Was viele nicht wissen: BILDblog wird auch in der Schule eingesetzt. Es gibt Mathelehrer, die in ihrem Unterricht zum Beispiel auf unseren Eintrag “Machen Tortendiagramme eigentlich dick?” zurückgreifen, der im Kern auf der schönen “Bild”-Formulierung vom August 2007 beruhte:
Denn mittlerweile ist jedes sechste Kind in Deutschland zu dick! Mitte der 90er-Jahre war es nur jedes dritte.
Dass BILDblog auch “Bild”-intern zur Fortbildung eingesetzt wird, ist dagegen eher unwahrscheinlich. Oder wie Bild.de heute schreibt:
Eingeschlafene Autofahrer verursachen im Schnitt jeden vierten tödlichen Verkehrsunfall. Bei Lkw-Fahrern sind übermüdete Lenker sogar an jedem sechsten schweren Unfall schuld.
So stand es gestern in der “Bild am Sonntag”. Und das mit der “Sender-Schlacht” ist sicher etwas übergeigt (tatsächlich kann man die neue RTL-Show nämlich auch ziemlich unbrisant finden, wie sich bei DWDL.de nachlesen lässt). Aber darum geht es gar nicht, sondern um das, was die Nachrichtenagentur AP daraus machte:
Diese AP-Überschrift fasst in etwa den Nachrichtenwert der “BamS”-Geschichte zusammen. Doch AP verbreitete die “BamS”-Geschichte nicht nur mehr oder weniger unkritisch weiter, sondern auch noch falsch. In der AP-Meldung heißt es nämlich:
In der niederländischen Sendung von RTL4 war im November laut “Bild am Sonntag” schon Peter Siener zu sehen, der bei “Wetten dass…?” mit einem durch die Nase eingezogenen Wasserstrahl aus seiner Tränendrüse zehn Kerzen gelöscht hatte.
Dabei hätte ein flüchtiger Blick in die “BamS” offenbart, dass die das gar nicht behauptet. Dort heißt es nämlich:
Im Februar 2004 lieferte Kandidat Peter Siener (35) einen der schrägsten Momente in der 27-jährigen “Wetten, dass..?”-Geschichte: Er löschte mit einem Wasserstrahl aus seiner Tränendrüse zehn Kerzen (…). Am 9. November 2008 sehen Millionen holländische Zuschauer dieselbe Wette in “Ik Wed Dat Ik Het Kann” – durchgeführt durch einen anderen Mann! (Hervorhebung von uns)
Bei AP hat man das in der Aufregung um die “Sender-Schlacht” offenbar überlesen – und die anderen haben sich nicht mal die Mühe gemacht, das zu merken.
Aber bei AP scheint man in diesen besinnlichen Tagen ohnehin etwas zur Aufgeregtheit zu neigen. Vorgestern schrieb AP über den Fehlstart eines Flugzeugs in Denver:
Die Boeing 737 der Continental Airlines kam beim Beschleunigen von der Startbahn ab, stürzte in eine Schlucht und fing Feuer.
Auch diese AP-Meldung findet sichnunindiversenMedien, und zum Teil haben die “Schlucht” und das “stürzen” es sogar in dieÜberschriftgeschafft(siehe Scrrenshots). Andere nennen die “Schlucht” hingegen wesentlich unaufgeregter “Graben” (oder auf Englisch: “ditch”) oder schreiben schlicht, die Maschine sei vonder Startbahn abgekommen. Das scheint den Vorfall dann doch etwas präziser zu beschreiben.
Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Sebastian M.
Viel Platz ist ja nicht in der täglichen “Gewinner/Verlierer”-Rubrik auf der “Bild”-Titelseite. Umso erstaunlicher, wie viele Fehler da an einem Tag wie heute so rein passen (siehe Ausriss)…
Schon die Formulierung “soll es vorher schon zweimal gegeben haben”, auf die “Bild” das “Verlierer”-Dasein der deutschen Retorten-Girlband Queensberry stützt, ist ein bisschen untertrieben. Man kann sich u.a. bei YouTube anschauen, dass der Song ganz bestimmt bereits von anderen gesungen wurde: Im Sommer Ende Oktober erschien er auf dem Album der Kanadierin Eva Avila – und unter dem Titel “Game over” nahm das Lied 2008 für Holland in Belgien am “Eurovision Song Contest” an einem nationalen Vorentscheid für den diesjährigen “Eurovision Song Contest” teil.
Und wir haben gehört: Das alles soll schon seit mehr als einer Woche völlig korrekt auf einer belgischen “Song Contest”-Website namens Belgovision.com nachzulesen sein.
1. “Schmidteinander in den Medien” (dradio.de, Brigitte Baetz)
Neben Jopi Heesters ist er DER Liebling der sterbenden Medien (weil er sie an die guten Zeiten erinnert): Altkanzler Helmut Schmidt, der ohne Amt und ohne Lächeln, aber mit Zigarette und Grandezza die Medien an der Nase herumführt: “90 Jahre wird er am Tag vor Weihnachten, ein Grund zum Feiern, ohne Frage, und schon seit seinem 80. Ehrentag scheint Helmut Schmidt machen zu können, was er will, von Rundfunk und Presse wird es mit Wohlwollen kommentiert. Während sich Deutschlands Raucher aus den Kneipen ins zugige Freie schleichen müssen, um ihrem Laster zu frönen, quarzt der Altkanzler unter dem entzückten Beifall der Journaille wo er nur geht und steht.”
2. “Hier werden Sie ins Grab geschunkelt!” (stern.de, Alexander Kühn)
“Das Programm der ARD ist für junge Zuschauer ungefähr so attraktiv wie Blasentee und Treppenlifter – von Ausnahmen wie Sport einmal abgesehen. Und dem einzigen Vorzeigejugendlichen: Oliver Pocher. Bericht über eine Anstalt, die mit ihrem Publikum vergreist.”
3. “Die fetten Jahre kommen” (faz.net, Michael Hanfeld)
“Die Folgen der Weltwirtschaftskrise kennt das öffentlich-rechtliche Fernsehen nur vom Hörensagen. Es ist bei den Gebühren und im Internet auf Wachstumskurs und wird dabei von der Politik, anders als in England, nicht gebremst. So lässt es sich leben – nur auf wessen Kosten?”
Das kleine Berliner Schmuddelkind “B.Z.”, das (als “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner noch “B.Z.”-Chefredakteur war) auf der Titelseite schon mal unter der Schlagzeile “Öl-Pest” statt eines ölverschmierten Vogels lieber ein kerngesundes, schwarzes Entlein zeigte, steht auch heute noch gelegentlich der großen Schwester “Bild” in nichts nach. Gestern zum Beispiel schrieb die “B.Z.”:
“Enthüllt” ist allerdings für das, was Horst Lichter der “B.Z.” gesagt hat, ein großes Wort. Von Schlaganfall, Herzinfarkt und seinem toten Kind hatte er (beispielsweise) auch schon der Springer-Zeitung “Die Welt” erzählt – am 13. März 2005.
Aber man braucht eigentlich nicht mal tief in den Archiven zu stöbern. Im September 2007 erschien eine (Auto-)Biographie Lichters, dessen Inhalt sein Verlag, ähm, wie folgt zusammenfasst:
(…) zwei Hirnschläge, ein Herzinfarkt, der frühe Verlust eines Kindes. Davon erzählt dieses Buch.
Tatsächlich aber gewann den DWDL-Titel “Stümperhafteste Notfallplanung bei einem Großevent” – anders als RTL* in seinem Teletext behauptet – nicht “das ZDF”, sondern: die UEFA.
Dass sich der Bildausfall beim EM-Halbfinal-Spiel zwischen Deutschland und der Türkei in Deutschland in Grenzen hielt, ist einem tatkräftigen ZDF-Bildtechniker zu verdanken. Das ZDF griff auf das Signal des Schweizer Fernsehens zurück.
*) Ach ja: Dass auch die zur RTL-Gruppe gehörenden Sender Vox (“Programmierungsdesaster des Jahres”) und n-tv (“Sinnloseste Live-Übertragung”) mit “Goldenen Güntern” ausgezeichnet wurden, erfahren die Teletext-Leser von RTL hingegen nicht.
Es ist im Journalismus nichts Neues, dass bei Ereignissen, die relativ vorhersehbar sind, vorab schon mal weite Teile eines Artikels vorgeschrieben und hinterher nur noch hier und da ergänzt werden. Gerade im Online-Journalismus, wo man ja gerne so tut, als ob es auf jede Minute ankäme, lässt sich dann irgendwas ganz fix veröffentlichen.
Es ist nur blöd, wenn man so einen fast fertigen Artikel zu früh ins Netz stellt:
Der Artikel, den Bild.de gestern Abend etwas vorzeitig abfeuerte, sah zu weiten Teilen aus wie seine aktuelle Fassung: Es ging um alles oder nichts, der erste gemeinsame TV-Auftritt von Sido und seiner Freundin war ein “Highlight der Show”, und für “die Mädels” kam es “völlig überraschend”, dass sie schon im Februar auf Tour gehen.
Wie egal es letztlich für die Sendung und den Bild.de-Artikel war, wer eigentlich das vierte Bandmitglied bei Queensberry geworden ist, offenbart dieser, nun ja, Satz…
… für dessen endgültige Version Bild.de dann aber sowieso auf einen Namen verzichtete:
Mit Dank an Simone G. für den Hinweis und den Screenshot!
Nachtrag, 20. Dezember: BILDblog-Leser Nikolai K. fragt sich, warum Bild.de eigentlich in beiden Versionen des Artikels behauptet, dass während des “Popstars”-Finals “der erste gemeinsame Live-Auftrit im TV von Jury-Mitglied Sido und seiner schönen Freundin Doreen” stattgefunden habe. Immerhin gibt es bei YouTube seit Ende Mai ein Video, in dem Sido und Doreen gemeinsam bei MTV auftreten und in dem Sido den Song “Nein” (den die beiden auch bei “Popstars” gesungen haben) mit den Worten “Wir standen noch nie zusammen auf der Bühne” anmoderiert.
Wir können ihm diese Frage leider auch nicht beantworten.
1. Bundesministerium storniert Anzeige bei Bild (faz.net, Michael Hanfeld)
“So kommt man auch auf die erste Seite der ‘Bild’-Zeitung: Man ärgert sich über eine Meldung von Seite zwei, ruft den zuständigen Autor und Redakteur an, kündigt die Streichung einer geplanten Anzeige an und bestätigt das anschließend auch noch in einer E-Mail. Und landet dann tatsächlich auf Seite eins, mit dem Eigentor des Monats – dem man grundsätzliche Bedeutung beimessen darf, nicht weil es um ‘Bild’ geht, sondern um ein Bundesministerium und dessen Verhältnis zur Kritik der Presse.”
2. “Jeder stirbt für sich allein – trotz Selbstmords im TV” (welt.de, Matthias Kamann)
“Der Selbstmord des unheilbar kranken Briten Craig Ewert in der Sendung ‘Right to die’ hat eine neue Debatte ausgelöst, wie öffentlich ein Tod darf und sein sollte. Die einen sprechen von pietätloser Sensationsgier, die anderen von notwendiger Aufklärung. Doch was zeigen solche Sendungen wirklich?”
3. “Hü und Hott der Sperrfristen” (perlentaucher.de, Ekkehard Knörer)
“Tod dem Embargo” schrieb das Topblog Techcrunch diese Tage: “Von jetzt an ist es unser Grundsatz, jede Sperre zu brechen. Wir werden uns mit allen Vorgaben einverstanden erklären und darauf machen wir genau das, was wir für richtig halten.” In Deutschland quält sich der Journalismus weiter mit Sperrfristen ab. Der Filmkritiker Ekkehard Knörer schreibt einen Essay dazu.
1. “Opium fürs Volch” (medienspiegel.ch, Fred David)
Fred David äussert sich zu den schweizer Medien: “Unsere Medien vertreten die Macht. Sie kontrollieren sie nicht, wie sie vorgeben. Dazu sind sie nicht mehr in der Lage. Diese Funktion passt nicht in ihre Marketing-, Gratis- und Sonstwiestrategien. Dass da ein wichtiges Element der Demokratie nicht mehr richtig funktioniert, scheint niemanden zu sorgen. Ausser vielleicht einen Spekulanten wie Tito Tettamanti.” Ebenfalls sehr lesenswert sind die Kommentare. Der anonyme “Skepdicker”, ganz offenbar ein Kenner der schweizer Medienszene, schreibt: “Die Inlandredaktionen schreiben seit Jahren an einer oberflächlichen Soap-Opera über den Kampf der Zwerge gegen den bösen Giganten B. Während ein Markus Schneider Bücher über die Flat Tax oder soziale Mobilität schreibt, befassen sich die Journalisten-Zwerge damit, ob Doktor B., Frau B., Bruder B., Schwester G.-B., Tochter M.-B…”
2. Interview mit Wolfgang von Mecklenburg (weltwoche.ch, Roger Köppel)
Roger Köppel, der im Editorial mitteilt, er habe nun die Zeitschrift zu 100% übernommen, im Gespräch mit Wolfgang von Mecklenburg von der M&M Media-Agentur. Der empfiehlt dem Blick, zum alten Format zurückzukehren, vom aktuellen Zustand der Zeitungen ist er nicht gerade begeistert: “Die heutige Medienszene tendiert Richtung Massenprodukt. Wir haben zu viele graue Mäuse.”
3. “‘Polylux’ ist tot” (taz.de, Peer Schader)
“Menschen mit kuriosen Hobbys oder außergewöhnlichen Eigenschaften konnten sich darauf verlassen, ab dem Moment, in dem das ‘Polylux’-Kamerateam bei ihnen im Hausflur stand, zum Mainstream zu gehören. Wahrscheinlich hat die Redaktion viel Zeit damit verbracht, darauf zu warten, dass andere Medien was aufschreiben, das sie dann nachdrehen kann.”