Copy & Sex

Es ist ja eigentlich eine lustige Idee, die die langjährige “Bild”-Autorin Meike Meyruhn für Bild.de da am 19. Mai hatte:

"Das ABC des One Night Stands: Von A wie Anfängerfehler bis Z wie Zu-mir-oder-zu-dir"
Bild.de zählt — in alphabetischer Reihenfolge — passende Stichpunkte zum Thema auf, wie beispielsweise:

Fundort — auf der Suche nach dem Einmalsex gibt es das Klischee vom Abschleppen aus dem Club, der Kneipe, einer Bar. Forschungen des amerikanischen Soziologen Edward Laumann ergaben: One-Night-Standler gibt’s überall. 46 Prozent wurden an der Theke fündig, 41 Prozent am Arbeitsplatz, 39 Prozent auf Partys, 22 Prozent an der Uni.

Ich melde mich… Das sagen nur Sex-Sadisten, die ihr eigenes schlechtes Gewissen übertünchen möchten. Achtung: Es gibt Frauen, die nach solchen Ansagen tagelang auf einen Anruf warten (siehe “Mondscheintarif”) — und bei den Männern wird’s auch einige geben. Die reden da nur nicht drüber. Also, “danke” sagen und gehen. Nix mit melden und anderen leeren Versprechen.

Unterwäsche: Auch wer Spaßsex nicht plant, kann in die Situation geraten. Völlig unvorbereitet und in der uralt-ausgeleierten-zerlöcherten Unterhose! Na und? Reißen Sie sich das Teil vom Leib und dann ab dafür…

Wie gesagt: Es ist eigentlich eine nette Idee. Nur nicht die von Meike Meyruhn, die bei Bild.de als Autorin über dem Artikel steht, sondern die von Petra Harms und Christoph Koch, die am 21. April in der Maiausgabe der Zeitschrift “Neon” einen Artikel mit folgender Überschrift veröffentlichten:

"Der One Night Stand: (...) Von A wie Anfängerfehler bis Z wie Zu-mir-oder-zu-dir"
Und dort finden sich überraschenderweise auch folgende Punkte:

Fundort — Dem Klischee nach ist eine Bar der beste Platz, um jemanden abzuschleppen.

Aber Forschungen des amerikanischen Soziologen Edward Laumann haben spezifiziert, wo die Leute ihre Partner für One-Night-Stands finden: nämlich überall. 46 Prozent wurden an der Theke fündig (→ Restevögeln), 41 Prozent am Arbeitsplatz, 39 Prozent auf Partys und sogar 22 Prozent an der Uni.

“Ich melde mich” — Sagen nur fiese Menschen, die sich selbst besser fühlen wollen.

Unterwäsche — Eines der letzten großen Mysterien: Warum klappt es mit dem lange ersehnten One-Night-Stand vor allem dann, wenn man die Unterwäsche mit den Bärchen (Frauen) oder dem Aufdruck des Wochentages (Männer) trägt? Andererseits: Wer hat sich schon mal ernsthaft eine Nacht durch seine Unterwäsche versaut? Was liegt, das liegt.

Bei “Neon” sagte man uns, man habe von der “dreisten” Kopie des Artikels nichts gewusst. Sie sei nicht mit der Redaktion oder den jeweiligen Autoren abgesprochen.

Verblüffende Parallelen finden sich übrigens auch bei den Punkten Anfängerfehler, Casual Sex, Danke, Ekstase, Genitalschock, Hoffnung, Jammern, Kondome, Telefonnummer, Xfach abgeblitzt und natürlich bei “Zu mir oder zu dir?”. Ein wenig kreativ sind die Bild.de-Redakteure wenigstens bei dem “Neon”-Stichwort “Restevögeln”. Sie ändern es in “Resteficken”.

Mit Dank an Hubert S.

Hineingeheimnissen mit Angelina Jolie (2)

Angelina Jolie ist ja bekanntermaßen immer wieder für Überraschungen gut. Und siehe da: Seit gestern berichtet Bild.de, dass Jolie “mal eine ganz Wilde” gewesen sei – bzw. dass die britische “Sun” ein Video aus dem Jahr 1999 “ausgegraben” hat, in dem Jolie zu sehen ist, wie sie “mit weit geöffneten Pupillen und schweren Lidern” neben einer Frau sitzt, die augenscheinlich Heroin raucht. Bild.de kommentiert das so:

Jetzt kommt heraus, dass die Schauspielerin auch Drogen konsumierte! Sie ließ kaum eine Substanz aus. (…) Aber: "Ich nahm Kokain, Heroin, Ecstasy, LSD, alles", sagt die Oscarpreisträgerin heute, "Ich habe vor langer Zeit damit aufgehört."

Was die Oscarpreisträgerin heute sagt, konnten erstaunlicherweise am 1. Mai dieses Jahres auch schon Internetportale wie die-topnews.de und news.ch (mit Verweis auf das Online-Magazin Firstnews.de) berichten:

Angelina Jolie machte nie ein Geheimnis daraus, dass sie früher harte Drogen konsumiert hat. Schon vor Jahren sagten sie: “Ich habe Kokain, Heroin, Ecstasy, LSD und das alles genommen. Ich hasse Heroin, weil ich fasziniert davon bin. Ich bin nicht immun, aber ich werde nie mehr etwas nehmen.”

Wer sich aber jetzt denkt: “Das kam mir doch damals schon bekannt vor”, der hat womöglich am 19. September 2007 den “Berliner Kurier” gelesen. Dort hieß es:

Ein bisschen extrem war sie ja schon immer. Jetzt hat Angelina Jolie gestanden, in der Vergangenheit fast jede illegale Droge ausprobiert zu haben: “Ich habe gekokst, Heroin, Ecstacy, LSD, einfach alles genommen”, so die 32-Jährige.

Oder am 17. September 2007 bei kino.de vorbeigeschaut:

Ein ruhiges Leben hat Angelina Jolie noch nie geführt. Jetzt hat sie zum ersten Mal ganz offen von ihren wilden Jahren gesprochen. Gut in Erinnerung hat die 32-Jährige ihre Drogeneskapaden offensichtlich nicht: “Die schlimmste Auswirkung hatte Cannabis auf mich. Ich habe mich total albern und lächerlich gefühlt, wenn ich einen Joint geraucht habe. Und ich hasse es, wenn ich mich so fühle.”

Oder am 12. August 2003 die “große Beichte von Angelina Jolie” im “Kölner Express” entdeckt:

Laut “Sun” [!] bekennt sich der Hollywood-Star zu Drogenexzessen (Koks, Heroin, LSD, Ecstasy)…

Und nachdem wir Angelina Jolie in einer “Brigitte” vom Juni 2001 bezüglich ihrer “erklecklichen Drogenerfahrung” mit den Worten zitiert fanden, sie habe “ungefähr alles genommen, Kokain, Heroin, Ecstasy, LSD”, haben wir aufgehört zu suchen.

6 vor 9

Hoffen auf Ringiers Medialab
(medienspiegel.ch, Martin Hitz)
“Bleibt zu hoffen, dass Ringiers neues mediaLAB nicht ausschliesslich aus Softwareentwicklern bestehen wird, sondern dass Techies gemeinsam mit Journalisten und Redaktoren an neuen Ideen und Projekten arbeiten werden.”

MySpace startet Serie
(FAZ, Philipp Vetter)
Digital, sozial, härter als herkömmliches Fernsehen: Murdochs MySpace startet mit “CandyGirls” eine neue deutsche Fernsehserie (NDF): “Jedes ‘Candy Girl’ hat ein MySpace-Profil, auf dem es Weblogs führt und Video-Tagebücher, als gehe es um eine reale Person und nicht um eine Rolle.” Was für ein Fake!

Null Überraschung bei den “Superstars”
(medienpiraten.tv, Peer Schader)
“Heute hat RTL ? wie üblich ? die Votingergebnisse der Entscheidungsshows veröffentlicht … Diese Statistiken müssen bis zur letzten Show eines der bestgehütetsten Geheimnisse dieser Erde sein, die der zuständige RTL-Redakteur vermutlich mit seinem Leben verteidigen wird.”

Grand-Prix-Kandidaten in Wort und Bild
(Lukas Heinser und Stefan Niggemeier)
“43 hoffnungsvolle Kandidaten singen in Belgrad über das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Eine Handreichung …” Fleißpreis, meine Herren!

Hyperlocal Journalism – Fehlanzeige!
(The Journalism Iconoclast, Patrick Thornton)
“The irony is that the local reporting is where newspapers and journalists could be hitting home runs. Instead, we find decreasing amounts of good, local reporting. Journalists are being asked to do more with less ? AKA produce shallower content.”

Video: Der Wortschwall
(BuzzFeed)
Gestelzte Langeweile vom Papier abnuscheln oder doch lieber wütend brüllend: “Keith Olbermann says ‘Shut the hell up!’ to President Bush in the Special Comments segment.” Wenn die politische Kultur es erlaubt.

6 vor 9

Verleger dürfen in den Presserat
(werbewoche.ch)
“Nach langer Bedenkzeit hat der Journalisten-Berufsverband Impressum dem Beitritt der Arbeitgeber zum Presserat zugestimmt.” Jetzt hofft Impressum, dass die Verlegerschaft einen Gesamtarbeitsvertrag für die Deutschschweizer und Tessiner Pressejournalisten akzeptiert.

Wider die Gratiskultur
(Financial Times, Edwy Plenel)
“Wenn journalistische Inhalte verschenkt werden, dominieren überall dieselben Agenturformate, schnelle Wegwerftexte ohne Haltbarkeit und ohne Hintergrund”, schreibt der Gründer der französischen Online-Zeitung Mediapart und ehemalige Leiter der Le-Monde-Redaktion.

Blog auf Augenhöhe
(Tagesspiegel, Leonard Novy)
“Die ‘Huffington Post’ entwickelt sich zur zentralen Informationsquelle für Millionen Amerikaner, und auch die Politik kommt nicht mehr an ihr vorbei. Als Obama sich nach öffentlichem Druck von seinem Ex-Pastor distanzieren musste, tat er dies in der ‘Huffington Post’.”

Vanity Fair kippt Anspruch
(Medienrauschen, Thomas Gigold)
“Von einem Magazin mit Inhalt ist man zum Magazin zum Durchblättern geworden.” Übrig bleibt “eine Kopie von Gala und Bunte“.

Filmzensur 1968
(SF 1 Kulturplatz, Markus Imhoof)
“In meinem zweiten Studentenfilm ‘Rondo’ rekonstruierte ich mit Strafgefangenen den Alltag im Zuchthaus (…) Der Regierungsrat des Kanons Zürich verbot nach der Premiere öffentliche Vorführungen des Films mit der Begründung, ein Studentenfilm sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.”

Amok (Lesetipp)
(Das Magazin, David Grann)
“Ein Mann, ein Buch, ein Mord. Ist der Autor der Täter? Wie ein Kommissar einen Fall zu seiner Obsession macht.” Übersetzung aus dem New Yorker.

medienlese – der Wochenrückblick

Geburtstag bei Ringier und Tessiner Zeitung, Freude bei Oliver Gehrs Dummy-Verlag, harte Kritik an den Mediatheken der ARD, beliebter Link auf Bildquellen.

Feierte mit über tausend Gästen in Luzern: Michael Ringier auf der Feier zum 175. Firmenjubiläum (Bild Keystone/Urs Flueeler)Ringier feierte in Luzern 175. Geburtstag. In der NZZ gab es anlässlich einen Rückblick auf die Firmengeschichte und einen (kleinen) Ausblick auf die digitale Zukunft. Wer alles zu Gast bei dem größten Medienunternehmen der Schweiz war, lässt sich beim Durchklicken der Bildstrecke auf persoenlich.com erahnen. Auch der bei Ringier als Berater unter Vertrag stehende Ex-Kanzler Gerhard Schröder kam zur Feier – dafür war die Investition also gut.

Read On…

Kurz korrigiert (462)

Gesucht hat Bild.de eigentlich “12 gute Gründe, jetzt Schweiz-Urlaub zu buchen” — und dann doch noch einen gefunden, an der (reise)journalistische Kompetenz von Bild.de zu zweifeln.

Grund Nummer 8 lautet nämlich:

"8. Ardennen-Käse verkosten -- Bei der Käse-Herstellung macht den Schweizern keiner was vor! Aus dem mittelalterlichen Städtchen Gruyères in den Ardennen kommt ein besonders kräftiger. Tipp: Die Käserei „Maison du Gruyère“ (Familienpauschale 6,20 Euro) besuchen! Infos: www.lamaisondugruyere.de"
“Ardennen-Käse”? Da wird doch wohl nicht jemand das Alpenstädtchen Gruyères in “Heidiland” (Bild.de) mit seinem französischen Namensvetter im rund 600 Kilometer entfernten Westteil des rheinischen Schiefergebirges verwechselt haben?!

Doch.

P.S.: Die angegebene Internetadresse endet natürlich eigentlich auf .ch.

Mit Dank an Lars M. für den Hinweis.

Nachtrag, 19.5.2008: Wie blöd kann man eigentlich sein? Offenbar hat sich doch noch jemand bei Bild.de erbarmt und sich den “Ardennen-Käse” nochmals vorgeknöpft. Naja, eigentlich hat jemand bei Bild.de nur die “de”-Endung der Internetadresse in “ch” geändert, die falschen “Ardennen” aber weiterhin falsch dastehen lassen. Ach ja: Und klickt man auf den “ch”-Link, gelangt man nach wie vor auf die falsche “de”-Website.

2. Nachtrag, 0.31 Uhr: Ach, und beim Korrigieren von Fehlern macht Bild.de keiner was vor. Inzwischen hat sich offenbar noch mal jemand an den Käse gewagt, den Link wirklich korrigiert und sogar die “Ardennen” aus dem Textchen entfernt. Leider hatte der Korrektor aber wohl keine Überschriftenberechtigung, weswegen da nach wie vor der berühmte “Ardennen-Käse” angepriesen wird. Echt wahr.

Fortsetzung folgt?

Fortsetzung folgt!

3. Nachtrag, 20.5.2008: Der Überschriftenberechtigte hat im Reise-Ressort vorbeigeschaut und viereinhalb Tage nach Veröffentlichung “Käse” aus dem “Ardennen-Käse” gemacht.

4. Nachtrag, 15.39 Uhr: BILDblog-Leser Mathias W. weist uns soeben darauf hin, dass die Familienpauschale im Maison du Gruyère offenbar nicht “6,20 Euro” (Quelle: Bild.de) sondern “8 Euro” (Quelle: lamaisondugruyere.ch) beträgt.

6 vor 9

Ringier feiert Geburtstag
(NZZ, Rainer Stadler)
“Heavy Metal, Volkstümliches, Stars und Sternchen: Die ungewöhnliche 175-jährige Geschichte des Medienhauses Ringier.” Gleich daneben (Isabelle Imhof): “Zum Geburtstag schenkt sich die Firma ein Kompetenzzentrum für digitale Medien. Das ‘Medialab’, offizielle Lancierung ist am 16. Mai, will die Möglichkeiten bestehender und künftiger Technologien dazu nutzen, Inhalte digital aufzubereiten und zu vermitteln.”

Aggression gegen “Systemjournaille”
(taz, Andreas Speit)
“Die rechte Gewalt gegen Journalisten habe besorgniserregende Brutalität erreicht, berichtet der DJV. In Hamburg ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen gezielter Übergriffe am 1. Mai.”

Die Kunst des Hintergrunddetails
(Goncourt’s Blog)
Die Medien über Ausschreitungen gegen Einwanderer in Italien: “Wird ein illegales Flüchtlingsboot entdeckt, ist von Menschenhändlern die Rede, es wird quasi aus humanitären Gründen empfohlen, den Flüchtlingen in ihrem eigenen Interesse das Ankommen an der italienischen Küste mit allen Mitteln zu verweigern, um ‘Schleuserbanden’ das Handwerk zu legen.”

The World?s Most Dangerous Gangs
(Foreign Policy)
“Their darkest dealings often go unreported and unnoticed. But from Nairobi to São Paulo, many urban gangs are becoming more sophisticated, more brutal, and more powerful than ever.”

Jesus Made Me Puke (Lesetipp)
(Rolling Stone, Matt Taibbi)
“I had joined Cornerstone ? a megachurch in the Texas Hill Country ? to get a look inside the evangelical mind-set that gave the country eight years of George W. Bush.”

Roger Willemsen über das Reisen
(Gotorio, Thomas Knüwer)
Der “toll begabte Tausendsassa, nervensägende Brausekopf und genialische Scharlatan”, so nannte ihn der Spiegel, im kurzen Videointerview über das Reisen, Essen, Nächtigen – und schlimme Erlebnisse.

Echte Rechercheprofis!

Toll, die Mitarbeiter von Bild.de scheuen wirklich keine Kosten und Mühen, um ihre Leser exklusiv und umfassend zu informieren.

Laut Bild.de lacht momentan “ganz Deutschland” über eine Frau mit starkem Dialekt, die vor drei Jahren bei der Polizei anrief, um sich über ihren Nachbarn zu beschweren. Ein Mitschnitt des Telefonats sei schon “mehr als 100.000 Mal” bei YouTube abgerufen worden und Bild.de verkündet stolz:

Wobei diese Rechercheleistung vielleicht etwas dadurch geschmälert wird, dass die Frau am Telefon ihre volle Adresse nennt und mehrmals ihren Namen. Ihr starker Dialekt stellt kein Problem dar, denn die hochdeutsche Übersetzung wird mitgeliefert:

Und weil Bild.de das Video auch auf der eigenen Seite zeigt, können sich jetzt zusätzlich zu den YouTube-Nutzern auch noch ein paar Millionen Bild.de-Leser darüber informieren, wie eigentlich der Nachbar heißt und wo genau er wohnt. Echt toll:

Mit Dank an Christian R., Alexander, Falk R. und Nogger für den Hinweis.

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