“Cum-Ex”-Meinungsmache, Kauflands rechter Sumpf, RTL in synthetisch?

1. Einflussnahme auf Medien? Wie der Kanzleramtschef zu “Cum Ex” Meinung macht
(tagesspiegel.de, Jost Müller-Neuhof)
Nach Informationen des “Tagesspiegel” soll Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) versucht haben, mit als vertraulich deklarierten Stellungnahmen zum Cum-Ex-Skandal Einfluss auf Medienberichte zu nehmen. “Der Austausch mit Journalistinnen und Journalisten gehört zu meinem Geschäft”, habe Schmidt verlautbaren lassen – und zu konkreten Fragen zu seinen Kontakten geschwiegen. Jost Müller-Neuhof, rechtspolitischer Korrespondent des “Tagesspiegel”, schreibt: “Viel spricht deshalb dafür, dass Schmidt sein Einwirken auf Medien zugunsten des Bundeskanzlers gar nicht als dienstliche Tätigkeit betrachtet, sondern als eine Art Privatsache, bei der er freie Hand und niemandem gegenüber Rechenschaft abzulegen hat.”

2. RBB entbindet Juristische Direktorin vom Dienst
(sueddeutsche.de)
Bei den Untersuchungen zu möglicher Vetternwirtschaft und Verschwendung im RBB rückt nun auch die Juristische Direktorin Susann Lange in den Fokus. Der Sender habe Lange im gegenseitigen Einvernehmen und bis zur Klärung der Vorwürfe vom Dienst entbunden. Dem vorausgegangen waren Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft, die vergangene Woche auf Mitglieder des aktuellen Vorstands ausgeweitet worden seien, zu denen auch Lange zählt. RBB-Interims-Intendantin Katrin Vernau betont, dass es sich bei dem Vorgang nicht um ein Schuldeingeständnis handele, auch bei Susann Lange gelte die Unschuldsvermutung.

3. Das Regime schnürt den Medien die Luft ab
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisiert die Angriffe des iranischen Regimes auf Journalistinnen und Journalisten: “Der freie Zugang zu Informationen sollte ein grundlegendes Menschenrecht sein, auch im Iran. Gerade in Phasen von Umbrüchen und Protesten ist es wichtig, sich ungehindert informieren zu können. Dass das iranische Regime diese Lebensader einfach durchtrennen will, zeigt seine Brutalität. Es zeigt aber auch, dass die Herrscher mit dem Rücken zur Wand stehen. Denn die Wahrheit lässt sich niemals komplett unterdrücken.”

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4. Kaufland wegen rechtsradikaler Bücher in der Kritik
(spiegel.de)
Auf dem Onlinemarktplatz von Kaufland werden Bücher von Rechtsradikalen und Holocaustleugnern angeboten. Das ist insofern bemerkenswert, als die Supermarktkette zuvor Produkte mit Antifa-Logo aus ihrem Onlineshop verbannt hat. Die Debatte über das Kaufland-Verhalten war durch einen Twitter-Thread von Leo Schneider ausgelöst worden, der sich “mal nach rechten Kram im Onlineshop von @kaufland umgeschaut” hatte. Das Unternehmen habe nun begonnen, einzelne Produkte aus dem Angebot zu werfen, und weitere Prüfungen in Aussicht gestellt: “Wir werden in den kommenden Tagen unsere Prozesse sowie unser Sortiment auf den Prüfstand stellen und entscheiden, ob und welche weiteren Produkte wir aus dem Angebot nehmen werden.”

5. DJV verurteilt RTL-Pläne für synthetische Nachrichtenstimmen
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
RTL arbeite gemeinsam mit Microsoft an einem Projekt zur Erzeugung von synthetischen Nachrichtenstimmen. Das Vorhaben werfe ethische Fragen auf, schreibt Thomas Lückerath bei “DWDL”. “Das geht gegen alle Prinzipien des glaubwürdigen Journalismus, auf die unser Berufsstand aufbaut”, habe der Deutsche Journalisten-Verband Lückerath gegenüber erklärt. Auch RTL-Moderator Maik Meuser, der die stimmliche Vorlage bei dem Projekt liefert, sei skeptisch: “Etwas zu hören, was ich selber nie gesagt habe mit meiner Stimme. Das fühlt sich nicht so besonders gut an”, so Meuser: “Das kann ich schon mal unterschreiben. Weil die Stimme natürlich schon ein bisschen sehr persönlich ist und wenn das genutzt wird, um etwas komplett anderes zu sagen, als es meinem Leben entspricht, dann finde ich das schon sehr bedenklich.”

6. Wie die Kronen Zeitung Leserbriefe missbraucht, um Tassilo Wallentin zu pushen
(kobuk.at, Tobias Kachelmeier)
Bei der österreichischen “Kronen Zeitung” häufen sich auffällig Leserbriefe, die sich für Tassilo Wallentin als zukünftigen Bundespräsidenten aussprechen. Pikant: Bei eben jenem Tassilo Wallentin handelt es sich um einen langjährigen Kolumnisten der Zeitung. Das Medien-Watchblog “Kobuk” hat sich die Sache näher angeschaut und hat einen Verdacht: “Eine offene Kampagne in der regulären Berichterstattung war wohl keine Option, weil zu offensichtlich.”

KW 40/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Was bleibt von den Vorwürfen gegen den NDR Kiel?
(ndr.de, Kathrin Drehkopf, Video: 29:50 Minuten)
In einem “Zapp spezial” geht es um die Vorwürfe im NDR-Landesfunkhaus in Kiel hinsichtlich einer eventuellen politischen Einflussnahme auf die Berichterstattung und den in Auftrag gegebenen internen Prüfungsbericht. Das NDR-Medienmagazin “Zapp” war bei der Vorstellung des Berichts dabei und hat mit einem Senderverantwortlichen sowie mit Mitarbeitenden über die Untersuchung gesprochen. Außerdem reden Julia Stein und Norbert Lorenzen, die ihre Posten als Redaktionsleiterin beziehungsweise Chefredakteur nun räumen müssen, erstmals über die Vorwürfe und darüber, wie sie die Aufarbeitung erleben.

2. Wie glaubwürdig sind die Medien? – Friedrich Küppersbusch im Hotel Matze
(mitvergnuegen.com, Matze Hielscher, Audio: 2:22:26 Stunden)
Älteren Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern dürfte Friedrich Küppersbusch noch als schlagfertiger Moderator der TV-Show “ZAK” bekannt sein. Heute betätigt er sich vornehmlich als TV-Produzent, aktuell beispielsweise für “Chez Krömer”. Im Podcast “Hotel Matze” geht es um Küppersbuschs Werdegang, seinen Blick auf die deutsche Medienlandschaft und all das, was er sonst noch erlebt hat.

3. Die mediale Karriere eines verurteilten Doppelmörders
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell, Audio: 27:57 Minuten)
“Der Diplomatensohn Jens Söring wurde in den USA wegen Doppelmordes verurteilt. Mehr als drei Jahrzehnte später ist er frei und ein gefragter Interviewpartner in den Medien seiner Heimat – auch im Deutschlandfunk. Doch Experten zweifeln an der Geschichte, die er in den Medien erzählt. Und kritisieren die Rolle der Journalisten dabei.” Matthias Dell mit einem spannenden Deutschlandfunk-Feature über die “mediale Karriere eines verurteilten Doppelmörders”.
Weiterer Hörtipp: Wer sich für das Thema interessiert, sollte sich unbedingt die überaus empfehlenswerte achtteilige Podcastproduktion “Das System Söring” anhören.
Und noch ein Lesetipp: In aller Gründlichkeit und Tiefe hat Stefan Niggemeier das Thema bei “Übermedien” aufbereitet: Die erstaunliche Medienkarriere des verurteilten Doppelmörders Jens Söring.

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4. Marieke Reimann über Außenwirkung und Eigenwerbung der ARD
(turi2clubraum.podigee.io, Markus Trantow & Aline von Drateln, Audio: 57:51 Minuten)
Im “turi2 Clubraum” ist Marieke Reimann zu Gast, die seit 2021 als zweite Chefredakteurin beim öffentlich-rechtlichen SWR tätig ist. Die 35-jährige Reimann kennt die Medienlandschaft aus unterschiedlichen Perspektiven: “Nach dem Studium arbeitet sie zunächst als Autorin für ‘Süddeutsche’ und ’11 Freunde’ und baut dann bei der ‘Zeit’ das Jugendmagazin ze.tt mit auf. Als ze.tt zu einem Ressort von Zeit Online wird, nimmt sie sich eine Auszeit und wechselt dann zum SWR.”

5. Hört auf uns mit New Work zu verarschen !
(druckausgleich.podigee.io, Annkathrin Weis & Luca Schmitt-Walz, Audio: 53:23 Minuten)
Annkathrin Weis und Luca Schmitt-Walz haben sich bei Journalistinnen und Journalisten nach deren Erfahrungen mit “New Work” umgehört: Sind Obstkorb, Tischkicker und Feierabendbier Errungenschaften einer neuen Arbeitskultur? Oder ist die Sache nur eine große “Verarsche”? Mit als Gast dabei: Patrick Breitenbach, einer der Köpfe des “Soziopod”.

6. Wie RTL, Sat.1 und Co. jetzt die Retro-Welle reiten
(funk.net, Walulis Daily, Video: 9:22 Minuten)
RTL hat die “Grande Dame des deutschen Nachmittags-Trash”, Richterin Barbara Salesch, zurück auf die Bildschirme geholt. Philipp Walulis erklärt, “wie großartig trashig die Neuauflage ist, warum RTL damit richtig Erfolg hat, und wie die komplette TV-Landschaft gerade wieder auf Retro setzt”.

“Bild” macht sich mit Foto von Dieter Schwarz zum Otto

Wenn irgendwo in Deutschland jemand ums Leben kommt, und “Bild” will darüber berichten, hat aber kein Foto der Person parat, dann zieht die Redaktion los, sucht nach Facebook-Profilen mit dem entsprechenden Namen und schnappt sich das zu schnappende Fotomaterial.

Wenn irgendwo in Deutschland jemand zur reichsten Person des Landes erklärt wird, und “Bild” will darüber berichten, hat aber kein Foto der Person parat, dann zieht die Redaktion los, sucht nach Facebook-Profilen mit dem entsprechenden Namen und schnappt sich das zu schnappende Fotomaterial.

Das Ergebnis sieht dann so aus:

Screenshot Bild.de - Wechsel an der Spitzenposition - Er ist jetzt der reichste Deutsche

Es geht um Lidl-Gründer Dieter Schwarz, der dem gestern erschienenen “Manager-Magazin”-Ranking zufolge der reichste Deutsche sein soll. Schwarz sei das “Phantom der Hochfinanzen”, “der geheimnisvollste Milliardär Deutschlands”, wie “Bild” vor zwei Jahren schrieb: “Keine Fotos, keine Interviews – aber 43 Milliarden Euro Vermögen”. Umso erstaunlicher ist, wo die “Bild”-Redaktion das Foto von Dieter Schwarz her hat. Als Quelle gibt sie an:

Dieter Schwarz/Facebook

Ein Mensch, der phantomartig zurückgezogen lebt, von dem es nur ganz wenige Aufnahmen gibt, der aber gleichzeitig ein Foto von sich bei Facebook postet?

Tatsächlich gibt es eine Facebook-Seite mit dem Namen “Dieter Schwarz”, auf dem das von Bild.de verwendete Foto zu sehen ist. Steckbrief: “Businessman”, 203 “Gefällt-mir”-Angaben, der letzte Post vor gut einem Jahr. Wer die Seite ins Leben gerufen hat, ist nicht klar. Jedenfalls zeigt die Aufnahme nicht Dieter Schwarz, sondern Unternehmer Michael Otto.

Die “Bild”-Redaktion hat das Foto inzwischen ausgetauscht. Nun ist im Artikel die “vom Thron gestoßene” BMW-Erbin Susanne Klatten zu sehen.

Wie gesagt: Auch bei Menschen, die ums Leben gekommen sind, gehen die “Bild”-Medien regelmäßig auf Facebook-Beutezug (was schon verachtenswert genug ist). Und auch bei ihnen liegen sie viel zu oft daneben.

Mit Dank an Alex für den Hinweis!

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Iran-Berichterstattung, Viel Wind um Eiffeltürme, Putins “Atomzug”

1. “Das ist eine Revolution”
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider & Gilda Sahebi & Sebastian Wellendorf, Audio: 5:45 Minuten)
Die Journalistin Gilda Sahebi kritisiert die deutschen Medien für ihre Berichterstattung über die aktuellen Geschehnisse im Iran. Die Angriffe des iranischen Regimes auf Studierende seien einmalig. Es sei angemessen, bei den Protesten von einer “Revolution” zu sprechen. Man müsse sich dem, was im Iran passiere, so gut wie möglich annähern: “Sonst bleibt es im Dunkeln, was dort passiert.”
Weiterer Hörtipp: Bei “Übermedien” unterhält sich Holger Klein mit der ARD-Journalistin Natalie Amiri, die ähnlicher Ansicht wie Gilda Sahebi ist: “Es gab ja noch nicht einmal einen einzigen ‘Brennpunkt’, und die Menschen sind seit drei Wochen auf der Straße.” (uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 38:08 Minuten)

2. Fördert endlich Anti-Zensur-Tools!
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Angesichts der Ereignisse im Iran setzt sich Markus Beckedahl auf netzpolitik.org für den Ausbau und die Förderung von “Anti-Zensur-Tools” ein. Eine “menschenrechtszentrierte Außenpolitik” müsse diese Werkzeuge fördern, “indem bestimmte Open-Source-Werkzeuge in die Richtung weiterentwickelt werden, dass sie einfacher von vielen Menschen zu nutzen sind. Und Werkzeuge zur digitalen Selbstverteidigung nicht nur privilegierten und gebildeten Menschen zur Verfügung stehen, sondern möglichst allen, die sie in solchen Krisensituationen benötigen.”

3. Ein Zug voller Atompanik
(uebermedien.de, Gerald Hensel)
Seit Anfang der Woche schreiben einige deutsche Medien über Wladimir Putins “Atomzug”. Gerald Hensel ist der Sache nachgegangen und hat sich zuallererst die Frage gestellt, wovon genau die Rede ist: “Die Definition und die Einschätzung, was so ein ‘Atomzug’ ist und tut, variierten beträchtlich. Man raunte, spekulierte, vermutete – wie man das dieser Tage gerne macht.”

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4. In der @BILD wurde gestern behauptet …
(twitter.com, Bundesverband WindEnergie e.V.)
Der Bundesverband WindEnergie betätigt sich auf Twitter als Faktenchecker in eigener Sache: “In der @BILD wurde gestern behauptet, es gäbe nicht genug Stahl für die Windenergie. Wir bräuchten ‘5 Eiffeltürme jeden Tag’. Daran stimmt schlichtweg nichts.” Mittlerweile ist der von “Bild” ins Spiel gebrachte Präsident des Chemieverbands zurückgerudert und hat seine Angaben auf Twitter korrigiert: “Dass 4000 Tonnen Stahl für nur eine Windkraftanlage benötigt werden, ist falsch. Diesen Fehler bedauere ich sehr, weil ich damit meinen eigenen Anspruch an die Faktentreue nicht erfüllt habe.”

5. Aktuelle Nutzung leicht unter Coronajahr 2021
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
ARD und ZDF haben eine neue Studie zu den aktuellen Trends bei der Mediennutzung vorgestellt: die “ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends 2022” (PDF). “Die Mediennutzungsdauer nimmt nur geringfügig ab und bleibt mit sieben Stunden täglich weiterhin hoch. Die meiste Zeit wird mit Bewegtbild verbracht, dahinter folgen Audio und Text. Die Reichweiten von Fernsehen und Radio liegen stabil an der Spitze. Digitale Ausspielwege gewinnen bei Audio und Video weiter an Bedeutung”, so eine Erkenntnis der Untersuchung.

6. Richterin setzt Elon Musk Frist für Twitter-Übernahme
(zeit.de)
Im Streit um die Twitter-Übernahme hat Tech-Milliardär Elon Musk eine erstaunliche Kehrtwende hingelegt. Nachdem er von seinem ursprünglichen Kaufangebot nichts mehr wissen wollte, will er den Deal nun anscheinend doch. Twitter sei jedoch skeptisch, was die Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit Musks anbelangt. Eine Richterin sieht das anscheinend ähnlich und hat Musk für die Abwicklung der Übernahme eine vergleichsweise enge Frist gesetzt.

TikToks Wortfilter, Ermittlungen ausgeweitet, NDR wehrt sich

1. TikTok schränkt Meinungsfreiheit ein
(tagesschau.de, Svea Eckert & Catharina Felke & Oskar Vitlif)
Tagesschau.de berichtet, dass die chinesische Videoplattform TikTok in Deutschland systematisch Wortfilter einsetzt. Recherchen von NDR, WDR und “Tagesschau” zufolge blockiere der hinter TikTok stehende Konzern mindestens 20 Wörter, darunter “Nazi”, “Sklaven” und “Gas”, aber auch “LGBTQ” und “schwul”. Die “Tagesschau” ist selbst bei TikTok mit einem Kanal vertreten.
Weiterer Lesehinweis: Bei “Message” fragen Florian Görres und Yaejun Rhee: “Immer mehr Medienhäuser platzieren journalistische Inhalte auf Tiktok – doch zu welchem Preis?” In Anspielung auf die aktuellen Enthüllungen zitieren sie “Tagesschau”-Chefredakteur Markus Bornheim, der 2019 gesagt habe: “Wenn wir merken, dass unsere Inhalte rausgenommen werden durch irgendeine Form von Moderation von TikTok, dann werden wir den Kanal sofort zumachen.”

2. NDR erwirkt einstweilige Verfügungen gegen “BI”, “Bild” und “Stern”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Das Landgericht Hamburg hat in mehreren Entscheidungen Verdachtsäußerungen von “Business Insider”, “Bild” und “Stern” in Bezug auf den NDR als unzulässig beanstandet. Der Springer-Konzern habe sich zwischenzeitlich rechtsverbindlich gegenüber dem NDR verpflichtet, nicht mehr zu verbreiten, dass der Chefredakteur und die Politik-Chefin im Landesfunkhaus Kiel ihre Jobs wegen Vorwürfen der Einflussnahme auf politische Berichte verlören.

3. Generalstaatsanwaltschaft weitet Ermittlungen aus
(sueddeutsche.de)
In der Affäre um den RBB hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin laut einem Behördensprecher die Ermittlungen ausgeweitet. Diese würden sich gegen zwei Führungskräfte aus der aktuellen Geschäftsleitung des Senders richten und den Verdacht der Untreue sowie der Beihilfe zur Untreue betreffen.

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4. “Es braucht eine Umverteilung”
(journalist.de, Jan Freitag)
Wer sich für die Hintergründe und die Arbeitsbedingungen in einem Sender wie dem RBB interessiert, sollte unbedingt das “journalist”-Interview mit der “Abendschau”-Moderatorin Eva-Maria Lemke und dem Investigativjournalisten Olaf Sundermeyer lesen. Beide sprechen in schonungsloser Offenheit, kritisieren die Senderführung und mahnen notwendige Reformen an.

5. “Tod auf Raten”
(taz.de, Ralf Leonhard)
Wie Ralf Leonhard aus Österreich berichtet, habe der dortige Ministerrat beschlossen, dass die bisherige Tageszeitung “Wiener Zeitung” nur noch monatlich erscheinen soll. Diese Entscheidung werde heftig kritisiert, sowohl von der Belegschaft als auch von der journalistischen Konkurrenz.

6. »Du bist ein Tyrann und eine Witzfigur«
(spiegel.de)
Der “Spiegel” berichtet von einem Fall, der in der Modewelt für viel Empörung sorgt: Eine Modejournalistin habe Kanye Wests Shirt mit dem Slogan “White Lives Matter” kritisiert. Daraufhin habe der Rapper sie auf Instagram beleidigt und spöttische und beleidigende Kommentare über sie veröffentlicht.

“Die Widerlich-Botschaft von K.I.Z” und “unser Oktoberfest, wie es wirklich ist”

Einst war die Rap-Crew K.I.Z für die “Bild”-Redaktion eine “Berliner Hip-Hop-Band” mit “Kultstatus”, ihre Live-Auftritte galten als “absolute Weltspitze”, und die Gruppe sei “schon länger dafür bekannt, sich zu Gesellschaftsthemen zu äußern.” Aber nun, wo sich Tarek, Maxim und Nico in einem neuen Song dem Oktoberfest gewidmet haben, ist alles anders:

Screenshot Bild.de - Song-Video stellt Wiesn als Suff-Koks-Kotz-Party dar - Berliner Deppen-Rapper verärgern Stadt und Wirte
(Der Vollständigkeit halber: Auf dem Weg vom “Kultstatus” zu den “Deppen-Rappern” gab es noch den Zwischenschritt “Gewalt-Verherrlicher”.)

K.I.Z und das Frankfurter Rap-Duo Mehnersmoos haben kürzlich einen Song mit dem Titel “Oktoberfest” veröffentlicht. Das dazugehörige Video, eine Collage mit allerlei Saufeireien, Pinkeleien, Torkeleien, Kotzereien, Prügeleien, Koksereien und Fummeleien vom Oktoberfest, wurde erst bei Youtube hochgeladen, dann von Youtube gesperrt, genauso wie der gesamte K.I.Z-Kanal, der inzwischen wieder erreichbar ist, allerdings ohne das “Oktoberfest”-Video. Und nun ist die “Bild”-Redaktion wütend, aber nicht, weil sie wie sonst immer, wenn etwas Künstlerisches gelöscht wurde, irgendwas mit “Cancel Culture” vermutet, sondern weil “unsere Wiesn” von den “Berliner Deppen-Rappern” besudelt werden:

Das Video, das die Berliner Rapper Tarek, Maxim und Nico (“K.I.Z”) zu ihrem neuen Song “Oktoberfest” auf YouTube hochgeladen hatten, zeigt unsere Wiesn als Suff-Koks-Kotz-Vergewaltigungs-Arie.

Die Widerlich-Botschaft von K.I.Z: Oktoberfest heißt knutschen mit Uli Hoeneß, koksen mit Markus Söder, vollgepisste Lederhosen, tausende bayerische Frauenschläger, überall Schnapsleichen. Ein mit 3 Promille tot gefahrenes Kind.

Die “Bild”-Autorin zitiert einen empörten “Wiesn-Wirte-Sprecher” (und auch nur den, sonst niemanden) und gibt sich große Mühe, das Bild vom Oktoberfest geradezurücken:

“Billige Effekthascherei”, schimpft Wiesn-Wirte-Sprecher Peter Inselkammer. “Die Bilder und Worte entsprechen nicht der Realität. Es ist leider ein Trend, dass Menschen die Wiesn benutzen, um selbst Aufmerksamkeit zu bekommen.”

Aber dass die Tatsachen falsch dargestellt werden, das ist eine neue, unschöne Variante der Oktoberfest-Sonnen-Mitnutzer. Die Wiesn 2022 war eine friedliche, fröhliche, ausgelassene. Es gab keine Schnapsleichen unter Tischen in Zelten. Es flogen keine Bierkrüge durch die Menge. Keine Koks-Linien auf den Biertischen.

Für die “Bild”-Redaktion steht fest:

Von Skandal keine Spur: die Wiesn 2022 waren fröhlich, friedlich und herzlich

So lautet eine Bildunterschrift. Und eine andere:

Wiesnchef Clemens Baumgärtner ist zu Recht stolz auf unser Oktoberfest, wie es wirklich ist

Wie das gerade zu Ende gegangene Oktoberfest “wirklich” war, kann man unter anderem herausfinden, indem man in die “Wiesn-Abschlussbilanz der Münchner Polizei” (PDF) schaut: Die Gesamtzahl der Straftaten sei im Vergleich zum Oktoberfest 2019 “etwa gleichbleibend”. Bei den Gewaltdelikten habe es einen Rückgang gegeben, bei den angezeigten Sexualdelikten einen leichten Anstieg. Im direkten Umfeld des Oktoberfests kam es zu einem versuchten Totschlag.

Wenn “Bild” schreibt, es seien keine Bierkrüge durch die Menge geflogen, ist das entweder völlig unwissend oder gelogen, jedenfalls schlicht falsch. 35 Fälle zählte die Polizei, in denen es zu Körperverletzungen mit dem Tatwerkzeug Maßkrug kam, drei mehr als 2019. Ein Beispiel aus einem Polizeibericht:

Zeitgleich kam ein dritter Täter hinzu, der mit voller Wucht dem immer noch am Boden liegenden 23-jährigen Geschädigten einen Maßkrug auf den Kopf schlug.

Ein weiterer beispielhafter Fall:

Am Samstag, 24.09.2022, gegen 22:00 Uhr, gerieten ein 25-Jähriger mit Wohnsitz in München und ein 22-Jähriger aus dem Landkreis Schwandorf in Streit. Im weiteren Verlauf des Streites warf der 25-Jährige dem 22-Jährigen einen Maßkrug ins Gesicht.

Und noch einer:

Am Mittwoch, 28.09.2022, gegen 19:00 Uhr, kam es in einem Festzelt zwischen einem 38-jährigen Franzosen und seinen Begleitern zunächst zu einem verbalen Streit mit einem 25-jährigen Australier. Im Laufe der Auseinandersetzung griff der Franzose nacheinander mehrere auf dem Biertisch stehende Maßkrüge und warf diese in Richtung des 25-Jährigen. Durch die Würfe wurde der 25-Jährige am Kopf getroffen und ging daraufhin mit einer Platzwunde zu Boden. Ein weiterer Maßkrug traf einen bislang unbekannten Geschädigten, der sich jedoch anschließend unerkannt entfernte.

Wenn es im Song von K.I.Z und Mehnersmoos also heißt “Heute schieß’ ich mir die Birne weg, Bierkrüge fliegen durchs Wiesn-Zelt” oder “Ich haue einem Bauern die Augen lila, mit einem Bierkrug von Augustiner” oder “Ich steh’ mit Motorradhelm, mitten im Bierkrughagel, werd’ dir das Riesenmaß, über die Rübe schlagen” ist das nicht völlig entkoppelt von der Realität.

Genauso die Textzeile “Bin hacke und mache den Hitlergruß”. Die Polizei berichtet von mehreren Fällen, in denen Personen den Hitlergruß gezeigt oder Äußerungen mit Bezug zur NS-Zeit getätigt haben sollen.

Und auch zur Songpassage “Heut begeh’ ich einen sexuellen Übergriff, Spießer sagen: ‘Vergewaltigung’, wir nennen es einfach nur ‘Tradition'” findet man Zahlen in der “Wiesn-Abschlussbilanz der Münchner Polizei”: Es gab in diesem Jahr Anzeigen zu drei Vergewaltigungen und einer versuchten Vergewaltigung auf dem Oktoberfestgelände. Insgesamt hat die Polizei 55 Sexualdelikte gezählt (2019: 47).

Dass es, wie “Bild” schreibt, “keine Koks-Linien auf den Biertischen” gegeben hat, ist eher unwahrscheinlich. Die Polizei schreibt in ihrer Abschlussbilanz:

Im Bereich der Aufgriffe von Betäubungsmittel wurde ein Rückgang festgestellt. Die Polizei leitete hier 184 (-22,7%; 2019: 238) Ermittlungsverfahren ein (Festnahmen: 2022: 174; 2019: 242). Hauptsächlich handelte es sich dabei um den unerlaubten Besitz von geringen Mengen von illegalen Betäubungsmitteln. Vorwiegend konnte Cannabis und Kokain festgestellt werden. Der Rückgang der Aufgriffe im Vergleich zu 2019 lässt sich vermutlich ebenfalls auf die schlechte Witterung zurückführen.

Angesichts der völligen Leugnung aller negativen Aspekte am Oktoberfest durch “Bild”, wo es noch nicht mal “Schnapsleichen unter Tischen in Zelten” geben darf, scheint ein Song mit dem gegrölten Refrain “O, o, o’zapft is, wenn du mich suchst, ich liege unterm Tisch, O, o, o’zapft is, die Lederhosen san vollgepisst” einer Band, die sich wahlweise als “Kannibalen in zivil” oder “Klosterschüler im Zölibat” bezeichnet, der Realität deutlich näher zu kommen als der Artikel einer Redaktion, die vorgibt, journalistisch zu arbeiten.

Auf der heutigen “Bild”-Titelseite findet man übrigens diese Geschichte:

Ausriss Bild-Titelseite - Er spricht von Raub. Er wurde gefesselt und festgesetzt - FDP-Politiker schlägt Frau ins Gesicht
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Wo das passiert sein soll? Auf dem “fröhlichen, friedlichen und herzlichen” Oktoberfest.

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Nichts begriffen, Amigo-Kultur?, “Stinkefinger an die Leserschaft”

1. “Die hat noch immer nicht begriffen, worum es wirklich geht”
(journalist.de, Jan Freitag)
Beim “journalist” sprechen Kayhan Özgenç und Jakob Wais von “Business Insider” über ihre Recherchen zum Fall der ehemaligen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, der sie wenig Einsicht attestieren: “Es mangelt ihr offenbar bis heute an Verständnis, Selbstkritik, Demut – von Reue gar nicht zu sprechen – darüber, dass sie womöglich übers Maß ihrer Privilegien hinausgeschossen ist. Und das, während kaum jemand im Sender sagt, wie schade es sei, dass Patricia Schlesinger gehen musste. Diese Stimmung überhaupt nicht wahrzunehmen, ist besonders für eine Journalistin, die ja davon lebt, Stimmungen zu erspüren, schon überraschend.”
Weitere Lesehinweise: In der Affäre um den RBB habe die Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Ermittlungen auf den Verwaltungsdirektor und ehemaligen stellvertretenden Intendanten sowie die Juristische Direktorin ausgeweitet (sueddeutsche.de).
Außerdem hat die “Business-Insider”-Redaktion mit ihren Recherchen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachgelegt: Amigo-Kultur? Wie der Nachbar und Mieter der stellvertretenden NDR-Intendantin vom öffentlich-rechtlichen Sender profitiert (Philip Kaleta).

2. Leuchtturm 2022 für Arndt Ginzel
(netzwerkrecherche.org)
Das Netzwerk Recherche (nr) hat auf seiner Jahreskonferenz den Journalisten Arndt Ginzel mit dem “Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen 2022” ausgezeichnet: “Arndt Ginzel ist mit seinen Recherchen wie kaum jemand sonst vor Ort russischen Kriegsverbrechen nachgegangen und hat damit dem deutschen Publikum auf herausragende Weise die Schrecken dieses Krieges Nahe gebracht. Wir freuen uns sehr, ihn mit dem diesjährigen Leuchtturm des Netzwerk Recherche auszuzeichnen”, so der nr-Vorsitzende Daniel Drepper. Die Laudatio hielt “Spiegel”-Reporter Christoph Reuter (youtube.com, 14:30 Minuten).

3. Der Nestbeschmutzer zu NR22 zum Nachlesen
(netzwerkrecherche.org)
Anlässlich der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche haben Studierende der Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Uni Hamburg erneut eine Zeitung produziert. Der kostenlos als PDF verfügbare “Nestbeschmutzer” widmet sich unter anderem dem Klima- und Lokaljournalismus, den Schwierigkeiten der Kriegsberichterstattung und der mangelnden Diversität in Redaktionen.

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4. Warum SZ-Journalismus visueller wird
(sueddeutsche.de, Wolfgang Jaschensky & Astrid Müller & Christian Tönsmann)
Die “Süddeutsche Zeitung” will online visueller werden und setzt dabei auf ein Programm, das eine visuell ansprechendere Einbettung von interaktiven Grafiken, großen Bildern und Videos und damit ein ästhetischeres Layout ermögliche: “Die Software war ein Experiment, das bei seiner ersten Anwendung funktionieren musste: Es gab keine Erfahrung, geschweige denn Routine mit der Veröffentlichung, es gab nicht einmal einen Knopf, auf dem ‘veröffentlichen’ stand.” Ein lohnenswerter Blick in die Werkstatt.

5. Musk will Twitter jetzt doch kaufen
(tagesschau.de)
Nach einem schier endlosen Hin und Her will Tech-Milliardär Elon Musk den Onlinedienst Twitter nun wohl doch kaufen. Eigentlich sollte diesen Monat der Prozess über den möglichen Rücktritt vom Vertrag beginnen. Das kann allerdings vermieden werden, sollten sich beide Parteien auf die ursprünglichen Bedingungen verständigen.

6. Das Medium als Insel, die niemand verlassen darf
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Markus Reuter ärgert sich über etwas, über das wir uns alle schon geärgert haben: Die Unsitte großer Medienplayer, keine Links auf externe Webseiten zu setzen (und wenn sie Links setzen, dann oft nur zu irgendwelchen Seiten des eigenen Angebots). Reuter fasst zusammen: “Wer Links vermeidet, hat nicht genug Arsch in der Hose, um an die eigenen Inhalte und an die eigenen Leser:innen zu glauben. Es ist ein Stinkefinger an die Leserschaft. Und ein journalistisches Armutszeugnis.”

Verschlossene Auster Tesla, Doofe “Tausend Zeilen”, Precht & Welzer

1. Verschlossene Auster 2022 für Tesla
(netzwerkrecherche.org, Franziska Senkel)
Traditionell verleiht das Netzwerk Recherche, die Vereinigung der Investigativjournalistinnen und -journalisten, alljährlich einen Negativpreis für “den Informationsblockierer des Jahres”: die “verschlossene Auster”. Die fragwürdige Auszeichnung geht dieses Jahr an den Automobilhersteller Tesla. Das Unternehmen sei “seit Jahren dafür bekannt, Recherchen und Berichterstattung aktiv und aggressiv zu behindern. Elon Musk selbst hat in der Vergangenheit immer wieder Journalist:innen bedroht, verbreitet regelmäßig Falschnachrichten und manipuliert die Medien für seine persönlichen finanziellen Interessen”, so der Netzwerk-Recherche-Vorsitzende Daniel Drepper in seiner Begründung.

2. Wie doof kann ein Film sein? Bully: Ja!
(youtube.com, Wolfgang M. Schmitt, Video: 20:20 Minuten)
Regisseur Bully Herbig hat die “Spiegel”-Affäre um Claas Relotius verfilmt. Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt hat sich den Film “Tausend Zeilen” angeschaut. In seiner sehens- und hörenswerten Analyse befindet er: “Eigentlich ist das Kino der ideale Ort für eine Hochstaplergeschichte, da der Film ohnehin eine Kunst ist, die mit der Lüge flirtet. Daraus aber macht Herbig nichts – weder inhaltlich noch ästhetisch.”

3. «Man ist für jede staatliche Corona-Massnahme, oder man ist Schwurbler und Querdenker» – Richard David Precht und Harald Welzer rechnen mit den Medien ab
(nzz.ch, Lucien Scherrer)
“Richard David Precht und Harald Welzer gehören zu jenen Intellektuellen, die in den deutschsprachigen Medien fast noch wichtiger genommen werden, als sie sich selbst nehmen.” Die beiden Autoren würden mit ihrem jüngsten Buch über die “Selbstgleichschaltung” der Medien (so eine mittlerweile entfernte Formulierung aus der Vorankündigung des Buchs) ein seltsames Medien- und Demokratieverständnis offenbaren, findet Lucien Scherrer in der “NZZ”.

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4. Fluten wir die Wutmaschinen mit Journalismus!
(arminwolf.at)
“Ich finde ja, dass Social Media den öffentlichen Diskurs ziemlich versaut haben. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass es auf Social Media seriösen Journalismus geben muss und dass professionelle Medien dort aktiv sein sollen.” In seinem Essay plädiert ORF-Anchor Armin Wolf dafür, dass Medien sich in den Sozialen Medien weiterhin engagieren: “Sie sollen posten und aktiv sein und, soweit sie es personell und zeitmäßig schaffen, auch mit ihrem Publikum diskutieren. Sie sollen dort, wo Millionen Menschen sind, zuhören, Kritik annehmen, die eigene Arbeit erklären und auch zurückreden, wenn es notwendig ist. Aber die wichtigste Aufgabe ist: Flood the zone with journalism.”

5. “Querdenken schlägt Dich, Polizei schaut weg und das gericht interessiert es nicht”
(belltower.news, Luisa Gerdsmeyer)
Der Journalist Julian Rzepa wurde auf einer “Querdenken”-Demonstration in Freiburg von mehreren Demonstrierenden körperlich angegriffen, sein Kameraobjektiv wurde dabei zerstört. Rzepa habe gegen die Haupttäterin Anzeige erstattet, doch das Verfahren sei aufgrund von “mangelndem öffentlichen Interesse” eigestellt worden. Im Gespräch mit dem Opferfonds “CURA” berichtet er von seiner anstrengenden Arbeit, dem Angriff auf ihn und dem Ausgang des Verfahrens, das ihn desillusioniert habe.

6. Ein epd-Interview mit Günter Wallraff
(epd.de, Diemut Roether)
Die Lichtgestalt des Investigativjournalismus, Günter Wallraff, ist am vergangenen Wochenende 80 Jahre alt geworden. Diemut Roether vom Evangelischen Pressedienst sprach mit ihm über verdeckte Recherchen, seine zahlreichen Prozesse, das “Team Wallraff” und über Vorbilder im Journalismus.

KW 39/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich (langes) Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Mildes Urteil nach Nazi-Angriff auf Journalisten
(ndr.de, Zapp, Julian Feldmann, Video: 15:36 Minuten)
Vor vier Jahren kam es in Thüringen zu einem heftigen Zwischenfall: Als zwei Fotografen vor dem Haus eines NPD-Politikers fotografierten, wurden sie von zwei Neonazis angegriffen und schwer verletzt. Eines der Opfer erlitt einen Schädelbruch, das andere einen Messerstich ins Bein. Nach einem langwierigen Verfahren kam es nun zu einem Urteil, das sowohl von den Opfern als auch von Außenstehenden als verstörend mild empfunden wird. Julian Feldmann ist ins thüringische Fretterode gereist und hat mit einem der Opfer sowie dem Sprecher des Landgerichts gesprochen.

2. Markus Feldenkirchen in der “Hörbar Rust”
(ardaudiothek.de, Bettina Rust, Audio: 1:22:43 Stunden)
In der “Hörbar Rust” begrüßt Bettina Rust den Journalisten Markus Feldenkirchen, der im Hauptstadtbüro des “Spiegel” arbeitet und den “Spiegel”-Video-Talk “Spitzengespräch” moderiert. Darüber hinaus ist Feldenkirchen auch als Gast von TV-Talkshows und als Sachbuchautor (“Die Schulz-Story”) bekannt. Im Gespräch mit Bettina Rust geht es um seinen Werdegang, beginnend mit seiner “phantastischen Jugend” bis hin zur Jetztzeit.

3. Warum sollten sich Medienschaffende regelmäßig mit Medienrecht auseinandersetzen, Dr. Gabriele Stark?
(newsfluence.podigee.io, Eva-Maria Schmidt, Audio: 23:29 Minuten)
In der aktuellen “Newsfluence”-Folge erklärt die auf Medienrecht spezialisierte Juristin Gabriele Stark, wie sich Journalistinnen und Journalisten vor unnötigen Abmahnungen und teuren Strafen schützen können und welche Rechte sie kennen und beachten müssen.

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4. Wieso werden Werkstätten für behinderte Menschen in den Medien kaum kritisiert?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 15:33 Minuten)
Beim RBB-Hörfunksender Radio Eins sprachen vergangene Woche Menschen mit und ohne Behinderung täglich über Themen wie Barrierefreiheit und die Frage, wie inklusiv der RBB selbst ist. Dabei trafen der Aktivist Raul Krauthausen, der mit seinem Verein “Sozialhelden” für mehr Teilhabe kämpft, und Beatrix Babenschneider, eine ehemalige Werktstatträtin, aufeinander. Das Publikum der Diskussion sei offenbar fast ausschließlich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Werkstätten für Menschen mit Behinderung besetzt gewesen. Das habe für eine erhebliche Schieflage gesorgt, so die vielgeäußerte Kritik in den Sozialen Medien. Holger Klein hat sich mit Raul Krauthausen über das Thema ausgetauscht.

5. Interviews freigeben – Fluch oder Segen?
(talkingdigital.de, Kristin Dolgner & Sachar Klein & Giuseppe Rondinella, Audio: 35:01 Minuten)
Bei “Talking Digital” geht es um den Freigabeprozess von Interviews: “Warum haben solche gescheiterte Interviews in den vergangenen Jahren gefühlt zugenommen? Warum überhaupt hat sich diese Autorisierungspraxis nur in Deutschland durchgesetzt? Was sind Vor- und Nachteile? Und warum machen Medien gescheiterte Interviews selbst zum Thema?”

6. “Markus Lanz” vom 29. September 2022
(zdf.de, Markus Lanz, Video: 1:16:05 Stunden)
Das neue Buch von Philosoph Richard David Precht und Soziologe Harald Welzer (“Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist”) kam in den bisherigen Rezensionen (“FAZ”, “Übermedien”, “Frankfurter Rundschau”, “Stern”) nicht allzu gut weg. In der Talksendung von Markus Lanz diskutierten die beiden Buchautoren mit der “Spiegel”-Journalistin Melanie Amann und dem “Welt”-Journalisten Robin Alexander. Ein bemerkenswertes Aufeinandertreffen.

Twitters Probleme, Scheitern an Google, Ohne Rückendeckung

1. Werbekunden fordern von Twitter Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch
(spiegel.de, Torsten Kleinz)
Auf Twitter sollen mehr als 500 Accounts Werbung für Kindesmissbrauchsmaterial gemacht haben. Die Tweets hätten der Kontaktanbahnung gedient und seien mit Codewörtern oder einschlägigen Hashtags versehen worden. Als Reaktion darauf hätten einige Großkunden ihre Anzeigenkampagnen gestoppt. Twitters Nachlässigkeit in dem Bereich könnte also noch teure Folgen haben.
Weiterer Lesetipp: Porno-Riesen schränken Suchfunktion ein – teilweise: “Die drei weltgrößten Pornoseiten reagieren auf Fälle sexualisierter Gewalt. Sie schließen problematische Begriffe aus der Suche aus, Pornhub verlinkt gar auf Hilfsangebote. Im direkten Vergleich sticht eine Seite jedoch heraus.” (netzpolitik.org, Sebastian Meineck)

2. Buchtipp: Neuauflage “Der Aufmacher”
(verdi.de, Tilmann P. Gangloff)
Zum achtzigsten Geburtstag von Günter Wallraff veröffentlicht der Verlag Kiepenheuer & Witsch eine Neuauflage des “Bild”-kritischen Klassikers “Der Aufmacher”. Das Buch entpuppe sich als überraschend aktuell, wie Tilmann P. Gangloff findet. Die Mechanismen des Marktes seien die gleichen geblieben: “Die Digitalisierung hat diese Art von ‘Journalismus’ nicht verändert, er ist bloß noch überdrehter geworden.”
Weiterer Hinweis: Natürlich muss in diesem Zusammenhang auf das Buch meiner BILDblog-Kollegen Moritz Tschermak und Mats Schönauer verwiesen werden: Ohne Rücksicht auf Verluste – Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet (kiwi-verlag.de).

3. Hätten Precht und Welzer doch einfach mal jemanden gefragt!
(uebermedien.de, Nils Minkmar)
Vor wenigen Tagen haben der Philosoph Richard David Precht und der Soziologe Harald Welzer ihr neues medienkritisches Buch vorgestellt (“Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist”). Nach Harald Staun (siehe die “6 vor 9” vom 27. September) beschäftigt sich nun auch Nils Minkmar mit dem Werk. Sein Eindruck: “Was die beiden eigentlich mit diversen Gedankengängen und nur halb tauglichen Beispielen beklagen, ist ihre Minderheitenposition in der Ukrainefrage, denn beide verhalten sich abwartend bis neutral, was die Hilfe für Kiew angeht.”

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4. Was bekommen junge Erwachsene für ihren Rundfunkbeitrag?
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, 37:11 Minuten)
Jutta Harrer-Amersdorffer, Professorin für soziale Arbeit, will wissen, warum es für junge Erwachsene nicht mehr Angebote bei ARD und ZDF gibt. Darüber diskutiert sie mit HR-Intendant Florian Hager, bis vor Kurzem für die Entwicklung der ARD-Mediathek verantwortlich, und Annika Schneider aus der Deutschlandfunk-Medienredaktion.

5. Freie Krisen- und Kriegsreporter – Im Einsatz ohne Rückendeckung
(message-online.com)
Laurent Schons Film “Im Einsatz ohne Rückendeckung” (youtube.com, 12:11 Minuten) beschäftigt sich mit dem Thema Kriegsberichterstattung und lässt einige erfahrene Reporterinnen und Reporter zu Wort kommen: “Jörg Armbruster und Alex Chan Tsz Yuk – beide gerieten im Einsatz unter Beschuss. ‘Netzwerk Recherche’-Vorstandsmitglied Pascale Müller und Auslandskorrespondent Marc Engelhardt geben Einblicke in die Branche und ‘Reporter ohne Grenzen’-Sprecher Christopher Resch zeigt Wege aus der Krise auf.”

6. Deutsche Verlage scheitern an Google
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz & Alexander Fanta)
“Eigentlich sollten Google und weitere Tech-Konzerne den Medien in Europa Geld für die Nutzung ihrer Inhalte zahlen. Doch während die Presse anderswo Millionen an Lizenzgebühren kassiert, kommt hierzulande wenig an. Das Nachsehen haben insbesondere Journalist:innen.” Ingo Dachwitz und Alexander Fanta erklären, warum die deutschen Verlage nicht weiterkommen im Kampf um die Digitalgelder der Plattform-Giganten.

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