Bild  

Das schmieren wir denen jetzt aufs Brot!

Die Geschichte stand am Samstag im Sportteil. Sie hätte aber genauso gut in die Ressorts “Brotaufstriche” oder “Krumme Geschäfte” gepasst:

Nutella-Frühstück unter Palmen / Hummels: Ich will nicht zu den Bayern!

“Bild”-Reporter Christian Kynast traf sich für die Ruhrgebietsausgabe der “Bild”-Zeitung mit dem Dortmunder Bundesliga-Spieler Mats Hummels auf (je) ein Nutella-Brötchen. Ein Fotograf machte Aufnahmen, die den Spieler, das Brötchen und den Brotaufstrich schön in Szene setzten. Und der Artikel dazu liest sich so:

Zwischen Weihnachten und Neujahr jettete Mats Hummels (22) fünf Tage nach Südafrika: Dreh für den neuen Nutella-Werbespot. Aber auch im Trainingslager in Jerez muss der BVB-Star nicht auf seine Lieblings-Leckerei verzichten. BILD traf ihn zum Nutella-Frühstück.

BILD: Schmeckt’s, Herr Hummels?

Hummels: “Super! Das liebe ich schon seit meiner Kindheit.” (…)

BILD: Ihr Nutella-Kollege Manuel Neuer grübelt ja gerade, ob er bei Schalke bleiben oder gehen soll…

Hummels: “Ich kann das gut nachvollziehen. Auf der einen Seite ist er eng mit dem Klub verbunden, hat viele Freude da und stand selbst in der Kurve. Auf der anderen Seite spielt man bei Bayern fast immer Champions League.”

BILD: Viele ehemalige Nutella-Boys haben nach dem Werbespot einen Karriere-Knick bekommen. Fürchten Sie sich vor dem Nutella-Fluch?

Hummels: “Der hat sich doch längst ins Gegenteil gedreht. Bei Manuel und Mesut Özil läuft’s ja auch nicht so schlecht…”

Mit Dank an Thomas S.!

Über den Wolken und über die Perspektive

Was für ein faszinierender Stoff doch diese “Luft” ist: Wir brauchen sie zum Leben; wir können sie in Gummischläuche pressen, um sanft über die Straßen zu rollen; es gibt sie kalt oder heiß und manchmal sieht man in ihr auch so etwas:**

Neulich über NRW: Warum kommen sich diese Jets so nah? Spektakuläres Flugmanöver über Selm (NRW): Oben fliegt eine Boeing 747, unten eine Boeing 777. Auf dem Leitwerk ist die Lackierung von Etihad Airways aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu erkennen

Bild.de nennt die Fotos des Leser-Reporters aus NRW “wirklich spektakulär” und in der Tat sehen die Aufnahmen für das unbedarfte Auge irgendwie spektakulär aus.

Ein bisschen weniger spektakulär wird es allerdings, wenn Bild.de direkt selbst schreibt, dass der Leser-Reporter ein 1000-Milimeter-Objektiv benutzt habe — Teleobjektive mit dieser Brennweite liefern ein stark verzerrtes Bild, auf dem auch weit voneinander entfernte Objekte nah beieinander wirken. In einem Fliegerforum gehen die Diskutanten deshalb auch davon aus, dass der Mindestabstand von 1.000 Fuß (rund 330 Meter) “locker” eingehalten wird.

Davon ab handelt es sich bei den Maschinen auch nicht um “eine Boeing 747 und eine Boeing 777”, sondern um zwei Airbusse: oben um einen A 340, unten mutmaßlich um einen A 330 oder A 300.* Etihad hat in seiner Flotte gar keine 747.

Doch damit nicht genug: Nachdem sich der Leser-Reporter laienhafte Sorgen gemacht hat (“Da sind doch bestimmt die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände nicht eingehalten.”) hat Bild.de bei einem Experten nachgefragt:

BILD.de zeigte die Aufnahmen dem anerkannten Flugsicherheits-Experten Tim van Beveren. Seine Einschätzung: “Der vorgeschriebene Mindestabstand von 1000 Fuß oder 300 Metern ist hier auf jeden Fall deutlich unterschritten. Ich tippe auf einen genehmigten Testflug von Boeing. Ein Flugzeug wird getestet, das andere zeichnet die Daten auf. In diesem Fall dürfen die Flugzeuge allerdings so dicht nebeneinander herfliegen.”

Auf unsere Anfrage erklärte Tim van Beveren, er habe zunächst einige Mutmaßungen geäußert, als Bild.de ihn mit den Fotos konfrontiert habe. Die Reporter hätten den Artikel dann vorschnell veröffentlicht und einen “nicht überprüften Sachverhalt zu Tatsachen gemacht”, weswegen er bereits bei der Axel Springer AG interveniert habe.

Offenbar deshalb hat Bild.de die Passage mit van Beverens angeblichem Zitat in der einen Version des Artikels zunächst durch die treudoofe Frage “Oder täuscht hier nur die Perspektive?” ersetzt, in einer zweiten Fassung aber online gelassen. Inzwischen sind beide Versionen offline genommen.

Mit Dank an Thomas, Michael K., Robin A. und PM.

*) Hinweis, 13. Januar: Uns haben diverse Piloten, Flugzeugfans und -experten geschrieben, welche Flugzeugtypen auf den Fotos wirklich zu sehen seien — jeder Einzelne kam zu einem anderen Ergebnis.

Wir bleiben dran!

Nachtrag/Korrektur, 13. Januar: Der von Bild.de befragte Experte Tim van Beveren hat uns nach einer ausführlichen Auswertung der Fotos und der Daten der Deutschen Flugsicherung mitgeteilt, was darauf wirklich zu sehen ist:

Die obere Maschine ist demnach eine Boeing 747-400 der British Airways auf dem Weg von Bangalore (Indien) nach London-Heathrow (Flug-Nr. BA 118) in einer Höhe von 40.000 Fuß (12.192 Meter), die untere ein Airbus A 319, ebenfalls von British Airways auf dem Weg von Warschau nach Heathrow. Er fliegt auf 38.000 Fuß (11.582 Meter), was bedeutet, dass der Mindestabstand nicht nur locker eingehalten wurde, sondern theoretisch auch noch eine Maschine in Gegenrichtung zwischen den beiden Flugzeugen hätte durchfliegen dürfen.

Der abgebildete Überholvorgang habe am 30. Dezember 2010 zwischen 14.18 Uhr und 14.19 Uhr über NRW stattgefunden und sei völlig normal.

Van Beveren erklärt, er habe seine ersten groben Einschätzungen auf der Grundlage eines Fotos mit schlechter Bildqualität und unter der Vorgabe gemacht, dass der Fotograf zwei Maschinen von Etihad zu sehen glaubte. Diese Einschätzungen seien aber nie zur Veröffentlichung bestimmt gewesen.

**) Hinweis, 14. Januar: Auf Wunsch des Leser-Reporters haben wir sein Foto und seinen Namen aus dem Artikel entfernt. Er beharrt außerdem darauf, dass es sich “zu 100%” um Maschinen von Etihad Airways handle.

Wie ein Werbetext für den Suizid

Für Jugendzeitschriften sind wir BILDblogger alle zu alt bzw. zu kinderlos. Die “Bravo Girl” haben wohl die wenigsten von uns jemals in den Händen gehalten. Dabei hat dieses bunte Mädchenmagazin im vergangenen Jahr fast unbemerkt den Deutschen Presserat beschäftigt.

In einer Ausgabe hatte “Bravo Girl” über eine 15-jährige Schülerin berichtet, die sich nach anhaltendem Mobbing ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler das Leben genommen hatte.

Doch was heißt da “berichtet”? In schönste Suizid-Prosa gegossen hatten die Redakteure den Selbstmord:

Wie ferngesteuert geht Phoebe rauf in ihr Zimmer, greift sich einen langen, bunten Schal. Vorsichtig bindet sie ihn zu einer Schlinge. Ihre schmale Finger zittern. Unendlich traurig fällt ihr Blick noch ein letztes Mal in ihr Mädchenzimmer. Tränen tropfen von ihren blassen Wangen. Phoebe seufzt. Dann erhängt sie sich. Phoebe wollte sterben, weil sie zu hübsch war.

Die Schilderungen sind nicht nur wahnsinnig detailliert angesichts der Tatsache, dass es keine Zeugen gab, sie sind auch falsch: Phoebe erhängte sich im Treppenhaus.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Der Presserat sah in dem Artikel einen Verstoß gegen die Ziffer 8 und Ziffer 11 und kritisierte vor allem die extrem ausführliche Darstellung des Suizids. Nach Richtlinie 8.5 ist bei der Berichterstattung über Selbstmorde aus guten Gründen besondere Zurückhaltung geboten. Diese Regel habe die Redaktion völlig außer Acht gelassen. Außerdem habe sie mit ihrer “unangemessen sensationellen” Berichterstattung gegen Ziffer 11 des Pressekodex verstoßen.

Gegenüber dem Beschwerdeausschuss des Presserats begründete die Rechtsvertretung der Bauer Media Group das Vorgehen damit, dass der Suizid des Mädchens eine einzigartige Sonderstellung einnehme: Neben den besonderen Umständen, die zur Selbsttötung des Mädchens geführt und die weltweit Bestürzung hervorgerufen hätten, sei der Fall anschließend vor einem US-Gericht verhandelt worden und hätte zu einer Gesetzesänderung geführt.

Der Presserat störte sich besonders an der “absurden Feststellung” (die der Komplexität des Falles schwerlich gerecht wird), “Phoebe wollte sterben, weil sie zu hübsch war”, mit der die Redaktion die Grenze des Zulässigen überschritten habe.

In der Veröffentlichung von Namen und Fotos des toten Mädchens und der mobbenden Mitschüler sah der Presserat ein Verletzung der Persönlichkeitsrechte im Sinne der Richtlinie 8.1 des Pressekodex. Gerade im Hinblick auf das jugendliche Alter der Beteiligten wäre eine strenge Anonymisierung erforderlich gewesen.

Die Rechtsvertretung von Bauer erklärte dazu, der Fall könne in aller Ausführlichkeit in der Wikipedia nachgelesen werden und die Eltern des Mädchens hätten die Privatsphäre freiwillig relativiert, um einen Beitrag zur Prävention zu leisten. Der kritisierte Artikel sei alles andere als unethisch. Er beschreibe in einer emotionalen, aber zurückgenommenen (sic) Erzählform die Geschehnisse und räume mit dem Vorurteil auf, dass hübsche Mädchen sowieso nicht gemobbt würden.

Doch auch hier blieb der Presserat hart: Die in den USA übliche identifizierende Berichterstattung rechtfertige nicht die von der Redaktion gewählte Darstellungsform. Die Regeln für deutsche Presseerzeugnisse werde nicht dadurch aufgehoben, dass “in anderen Ländern im Hinblick auf Presseveröffentlichungen andere ethische Standards bestehen”.

Der Presserat entschied sich schließlich für seine “härteste” Maßnahme und sprach eine öffentliche Rüge gegen “Bravo Girl” aus.

Spiegel, Giffords, Dioxin

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Eure Doppelmoral kotzt mich an (1): DER SPIEGEL”
(gutjahr.biz, Richard Gutjahr)
Der “Spiegel” kritisiert in der aktuellen Titelgeschichte “Facebook & Co”. Mit einer unersättlichen Datensammelwut würden solche Firmen “Milliarden-Geschäfte” in die Wege leiten. Nicht erwähnt wird, dass auch, wer ein “Spiegel”-Testabo beantragt und ein bestimmtes Häkchen ankreuzt, einwilligt, “dass er nicht nur vom SPIEGEL Verlag, sondern auch von beteiligten Verlagsgesellschaften für alle aktuellen und künftigen Publikationen zugespamt werden darf. Darüber hinaus muss er befürchten, über Jahre hinweg von privaten Callcentern telefonisch belästigt zu werden, um ihm fernmündlich irgendein Abo unterzujubeln.”

2. “Feindbild: Internet!”
(wasmitmedien.de, Daniel Fiene)
Daniel Fiene beschäftigt sich mit der gleichen Titelgeschichte und fragt, was denn so schlimm sei an personalisierter Werbung: “Technik, die so genaue Nutzerprofile erstellen kann, könnte irgendwann zum Missbrauch eingesetzt werden. Willkommen im Hätte-Wenn-Und-Aber-Journalismus. Mit diesem Argumentation ließe sich auch eine Hass-Titelgeschichte rund um Feuerzeuge rechtfertigen. Schließlich kann ich damit nicht nur meine Ikea-Teelichter, sondern auch Bomben anzünden.”

3. “Mediendemokratie auf niederbayerisch”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Das Amt des Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien wird neu besetzt. Die Kandidatin Gabriele Goderbauer-Marchner wird in der Lokalpresse mit fragwürdigen Argumenten niedergeschrieben.

4. “How incorrect reports of Giffords’ death spread on Twitter”
(lostremote.com, Steve Safran, englisch)
Die Twitter-Konten @BreakingNews, @nprnews, @BBCBreaking und andere vermelden zwischenzeitlich den Tod der angeschossenen US-Politikerin Gabrielle Giffords.

5. “Misere der Meisterdenker”
(freitag.de, Hans Ulrich Gumbrecht)
Hans Ulrich Gumbrecht sieht “Kritik nur als Detailkorrektur auf der Linie eines immer breiteren Mehrheitskonsensus akzeptier- und denkbar”. “Ohne die stimulierende Kraft des riskantes Denkens, befürchte ich, könnten die zur Norm gewordenen ehemaligen Intellektuellen- und Minoritätenmeinungen so repressiv werden wie in der Vergangenheit – auf der anderen Seite des für immer verschwundenen Eisernen Vorhangs – eine zum Staats-Sozialismus entartete Sozialdemokratie.”

6. “Ein Bild von einem Ei”
(juliane-wiedemeier.de)
Wie die “Tagesthemen” das Thema Eier und Dioxin über eine Woche hinweg illustrieren.

Elfmeter für Trier-Saarburg!

Je größer eine Zahl ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich Journalisten an ihr verheben — insbesondere, wenn auch noch Übersetzungen aus dem Englischen hinzukommen, wo “one billion” einer “Milliarde” entspricht (BILDblog berichtete).

Aber auch kleine Zahlen verhindern nicht immer, dass Leute wie der Bilderstreckenbetexter von Bild.de an ihnen scheitern können:

Rund 11 Meter – so hoch stieg der Pegel bis Donnerstag in der Kyll, dem linken Nebenfluss der Mosel im Kreis Trier-Saarburg

11 Meter, das wäre verdammt viel für so einen kleinen Nebenfluss. Der Rekordpegelstand der Mosel selbst liegt bei 11,28 Meter.

Und das wäre natürlich auch verdammt riesiges Gras, riesiger Schnee und eine riesige Messlatte, wenn jedes Segment einem Meter entspräche. In Wahrheit ist ein solcher Abschnitt einen Dezimeter (oder zehn Zentimeter) groß, das Foto zeigt demnach einen Pegelstand von 1,10 Metern.

Mit Dank an Marcel G.

Bild  

Nach Hausdorf telefonieren!

Er ist wieder da!

Auf der Welt fallen die Vögel tot vom Himmel, und der bei “Bild” für alles Außerirdische, Übersinnliche und Nichtverstandene zuständige Redakteur Attila Albert hat seinen alten Kumpel Hartwig Hausdorf gefragt, woran das liegen könnte.

Mysterien-Forscher Hartwig Hausdorf (54, “Animal Psi”): “Was auffällt: Betroffen sind Tiere, die sich bei ihren Routen am Magnetfeld orientieren. Es scheint, als hätte eine starke Kraft sie abgelenkt.”

Unter Verdacht: Die US-Forschungsanlage HAARP (schickt für Militärtests elektromagnetische Wellen in die Atmosphäre). Sie besteht aus 180 gekoppelten Sendern, die künstliche Polarlichter erzeugen können — und sogar Erdbeben auslösen, wie viele glauben.

Attila fragt deshalb:

Stecken geheime Experimente mit Ultraschall hinter dem rätselhaften Tiersterben der letzten Tage?

… was man schon deshalb verneinen kann, weil HAARP nicht mit Schall-, sondern mit Radiowellen arbeitet. “Kurzwelle” hätte aber womöglich als Schlagwort zu harmlos nach sechziger Jahren geklungen.

Tatsächlich gibt es Leute, die glauben, dass die HAARP-Experimente für ungefähr jede Naturkatastrophe verantwortlich sind. Für Hartwig Hausdorf steckte HAARP auch hinter dem “Asche-Monster”, das im vergangenen Frühling nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull über Europa hing: Geheim-Experimente mit “seismischen Waffen” sollen “direkt auf die Kontinentalplatten wirken”, zitierte ihn “Bild” damals.

Die Art, wie “Bild” seine Erkenntnisse präsentierte, konnte bei kritischen Geistern allerdings leichte Zweifel an seiner Seriösität wecken:

Hausdorf war natürlich trotzdem erste Wahl, Attila Albert und den “Bild”-Lesern im Mai 2010 zu erklären, warum die Signale von der Raumsonde Voyager 2 plötzlich in einem unbekannten Format an die Erde zurückkamen:

Alien-Experte Hartwig Hausdorf (54, “Ufos — Sie fliegen immer noch”): “Es scheint fast, als hätte jemand die Sonde umprogrammiert oder entführt — vielleicht, damit wir noch nicht die ganze Wahrheit erfahren …”

Die ganze Wahrheit kam dann wenige Wochen später heraus: Es hatte einen Fehler im Speicher des Systems zur Datenübertragung auf der Voyager gegeben. Wer kann sowas ahnen! Die Panne ließ sich relativ leicht beheben, die Voyager 2 sendet seitdem wieder brav die Daten im richtigen Format an die Erde; in “Bild” stand von dieser unwahrscheinlichen Auflösung natürlich nichts.

PS: Wo wir schon dabei sind, vervollständigen wir gerade noch unser Archiv der übersinnlichen Erscheinugen von Hartwig Hausdorf in “Bild”. Langjährige BILDblog-Leser kennen ihn noch aus dem Klassiker “Mars jetzt mit neuer Füllung”, in dem er erklärte, dass die grünen Männchen im Mars leben, sowie der dazu leicht widersprüchlichen Fortsetzungsgeschichte “Mars-Füllung macht mobil”.

  • Im September 2008 erklärte er, dass es sich bei den kleinen weißen Punkten, die man auf Fotos häufiger sieht, womöglich nicht um Staub handelt, sondern um verwaiste Seelen, die die Kugelform wählen, um beim Wandern zwischen den Welten möglichst wenig Energie zu verbrauchen: “Tatsächlich gibt es die Idee, Orbs wären intelligente, bewegliche Wesen oder Geister, die der Kamerablitz kurz sichtbar gemacht hat.”
  • Und ein Jahr später lieferte er Attila Albert den Vorwand für die Schlagzeile: “UFO-Forscher sind sicher: Aliens suchen in China nach Verwandten”.

Demokratisierung, Autorisierung, Flattr

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Mir reicht’s langsam! Brief an Bodo Hombach”
(julius01.de, Julius Endert)
Julius Endert schreibt an WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach. Es sei ziemlich vermessen, “die eigenen Erzeugnisse per se als qualitätshaltig gegenüber dem Rest im Netz abgrenzen zu wollen” – “grundsätzlich ist es so, dass der Wert eines Inhaltes vom Empfänger und nicht vom Absender bestimmt wird”.

2. “Das Drama der Demokratisierung”
(dirkvongehlen.de)
Die Demokratisierung der Publikationsmittel führt zu wunderlichen Abgrenzungsaktionen bei Gastronomiekritikern, Fotografen, Journalisten. Dirk von Gehlen fragt, ob das erforderlich sei – andere, längst demokratisierte Berufsgruppen hätten das doch auch nicht nötig. Man könne sich “nur schwer einen professionellen Koch vorstellen, der öffentlich erklärt, ‘wenig Geschmack’ an einer privat angerichteten Speise zu finden und überhaupt in diesem von einem Amateur zubereiteten Mahle nichts Neues entdeckt zu haben.”

3. “Kurzfazit: Sieben Monate Flattr im Einsatz”
(netzpolitik.org, markus)
Markus Beckedahl resümiert den Einsatz von Flattr nach sieben Monaten: “Aus kommerziellen Gründen müssten wir eigentlich nur noch Unterhaltung fahren. Eine Formel um reich zu werden scheint auf jeden Fall Boulevard zu sein. In der Netzpolitik heißt das möglichst polemisch sein, wenig Arbeit und Recherche reinstecken und ein klares Feindbild haben.”

4. “Im Namen der Zwiebel”
(tagesspiegel.de, Rainer Moritz)
Rainer Moritz erinnert an die Vorzüge der 2001 eingestellten ZDF-Sendung “Das Literarische Quartett”: “Man konzentrierte sich auf zentrale Bücher, folgte nicht dem grassierenden Trend, alles über den grünen Klee zu loben und mit drei Halbsätzen abzuhandeln, polemisierte unverhohlen, ging zu persönlichen Angriffen über, mühte sich darum, ästhetische Fragen anzusprechen, verzichtete auf kreuzdämliche Einspielfilme und lud sich als Gast nicht lesebeflissene ‘Tatort’-Kommissare, sondern kompetente, diskussionsfreudige Literaturkritiker ein.”

5. “Zehn Minuten lang eine gute Show”
(volksfreund.de, Sarah-Lena Gombert)
Ein Kurzinterview mit Florian Silbereisen erscheint nicht, weil seine Managerin bei der Autorisierung eingreift: “Sie wisse zwar, dass Silbereisen gewisse Dinge gesagt habe, erklärt mir die Managerin beim erneuten Telefonat. Doch sie habe ihm bereits mehrfach gesagt, dass er das in Interviews nicht sagen soll. Darum hat sie einen völlig harmlosen Satz kurzerhand gestrichen.”

6. “leben in berlin”
(kunstlehrerin.wordpress.com)
Die Vorteile (Pluspunkte) und Nachteile (Minuspunkte) des Lebens in Berlin.

Ein Hit im Corn Belt

Am Wochenende hat Axel Springer den Berliner Presseball im Haus und kann dabei mit einem echten Weltstar aufwarten, wie Bild.de berichtet:

Joelina Drews (15), die hübsche Tochter von Schlager-Barde Jürgen Drews (65), ist mit ihrer ersten Single “Trendsetter” in den Top 40 der US-Billboard-Charts. Nun wird sie auch bei uns zum Hit: Am Samstag hat sie beim Presseball in der Ullstein-Halle im Axel-Springer-Haus ihren ersten Live-Auftritt in Deutschland.

Es ist allerdings nicht Joelina Drews’ erster Auftritt in den Springer-Medien: Vor elf Monaten freuten sich “Bild” und Bild.de, weil Joelina in einer Fernsehsendung schön gesungen hatte; im August berichtete die gedruckte “Bild”, dass Joelina ihre erste Single aufnehmen werde; im Dezember wurden Song und Video auf Bild.de vorgestellt — damals schon mit der prophetischen Überschrift “Jürgen Drews’ Tochter Joelina wird Popstar in den USA”.

Allein: So richtig geklappt hat das mit dem Durchbruch in Amerika bisher noch nicht. In die Billboard Top 40, die Bild.de nennt, ist die Single bisher jedenfalls noch nicht eingestiegen — und auch sonst fehlt auf der Website des “Billboard Magazine”, die Bild.de dankenswerter Weise direkt verlinkt hat, jeder Hinweis auf Joelina Drews und ihren Song “Trendsetter”. Auch der Chart-Beauftragte des Magazins konnte auf unsere Nachfrage hin nichts finden, was die Behauptung von Bild.de stützt.

Aber spätestens Montag werden wir sicher erfahren, was für ein umfeierter Auftritt das am Samstag war.

Mit Dank an Rolf.

Nachtrag, 7. Januar: Bild.de hat den Hinweis auf die Billboard-Charts gelöscht und schreibt jetzt nur noch, Joelina Drews starte “in den USA durch”.

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“Bild” bringt Hannelore Kraft in Schwulitäten

Was es alles für interessante Medien gibt:

Auf Seite 22: Ein Bericht von Dreharbeiten für einen Schwulen-Porno. Auf Seite 24: Vollejakulierte Männerunterhosen. Auf Seite 36: Ein Interview mit Hannelore Kraft (49, SPD)…

WO IST UNSERE MINISTERPRÄSIDENTIN DENN DA REINGERATEN?

Ja, wo?

Die naheliegendste Antwort wäre natürlich: In “Bild”, wo Politiker-Interviews gerne mal von Berichten über Porno-Drehs und Artikeln über merkwürdige Fetische flankiert werden.

Wirbel um Kraft-Interview in Schniedel-MagazinDoch Frau Kraft hat nicht mit “Bild” gesprochen:

Fakt ist: Das Schwulenmagazin “Männer” (7,95 Euro, gibt’s am Kiosk) hatte Frau Kraft um ein Interview gebeten. Nur ahnte in Krafts Stab niemand, was in dem Heft so abgeht!

(Wir können nur vermuten, wie sehr sich die Redaktion gefreut hat, als ihr die Formulierung “Krafts Stab” eingefallen ist.)

Vielleicht war “Bild” einfach sauer, dass es noch andere Medien gibt, die Berichte zum Weltgeschehen mit Sex-Geschichten kombinieren. Vielleicht ist es für “Bild” ein Unterschied, ob Politiker mit Titten-Zeitungen oder mit Schniedel-Magazinen reden. Oder es stimmt einfach, dass den “Bild”-Mitarbeitern ein Gen fehlt und sie deshalb nicht in der Lage sind, die Widersprüchlichkeit ihres eigenen Schaffens zu bemerken.

Mit Dank an Heinz M., Thomas H. und egal.

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Korb ist ihr Hobby

In gut vier Monaten findet in Düsseldorf der Eurovision Song Contest statt, und die örtliche “Bild”-Redaktion läuft sich schon mal warm.

Keine Zeit für Schlüsselübergabe: Lena gibt Düsseldorfs OB einen Korb!

Gestern veröffentlichte sie eine herzzerreißende Geschichte darüber, dass die deutsche Vertreterin Lena Meyer-Landrut nicht an der symbolischen Schlüsselübergabe von Oslo nach Düsseldorf in zwei Wochen teilnehmen werde. Dabei wäre das “so schön gewesen”! Und der Oberbürgermeister hätte sich schon “so gefreut”! Und “JETZT DIE ENTTÄUSCHUNG!”:

Nach BILD-Informationen hat das Lena-Management dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) als Veranstalter des Eurovision Song Contest (ESC) Lenas Teilnahme an dieser traditionellen Vor-Feier abgesagt. Grund: Sie stecke “voll in den Proben” für den Grand Prix.

Das mit der “traditionellen Vor-Feier” ist ein bisschen überraschend. Vor allem geht es bei diesem Termin darum, die Teilnehmerländer den beiden Semi-Finals zuzulosen. Davon, wie glamourös das etwa vor zwei Jahren in Moskau war, kann man sich hier einen guten Eindruck verschaffen.

Das ist aber nicht der Grund, warum man beim Versuch, sich den Artikel auf Bild.de anzusehen, nur noch eine leere Seite bekommt. Der Grund dafür ist, dass der NDR der “Bild”-Zeitung mitgeteilt hat, Lena habe ihm schon deshalb nicht absagen können, weil er sie gar nicht eingeladen habe — ihre Anwesenheit sei gar nicht vorgesehen gewesen.

Bild.de hat den Artikel daraufhin gelöscht. Und “Bild” Düsseldorf heute etwas veröffentlicht, das man als Korrektur verstehen könnte: “Der NDR hatte, anders als von BILD berichtet, nichts mit der Einladung zu tun.”

Die Überschrift der Meldung lautet wie zum Trotz:

Stadt und NDR suchen neuen Lena-Termin

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