Guttenberg, E-Paper, Prinz Poldi

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der BILD-Minister”
(sprengsatz.de, Michael Spreng)
Die Nähe von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu “Bild” könnte zu einem Karriereknick führen, glaubt Michael Spreng. “Am vergangenen Freitag warnte zu Guttenberg in der ‘Gorch-Fock’-Affäre noch vor Vorverurteilung, um dann am selben Tag kurz vor Mitternacht nach dem Anruf eines BILD-Redakteurs den Kommandanten zu suspendieren. Die Zeitung mit dem Bericht über weitere Missstände auf dem Segelschulschiff war noch gar nicht erschienen, als der bis dahin angesehene Offizier schon abberufen war. So viel zum Thema Vorverurteilung und darüber, wie bei der Bundeswehr eine objektive Untersuchung aussieht.”

2. “Guttenberg: Was er sagt, was er macht”
(heute.de, Dominik Rzepka)
Dominik Rzepka blickt zurück auf die Themen Kundus, Wehrpflicht und Opel und vergleicht, was zu Guttenberg gesagt hat und wie er gehandelt hat.

3. “Springer meldet ernüchternde ePaper-Zahlen”
(meedia.de, Jens Schröder)
Im vierten Quartal 2010 verfügte die E-Paper-Ausgabe von “Bild” über 785 Abonnenten. “Zwar liegen die Gesamtverkäufe der elektronischen Bild bei 18.786, doch 17.983 dieser Exemplare stammen aus der Kategorie Sonstiger Verkauf, sind also stark rabattierte Angebote.”

5. “150 Tonnen Zeitungen gestohlen”
(presseportal.de/polizeipresse)
Ein 52-jähriger Kurierfahrer erlöst beim Altpapierhändler rund 12.500 Euro mit gestohlenen, meist druckfrischen Zeitungen.

5. “Neonazis zum Anklicken”
(taz.de, Astrid Geisler und Christoph Schultheis)
“Heile Welten” verspricht neue Einblicke “in das rechte Alltagsleben in Deutschland”. Mitautor ist BILDblog-Mitbegründer Christoph Schultheis.

6. “Der falsche Prinz Poldi und die ‘Bild’-Schlagzeile”
(tagesanzeiger.ch, Christian Andiel)

Bild  

Wer “A” sagt, muss auch “ver” sagen

Kurz nachdem sich der Fußballer Robert Enke das Leben genommen hatte, ließ sich der stellvertretende Sportchef der “Bild”-Zeitung, Walter M. Straten, von der “Süddeutschen Zeitung” wie folgt zitieren:

“Wir werden wohl mit extremen Noten etwas vorsichtiger sein”, sagt der stellvertretende Bild-Sportchef. Man werde sich einmal mehr überlegen, “ob der Spieler, der eine klare Torchance vergeben hat, oder der Torwart, der den Ball hat durchflutschen lassen, eine Sechs bekommt oder eine Fünf reicht”.

Wie ernst seine Aussage zu nehmen war, zeigte sich schon nach fünf Wochen und danach immer wieder.

Aber wir dachten, man könnte ja trotzdem noch einmal an diese Worte erinnern …

Versetzung stark gefährdet: Das BILD-Zeugnis für die Werder-Versager

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Eine Kritik findet nicht statt

Viele Online-Medien haben auf ihren Internetseiten sogenannte “Ticker”, in denen Meldungen der Nachrichtenagenturen teilweise automatisch übernommen werden.

So veröffentlichten stern.de und sueddeutsche.de heute Mittag eine dpa-Meldung über eine “emotionale Debatte”, die im Internet-Gästebuch der Bordkameradschaft der “Gorch Fock” stattfinde. Auch bei Bild.de ist die Meldung zu sehen.

Doch es gibt kleine Unterschiede:

dpa-Original
Version bei Bild.de
Die Vorgänge um den Tod einer Kadettin auf dem Segelschulschiff “Gorch Fock” haben im Internet-Gästebuch der Bordkameradschaft eine emotionale Debatte ausgelöst. Die Vorgänge um den Tod einer Offizieranwärterin auf dem Segelschulschiff “Gorch Fock” haben im Internet-Gästebuch der Bordkameradschaft gefühlsbetonte Einträge ausgelöst.
Von Mitleidsbekundungen über Kritik und Zuspruch für die Stammbesatzung und ihren inzwischen abgelösten Kapitän Norbert Schatz reicht die Palette der Meinungsäußerungen bis hin zu Rügen für die Medienberichterstattung und die Entscheidungen von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Von Mitleidsbekundungen über Kritik und Zuspruch für die Stammbesatzung und ihren inzwischen abgelösten Kapitän Norbert Schatz reicht die Palette der Meinungsäußerungen.
(…) (…)
“Ich kann die Trauer und den Schmerz der Mutter mehr als gut verstehen”, schilderte eine Nutzerin Martha Baudrexl. “Mein Sohn Manfred verunglückte auf ähnliche Weise. Aber ich kann sagen, die Besatzung der Gorch Fock hat mich und meine Familie immer bestens unterstützt. Und ich hatte immer das Gefühl, dass ich voll informiert wurde.”  
Die Entscheidung des Ministers, den Kommandanten zu suspendieren und das Segelschulschiff “an die Kette legen” zu lassen, habe sie mit Entsetzen wahrgenommen, schreibt die Frau weiter und wendet sich an die Besatzung der “Gorch Fock”: “Ich wünsch Euch allen für die kommende Zeit viel Kraft”.  

Mit Dank an Ralf M.

Das beste Einhorn

Aus Kreisen der Bundeswehr werden zur Zeit so viele unschöne Vorfälle und Skandale bekannt, dass es bei anderen Verteidigungsministern für drei bis vier Rücktritte gereicht hätte. Doch der aktuelle heißt Karl-Theodor zu Guttenberg.

Über die aktuelle Allianz von “Bild” und Guttenberg kann man längere Kommentare schreiben, aber womöglich lässt man doch besser die Guttenberg-Fanmagazine selbst zu Wort kommen:

In einem in jeder Hinsicht bemerkenswerten Kommentar in der gestrigen “Bild am Sonntag” erklärte Michael Backhaus den Minister kurzerhand zum “Einhorn der deutschen Politik” und fabulierte:

Zu den Menschen hat das Einhorn schon deshalb ein schwieriges Verhältnis, weil sie es wegen seines wertvollen Horns jagen. So ergeht es derzeit auch dem Beliebtesten unter den Politikern. Nicht nur die Opposition, auch mancher aus den eigenen Reihen möchte die Gelegenheit nutzen, Guttenbergs Horn der Popularität zu kürzen.

“Für kurze Zeit” sei Guttenbergs Ruf “als Aufklärer und Erneuerer” in Gefahr gewesen, sei “der unschöne Eindruck entstanden, der Minister wisse nicht oder erfahre zu spät, was in seiner Truppe vor sich geht”.

Doch “Bild” begleitete den Minister, informierte ihn vorab über den kritischen Artikel über die Zustände auf der “Gorch Fock” und konnte anschließend verkünden, der Minister habe Konsequenzen gezogen.

Die Ordnung im Weltbild von “Bild” war wiederhergestellt — oder wie es Backhaus formuliert:

Nun spricht man wieder über das Einhorn und weniger über seine Jäger.

Für so ein Einhorn gelten natürlich andere Maßstäbe als für Normalsterbliche — eine aktuelle Umfrage auf Bild.de lautet entsprechend:

"Gorch-Fock"-Skandal, Waffenspiele in Afghanistan, Feldpost-Affäre: Wie händelt Guttenberg die Krise? A: Gut, der Minister greift durch und forciert die Aufklärung. B: Weniger gut, da er zu zögerlich und halbherzig agiert. C: Kann ich nicht beurteilen.

Zur Zeit haben sich übrigens rund zwei Drittel der Leser für Antwort A entschieden.

Mit Dank an Steffen M. und Katrin Sch. und die vielen anderen Hinweisgeber!

Guttenberg, Maschmeyer, Call-In-Shows

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der Guttenberg-‘Bild’-Komplex”
(taz.de, Stefan Reinecke)
Stefan Reinecke zur Rolle von “Bild” bei der Suspendierung des Kapitäns der Gorch Fock durch Verteidigungsminister zu Guttenberg: “Die Entscheidung, den Kapitän zu feuern, hat Guttenberg am Freitagabend getroffen. Direkt nachdem das Blatt ihn informiert hatte, dass es die Geschichte noch mal groß herausbringt. Im Gegenzug lobt das Boulevardblatt zwei Tage später die Entschlusskraft des Ministers über den grünen Klee und denunziert Kritiker von FDP bis Linkspartei als Nörgler und Kleingeister, die bloß neidisch auf dessen Popularität sind.” Zu zu Guttenberg siehe auch: “Kosten der Sat.1 Guttenberg-Talkshow in Mazar-E-Sharif” (blog.die-linke.de, 13. Januar).

2. “Ein Großangriff auf die Pressefreiheit”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld schreibt auf, was Carsten Maschmeyer gegen den “Panorama”-Film “Der Drückerkönig und die Politik” (ndr.de, Video, 28:17 Minuten) unternimmt. Siehe dazu auch “Wie sich Maschmeyer in den Medien inszeniert” (ndr.de, Video, 8:49 Minuten).

3. “Maulwurf-Moderator fuhr TV-Quiz gegen die Wand”
(grenzecho.net, Boris Cremer)
Ein Magazin des flämischen TV-Senders VRT deckt mit einem Undercover-Moderator Praktiken von Call-In-Shows auf: “De Winne stand ein halbes Jahr lang für die Call-in-Show ‘Quizzit’, die von den Privatsendern VTM und 2BE ausgestrahlt wird, vor der Kamera und köderte Zuschauer, die mit kostenpflichtigen Anrufen versuchten, ein fast unlösbares Rätsel zu lösen.” Das Video dazu gibt es hier: “Undercover bei den Fernseh-Anrufquizzen” (wortfeld.de, Video, 38:36 Minuten)

4. “Warum Medien Themen tagelang durchkauen und was das Internet damit zu tun hat”
(griess.wordpress.com, Andreas Grieß)
Andreas Grieß zeigt auf, warum Online-Medien und Zeitungen banale Themen immer noch ein Stück weiterdrehen.

5. “Warum diese Verachtung?”
(taz.de, Jutta Winkelmann)
“Zum Kotzen” findet Jutta Winkelmann “die ganze Scheinheiligkeit, Bedenkenträgerei und dieses gehässige Vornehmgetue und die Gefühllosigkeit” der Kritik an den Kandidaten der RTL-Sendung “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!”. “Mehr als jeder Rattenschwanz – und Schlangenbackenhodendrink ist diese herrschende Selbstgerechtigkeit- und Selbstgefälligkeit eklig! Und damit sind auch die Medien gemeint, die absahnen und verächtlich lästern. Sie und die ganze Nation mit, heult wegen jämmerlichen 50.000 Scheißeuros auf, die die Dschungelbewohner bekommen.”

6. “Fast ein Jahr”
(fragmente.twoday.net)
Frau Fragmente sucht und findet einen Job.

Schönes bleibt

Viele Menschen bemängeln, dass wir in einer Welt leben, in der sich viel zu viel viel zu schnell ändert. Die jugendliche Rockkappelle Silbermond forderte in ihrem Hit “Irgendwas bleibt” gar “ein kleines bisschen Sicherheit” in dieser “schnellen Zeit”.

Wie schön ist es da, wenn man lesen darf, dass sich manche Dinge offenbar nie ändern. Die amourösen Verstrickungen von Biathleten etwa.

Am 21. Januar 2001 schrieb Raimund Witkop in der “Welt am Sonntag”:

Manchmal liegt das Glück nur eine Skistocklänge entfernt. Zum Beispiel im Training am Schießstand, wenn zwei mit pochendem Herzen daliegen und vielleicht noch anderes ins Visier nehmen als die runden Scheiben vor sich. Oder im Hotel, das in den kuschelig-entlegenen Tälern des Biathlon-Sports meist eines für alle ist – alle Nationen, und beide Geschlechter.

Fast zehn Jahre später, am 9. Januar 2011 wusste sein Kollege Robert Dunker im gleichen Blatt und der “Berliner Morgenpost am Sonntag” zu berichten:

Manchmal liegt das Glück nur eine Skistocklänge entfernt. Zum Beispiel beim Training am Schießstand, wenn zwei mit pochendem Herzen daliegen und vielleicht noch anderes ins Visier nehmen als die runden Scheiben vor sich. Oder im Hotel, das in den verträumt-entlegenen Tälern des Biathlon-Sports wie in Antholz oder Hochfilzen meist eines für alle ist. Oder in der weniger romantischen, aber geselligen Kaserne von Oberhof, wo während des Weltcups an diesem Wochenende fast alle deutschen Skijäger und Skijägerinnen ihre Schlafstätte beziehen, im selben Trakt, versteht sich.

Gut, das mag jetzt Zufall sein mit den ersten beiden Sätzen. Und es scheint unbestreitbares Fakt zu sein, dass es im Biathlon besonders viele Pärchen gibt.

Zumindest legen das die Zitate zweier verschiedener Sportlerinnen nahe:

2001:

“Es gibt so viele Möglichkeiten, sich näher zu kommen”, sagt Liv Grete Skjelbreid-Poiree, 27. Sie muss es – wie ihr langer Name dem Kenner verrät – wissen.

2011:

“Es gibt beim Biathlon so viele Möglichkeiten, sich näher zu kommen”, sagt Nathalie Santer-Björndalen, 38. Ihr langer Name verrät, dass sie es wissen muss. Die ehemalige Weltklassebiathletin und erfolgreiche Gastronomin aus dem Südtiroler Dorf Toblach ist seit 2006 mit Biathlon-Ikone Ole-Einar Björndalen verheiratet.

Auch andere Zitatgeberinnen scheinen das Klischee zu bestätigen, dass Sportler eh immer das Gleiche sagen:

2001:

“Raphael ist zwar kein Psychologe”, sagt Frau Skjelbreid-Poiree, “aber in Sachen Motivation hat er mir in dieser Zeit sehr geholfen.”

2011:

“Michi ist kein Psychologe”, sagt Hitzer über den Ex, den sie als Juniorin anhimmelte, “aber während meiner Verletzungen hat er mir sehr geholfen.”

Die folgende Passage stand 2001 ziemlich zu Anfang des Artikels:

Wie es so zugeht bei den polyglott turtelnden Skijägern, darüber reden Eingeweihte ohne Details, aber mit Genuss. “Hier laufen viele hübsche Mädchen ‘rum”, sagt Herbert Fritzenwenger, Leiter des Stützpunkts im idyllischen Ruhpolding, “und die Kerle sind auch nicht zu verachten.”

2011 kommt sie, milde überarbeitet, erst in der zweiten Hälfte:

Wie es so zugeht bei den turtelnden Skijägern, darüber reden Eingeweihte ohne Details, aber mit Genuss. “Hier laufen viele hübsche Mädchen rum”, weiß Kommentator und Ex-Biathlet Herbert Fritzenwenger, “und die Kerle sind auch nicht zu verachten”.

Und auch wenn Doppelnamen im Biathlon offenbar ähnlich verbreitet sind wie in der FDP, kann man ja noch mal auf Liv Grete Skjelbreid-Poiree zu sprechen kommen, die Urmutter der Bindestrich-Athletinnen:

2001:

Allerdings: Vieles, was dort als Techtelmechtel beginnt, führt in den Hafen der Ehe. “Wir waren schon drei Jahre gute Freunde” erzählt Liv Grete Skjelbreid, die ihren vierten Namens-Teil im vergangenen Sommer bei der Biathlon-Traumhochzeit mit Raphael Poiree in Oslo erwarb.

2011:

Gemeinsam gemeisterte Krisen festigen manche Beziehungen, und dann führt gelegentlich das, was als Techtelmechtel begonnen hat, in den Hafen der Ehe und zu Familienzuwachs. (…) Ex-Star Liv Grete Skjelbreid, 36, erwarb ihren vierten Namens-Teil vor zehn Jahren bei der Biathlon-Traumhochzeit mit dem gleichaltrigen Raphael Poiree in Oslo. “Wir waren vorher drei Jahre gute Freunde”, erzählt sie. Das Ehepaar Poiree hat inzwischen drei Töchter.

Mit Dank an Markus L. (nicht Lotter)

Interner EU-Unfall

Eine ernste Meldung in eigener Sache: Soeben mussten wir unseren Chefredakteur in ärztliche Behandlung bringen lassen.

Zuerst hörten wir aus seinem Büro nur ein langgezogenes “Neeeeeiiiiin!”, dann vernahmen wir einen dumpfen Schlag und ein “wahnsinnig” zu nennendes Lachen, das langsam erstarb. Als wir sein Büro betraten, fanden wir ihn mit blutiger Stirn auf dem Fußboden vor, die Hände verkrampft. Seine Schreibtischplatte war in zwei Teile zerbrochen.

Auf seinem Computerbildschirm war noch dieser Artikel von sueddeutsche.de geöffnet:

EU-Grundsatzurteil zur Asylpolitik: Rüge für Griechenland und Belgien. Das EU-Menschenrechtsgericht hat gesprochen: Zwei Mitgliedsstaaten verstoßen mit ihrer Asylpolitik gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung. Die Zustände in den griechischen Flüchtlingslagern sind so schlimm, dass Deutschland niemanden mehr dorthin zurückschickt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem Grundsatzurteil die Asylpolitik der EU scharf kritisiert.

Wir vermuten, dass Herrn Heinsers außergewöhnliche Reaktion etwas mit der wiederholten Verwechslung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit einem “EU-Gericht” zu tun hat, und wünschen ihm auf diesem Wege eine baldige Genesung!

Mit Dank an David H.

Nachtrag, 18.15 Uhr: sueddeutsche.de hat reagiert und aus dem “EU-Grundsatzurteil” in der Dachzeile ein “Grundsatzurteil” gemacht.

Der erste Satz des Artikels lautet indes immer noch:

Das EU-Menschenrechtsgericht hat gesprochen

2. Nachtrag, 18.36 Uhr: Jetzt ist auch der erste Satz des Artikels korrigiert:

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat gesprochen

Der Tod und die Titten

Carolin W. ist gestorben. Big-Brother-Fans und “Bild”-Leser kannten die 23-jährige Amateur-Pornodarstellerin wohl eher unter ihrem Künstlernamen “Sexy Cora”. Es ist nicht wichtig, ob sie letztendlich nach der fünften (“Mopo”) oder sechsten (“Bild”) Brust-OP gestorben ist, aber ein Blick auf den Umgang der Boulevardmedien mit operierten Frauen könnte sich lohnen:

2009 berichtete Bild.de erstmals über die wahlweise als “Porno Cora”, “Sexy Cora” oder einfach nur “Cora (Oberweite 70F, Maße 96-59-89)” betitelte Hamburgerin, weil sie an einem Tag gleich drei Mal in eine Polizeikontrolle geraten war.

Das nächste Mal rückte Cora in den Mittelpunkt, als sie im Januar 2010 in den “Big Brother”-Container zog. Die Sabberproduktion in der Redaktion, die jede Nacktduschszene bis ins kleinste Detail journalistisch begleitete, dürfte auf einem Allzeithoch gestanden haben. Es folgen einige Auszüge aus der Berichterstattung bei Bild.de:

14.1.2010:

Erotikdarstellerin sexy Cora (22) wird zum menschlichen Busenhalter! (…) Auf ihre Kurven scheint sie mächtig stolz (…)

28.1.2010:

Passt, wackelt und hat wenig Luft: Sexy Cora freut sich über ihre Busenbommel

29.1.2010:

Sexy Cora (22) duscht gleich mit drei Männern und strippt danach (…) als hätte noch niemand ihre Körbchengröße 75F ohne BH gesehen!

9.3.2010:

Sexy Cora (20) hat am Dienstag um 17.02 Uhr das “Big Brother”-Haus verlassen. NACKT-DUSCHEN, KURVEN GUCKEN, KUSCHELN – AUS UND VORBEI!

Die Frage, für wen sich Frauen wie “Sexy Cora” eigentlich immer wieder unters Messer legen, scheint Bild.de nicht ernsthaft zu beschäftigen. Dabei ist es nicht auszuschließen, dass die positiven und sicher auch karrierefördernden Reaktionen der Boulevardmedien eine Rolle gespielt haben, als Cora sich zu einem weiteren Eingriff entschloss — übrigens obwohl ihr der Leiter der Klinik, in der die vorherigen Eingriffe durchgeführt wurden, im Vorfeld davon abgeraten hatte (“es war anatomisch einfach das Maximum erreicht”). Wie wenig sich etwa “Bild” und Bild.de um Ursache und Wirkung scheren, zeigt sich dann auch darin, dass die Berichte vom Koma über die Feststellung von Hirnschäden bis hin zum Tod konsequent weiter mit Tittenbildern und anderem Unfug garniert sind — als gäbe es nichts Geileres, als sich auf eine Komabraut mit Hirnschäden einen von der Palme zu wedeln:

13.1.2011:

‘Sexy

Bonusmaterial: Videos Sexy Cora auf Malle – BB-Blondine zieht am Ballermann blank, Nie mehr Big Brother! – Sexy Cora freut sich über ihre Freiheit (Nacktfußball), Ratgeber Bauch, Busen, Nase -Welche Beauty-OPs zahlt die Kasse?, Bild erklärt – Alles über die Brustvergrößerung, Das wussten Sie nicht! – 33 Pralle Fakten über Brüste

13.1.2011:

Jetzt spricht der Busen-Arzt von sexy Cora!

Bonusmaterial: Wie bei vorherigem Artikel + 14-teilige Titten-Klickstrecke “Big Brother machte sie bekannt – Sexy Cora in Bildern”

14.1.2011:

Staatsanwalt ermittelt gegen Busen-Arzt von sexy Cora

Bonusmaterial: Wie bei vorherigem Artikel, statt 14-teiliger Titten-Klickstrecke 16-teilige Titten-Klickstrecke “Big Brother machte sie bekannt – Sexy Cora in Bildern”

16.1.2011:

Wird sexy Cora heute aus dem Koma geholt?

Bonusmaterial: 66-teilige Titten-Klickstrecke “Big Brother machte sie bekannt – Sexy Cora in Bildern”

18.1.2011:

Coras Hirn nach Busen-OP für immer geschädigt

Bonusmaterial: 66-teilige Titten-Klickstrecke “Big Brother machte sie bekannt – Sexy Cora in Bildern”, Ratgeber Bauch, Busen, Nase -Welche Beauty-OPs zahlt die Kasse?, Bild erklärt – Alles über die Brustvergrößerung, Das wussten Sie nicht! – 33 Pralle Fakten über Brüste

20.1.2011:

"Big Brother"-Star Cora tot: Kurz vor der OP flüsterte sie ihrem Mann ins Ohr: "Ich will ein Kind von dir"

Bonusmaterial: Trauervideo, in dem “Sexy Cora” unter anderem nackt beim Fußballspielen gezeigt wird, 4-teilige Titten-Klickstrecke “”Big Brother”-Star Cora in Bildern”, Ratgeber Bauch, Busen, Nase -Welche Beauty-OPs zahlt die Kasse?, Bild erklärt – Alles über die Brustvergrößerung, Das wussten Sie nicht! – 33 Pralle Fakten über Brüste. Dazu besteht natürlich jederzeit die Möglichkeit, den Hinterbliebenen in den Kommentaren sein Beileid auszudrücken.

Um in “Bild” mit Würde zu sterben, muss man wohl der Hund von Kolumnist Norbert Körzdörfer sein:

Bild-Hund Ruby liegt im Sterben

PS: Coras Alter schwankt bei “Bild” schon immer um zwei Jahre hin und her. Glaubt man ihrem Wikipedia-Eintrag, so war “Sexy Cora” zum Zeitpunkt ihres Todes 23 Jahre alt.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber!

Bild  

Mord ohne Verwandtschaft

Nichts weniger als die “Wahrheit” über ein Tötungsdelikt in Schwalmtal verspricht “Bild” Düsseldorf:

Die Wahrheit über das Drama in Schwalmtal Enkel ermordete seine Oma wegen 65 Euro!

Tatsächlich wurde gegen zwei Festgenommene ein Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen Mordes ausgesprochen. Doch keiner von ihnen war mit dem Opfer verwandt. Die Nachrichtenagentur dpa schreibt:

Einer von ihnen war mit der Seniorin bekannt: Sein Opa lebte bis zu seinem Tod vor vier Jahren mit ihr zusammen.

“Bild” weiß das eigentlich auch und erwähnt es darum auch zweimal im Artikel.

Mit Dank an Christina H.

Die mit edlen Uhren wedeln

19 verschiedene Uhrenmarken sind in diesen Tagen am Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH), der internationalen Uhrenmesse in Genf, vertreten.

Im Artikel auf Bild.de werden aber nur zwei erwähnt:

Blanchett (41) überraschte auf dem roten Teppich der Edel-Uhrenmarke "IWC", die ihre neue "Portofino"-Kollektion feierte, mit neuer Kurzhaarfrisur.

Gwyneth Paltrow schmückte die glanzvolle Garten-Party, zu der die Edeluhrenmarke "Baume Mercier" geladen hatte.

Schauspieler Jean Reno mit seiner Frau Zofia, Schauspieler Sebastian Koch, Box-Champ Vitali Klitschko, Weltfußballer Luis Figo mit Frau Helen, Oliver Bierhoff mit Frau Klara, Sänger Ronan Keating (trat auf), der als Schmuckstück neben einer IWC-Uhr auch einen Ohrring in Form eines Peace-Zeichens trug.

Baume & Mercier und IWC gehören beide zur Schweizer Richemont-Gruppe, einem Luxusgüterkonzern.

Die Marke IWC, die beinahe traditionell im redaktionellen Teil von “Bild” auftaucht, bildet denn auch den Hintergrund der meisten der 15 Bilder in der Bildergalerie:

Bei der Edel-Uhrenmarke "IWC" stapelten sich die Promis auf dem roten Teppich: Boris Becker und Frau Lilly ...

... die Beckers mit "IWC"-CEO Georges Kern ...

Boris Becker ist ein Stammgast bei dem Event, was nicht verwundert, denn er ist, wie viele andere, Botschafter von IWC. Bild.de bezeichnete ihn 2006 als “Botschafter”, 2008 als “der sogenannte IWC-Botschafter” — 2011 erschien diese Verbindung dann offenbar gar nicht mehr als erwähnenswert.

Und in der gedruckten “Bild” war dann für andere Marken kein Platz mehr:

IWC-Party in Genf: Uhr-là, là! Sooo viele Stars auf einmal!

Mit Dank an Lothar Z., Thomas D., Giovanni, Dennis H. und Christian S.

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