sid  

Alles eine Frage der Wahrnehmung…

Letzte Woche hatte Bayern München in der Fußball-Bundesliga einen Rückstand von drei Punkten auf den VfL Wolfsburg. Diese Woche hat Bayern München ebenfalls einen Rückstand von drei Punkten auf den VfL Wolfsburg. Was ziemlich leicht erklärt ist, zumindest rechnerisch: Vergangenes Wochenende verloren beide Vereine, dieses Wochenende holten beide die volle Punktzahl. Trotzdem interessant, wie sehr ein Trainerwechsel (noch dazu eines Trainers, der in den Redaktionen nur so mittelbeliebt war) die Wahrnehmung verändert.

Der Sportinformationsdienst (SID) beispielsweise eröffnet den Bericht zum gestrigen Spiel der Bayern mit dem Satz:

Rückkehrer Jupp Heynckes hat Bayern München im Titelkampf die Hoffnung zurückgegeben.

Und fährt dann fort mit der Feststellung:

Während die Münchner wieder vom Titel träumen dürfen, rückt für Gladbach der Abstieg nach dem sechsten Spiel in Folge ohne Sieg immer näher.

Dabei ist die Ausgangslage seit vier Wochen unverändert; Bayern München hat seit dem 26. Spieltag immer genau drei Punkte Rückstand auf den Tabellenführer. Am 25. Spieltag war es sogar nur ein einziges Pünktchen, von “Titelträumen” und “neuen Hoffnungen” war damals aber nicht so viel zu lesen. Da hieß der Trainer ja auch noch irgendwie anders.

Bild  

Outing leicht gemacht

Wir vermuten einfach mal, dass es eine eher rhetorische Frage ist, die “Bild” nach dem Auftritt von Dirk Bach bei Stefan Raab am vergangenen Dienstag gestellt hat:

Ui-jui-jui, was hat sich denn Dirk Bach (48) bei diesen Sätzen gedacht?

Die Sätze, die “Bild” meinte, drehten sich um eine Szene, die Bach für seine neue Sendung “Einfach Bach” gedreht hatte und in der ein Bruce-Darnell-Darsteller dem auf dem Weg zur Kreuzigung befindlichen Jesus zeigt, wie man so ein Kreuz richtig trägt. Bach beschrieb das in “TV Total” u.a. mit folgenden Worten:

Und dann kommt eben Bruce Darnell und ich guckte auf einmal so raus in den Park und sah zwei, drei völlig entsetzte Rentner, die unschuldig in diesem Park entlang spazierten und dachten, was geschieht ihnen jetzt? Jesus und ein homosexueller, schwarzer Mann — was ist jetzt geschehen?

Was “Bild” wiederum zu der, um im Bild zu bleiben, scheinheiligen Frage veranlasst:

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Die Antwort darauf lautet — unbeschadet davon, ob das nun als ein “Outing” gemeint war oder nicht: Nein. Denn den Job haben andere schon präzise erledigt: :

Mark Medlock, Bruce Darnell — ich bin im Arbeitsleben umgeben von Schwulen, und wir ergänzen uns perfekt.

So ließ sich bereits am 17. März ein gewisser Dieter Bohlen zitieren. Und um bei den rhetorischen Fragen zu bleiben: Haben Sie eine Ahnung, von wem?

Mit Dank an Tom K. und Timo L.

Biss, Zeitungsverträger, Killerspiele

1. “Zeitungsverträger: Verleger drücken ihre Löhne”

(youtube.com, Video, 5:30 Minuten, teilweise Dialekt)

Die Löhne in der Printbranche werden gesenkt. Unter den Betroffenen sind die, die so oder so schon wenig verdienen, dabei aber mitten in der Nacht und bei jedem Wetter zuverlässig sein müssen: Die Zeitungsverträger.

2. “Keine Informationsfreiheit zur Schulqualität”

(recherche-info.de, Sebastian Heiser)

Sebastian Heiser beantragte in Berlin unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz “Einblick in alle bisher erstellten Schulinspektionsberichte”. Das wurde abgelehnt, unter anderem, weil “personenbezogene Daten von Lehrern zu schützen” seien.

3. “Prima leben dank Hartz IV?”

(notatio.blogspot.com, Kurt)

Ein langer Blogeintrag über die Fernsehpräsenz der Familie Fesselmann aus Essen: “Der angebliche Langzeitarbeitslose Wilfried Fesselmann ist in Wirklichkeit offenbar ein versierter Langzeitarbeitslosendarsteller, der sich über Auftragsmangel in der Vergangenheit nicht beklagen konnte, war er doch – nebst Familie – bereits vor Jahren mehrfach in der Rolle als armer aber im Grunde glücklicher ALG2 Empfänger im Fernsehen zu bewundern.”

4. “Killerspiele – Gegendarstellung”

(youtube.com, Video, 9:58 Minuten)

Eine aufwändig produziertes Video räumt mit einigen von Medien und Politik verbreiteten Fehlinformationen über “Killerspiele” auf.

5. Biss verkaufen in München

(sueddeutsche.de, Video, 3:37 Minuten)

BISS, Bürger in sozialen Schwierigkeiten, ist eine Zeitschrift aus München. Ein Portrait eines Verkäufers des Magazins.

6. “Human landscapes from above”

(boston.com/bigpicture, Bilder)

Menschliche Landschaften von oben, die neuste der vielen gelungenen Bildergalerien von The Big Picture.

Bild  

Wie man das meiste aus Hartz IV rausholt

Am Montag stellte “Bild” den Lesern Familie Fesselmann aus Gelsenkirchen vor. Die fünfköpfige Familie lebt von Hartz IV, konnte aber über 100.000 Euro Schulden abbauen und noch was auf die hohe Kante legen. Das schreibt zumindest “Bild”:

"Ich verstehe dieses Gejammer nicht. Hartz IV reicht!" Das sagt nicht etwa ein Politiker, sondern der ALG-II-Empfänger Wilfried Fesselmann (49) aus Gelsenkirchen. Der gelernte Kaufmann ist seit 2001 arbeitslos. Seit 2004 leben er, Ehefrau Marion (44) und ihre drei Kinder von Hartz IV. Insgesamt bekommt die Familie 1335 Euro (Regelleistung) plus 700 Euro für Miete und Nebenkosten.

Dass die Familie seit 2004 von Hartz IV leben soll, das es erst seit 2005 gibt, ist eher zweitrangig — und in der Online-Version des Artikels auch stillschweigend korrigiert worden.

Auch der Umstand, dass die Fesselmanns freimütig erklären, fast die Hälfte des Lebensmittelgeldes sparen zu können, indem sie zu einer “Tafel” gehen, soll uns an dieser Stelle nicht weiter stören.

Viel interessanter ist das, was “Bild” nicht schreibt: Bei den Fesselmanns handelt es sich nämlich nicht um eine gewöhnliche Hartz-IV-Familie — sie sind eine Art Vorzeige-Hartz-IV-Familie auf großer Medientournee.

Beim Videoportal MyVideo standen bis vor kurzem mehr als 50 Videos online, die meisten unter dem Benutzernamen “FamilieFesselmann” hochgeladen. Und da sah man dann: Familie Fesselmann bei “Surprise, Surprise” mit Oliver Geissen auf RTL, Familie Fesselmann bei “We Are Family” auf ProSieben, Vater Fesselmann in der RTL2-Quizshow “Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit” (wo er nichts gewann) oder die eigene Familie-Fesselmann-“Wochenserie” auf Sat.1.

Videos von und mit Familie Fesselmann bei MyVideo.de

Die Videos sind inzwischen fast alle bei MyVideo verschwunden, aber über die Video-Suchmaschine Truveo noch auffindbar. Im Blog “Notatio” hat sich der Autor Kurt die Mühe gemacht, einen Teil der Videos anzusehen und stellte dabei unter anderem fest, dass Vater Fesselmann je nach Fernsehsendung früher ganz unterschiedliche Berufe gehabt haben soll (bei “Bild” ist er einfach ein “gelernter Kaufmann”).

Auf ihrer eigenen Website stellt sich Familie Fesselmann nicht nur selbst vor (und offenbart dabei erstaunliche Inkonsistenzen etwa bei der Anzahl der eigenen Kinder), sie geht auch recht offensiv mit den eigenen Medienauftritten (die bis ins Jahr 1997 zurückreichen) um:

Selbstdarstellung der Familie Fesselmann

Es gibt Ankündigungen für den Auftritt bei “Teenieterror im Kinderzimmer” auf ProSieben, für das eigene Buch “Besser leben mit Hartz IV” (“Es ist ein Buch mit vielen Spar-Tipps für alle. Berichte in den Medien folgen”), Fotos von Dreharbeiten zu “Alarm für Cobra 11” und mit Toto & Harry und eher kryptische Hinweise wie diese:

15.März 08 : Streit mit RTL endlich beigelegt. Hier kam ein tolles Überraschungs-Paket und ein 2-seitiger Entschuldigungsbrief des Senders an. Drehverbot wurde aufgehoben.

(…)

30.April : Anfrage von RTL zur neuen TalkShow Natasha Zuraw haben wir abgelehnt. Zum Glück Talkshow wird mangels schlechter Quoten noch Ende Mai eingestellt.

Auf der Startseite findet sich über dem großen “Bild”-Artikel der folgende aktuelle Hinweis:

Liebe Besucher
selbstverständlich haben wir nicht mit der Regelleistung die Schulden bezahlt. Diese haben wir durch Vergleiche gemindert und zahlen kleine Raten. Besser leben mit Hartz4, bedeutet einfach nur sich das Geld besser einzuteilen. Es wird auch niemandem etwas abgezogen, im Juli gibt es für jeden HartzIV-Empfänger 8 € mehr. Auch die Geschäftsführung der ARGE weiss darüber Bescheid.
Alle Einkommen aus dem Buch werden ordnungsgemäß versteuert und der ARGE gemeldet.

Es wäre natürlich hilfreich und weit weniger irreführend und manipulativ gewesen, wenn “Bild” auf die eine oder andere Besonderheit dieser Familie eingegangen wäre und nicht so getan hätte, als wenn man mit Hartz IV nicht nur ganz okay leben, sondern auch noch innerhalb von 52 Monaten (die im Fall der Fesselmanns 69.420 Euro Arbeitslosengeld II bedeuten) mehr als 100.000 Euro Schulden abbezahlen kann.

Und auch die Überschrift hätte irgendwie anders lauten müssen:

Jammern gilt nicht - Wir leben von Hartz IV und können sogar noch sparen

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Bild  etc.

Panikmacher sind nicht zu stoppen

Für den Begriff “Grippe” gibt es anscheinend nur sehr extreme Verwendungen. Man hört, beispielsweise, ziemlich oft im Winter von Leuten, die behaupten, sie hätten “Grippe”. In den meisten Fällen handelt es sich zwar nur um eine stärkere Erkältung, aber wer wird denn pingelig sein?

Umgekehrt ist bei den richtigen Grippe-Erkrankungen so, dass sich mindestens in dem Tempo, in dem sich Viren ausbreiten, auch Medien mit vielen gruseligen Geschichten nach oben schaukeln. Das, was momentan als “Schweinegrippe” durch die Schlagzeilen geistert, ist ein ziemlich gutes Lehrstück darüber, wie sie in einer Mischung aus Unwissenheit, schlechter Recherche und natürlich der Lust an der Schlagzeile dafür sorgen, dass aus einem Grippevirus ein Monster wird. Mindestens. Eines, das laut heutigem “Bild”-Aufmacher (oben rechts) “nicht zu stoppen” ist.

Oder, anders gesagt:

Man würde der “Bild”-Zeitung allerdings unrecht tun, würde man ihr die Verwendung des Begriffs “wüten” in diesem Zusammenhang alleine zuschreiben. Von “wüten” und ähnlichen Begriffen haben in den vergangenen Tagen derart viele Medien berichtet, dass sie kaum mehr aufzählbar sind. Das machte sich bis gestern auch in den kolportierten Zahlen zu den angeblichen Todesopfern bemerkbar: Von über 150 Toten alleine in Mexiko war in vielen Medien die Rede.

Deutlich undramatischer fällt hingegen die bisherige Bilanz aus, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgelegt hat. Nach ihren Kriterien gibt es bisher sieben Länder, die einen bestätigten Fall der Schweinegrippe gemeldet haben. Nachweislich an der Krankheit gestorben sind laut WHO derzeit sieben Menschen, alle in Mexiko. Im gleichen Text verweist die WHO übrigens auch darauf, dass derzeit an Maßnahmen wie Reisebeschränkungen o.ä. nicht gedacht sei. Das Auswärtige Amt veröffentlicht zwar aktuell eine “Reisewarnung” nach Mexiko, spricht aber dabei lediglich davon, dass von “nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Mexiko dringend abgeraten” werde.

An Reisen kann man allerdings derzeit auch nur schwerlich denken, wenn man der Logik von “Bild” folgt. Schließlich sind wir ja schon zuhause der drohenden Epidemie nicht richtig gewachsen:

Da hat “Bild” sogar recht. Genau genommen gibt es sogar nicht nur zu wenig, sondern gar keinen Impfstoff, zumindest nicht gegen diesen neuartigen Virus.  Das von “Bild” u.a. benannte “Tamiflu” ist zwar “herkömmlich”, aber kein Impfstoff. Tamiflu wird ausschließlich zur Behandlung von bereits aufgetretenen Fällen verwendet. Und auch die Versorgung mit Mitteln wie “Tamiflu” ist  halb so bedrohlich, wie sie von “Bild” dargestellt wird. Lediglich 5 von 16 Bundesländer haben weniger als die geforderten Medikamente eingelagert, die ausreichen würden, um 20 Prozent der jeweiligen Bevölkerung zu behandeln. Dass in drei Ländern teils deutlich mehr als die geforderten 20 Prozent behandelt werden könnten, verschweigt man lieber, ist ja auch nicht so gruselig.

Interessant auch, wie Bild.de heute die Lage beschreibt. Da heißt es zunächst:

Auch die Lage in Deutschland ist kritisch.

Um dann mit der Beschreibung eines Falls fortzufahren, bei dem ein an dem Virus erkrankter Mann in die Universitätsklinik Regensburg eingeliefert wurde:

Christian G. (37), der Schweinegrippe-Patient aus dem Raum Regensburg ist zuerst im Krankenhaus von Mallersdorf-Pfaffenberg (Landkreis Straubing-Bogen) behandelt worden und dann am Dienstag ins Universitätsklinikum in Regensburg verlegt worden. Der Mann befindet sich in stationärer Behandlung. Er ist fieberfrei, wurde mit Tamiflu behandelt, erklärte Andreas Zapf, Präsident Landesamt für Gesundheit Bayern.

Da ist es dann schon irgendwie ein wenig widersinnig, wenn “Bild” fordert:

Ängste, die man jeden Tag fleißig zu schüren versucht.

Mit Dank an Christopher I., Stefan B., Pascal W. und  Bernhard H.

China, Hartmeier, Klingelschmitt

1. Interview mit Walter van Rossum

(heise.de/tp, Reinhard Jellen)

Der freie Autor Walter van Rossum übt massive Kritik an Politik und Medien in Deutschland. Er stellt einen “95 Prozent des Spektrums” abdeckenden “Konformismus mit der parlamentarischen Mitte” fest. Bei der Berichterstattung über die Ereignisse in Lhasa im März 2008 entsetzte ihn “die fast lückenlose Gleichschaltung”: “Da hat man so getan, als hätten barbarische chinesische Kommunisten friedlich demonstrierende Mönche niederkartätscht. Das war flächendeckend krasse Fehlinformation.”

2. “Chinas Führung setzt auf PR-Aktionen”

(derstandard.at)

Der chinesische Journalist Shi Ming glaubt, dass sich China vermehrt um die Lenkung der allgemeinen Meinung kümmern wird: “Es gibt nicht mehr den einen Mainstream. Die Lenkung der Meinungen ist also eine weitaus wichtigere Seite.” Die Zahl der Netzpolizisten wird auf 50.000 geschätzt.

3. Interview mit Christoph Berger

(interview-blog.de, Klaus-Martin Meyer)

Ein Gespräch mit dem Käufer von basicthinking.de: “Robert hat Basic Thinking natürlich sehr geprägt, aber unsere aktuellen Zugriffszahlen zeigen auch, dass es möglich ist, die Zahlen von damals sogar noch zu steigern.”

4. “Ist Klinsmann ein Opfer der Medien?”

(fnweb.de)

Josef Hackforth, Inhaber des Lehrstuhls an der TU München, fragt anlässlich eines Vortrags, ob der Journalismus beliebig geworden sei und ob Journalisten nicht auch bestraft werden müssten, wenn sie Fehler machen, durch die andere zu Schaden kommen: “Ärzte und Juristen werden belangt, wenn sie Fehler machen, Journalisten nicht”.

5. Interview mit Peter Hartmeier

(persoenlich.com, Christian Lüscher)

Der abtretende Chefredaktor des Tages-Anzeigers geht mit unzufriedenen Lesern um wie ein Hotelier: “Ich schickte Leuten, die sich durch unsere Zeitung verletzt fühlten, einen von Hand geschriebenen Brief und einen Blumenstrauss – selbst dann wenn wir im Recht waren.”

6. “Generation 50 plus links”

(taz.de, Klaus-Peter Klingelschmitt)

Klaus-Peter Klingelschmitt schafft das Kunststück der perfekten Anti-Internetaktivisten-Kolumne. Wer auch immer in Zukunft noch so eine schreiben will – hier ist alles drin und bis ins Detail ausgeführt: “Was wirklich zählt, ist das REALE Leben. Wir Älteren wissen das längst. Stellen wir uns doch einmal vor, die ganze Chat- und Bloggerei würde umgehend abgeschafft. Die Welt würde NICHTS vermissen.”

Bild  

Ohne Klinsmann wird das Unmögliche möglich

Vor zwei Tagen war die Welt echt noch eine schlechtere. Zumindest, wenn man Anhänger des FC Bayern München war. Bild.de ließ wissen, dass der Meistertitel in der Bundesliga “so gut wie weg” sei, die Kollegen der “Bild am Sonntag” gingen noch weiter:

Titel weg!

Was so ein Trainerwechsel aber dann doch alles ausmacht. Inzwischen, die Zeiten haben sich ja geändert (“Klinsi weg!”), traut Bild.de selbstverständlich Bayern wieder den Titel zu und startet eine entsprechende Umfrage:

“Klinsi ist weg! Holen die Bayern mit Heynckes jetzt doch noch die Schale?”

Selbst Oliver Kahn ist jetzt, wie “Bild” schreibt, endlich wieder frohen Mutes, wenn er an die Zukunft seines Ex-Vereins denkt.

“Bayern wird jetzt locker Meister”, zitiert Bild.de (exklusiv) den ehemaligen Bayern-Torwart — und suggeriert damit, Kahn führe dies irgendwie auch auf die Entlassung Klinsmanns zurück. Was aber ziemlicher Unsinn ist, weil Kahn noch nie etwas anderes geglaubt hat; auch nicht, als Klinsmann noch Trainer war. Noch einen Tag vor der Entlassung zeigte sich Kahn gegenüber “Sport 1” sicher:

“Bayern wird Meister, wenn Wolfsburg nicht gewinnt.”

Und auch, als die Bayern-Krise im Februar so richtig losging, war Kahn überzeugt, dass am Ende die Bayern vorne stehen würden. Mit dem “Klinsi-Aus” hat die Meinung des “Torwart-Titans” also nichts zu tun.

Der Frust beim gelegentlich als stur geltenden Klinsmann ob der letzten Monate muss übrigens groß gewesen sein. Klinsmann sei, so schreibt die “Süddeutsche Zeitung” heute auf ihrer Seite 3, im Laufe seiner Trainerzeit sogar auf ziemlich hohen Etagen von “Bild” vorstellig geworden, um um eine etwas weniger hämische Berichterstattung zu bitten.

Mit Dank an Jan D.

Buschheuer, Internetradio, Spiegel

1. “Das alte System ist kaputt”

(taz.de, Steffen Grimberg)

Alan Rusbridger, Chefredakteur des englischen Guardian, sieht die Zeitungskrise nüchtern: “Wir müssen uns darauf einrichten, künftig Journalismus mit weniger Leuten zu machen, und demütiger werden.” Seinen Berufskollegen sagt er: “Journalisten müssen über die Entwicklung des Journalismus nachdenken, nicht über Businesspläne. Schon gar nicht dann, wenn wie jetzt niemand weiß, wie unsere Geschäftsmodelle künftig aussehen werden.” Ein Gespräch mit Rusbridger, das Jakob Augstein und Philip Grassmann geführt haben, gibt es hier (vimeo.com, 7:50 Minuten).

2. “Hausmitteilung zu verkaufen”

(bildblog.de, Stefan Niggemeier)

Neue Werbeformen beim Spiegel. Das Nachrichtenmagazin verkauft seine das Heft einführende “Hausmitteilung” als Werbung.

3. “Leser wählen, wir schreiben”

(focus.de, Martin Kunz)

Leser können die Inhalte des Focus-Sonderhefts “Grüner Leben” bestimmen. Nach der Wahl des Themenschwerpunkts können die Leser Themen in Form von Berichten, Reports oder Reportagen auswählen. Leider holt man sich dabei fast den Klicktod, kurz, die Usability ist grauenhaft – vielleicht hält sich auch deshalb die Teilnahme der Leser in Grenzen.

4. Interview mit Else Buschheuer

(spiegel.de, Tobias Becker)

Autorin Else Buschheuer glaubt, dass sich “Twittern zum Bloggen wie Methadon zum Heroin” verhält. “Jeden Tag klicken meine Leser meine Internet-Seite an und lesen über meine Einsamkeit, mein Scheitern, meine kleinen Freuden. Schreibe ich zwei Tage nicht, krakeelen sie. Aber sie kaufen meine Bücher nicht, ich habe sie total verzogen.”

5. “Die radiophone Revolution”

(dradio.de, Georg Gruber)

“Das klassische Küchenradio könnte schon bald ausgedient haben, denn die Anzahl der Sender, die man mit einem derartigen Gerät empfangen kann, ist äußerst begrenzt. Anders im Internet: Hier gibt es mittlerweile Tausende von Radiostationen, die ihre Programme streamen.”

6. “Was man aus ‘6 vor 9’ lernen kann”

(upload-magazin.de, Jan Tißler)

Die Aktion zur Rettung von “6 vor 9” war erfolgreich; in nur drei Tagen wurden 2000 Euro gesammelt. Vielen Dank, das ist grossartig! Jan Tißler schreibt in einem Beitrag, was man seines Erachtens aus der Rubrik lernen kann.

Hausmitteilung zu verkaufen

Nichts ist unmöglich.
(Werbeslogan)

Prinzipiell gibt es für Medien natürlich zwei Möglichkeiten, auf schlechte Zeiten zu reagieren. Entweder können sie besonders auf die Einhaltung von Qualitätsstandards achten, um ihren Wert zu betonen. Oder sie können mitnehmen, was geht.

Für welchen Weg sich das deutsche Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” entschieden hat, konnten seine Leser heute gleich beim Aufschlagen der ersten Seite erahnen — jedenfalls sobald sie gemerkt hatten, dass das, was aussieht wie die “Hausmitteilung”, die traditionell den Auftakt des Heftes bildet, nur eine “Hausmitteilungs”-Attrappe ist. Tatsächlich handelt es sich um eine Anzeige von Toyota. Die echte “Hausmitteilung” steht erst auf der nächsten Seite:

Typographie und Gestaltung der Anzeige sind nicht identisch mit dem redaktionellen Original, ihm aber zum Verwechseln ähnlich:

In bunten Illustrierten sind solche Versuche, den Leser zu täuschen, längst Alltag. Beim “Spiegel” waren sie es bislang nicht. Der Pressekodex sagt übrigens:

Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen.

Auf das kennzeichnende Wort “Anzeige” hat der “Spiegel” dennoch lieber verzichtet.

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