Tages-Anzeiger, TV-Flops, Güner Balci

1. “Die Nabelschau”

(medienspiegel.ch, Andrea Masüger)

Der publizistische Direktor der Südostschweiz Medien rechnet den Personalabbau beim Tamedia-Blatt Tages-Anzeiger durch und hält ihn für gar nicht so vermessen: “Was derzeit in der Medienszene und in der Öffentlichkeit rüberkommt, ist aber etwas ganz anderes. (…) Die Kürzungsrunde beim ‘Tages-Anzeiger’ gilt als Anschlag auf die journalistische Qualität. Die Belegschaft demonstriert und die Gewerkschaften verfassen ihre stereotypen Communiqués im Duktus der Sechzigerjahre, in denen Verleger noch immer den Klassenfeind Nummer 1 repräsentieren.”

2. “10 Strategien für den Journalismus 2.0”

(medialdigital.wordpress.com)

Mit dabei: “Diskussion ermöglichen”, “Multimedial denken”, “Die Weisheit der Masse nutzen”, “Hyperlokal denken”, “Neue Technologien umarmen” und “Tue, was Du am besten kannst, und verlinke zum Rest”.

3. “In 10 Jahren gibt es keine Tageszeitungen mehr”

(netzwertig.com, Marcel Weiss)

“Werbebudgets verlagern sich Richtung Internet. Damit bricht die Haupt-Einnahmequelle für den Print-Sektor weg. Print wird dadurch mittel- bis langfristig defizitär und ökonomisch nicht mehr tragfähig.”

4. “Die größten Misserfolge der TV-Saison”

(dwdl.de, Uwe Mantel)

Wie viel doch in nur einer TV-Saison durchrauscht, also wieder eingestellt wird und als Flop abgebucht werden muss. Der Branchendienst DWDL hat 82 TV-Flops gesammelt und präsentiert sie in einer Bildergalerie.

5. “Und, wer bezahlt Journalimus?”

(zeit.de, Eva Schweitzer)

Der “Kern der Krise” im Spannungsfeld Journalismus und Geldverdienen im Internet ist gefunden: “Wer lesen will, wie viel Geld Lobbyisten von AIG an den Kongress gegeben haben, klickt noch lange nicht auf die Fotostrecke mit Paris Hilton.”

6. Gespräch mit Güner Balci

(kuechenradio.org, Audio, 107 Minuten)

Eine sehr interessante Diskussionsrunde über extrem gewalttätige Wiederholungsdeliquenten, über Migrationspolitik, über Deutsche und Ausländer. Mit einer, die sich tatsächlich mal auskennt: Der in der Berlin Neukölln aufgewachsenen Journalistin und Buchautorin (“Arabboy“) Güner Yasemin Balci.

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Der nette, hilfsbereite Angreifer von nebenan

Bei manchen Geschichten, die wir auf dieser kleinen Seite so erzählen, hat man ein gewisses Gefühl dafür, wie der Fehler, den man da gerade schildert, entstanden sein könnte: Irgendwas wurde verwechselt, vielleicht auch mal schlampig recherchiert — oder man versteht einfach mal was falsch.

Und dann gibt es die Kategorie, bei denen man nur noch zwei Möglichkeiten entdeckt. Entweder, jemand hat etwas fürchterlich falsch verstanden. Oder frei erfunden. Bei der folgenden Geschichte muss man befürchten, dass auf sie letztere Variante zutrifft.

Erst einmal zu den Fakten: In München saß, wie die Polizei im einigermaßen umständlichen Deutsch eines Polizeiberichts schildert, ein 26-jähriger Serbe mit zwei Begleitern in einer Eisdiele. Die drei wurden plötzlich von einer Gruppe angegriffen, deren Größe die Polizei mit “10 bis 20” angibt. Angeführt wurde die Gruppe von einem 24-jährigen Türken. Offenbar hatte es die Gruppe insbesondere auf den Serben abgesehen. Sie malträtierte ihn mit Schlägen, benutzte dazu auch diverse Gegenstände — und umringte den Mann schließlich.

Den weiteren Verlauf schildert die Polizei so:

Dieser zog daraufhin ein Messer und stach auf die Angreifer ein. Er selbst trug Schnittverletzungen an beiden Händen davon, die ambulant in einem Krankenhaus versorgt werden mussten. Der 24-jährige Türke erlitt einen Stich in die Brust und verstarb wenig später in einem Münchner Krankenhaus.

Der 26-Jährige ist inzwischen wieder auf freiem Fuß und hat laut Staatsanwaltschaft keine Strafverfolgung zu befürchten, da er ganz offensichtlich aus Notwehr gehandelt hat.

Das ist die Geschichte, wie sie die Polizei erzählt (und auch andere Münchner Medien). Kommen wir jetzt zu der Geschichte, wie sie die Münchner Ausgabe der “Bild” schildert. Aus dem 24-jährigen Türken, den die Polizei als Rädelsführer und Hauptangreifer schildert, wird plötzlich ein Opfer. Ein Mann, der jedem gerne half — und den seine Hilfsbereitschaft das Leben gekostet hat, wie “Bild” säuselt:

Blutiges Ende einer Massenschlägerei in der Blumenau: Muskelmann vor Eiscafé tot gestochen. Immer so aufmerksam. Der Nachbarin die Einkaufstaschen hoch - und den Abfall runtergetragen. Wenn Freunde Hilfe brauchten – Eftal K. (24) war sofort da. Doch am Sonntagabend hätte Eftal sein Handy mal besser klingeln lassen. Denn dieser Anruf und seine Hilfbereitschaft führten ihn direkt in den Tod.

Und auch der Rest der Erzählung ist nicht weniger erstaunlich: Demnach war der 24-Jährige ursprünglich gar nicht dabei, als die Schlägerei zwischen den Jugendlichen begann. Dazu gekommen sei er erst, als einer seiner in die Prügelei verwickelten Freunde einen (O-Ton “Bild”) “verhängnisvollen Anruf ” absetzte: “Eftal hilf!”. Der hilfsbereite “Muskelmann” (ebenfalls O-Ton “Bild) sei direkt von der gegenüberliegenden Wohnung seiner Mutter an den Ort des Geschehens gelaufen — und dort erstochen worden: Er “starb weil er helfen wollte”.

Und wenn man schließlich ein wenig vergleicht, was von dem, was im Polizeibericht stand, in “Bild” angekommen ist, kommt man schnell zu dem Resultat: ungefähr gar nichts. Nur, warum das so ist, ist uns auch nach vierfachem Durchlesen der Geschichte nicht klar…

Mit Dank an Florian B.!

Leidlich unvermeidlich

Am vergangenen Wochenende fand im niederländischen Landgraaf das Pink Pop Festival statt. Die “Aachener Zeitung” hat es sich natürlich nicht nehmen lassen, von diesem Großereignis in der Nachbarschaft zu berichten.

Besonders der Auftritt von Bruce Springsteen galt als “Höhepunkt des ganzen Festivals”:

“The Ghost Of Tom Joad”: energisch. “Trapped”: euphorisch. “I’m on Fire”: besinnlich. “Outlaw Pete”: sehnsüchtig. Und unvermeidlich: “Born in the USA”.

Ganz so “unvermeidlich” ist “Born In The U.S.A.” dann aber wohl doch nicht, denn wie Festivalbesucher berichten und zwei Fanseiten belegen, hat Springsteen den Song gar nicht gespielt — übrigens bei keinem seiner bisherigen Konzerte in diesem Jahr.

Mit Dank an Joachim M.

Durchschnittlich begabt

Bild.de hat gemeinsam mit einer Kölner “Namensagentur” 750 Vornamen auf ihre Karrierechancen überpüft. Von uns BILDbloggern kann nur Christian auf eine große Karriere hoffen — aber auch Kai Diekmann hat mit seinem Vornamen nur mittleres Glück.

Vermutlich eher unbeabsichtigt lernt der aufmerksame Leser aber auch noch etwas über die Begabung der Leute, die bei Bild.de die Texte eingeben:

Dennis: Ein durchschnittlich begabter Mensch könnte den Namen auch mit doppel-„n“ schreiben (-)

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 15:05 Uhr: Bild.de hat den Satz inzwischen geändert:

Ein durchschnittlich begabter Mensch könnte den Namen auch mit nur einem „n“ schreiben (-)

Erwachsen auf Probe, Verzettelung

1. “Die Hysterie um ‘Erwachsen auf Probe'”

(faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog, Stefan Niggemeier)

“Ist es nicht toll, in einem Land zu leben, in dem es mehr Kinderschutzvereine gibt als Kinder? Und in dem die größte Gefahr, die diesen Kindern droht, die Produktion und Ausstrahlung einer Fernsehsendung ist?”

2. Interview mit Helmut Thoma

(tagesspiegel.de, Joachim Huber und Kurt Sagatz)

Auch Helmut Thoma äussert sich zur RTL-Sendung “Erwachsen auf Probe“: “Als ob da Babys an völlig Unbekannte gegeben würden. Es sind doch alle Teilnehmer gecastet, und es steht dauernd jemand dabei. Im realen Leben ist die Gefahr viel größer, dass Eltern an einen jungen Babysitter geraten, der noch völlig unerfahren ist.”

3. “Das Magazin – Schluss mit Kommentieren im Web”

(persoenlich.com)

Finn Canonica, Chefredakteur des “Magazins“, versteht das “Gerede um die Möglichkeiten des Citizen Journalism” nicht und ist “skeptisch geworden gegenüber den journalistischen Möglichkeiten im Internet”. Deshalb stellt er ohne Ankündigung nach zwei Jahren die Online-Kommentare ein, die ihm “manchmal sehr ‘dahingerotzt'” erschienen. Mehr dazu im Henusode Blog und beim Journalistenschredder.

4. “Journalismus am Nullpunkt”

(heinz.typepad.com)

“Journalismus kann sich nicht mehr so finanzieren wie bisher, und zugleich verändern sich seine Rolle und seine Formen radikal. Wer heute Journalist wird, weiß weder, wovon er in Zukunft leben wird, noch wie seine Arbeit aussehen wird.”

5. “Sex sells, again and again”

(presseverein.ch)

“Blech, Blut und Busen. Im Boulevard braucht’s niedere Reize. Ob Pornosprüche im Dutzend auf 20 Minuten oder anzügliche Schlagzeilen zu irgendwelchen Themen beim Blick. Die verlegenen Verleger hatten sich das anders vorgestellt.”

6. “Cogitus interruptus – Googeln, Bloggen und Twittern”

(nzz.ch, Eduard Kaeser)

Der Physiker und Philosoph Eduard Kaeser schreibt über die neuzeitlich alltägliche Verzettelung: “Ehe ich michs versah, war meine Hauptaufmerksamkeit auf zwei oder drei Nebenspuren verzettelt. Ich fand nicht mehr zur Konzentration auf die ursprüngliche Arbeit zurück. ‘Cogitus interruptus’ nenne ich das für mich. Dagegen kenne ich zwei Mittel: Sex oder Joggen. Sie fügen mich wieder zusammen.”

Yes we count

Dann legen wir heute eben einen spontanen “Englisch lernen mit BILDblog”-Tag ein …

US-Präsident landet am Donnerstag in Dresden: One, two, three ... Jetzt läuft der Obama-Countdown

Das Wort Countdown ist zusammengesetzt aus den zwei englischen Begriffen (to) count (“zählen”) und down (“herunter”). Bei einem Countdown wird also bei einer (hohen) Zahl begonnen und heruntergezählt.

Wir haben mal einen Experten gebeten, uns (und den Redakteuren von Bild.de) so einen Countdown vorzumachen:

Mit Dank an Marco B. und C. W.

Nachtrag, 18:05 Uhr: Bild.de hat sich der Expertenmeinung angeschlossen und schreibt nun “Three, two, one …”

Reuters  etc.

Wer Storm sät, muss Gewitter ernten

— von Jörg Kachelmann —

Englisch ist ja für viele Menschen eine blöde Sprache. Oft denkt man, man wüsste, was das Zeug heißt, und dann stimmt’s gar nicht. Pathetic. Eigentlich ‘ne klare Sache. Aber heißt auf deutsch erbärmlich, nicht pathetisch. Mist. Eventually wird man’s dann lernen. Aber das heißt gar nicht eventuell, sondern am Ende, schlussendlich. Blöd.

Der “Sturm”

Reuters:
“Air-France-Maschine nach Sturm über Atlantik vermisst”

dpa:
“Möglicherweise seien im Sturm auch die Antennen und das Radar der Maschine zerstört worden.”

Schön, daß es so einfache Dinge gibt wie das Wetter. Schließlich sieht und hört man auf CNN und liest in den englischen Agenturen häufig das Wort storm. Klare Sache, oder? Das muss ein Sturm sein, der das Space Shuttle beim Landen behindert. Oder womöglich bei aktuellen Airbussen schlimme Dinge tut. Aber sonst fliegen die doch auch alle bei Sturm?

Jaja, so ein Sturm ist eben auch gar nie ein Problem, das Problem ist der storm. Ist es kein Theodor, ist es ein Gewitter. Thunderstorm war zu kompliziert, um im amerikanischen Englisch zu überleben, also wurde der Thunder einfach weggelassen. Stürme sind high winds, gales und anderes mehr, aber erst Blitz und Donner machen den storm. Aber es gibt so viele Stürme in den Medien, dass es einen langen Marsch geben wird, bis die vielen Stürme aus dem Ausland zum Gewitter werden. Kann man eigentlich Englisch beim deutschen Abitur immer noch abwählen? Das wär’ ja pathetic.

Jörg Kachelmann ist der Oberwettererklärer in der ARD und Chef Gründer des Wetterdienst-Unternehmens Meteomedia.

Steul, SPD, Facebook, Songs

1. “Welt des Journalismus”

(zweitens-magazin.de, max)

max wird betreffend einem “Einleger für die FTD” kontaktiert, lässt sich “ein Probeexemplar und die Unterlagen ‘für eine ziel- und themengerechte Ansprache potentieller Kunden’ zuschicken” und berichtet von seinen Erfahrungen: “Damit sich unser ‘Beitrag von anderen abhebt’ wird unser Firmentext ‘nach redaktionellen Aspekten bearbeitet’, uns ‘selbstverständlich zur Freigabe vorgelegt’ und dann ‘farblich unterlegt in das Gesamtbild der Reportage eingefügt’. Und dies alles gegen einen ‘Druckkostenzuschuß’.”

2. “SPD-Werbung im redaktionellen Korsett von bild.de”

(pottblog.de, Jens)

Die SPD schaltet Werbung auf bild.de. Doch nicht einfach so: “Der gesamte Bericht ist im typischen bild.de-Layout gehalten, selbst der aktuelle TV-Spot zur Europawahl wurde im ‘Bild-Videoplayer’ eingebunden.”

3. Interview mit Willi Steul

(cicero.de, Christoph Seidl)

Der neue Intendant des Deutschlandradios skypt mit seiner Familie, findet aber “Kommunikation über so etwas wie Facebook” eine “schreckliche Vorstellung”: “Ich bin ein intellektuell den modernen Medien ausgesprochen aufgeschlossener und neugieriger Mensch, wäre es anders, wäre ich im falschen Beruf. Aber ich bin 58 Jahre alt.”

4. “Verlernt, zu verweilen”

(3sat.de/mediathek, Video, 3:53 Minuten)

“Erinnern Sie sich an die Zeiten, als die Menschen am Morgen noch raschelndes Papier lasen?”

5. Schweizer Beamten droht Facebook-Verbot

(nzz.ch, Heidi Gmür)

“Die Beanspruchung des Internets in der Bundesverwaltung durch Facebook ist enorm: ‘Von den analysierten zweihundert meistbesuchten Websites betreffen 16 bis 25 Prozent der heruntergeladenen Daten allein Facebook’, sagt Claudio Frigerio, Pressesprecher des Bundesamtes für Information und Telekommunikation (BIT).”

6. “Ten Songs About Print Journalism”

(pastemagazine.com)

Zehn Lieder über Printjournalismus, von “Newspapermen Meet Such Interesting People” (Pete Seeger) bis “Yesterday’s Papers” (The Rolling Stones).

Bild  

Kurz korrigiert (495–497)

Der Fußball-Trainer Peter Hermann muss ein bedauernswerter Mann sein. Offensichtlich übersieht man ihn gerne mal — und wenn es nach “Bild” geht, dann ist er auch noch ziemlich schwach. So schwach, dass man ihm sogar die Schuld daran geben will, dass die Saison bei Bayer Leverkusen in diesem Jahr etwas, nunja, missraten war.

Normalerweise sind in solchen Fällen ja gerne mal die Trainer dran, bei Bayer ist das laut “Bild” aber nicht zwingend der Fall. Bruno Labbadia stehe zwar durchaus auf der Kippe, schreibt das Blatt, aber:

Eine geringe Überlebens-Chance bei Bayer hat er (Labbadia) aber wohl höchstens, wenn er sich einen stärkeren Co-Trainer zur Seite stellen lässt (diese Saison: Peter Herrmann).

Das wäre allerdings erstaunlich. Denn Hermann hat in den letzten Monaten vielleicht noch etwas Freizeit in Leverkusen verbracht, als Co-Trainer jedenfalls kann er in diesem Jahr dort nicht mehr gesichtet worden sein. Diesen Job übt er seit September 2008 beim frischgebackenen Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Nürnberg aus. Und wer in der zurückliegenden Saison bei Bayer 04 Leverkusen Co-Trainer war, ist auch gar kein Geheimnis. Hier beispielsweise steht’s ziemlich ausführlich erklärt.

* * *

Bleiben wir beim Fußball, gehen aber ein paar Etagen höher — in jeder Hinsicht. Nicht nur, dass wir statt von einem Co- von einem richtigen Bundestrainer sprechen. Nein, wir verlassen auch den Boden und begeben uns in die Höhe von über 12.000 Metern. Dort hat laut “Bild am Sonntag” der Bundestrainer während des Flugs der Nationalmannschaft nach China neben den Piloten Platz genommen und für entspannte Stimmung gesorgt. Nicht einmal die in dieser Höhe eher selten auftretenden Autos konnten die gute Laune im Cockpit trüben.

* * *

Als Journalist lernt man das zeitig: richtiges Zitieren. Auch bei Bild.de zitiert man richtig. Um ganz sicherzugehen auch mal aus der “Süddeutschen Zeitung”, die ein Interview mit dem Klatschreporter Michael Graeter über dessen bewegtes Leben geführt hatte. Besonders angetan hat Bild.de die Passage, in der Graeter schildert, wie er — zum einzigen Mal in seinem Leben — in die “Liebesfalle” tappte. “Bild” bedient sich des Originalzitats aus der SZ:

“Sie war in München, ich in Paris. Sie war ständig eifersüchtig. Dabei habe ich in Paris nur den Eiffelturm bestiegen. Hat sie mir aber nicht geglaubt. Da bin ich zurück. Und dann erwischte ich sie mit einem anderen Mann. Da bin ich weg, über die Dächer.”

Jene ominöse “sie” ist laut Bild.de die “schöne Schauspielerin Iris Berben”, wobei “schön” und “Schauspielerin” richtig sein mögen. Die Frage, die die SZ Graeter gestellt hatte, lautete allerdings:

“Sie tun immer so cool. Aber auch Ihnen hat man mal das Herz gebrochen, oder? Anfang der 70er Jahre waren Sie doch mit Hannelore Elsner zusammen.”

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

AFP, heise.de  etc.

Schüler entdeckt Formel für Welt-Schlagzeilen

Versuchen wir lieber gar nicht erst zu erklären, was die Bernoulli-Zahlen sind. Belassen wir es bei dem Satz: Sie sind der Stoff, aus dem Märchen sind.

Diese Geschichte beginnt in der Kleinstadt Falun in Mittelschweden. Ein 16-jähriger Einwanderer aus dem Irak schaffte es dort anscheinend auf eigene Faust, eine Formel für die Bernoulli-Zahlen zu finden — eine Aufgabe, die sonst eine Herausforderung für gestandene Mathematiker ist. Es war kein Durchbruch für die Mathematik, aber für den jungen Mann. Ein Mathematikprofessor der Universität Uppsala sagte der schwedischen Nachrichtenagentur TT, der 16-Jährige habe nichts herausgefunden, was bislang unbekannt war. Aber wenn er allein auf die Lösung gekommen sei, wofür vieles spräche, sei das eine erstaunliche Leistung für einen Oberschüler — und man würde sich freuen, wenn er einmal bei ihnen an der Uni studieren würde.

Eine kleine, regionale Geschichte aus dem Vermischten.

Allerdings machte die örtliche Zeitung “Falu Kuriren” aus der Entdeckung eines möglichen Mathe-Genies eine naturwissenschaftliche Sensation und behauptete, dass zuvor niemand eine entsprechende Formel gefunden habe. Und so ging die Meldung auf Weltreise. Die Nachrichtenagentur AFP meldete am Donnerstag:

Junger Iraker knackt Jahrhunderte altes Mathe-Rätsel

Wie die schwedische Zeitung “Dagens Nyheter” am Donnerstag berichtete, entwickelte der 16-jährige Mohamed Altoumaimi in nur vier Monaten eine Formel, um die sogenannten Bernoulli-Zahlen zu erklären und zu vereinfachen — Zahlenreihen, die nach dem Schweizer Mathematiker Jacob Bernoulli benannt sind und über die Mathematiker sich seit über dreihundert Jahren die Köpfe zerbrechen. (…)

(Ursprünglich hatte die Agentur den Mann noch “Bernouilli” genannt.)

Nun war die Geschichte also im Kern falsch, aber interessant. Die “taz” brachte sie am Freitag unter der Überschrift “Jahrhunderträtsel gelöst”; “Berliner Zeitung”, “B.Z.”, DiePresse.com, n-tv.de und viele andere übernahmen die AFP-Meldung. “Welt Online” fabulierte noch hinzu, dass für die “Bernolli-Zahlen” [sic] “bisher keine Formal [sic] existierte”.

Bereits am Freitag veröffentlichte die Universität Uppsala eine Pressemitteilung, in der sie den Meldungen und der Behauptung, man habe dem jungen Mann gleich einen Studienplatz gegeben, widersprach. Erstaunlicherweise weiß der englische Dienst von AFP von dem Dementi seit drei Tagen — und der deutsche bis heute nicht.

Über das Dementi berichtet heute auch der Nachrichtendienst “heise online”. Der Artikel beginnt mit dem Satz:

Im Internet kursieren derzeit Meldungen über einen spannenden Fall von mathematischer Frühbegabung.

“Im Internet”, soso. “heise online” selbst hatte die Falschmeldung mit Tagen Verspätung heute noch veröffentlicht, Überschrift: “16-Jähriger entwickelt Formel für Bernoulli-Zahlen”. Nach Leserhinweisen wurde die Aussage des Artikels klammheimlich ins Gegenteil verkehrt. Jeden Hinweis, dass man auch selbst der Ente aufgesessen war, ließ “heise online” weg. Bestimmt nur, um den eigenen Ruf nicht unnötig zu ruinieren.

Hat ja super geklappt.

Nachtrag, 1. Juni. “heise online” hat die Korrektur jetzt im Artikel transparent gemacht. (Und wir hatten den Schüler in der Überschrift ursprünglich einen Studenten genannt.)

Mit Dank an Mathias S. und Kai B.!

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