Filet Hamas, Walder, Sextagebücher

1. “Sag mir, wo die Toten sind”
(faz.net, André Marty)
Der bloggende Nahostkorrespondent André Marty berichtet vom “Filet Hamas” der russischen Journalisten und von den Alltagsproblemen mit denen “in den geheizten Büros”: “Ein deutscher Kollege zum Beispiel hat’s besonders schwer mit seinem Sender in Berlin, Köln oder München, Hamburg oder Mainz – wer will das schon so genau wissen. Die Redaktion will Soldaten sehen, Uniformen müssen her. Nur: An die Soldaten kommt selbst das israelische Fernsehen kaum ran. Und noch viel blöder, wenn just dann die Kassem-Raketen der extremistischen Kämpfer in der Nähe einschlagen, während der Journalist dem Nachrichtenchef im fernen Deutschland was von zivilen Opfern des Krieges im Gazastreifen vermitteln will.”

2. “Verlinken Sie alle gemeinsam auf investigative Geschichten anderer Medien!”
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hat eine gute Idee. Weil Artikel, die mit einem hohen Aufwand an investigativen Recherchen erstellt wurden, Aufmerksamkeit verdienen, schlägt er vor, dass jede Redaktion (aus Eigeninteresse) solche Artikel bei anderen Titeln verlinken soll.

3. “Wie PR-Strategen Themen platzieren”
(taz.de, Gregor Schreiber)
“Der schmale Grat zwischen PR und Journalismus wird von Strategen genutzt, um Themen in Medien zu lancieren. Ein Erfahrungsbericht.”

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“Bild” und “B.Z.” lassen Christian Klar nicht weg

Im Lebach-Urteil von 1973 (…) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Berichterstattung über Straftäter unzulässig sei, wenn sie deren Resozialisierung gefährdet. Und das sei schon dann der Fall, wenn “unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters” im Zusammenhang mit der Tat über ihn berichtet werde, weil eine derartige Berichterstattung “sein Fehlverhalten öffentlich bekanntmacht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert.”

Der verfassungsrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts lasse es nicht zu, “dass die Medien sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters befassen”: “Vielmehr gewinnt nach Befriedigung des aktuellen Informationsinteresses sein Recht, “allein gelassen zu werden” zunehmende Bedeutung und setzt den Wunsch der Massenmedien und einem Bedürfnis des Publikums, Straftat und -täter zum Gegenstand der Erörterung oder gar der Unterhaltung zu machen, Grenzen. (…) Auch der Täter, der durch eine schwere Straftat in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten ist und die allgemeine Missachtung erweckt hat, bleibt Glied der Gemeinschaft mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz seiner Individualität.”

Das ist noch immer ständige Rechtsprechung.
(Zitiert aus: BILDblog.de vom 26.3.2007)

Und was wäre dem hinzuzufügen? Vielleicht dies:

  • Als die “Bild am Sonntag” nach der Haftentlassung der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt aktuelle Fotos von ihr veröffentlicht hatte (die tags drauf auch “Bild” zeigte), wurde ihr die Veröffentlichung anschließend gerichtlich untersagt.
  • Als “B.Z.” und “Bild” aktuelle Fotos der ehemaligen RAF-Terroristin Eva Haule nach ihrer Haftentlassung veröffentlicht hatten, wurde ihnen die Veröffentlichung anschließend gerichtlich untersagt.
  • Als gestern die “B.Z.” aktuelle Fotos des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar nach seiner Haftentlassung veröffentlicht hatte (obwohl Klar laut “Tagesspiegel” nach seiner Freilassung die Veröffentlichung von Fotos hatte untersagen lassen), kündigte Klars Anwalt an, das Blatt auf Unterlassung, Schadenersatz und Vernichtung des Fotomaterials zu verklagen (wir berichteten).

Und als scherten sich “Bild” und “B.Z.” einen Dreck um die bisherige Rechtsprechung und den Resozialisierungsgedanken, sehen ihre Titelseiten heute so aus:

“B.Z.”-Anwalt Jan Hegemann in der “B.Z.”:

“Die Berichterstattung einschließlich Fotoveröffentlichung ist zulässig.

Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Informationsinteresse daran, dass Christian Klar Verhandlungen mit einem mit Steuergeldern subventionierten Theater über einen Praktikumsplatz führt.”

In ihrer Berichterstattung verschweigen sowohl “Bild” als auch die “B.Z.” – anders als gestern Bild.de – nicht, dass Klar sein Praktikum beim Berliner Ensemble wegen einer “anhaltenden und agressiven journalistischen Kampagne einzelner Medien” und der “sensationslüsternen Berichterstattung” (bzw. wegen der “B.Z.”-Fotos) abgesagt habe. Die “B.Z.” zitiert sogar ihren eigenen Anwalt, der “die Berichterstattung einschließlich Fotoveröffentlichung” kurzerhand für “zulässig” erklärt (siehe Kasten).

Das ist wenig verwunderlich. Entschieden wird über die Zulässigkeit jedoch – auch wenn die Boulevardzeitungen der Axel Springer AG gern einen anderen Eindruck erwecken – nicht in “B.Z.” und “Bild”, sondern vor Gericht (siehe oben).
 
P.S.: Unter der Überschrift “Christian, der Dreiste!” wirft “Bild” Klar in einem Kommentar zum wiederholten Mal vor, “nie Anzeichen von Reue gezeigt” zu haben. Und ähnlich steht es auch an anderer Stelle in “B.Z.” (“Klar hat sich bis heute nicht bei seinen Opfern entschuldigt und auch keine Reue gezeigt.”) und “Bild” (“REUE ZEIGT CHRISTIAN KLAR BIS HEUTE NICHT.”).

Ob und inwiefern diese Pauschalbehauptung jedoch überhaupt noch aufrechterhalten werden kann, hat Daniel Boese, Redakteur beim Berliner Stadtmagazin “Zitty”, aus aktuellem Anlass noch einmal in einem lesenswerten Blogeintrag zusammengefasst.

(Wird vermutlich fortgesetzt…)

Nachtrag, 19:00 Uhr. Der Strafverteidiger und Blogger Udo Vetter meint, “Bild” werde Christian Klar für die Veröffentlichung des Fotos ein hohes Schmerzensgeld zahlen müssen — und auf diese Weise zu seiner Resozialisierung beitragen.

Nachtrag, 11.1.2009: In der “Bild am Sonntag” schreibt Kolumnist Peter Hahne “über Christian Klar und seinen Fehlstart in ein neues Leben”:

(…) Auch ein erklärter Staatsfeind hat in unserem Rechtsstaat das Recht auf Rehabilitation. Es gibt noch nicht einmal eine Pflicht zur Reue, wie mir Altbundespräsident Roman Herzog, der die Klar-Familie gut kennt, unlängst sagte. (…)

Illustriert hat die “BamS” Hahnes Kolumne mit den Klar-Titelseiten der “B.Z.” vom Freitag und Samstag, auf denen allerdings (auch online) Klars Gesicht unkenntlich gemacht wurde.

Nachtrag, 12.1.2009 (mit Dank an Daniel Boese): Bereits vor zwei Jahren schrieb übrigens Axel Vornbäumen in einem Seite-3-Artikel für den “Tagesspiegel” darüber, dass das öffentliche Bild von Christian Klar als “Hardliner (…), unfähig zu Einsicht und Reue” möglicherweise nicht komplett sei. Interessant ist im Hinblick auf die Haltung von “Bild” insbesondere der Anfang des Textes:

Dieser Tage hat die “Bild”-Zeitung bei Rechtsanwalt Heinz-Jürgen Schneider angerufen, man wird ja schließlich noch mal fragen dürfen. Das Blatt meldete sich mit einer ungewöhnlichen Offerte: Man wäre bereit, Schneiders Mandanten [Christian klar] einen angemessenen Platz zur Verfügung zu stellen, falls der einen offenen Brief schreiben wolle – adressiert an Waltrude Schleyer, inzwischen 90-jährige Witwe des 1977 im “Deutschen Herbst” von der Rote Armee Fraktion (RAF) ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Eine Entschuldigung wäre gut.

Doch aus dem journalistischen Scoop wurde nichts. (…)

Heute anonym XXI

Unter der Überschrift “13-Jährige ins Auto gezerrt – Wollte Michelles Mörder auch dieses Mädchen holen?” berichtet “Bild” heute groß und detailliert über ein Mädchen aus Leipzig und zeigt auch ein Foto. “Bild” hat darauf das Gesicht des Mädchens durch Verpixelung unkenntlich gemacht und nennt es:

Peggy (Name geändert)

Bild.de wiederum hat den “Bild”-Artikel übernommen und das Gesicht noch vehementer anonymisiert. Es scheint also, als hätten sich “Bild” und Bild.de in diesem Fall tatsächlich Mühe gegeben, die Identität des Mädchens zu schützen…

…wenn man mal davon absieht, dass sich bis in den Nachmittag hinein auf verschiedenen Bild.de-Übersichtsseiten Teaser fanden, in denen “Peggy (Name geändert)” einen ganz anderen Namen trug*:

*) Ob es sich bei dem Namen im Teaser um “Peggys” richtigen Namen handelte, wissen wir nicht. Vermutlich ja. Denn nachdem wir Bild.de auf den mutmaßlich mangelhaften Schutz der Identität des Mädchens aufmerksam gemacht und um Stellungnahme gebeten hatten, erhielten wir (wir kennen das) zwar keine Antwort, aber: Inzwischen heißt das Mädchen auch in den Teasern “Peggy”.

Mit Dank an Nils H. und Sebastian F.

Die halbe Wahrheit über Christian Klars BE-Absage

Der frühere RAF-Terrorist Christian Klar hat sein geplantes Praktikum als Bühnentechniker am Berliner Ensemble [BE] abgesagt. Das teilte das von Claus Peymann geleitete Theater am Freitag mit.

Die Begründung: Er fürchte, dass das Theater, Direktor Peymann und er selbst Schaden nehmen könnten, heißt es in einer Erklärung.

Peymann erklärte: “Das angestrebte Leben in Normalität nach 26-jähriger Haft scheint unter diesen Umständen nicht möglich.”

So steht’s z.Zt. auf Bild.de – und stimmt.

Was jedoch mit “diesen Umständen” gemeint ist, darüber kann der Bild.de-Leser nur spekulieren – oder es in anderen Medien nachlesen. In der Erklärung heißt es nämlich:

Nach den Erfahrungen der letzten Wochen befürchtet er, dass durch die sensationslüsterne Berichterstattung in einem Teil der Medien und die anhaltende Belagerung des BE durch Paparazzi das Theater, dessen Direktor Claus Peymann und er selbst Schaden nehmen könnten. Das angestrebte Leben in Normalität nach 26-jähriger Haft scheint unter diesen Umständen nicht möglich. Die in Lessings Theaterstück “Nathan der Weise” postulierte Idee von Vergebung und Verzeihen bleibt offenbar ein Traum.
(Hervorhebung von uns.)

Anlass für Klars überraschende Absage ist offenbar die heutige Ausgabe der Boulevardzeitung “B.Z.” (siehe Ausriss mit Unkenntlichmachung von uns). Unter der Überschrift “KLAR DA!” zeigt die kleine Berliner Schwester der “Bild”-Zeitung auf der Titelseite und im Blatt “exklusiv” mehrere offenbar gestern vorm Berliner Ensemble aufgenommene Paparazzi-Fotos von Christian Klar (“die ersten Fotos von ihm seit 17 Jahren!”).

Der “Tagesspiegel” schreibt dazu:

Die Bilder und Texte in der “BZ” zum Thema sind ohne Hinweise auf Fotograf und Autor erschienen, denn der Veröffentlichung wird ziemlich sicher auch eine juristische Aufführung folgen. Klar hatte, nach seiner Freilassung aus der Haft kurz vor Weihnachten, die Veröffentlichung von Fotos untersagen lassen. Er wolle und werde nicht öffentlich auftreten.

Und die Nachrichtenagentur dpa berichtet unter Berufung auf Klars Anwalt, es sei “ein Berliner Medienrechtler eingeschaltet worden, der bereits eine Abmahnung an die ‘B.Z.’ geschickt habe. Er werde das Blatt auf Unterlassung, Schadenersatz und Vernichtung des Fotomaterials verklagen”.

Bei “Bild” glaubt man aber offenbar, diese Hintergrundinfos den Lesern vorenthalten zu können müssen.

  • Mehr zu “Bild” und ihrem Umgang mit Ex-Terroristen auch hier und hier und hier und hier und hier.

Mit Dank an Andreas F. für den Hinweis.

Nachtrag, 21.12 Uhr: Bezüglich der “B.Z.”-Fotos wurde laut “Tagesspiegel” inzwischen eine Unterlassungsverfügung erwirkt*, die eine erneute Verwendung der Fotos untersage.

*) Nachtrag, 10.1.2009: Dass Klars Anwalt tatsächlich bereits eine Unterlassungsverfügung “erwirkt” hat, können wir bislang nicht bestätigen. Die erneute Veröffentlichung der Paparazzi-Fotos von Christian Klar in “B.Z.” und “Bild” (mehr dazu hier) erweckt zudem einen anderen Eindruck.

Rosen, Schmuddelblätter, Basic

1. Interview mit Jay Rosen
(nzz.ch)
Jay Rosen macht darauf aufmerksam, dass es in Zukunft keinen “Big Daddy” mehr im Hintergrund geben wird, der “für Werbeanzeigen sorgt, Büros bereitstellt, die Druckereien zur Verfügung stellt und sich um alles kümmert”: “Journalisten müssen lernen, unternehmerischer zu denken, eigene Unternehmen zu gründen und allein oder in kleinen Gruppen zusammenzuarbeiten.”

2. “Das Gefasel von der Ökonomisierung”
(carta.info, Stephan Ruß-Mohl)
Stephan Ruß-Mohl ist der Meinung, es habe, aus dem Blickwinkel der Konsumenten gesehen, eher eine “Ent-Ökonomisierung des Mediensektors” stattgefunden: “Bis auf die Zwangsgebühr für den Rundfunk sind wir den Utopien der 68-er vom Nulltarif für lebensessentielle Güter und Dienstleistungen so nahe gekommen wie nie zuvor.”

3. “Mainzelmänner mit gelbem Engel”
(blogmedien.de)
“Im ZDF-Spezial ‘Eisschrank Deutschland’ gab’s am Mittwochabend zur besten Sendezeit drei Minuten Werbung für den ADAC.”

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“Brauner Spuk”

Genau: Illustriert mit einem großen Hitler-Foto berichtet “Bild” heute über eine “spektakuläre Ausstellung”* in Peenemünde auf Usedom. Die Ausstellung wolle (wie es zwar nicht in der Überschrift, aber im Kleinergedruckten heißt) “mit dem Mythos aufräumen, die Nazis hätten ein Weltraumflugzeug – die Reichsflugscheibe – konstruiert”. Dazu zitiert “Bild” den Peenemünder Museums-Direktor mit den Worten:

“Auf obskuren Internetseiten wird dieser Mythos mit gefälschten Fotos gepflegt. Für uns ist das brauner Spuk.”

Und neben der Abbildung eines solchen gefälschten Fotos wird “Bild” noch deutlicher:

"Solche Fotomontagen nähren im Internet den Mythos der Nazi-Ufos (Reichsflugscheiben)"

Stimmt, “solche Fotomontagen”… und “Bild” (wir berichteten):

*) Bei der “spektakulären Ausstellung” in Peenemünde handelt es sich eigentlich nur um das Projekt “Haunebu” des polnischen Konzeptkünstlers Hubert Czerepok, das die Verschwörungstheorie um die “Nazi-Ufos” rekonstruiert – und bereits im Sommer 2008 (von “Bild” unbeachtet) zweieinhalb Monate lang in einer Galerie in Berlin zu sehen war (siehe Ausstellungskatalog [pdf]). Die “Berliner Zeitung” berichtete damals deutlich angemessener und schrieb, der Künstler setze sich “mit der Frage auseinander, wie Wirklichkeit, Medien und unsere persönlichen Wahrheiten sich gegenseitig beeinflussen”.

Newsrooms, Rabatte, Neven DuMont

1. “Die Top-100-Journalistenrabatte des Jahres 2008”
(pressekonditionen.de)
Journalisten! Greift zu, so lange es noch Rabatte gibt! Pressekonditionen.de präsentiert nach 2006 und 2007 “die 100 gefragtesten Rabatte des Jahres 2008”.

2. Interview mit Alfred Neven DuMont
(cicero.de, Constantin Magnis und Wolfram Weimer)
Auf die Frage, ob er vorhabe, vielleicht die WAZ-Gruppe zu schlucken, antwortet Verleger Alfred Neven DuMont (81): “Um Gottes willen! Mehr Zeitungen zu haben, macht einen nicht mehr so geil wie früher. Und ich für meinen Teil habe ausgesorgt. Mein letzter Wunsch gilt schon der Zeitung, der würde ich eine Zukunft wünschen.”

3. Das Negative kommt einfach positiver an
(weltwoche.ch, Kurt W. Zimmermann)
“In den letzten zwanzig Jahren habe ich eine Unmenge von kritischen Artikeln über Unternehmer und Politiker geschrieben. Öfter erwies sich die Kritik hinterher als unberechtigt. Niemand hat mir das je vorgehalten. Dieses Prinzip gilt generell. Risikovermeidung ist eine wesentliche Leitlinie des journalistischen Schaffens. Es ist kein Risiko, negative Erwartungen aufzubauen, weil dies später nicht zu Enttäuschungen führen kann. Nur positive Erwartungen können zu Enttäuschungen führen.”

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Kurz korrigiert (489)

Okay, okay: Bei der Nachrichtenagentur AFP hat es 12 Stunden und 22 Minuten gedauert, bis sie ihren Fehler bemerkt hatte. Dann aber, heute um 14.55 Uhr, verteilte AFP an ihre Kunden eine Korrektur:

BERICHTIGUNG
Achtung Redaktionen
Bitte berichtigen Sie in unserer Meldung “CNN: Fernseh-Doktor soll Obamas Gesundheitsminister werden” von 02.33 Uhr durchgehend in Überschrift und Text die Amtsbezeichnung: Der CNN-Moderator Sanjay Gupta soll dem Bericht zufolge Leiter der staatlichen Gesundheitsämter in den USA werden (nicht: Gesundheitsminister). Sie erhalten im Anschluss eine berichtigte Fassung.

Und wie lange dauert es, bis Bild.de der AFP-Bitte entspricht und nicht mehr behauptet, Gupta solle “Gesundheitsminister” werden? Mindestens 3 Stunden und 36 Minuten:

"Obamas Kabinett -- Fernseharzt als Gesundheits-Minister -- Personal-Karussell dreht sich weiter: Fernseharzt Sanjay Gupta soll Gesundheitsminister im Kabinett von Barack Obama werden."

Mit Dank an Mathias.

Nachtrag, 19.38 Uhr: Plötzlich hat’s doch geklappt mit der Korrektur – im Artikel (“Fernseh-Doktor soll Obamas Gesundheitsämter leiten”), im Teaser (“Fernseharzt Sanjay Gupta soll unter Obama Leiter der staatlichen Gesundheitsämter werden”), nur in der Teaser-Überschrift (“Fernseharzt als Gesundheits-Minister”) nicht. Aber auch das ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit.

Nachtrag, 8.1.2009: Oder auch nicht.

Privat-TV, Verkehrskreisel, Skizzen

1. Bild.de schreibt offenbar aus der NZZ am Sonntag ab
(klartext.ch, Nick Lüthi)
Karl Wendl, bei bild.de für die “Zusammenhänge der Weltpolitik” zuständig (bildblog.de), schreibt eine Kolumne, die in weiten Teilen an einen Artikel in der NZZ am Sonntag erinnert. Damit konfrontiert, spricht Wendl von einen “Irrtum” – bild.de habe fälschlicherweise eine “Skizze” veröffentlicht.

2. “25 Jahre Privat-TV”
(tagesspiegel.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein freut sich über ein Vierteljahrhundert Privatfernsehen und erklärt, was sich geändert hat: “Das Fernsehen ist nicht mehr pädagogisch. Das Fernsehen sendet, jedenfalls meistens, nicht mehr das, was eine gebildete Elite sich wünscht oder dem Volke, mit guten Gründen vielleicht, zuzuteilen geruht. Seit es Privatfernsehen gibt, wird gesendet, was die Leute sehen möchten.”

3. Migros stellt seine Werbung in Frage
(persoenlich.com, Matthias Ackeret und Christian Lüscher)
An der Verlegertagung stellt ausgerechnet der Chef der Migros, Marktleader im Detailhandel, seine bisherige Werbestrategie in Frage. Für die klassischen Verlage ein massive Bedrohung, denn schon die Kürzung des Budgets für 2009 um 50 Millionen Franken wird massive Restrukturierungsmassnahmen nach sich ziehen.

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Allgemein  

Mit leichten Abwendlungen

Karl Wendl ist Bild.de-Kolumnist und schreibt seit gut zwei Jahren über nichts Geringeres als “die Zusammenhänge der Weltpolitik”. Schließlich ist Wendl viel herumgekommen: Kriegsreporter in Bosnien und im Irak war er, in Österreich langjähriges Mitglied der Chefredaktion der Wiener Info-Illustrierten “News” und zwischenzeitlich auch mal Auslandschef bei Springers “Welt am Sonntag”. 1998 spürte er (für “News”) den österreichische Millionenbetrüger Wolfgang Rieger in den Bergen vor Nizza auf, zehn Jahre später traf er (für “Bild”) Margot Honecker in Nicaragua; er interviewte Radovan Karadczic (für “News”) und Al Gore (für “Bild”). Für “Bild” beantwortete er im US-Wahlkampf u.a. auch “die wichtigsten Fragen zum ‘schwarzen Kennedy'” und andere (“Der Fluch der Kennedys: Was hat das Schicksal bloß gegen diesen Clan?”, “Ist der Krieg im Irak am Ende doch ein Erfolg?”).

Die “FAZ” nannte Wendl mal einen “Vollprofi”.

Schlagzeilen macht Wendl jedoch zuletzt vor einem Jahr, als ihn der US-amerikanische “Star-Kolumnist und Pulitzer-Preisträger” Jim Hoagland “in der renommierten ‘Washington Post’, größte Tageszeitung der amerikanischen Hauptstadt”Äh, Quatsch! Schlagzeilchen machte Wendl zuletzt vor zwei Jahren, als sich “News” (die er 1992 mitgegründet hatte) kurzerhand von ihm trennte. Der Vorwurf damals: In der deutschen Ausgabe der Zeitschrift “Vanity Fair” war zu einigen umstrittenen Fotos des österreichischen Ex-Ministers Karl-Heinz Grasser ein Grasser-Portrait gedruckt worden, das Wendl ohne Rücksprache mit seinem Arbeitgeber für das deutsche Magazin verfasst hatte. Die “Zeit” schrieb dazu:

Das ist schon mal schlecht. Noch schlechter ist aber, dass die im Artikel verwendeten Zitate von [Grasser] aus diversen anderen Interviews zusammengesucht waren – ohne Quellenangaben.

Schlecht war das mit den zusammengeklaubten Zitaten offenbar vor allem deshalb, weil Wendls Text damit den Eindruck erwecken konnte, als habe Grasser (der laut “Süddeutsche Zeitung” Wünsche des Magazins nach einem Interview immer abgelehnt haben soll) eine gemeinsame Sache mit der “Vanity Fair” gemacht.

Nun ja.

Wenig später jedenfalls bekam Wendl dann seinen Job bei “Bild” — und eine Bild.de-Kolumne über nichts Geringeres als “die Zusammenhänge der Weltpolitik”.

Darin schrieb er gestern über den arabischen TV-Sender Al Jazeera (siehe Screenshot [pdf]).

Man könnte auch sagen: Wendl schrieb ab — aus einem Artikel über den arabischen TV-Sender Al Jazeera, veröffentlicht am Vortag in der Schweizer “NZZ am Sonntag”, ohne Quellenangabe oder einen Hinweis auf das “NZZ”-Original, dafür aber mit kleinen Abwendlungen (“Gaza-Krieg” statt “Gaza-Krise”, siehe folgende Beispiele).

“NZZ am Sonntag” Wendls Bild.de-Kolumne
Kein anderer Sender berichtet so ausführlich über die Gaza-Krise, keiner ist so populär und einflussreich in der arabischen Welt. (…) Kein anderer Sender berichtet so ausführlich über den Gaza-Krieg, keiner ist so populär und einflussreich. (…)
(…) Doch die israelische Regierung tut derzeit genau das Gegenteil. Sie sucht die Nähe zum 1996 gegründeten Sender aus dem Emirat Katar. Aussenministerin Tzipi Livni versorgte den Sender vergangene Woche mit einem Exklusivinterview. Der Oppositionsführer Benjamin Netanyahu gab sich ebenfalls die Ehre, Sprecher der israelischen Regierung und der Armee tauchen im Stundentakt zu Live-Interviews und Talkrunden auf al-Jazira auf. (…) Die Regierung in Jerusalem macht deshalb das genaue Gegenteil. Sie sucht sogar die Nähe des mächtigen TV-Kanals. Außenministerin Tzipi Livni gab dem Sender ein Exklusivinterview. Oppositionsführer Benjamin Netanyahu trat ebenfalls auf. Die Sprecher der israelischen Regierung und der Armee informieren seit Beginn der Bodenoffensive fast im Stundentakt in Live-Interviews und Talkrunden über die jeweiligen Entwicklungen.

Es sind nicht die einzigen, fast wörtlichen Übereinstimmungen. Kaum eine Info, kaum ein Gedanke in Wendls Kolumne, der sich nicht auch in der “NZZ am Sonntag”-Vorlage fände und von Wendl bloß kunstvoll auseinandergeschnippelt und neu zusammengestückelt wurde.

Aufgefallen war das alles gestern dem Chefredakteur des Schweizer Medienmagazins “Klartext”, Nick Lüthi, der nicht nur in seinem Blog darüber schrieb, sondern auch Wendl um Stellungnahme zum Plagiatsvorwurf bat. Eine Antwort erhielt Lüthi nicht.

Aber seit heute ist die aktuelle Kolumne des “Vollprofis” Wendl aus dem Angebot von Bild.de verschwunden.

Nachtrag, 20.45 Uhr: Karl Wendl weist uns darauf hin, dass Nick Lüthi von ihm inzwischen eine Antwort erhalten habe. Lüthi selbst fasst sie in einem Update seines Blog-Eintrags so zusammen:

Karl Wendls Erklärung für den “Irrtum” lautet wie folgt. Er habe der Redaktion versehentlich eine “Skizze”, statt des fertigen Artikels gemailt und das unfertige Stück sei dann veröffentlicht worden. Als er nach unserem Hinweis den “Irrtum” bemerkte, habe er die Redaktion umgehend angewiesen, den Text von der Webseite zu entfernen.*

*) Wir halten diese Erklärung für unplausibel, sind von Bild.de-Kolumnisten aber auch nichts anderes gewohnt.

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