit markigen Worten in Imöhl-Artikeln zitiert wurde, erklären, ob der Verurteilte denn “jetzt abgeschoben werden” könne (was der Strafrechtsexperte Rechtsanwalt Volker Schröder verneint: “So hat der Strafrichter mit dafür gesorgt, dass er hier bleiben darf.”).
  • Darüber hinaus hat sich “Bild” entschieden, den bislang (wenn auch nur sehr dürftig) unkenntlich gemachten Täter groß und ohne Unkenntlichmachung zu zeigen, und, wie schon gestern, in der Überschrift groß seinen Namen zu nennen.
  • Vor allem aber unterschlägt “Bild” auch heute wieder, dass das Unfallopfer offenbar mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr*, und behauptet stattdessen, der Motorradfahrer sei “totgerast” worden. Dabei bestätigt uns ein Sprecher des Amtsgerichts Dortmund (der wie auch wir Verständnis für die Emotionen der Eltern des Toten hat): “Ein zu schnelles Fahren des Angeklagten ist nicht festzustellen gewesen.” Die vom Richter verhängte Strafe, die der “Strafrechtsexperte” in “Bild” als “viel zu milde” beurteilt, sei “völlig im Rahmen dessen, was in vergleichbaren Fällen üblich ist”. Das Strafmaß entspreche im Übrigen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Das verschweigt “Bild” — wie übrigens auch die Tatsache, dass der Autofahrer den Motorradfahrer offenbar mit 6 km/h “totgerast” hat.

Mit Dank auch an Oliver K.

*) Der Gerichtsreporter der “Ruhr-Nachrichten” widerspricht in seinem Prozessbericht (und auf unsere Nachfrage) dem gestrigen BILDblog-Zitat eines Gerichtssprechers, dass es bei zulässiger Geschwindigkeit möglicherweise keinen Zusammenstoß gegeben hätte, insofern, als es laut Gutachter “auch bei Tempo 50 zu dem Zusammenprall gekommen wäre”.

6 vor 9

Weniger wissen mit Wikipedia
(faz.net, Jörg Thomann)
Der Brockhaus geht ins Netz, Wikipedia hingegen wird zum Buch: Bertelsmann bringt im September eine gedruckte Kompakt-Version der Online-Enzyklopädie heraus – für 19,95 Euro. Schleierhaft, wer das ausgeben soll.

“Ja, ich würde es wieder machen”
(tagesspiegel.de, Thomas Eckert und Joachim Huber)
Gespräch mit Kurt Westergaard und Flemming Rose zu den Konsequenzen der Mohammed-Karikatur.

Die Macht der Vielen
(zeit.de, Philip Faigle)
Täglich bewerten Millionen Menschen die Produkte von Unternehmen im Netz. Noch reagieren viele Firmen darauf mit Angst – langfristig könnten die Internetforen das Marketing revolutionieren.

Live-Webradio per Handy
(spiegel.de, Felix Knoke)
Ein Telefon und eine gute Idee, mehr braucht man nicht, um einen eigenen Web-Radio-Sender zu gründen. In den USA sind die Amateur-Talkshows längst der Renner. Ein deutscher Anbieter versucht nun, den kruden Charme des Selbstmachradios auch hier zu vermarkten.

Ungefragt zum Werbeträger
(focus.de, Torsten Kleinz)
Die Nutzer sind das wichtigste Kapital für soziale Netzwerke. Dass der US-Anbieter Facebook ungefragt mit den Namen seiner Mitglieder Werbung schaltete, ging den Usern dann doch zu weit. Jetzt rudert das Unternehmen eilig zurück.

NZZaS vs. BZ oder ein Nebensatz mit Folgen
(klartext.ch/blog, Nick Lüthi)
Die NZZ am Sonntag behauptet in einem Artikel über den Berner Fussballclub Young Boys, der Geschäftsführer des YB-Stadions Stade de Suisse kontrolliere «gewieft» die Berner Zeitung. Ein Vorwurf, den die BZ-Journalisten nicht nachvollziehen können. In Zürich verteidigt man die vorgebrachte Sichtweise, ohne allerdings konkrete Beweise zu liefern.

Bild.de liftet Video

Es ist ein Video, das um nichts weniger bewegend ist, wenn man weiß, dass es schon Jahre alt ist. Es zeigt im Zeitraffer die 41 Stunden, die Nicholas White in einem Fahrstuhl gefangen war, aufgenommen von den Überwachungskameras. Das amerikanische Magazin “The New Yorker” hat es mit Musik unterlegt und ins Internet gestellt — als Ergänzung zu einem langen Artikel über das Leben von Fahrstühlen.

Aber mit der Vorstellung, dass es Dinge gibt, die nicht “jetzt” passiert sind, hat man bei “Bild” bekanntlich seine Schwierigkeiten. Und so gibt es in einem heute unter der Rubrik “News / Vermischtes” veröffentlichten Bild.de-Artikel über das Erlebnis von Nicholas White zwar die Ort- und Zeitangabe “Späte Freitagnacht im Rockefeller-Center”, aber keinen Hinweis darauf, dass es sich nicht um den vergangenen, vorvergangenen oder vorvorvorvergangenen Freitag handelt, sondern um den 15. Oktober 1999.

Der Artikel ist eine teils wörtliche, teils ungelenke, teils ungelenk wörtliche Übersetzung eines Artikels von ABC News — bereinigt um jeden Hinweis auf den Zeitpunkt des Geschehens. Und Bild.de zeigt auch den Film des “New Yorker” (“Sehen Sie bei BILD.de das Video der Fahrstuhl-Kamera”) — allerdings in einer heimlich gekürzten Version. In der Bild.de-Version hat jemand die ersten 20 Sekunden des Videos weggeschnitten. Da stand im Original unter anderem diese Angabe:

Mit Dank an Bruno B., Sascha P. und Tim!

… und nichts als die halbe Wahrheit

Beim Linksabbiegen hat ein Autofahrer im Oktober 2007 einen entgegenkommenden Motorradfahrer tödlich verletzt. Der Autofahrer hatte keinen Führerschein. Er wurde gestern vom Amtsgericht Dortmund wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt bzw. “marschiert wieder in die Freiheit”, wie “Bild” heute formuliert, weil der Richter “ihn laufen ließ”.

“Bild”-Schlagzeilen

  • “Mit dickem BMW: Sozialhilfe-Empfänger raste Biker tot”
    (Überschrift vom 21.4.2008)
  • “Kein Asyl, kein Führerschein:             fährt Motorrad-Fahrer tot! …und marschiert wieder in die Freiheit”
    (Überschrift vom 22.4.2008)

Zuallererst aber nennt “Bild” seinen Vornamen, seine Nationalität (“Bild” gestern: “           * ist Iraker.” – “Bild” heute: “Er ist Iraker”), den Autotyp (“ein dicker 5er BMW”). “Bild” hat sein Gesicht weniger als halbherzig anonymisiert und schreibt zudem, er sei in Deutschland “nur ‘geduldet'”, bekomme “60 Euro Sozialhilfe monatlich” und sei “bereits dreimal wegen Verkehrsdelikten erwischt” worden, u.a. offenbar “wegen Fahrens ohne Führerschein”. Letzteres spricht – anders als seine Nationaliät und sein sozialer Status – fraglos gegen den Unfallverursacher mit dem “Luxusschlitten (zugelassen auf die Freundin)”. Und trotzdem nur “9 MONATE AUF BEWÄHRUNG” für den “Todesfahrer”?

Vielleicht aber liegt das Unverständnis über das Urteil, das sich beim Lesen des “Bild”-Artikels fast unwillkürlich einstellen will, nicht nur am Urteil selbst. Dort, wo “Bild” sich mit irrelevanten und ausländerfeindlich anmutenden Details aufhält, wäre hinreichend Platz gewesen für das, was uns auf Anfrage ein Gerichtssprecher sagt:

Der Motorradfahrer ist zu schnell gefahren. Hätte er die zulässige Geschwindigkeit nicht überschritten, wäre es nach der Vermeidbarkeitsberechnung eines Gutachters nicht zum Zusammenstoß gekommen.

Offenbar wollte “Bild” die Meinungsbildung ihrer Leser nicht mit dieser Information verkomplizieren.

*) Unkenntlichmachung von uns.

Legal, illegal, scheißegal

Hinter den Kulissen der RTL-Show “Deutschland sucht den Superstar” (DSDS) hat es kurz vor der letzten Sendung angeblich “verdächtig nach Cannabis gerochen” — und “Bild” verbreitet seit gestern die Verdächtigung, dass DSDS-Kandidatin Rania “HASCHISCH GERAUCHT” haben soll.

Gestern schrieb “Bild” dazu, Rania bestreite die Vorwürfe. Heute schreibt “Bild”:

"Jetzt wehrt sich die schöne Holländerin (in ihrer Heimat sind Haschischbesitz und Konsum legal)."

“Haschisch” in “Holland”

Der Besitz von Cannabis ist grundsätzlich illegal und nach dem niederländischen Opiumwet strafbar, allerdings wird er seit 1976 bei Mengen bis 30 Gramm toleriert (nicht verfolgt). Der Konsum von Cannabis und anderen Drogen ist — wie übrigens z.B. auch in Deutschland — nicht strafbar.
(Quellen: suchtmittel.de, “Das Parlament”, BBC)

Und ebenso beiläufig, wie der Halbsatz in der Klammer ist, lehrt uns das mal wieder etwas über “Bild”. Denn: Was aussehen will wie eine Zusatzinformation für den “Bild”-Leser, ist in Wahrheit nichts weiter als eine kleine infame Desinformation (siehe Kasten). Ohne Not und ohne die Gelegenheit journalistisch sinnvoll zu nutzen, werden so liebgewonnene Vorurteile (über Holland die Niederlande) einfach mal wieder weitergetratscht.

Mit Dank an Philipp A. und andere für den Hinweis.

6 vor 9

stern.de für Propaganda missbraucht
(stern.de, Adrian Geiges)
Wie Manipulation funktioniert, begreift man am besten, wenn man selbst davon betroffen ist. Chinas Staatsmedien haben plötzlich ihre Liebe zu stern.de entdeckt, mussten dafür aber meinen Blog, auf den sie sich beziehen, gründlich verfälschen.

Alles oder nichts?
(ejo.ch)
“Ich bin gerne bereit, Ihren Artikel (Ihr Radiomanuskript, Ihren Fernsehbeitrag) durchzugehen” – Gegenlesen klingt wie ein Geschenk, das Medienschaffende vor peinlichen Fehlern schützt. Doch die Faktenkontrolle ist oft das Einfalltor für Begehrlichkeiten bis hin zur versuchten Zensur.

“Deutschsprachige Blogs haben wenig Interesse an Politik und Medienanalyse”
(readers-edition.de, Felix Kubach)
Ein Interview mit Bettina Berendt, die zusammen mit Martin Schlegel und Robert Koch “Die deutschsprachige Blogosphäre: Reifegrad, Politisierung, Themen und Bezug zu Nachrichtenmedien” (pdf, 25 Seiten) verfasst hat. Deutsche Blogs wurden mit US-Blogs verglichen. Die Daten stammen aus dem Mai 2006.

Jeder spielt Reich-Ranicki
(zeit.de, David Hugendick)
Im Internet schreiben Millionen von Laienkritikern. Kein Buch ist vor ihnen sicher. Ist das schlimm?

Interview mit dem Vorstand des Verein gegen den Abmahnwahn
(gulli.com)
Als 2005 die ersten Abmahnungen eintrudelten, war die Panik in der P2P-Szene groß. Heute kann das Thema Abmahnungen wegen Filesharing auf vielen Ebenen nicht mehr ignoriert werden kann: Politik, Gerichte und Bürgerinitiativen beschäftigen sich mit den Gesetzesinitiativen, welche den Rechteinhabern womöglich Tür und Tor zu weiteren Abmahnungen öffnen, aber auch mit Opfern und Gegnern der aktuellen Entwicklung. Steffen Heintsch, Vorstand des Verein gegen den Abmahnwahn e.V., beantwortet einige der wesentlichsten Fragen zum Thema “Abmahnung beim Filesharing”.

Where can “print” reporters go?
(paulconley.blogspot.com)
“As fast as the world of Web journalism is growing, no “print” journalist should assume that there’s a place for him in the new world. The truth is that there are not “places for all those thousands of print-based folks to go.” And don’t kid yourself — we are talking about thousands of displaced journalists. The newspaper industry alone has lost 10,000 jobs in recent months.”

6 vor 9

Xing, the new media
(blog.handelsblatt.de/adhoc, Julius Endert)
Die Position der klassischen Medien ist bedroht. Doch nicht Onlinemedien schlüpfen in die Rolle von Zeitungen, Magazinen und Fernsehsendern, sondern die neuen sozialen Netze im Internet.

Mit Bloggern auf Augenhöhe
(mmm.verdi.de, Christiane Schulzki-Haddouti)
Die Interview-Serie der Süddeutschen Zeitung zur ?Zukunft der Medien? fiel kürzlich auf mit kampagnenhaften Titelparolen wie ?Google News ist unser Feind?, ?Wir werden von Blogs und Gelaber überflutet?, ?Der Blogger-Schreck? oder ?Blogger gehen nach dem Copy-and-Paste-Prinzip vor?. Dabei zeichnete sich die Serie durch profunde Interviewpartner, eine breite Perspektive, kluge Interviewer und intelligente Antworten aus. Die Titel drücken daher vor allem redaktionelle Skepsis gegenüber der Bloggerwelt aus, verraten jedoch wenig von der Komplexität der sich sehr dynamisch entwickelnden Blogosphäre. Dabei könnten Journalisten von Bloggern gleich in mehrfacher Hinsicht lernen.

Süddeutsche Zeitung: Das große Schweigen
(taz.de, Steffen Grimberg)
Die Pressestelle der “Süddeutschen” ist dicht, Transparenz für die neuen Besitzer ein Fremdwort. Dafür denken sie über eine Gratiszeitung nach.

“Mopo” und Mordio!
(spiegel.de, Peter Luley)
Steuert die “Hamburger Morgenpost” in die Katastrophe? Außerordentliche Betriebsversammlungen, eine zensierte Mitteilung in eigener Sache und jetzt ein Statthalter, der die Sparkur eines britischen Großinvestors verteidigt: Bei dem Traditionsblatt geht es hoch her.

“Einen Fake hat man exklusiv”
(tagesspiegel.de, Achim Fehrenbach)
Der gefälschte Zeuge in der Sendung “Polylux” ist nur ein weiterer Fall in der langen Geschichte von Medien-Fakes. Benjamin Denes hat sich in seiner Magisterarbeit “Fälschungen im Journalismus” beschäftigt. Ein Interview.

Der liebe Herr Blumencolo
(taz.de, Oliver Gehrs)
Good guy & good guy: Die Zeiten der Denkverbote und der Angst vorm Chef sind vorbei. Nach 100 Tagen ohne Aust ist die Stimmung beim Spiegel so gut wie nie.

medienlese – der Wochenrückblick

Bloghasser in der Schweiz, Kehrtwende beim Handelsblatt, Welt am Sonntag mit Aprilscherz.

Bruno Habegger vom PC Tipp schrieb eine Kolumne, “um wenigstens einmal im Leben im Medienlese-Blog erwähnt zu werden”. In einem surrealen Versuch, seine Leser zu verwirren mit Fenstern, die man fallen lässt, um sie anderen an die Wange zu klatschen (gemeint waren gecopypastete Meinungen), outete er sich als Bloghasser (obwohl es keine Rolle spiele, ob man Zeitungspapier oder Bildschirme mit Buchstabenmist bestreiche). Mit seiner Abneigung gegen dieses Medium war er nicht alleine. Auch Annina Haab (16) nannte sich blogophob, wie das slug-Blog kolportierte. Warum auch nicht: Ich halte es für rechtmässig, etwas nur seiner Form wegen zu hassen.
Read On…

Natascha Kampuschs Recht auf Privatsphäre

“Botschaft an die Medien: Das einzige, wovor die Presse mich verschonen soll, sind die ewigen Verleumdungen meiner selbst, die Fehlinterpretationen, die Besserwisserei und der mangelnde Respekt mir gegenüber.”
(Natascha Kampusch im August 2006)

Wie schon im letzten Sommer hat die Wiener Gratiszeitung “heute” nun abermals ihren mangelnden Respekt gegenüber Natascha Kampusch öffentlich gemacht und auf fünf Seiten “bislang unter Verschluss gehaltene Dokumente” veröffentlicht, die, um’s bei einer Formulierung der Nachrichtenagentur APA zu belassen, “sehr persönliche Details aus der Zeit von Kampuschs Gefangenschaft” beinhalten.

Nach der Veröffentlichung hat Kampuschs Anwalt rechtliche Schritte gegen “heute” angekündigt; die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt wegen “Verletzung des Amtsgeheimnisses”; und Kampusch selbst schreibt in einer Stellungnahme:

Ich bin entsetzt, dass diese vertraulichen Akten in die Öffentlichkeit gelangen konnten.

Der Satz stand gestern auch in “Bild” — nachdem “Bild” selbst ausführlichst aus den vertraulichen Akten zitiert und die “Akte Kampusch” sogar zur Titelschlagzeile gemacht hatte und nachdem “Bild” sich bereits tags zuvor nicht zu schade war für Fragen wie: “Wurde Natascha als Sex-Sklavin missbraucht?”

Aber auch das war ja schon im Sommer 2007 so — als Kampuschs Anwalt es für notwendig hielt, abermals darauf hinzuweisen, dass “auch Frau Kampusch (…) das Recht auf Privatsphäre” hat, in der “Medien wirklich nichts verloren” haben.

Die “Bild am Sonntag” hat sich heute übrigens für eine Kampusch-Doppelseite entschieden, aber zwischen psychologischen Ferndiagnosen, abwegigen Verdächtigungen, Überschriften wie “Wie freiwillig war der Sex mit ihrem Peiniger?” und “War Natascha schwanger?” für Kampuschs Empörung und ihr Recht auf Privatsphäre keinen Platz mehr gefunden.

Blättern:  1 ... 844 845 846 ... 1144