Laue Frühjahrslüftchen, Regengüsse, Temperaturschwankungen… Sie haben schon ein neues Sommerkleid, aber keine Ahnung wie Sie es jetzt schon tragen können?
Gut, dass Bild.de “für Sie ganz genau hingeschaut” hat!
Klasse “Übergangs-Look”, den Siena Miller da trägt, was? Bild.de erklärt ihn auch gerne noch mal ausführlicher:
Sienna Miller (29) zeigt, dass sie auch im Frühjahr ein sicheres Styling-Händchen hat und gibt uns gleich zwei gute Tipps mit auf den Weg. Sie kombiniert Flatterröckchen, Kniestrümpfe und Gummistiefel. Das sieht nicht nur niedlich aus, die Kombi hält auch warm.
Tatsächlich dürfte es sich eher um das Styling-Händchen von April Ferry handeln, der Kostümdesignerin des Films “The Edge of Love”, aus dem das abgebildete Szenenfoto stammt. Der Film, der während des zweiten Weltkriegs spielt, feierte vor fast drei Jahren Premiere und lief im Sommer 2009 in Deutschland an.
Mit Dank an Torsten B.
Nachtrag, 15.18 Uhr: Bild.de hat das Foto und den sich darauf beziehenden Text aus dem Artikel entfernt.
Diesmal begann alles damit, dass das israelische Model Orit Fox bei einem Fotoshooting mit einer (ungiftigen) Boa Constrictor posierte und von dem nicht eben begeisterten Reptil in die chirurgisch optimierte Oberweite gebissen wurde. Das dazugehörige Video lässt da übrigens noch keine Missverständnisse zu:
Der zweite Teil der Geschichte klingt jedoch noch spektakulärer: Angeblich soll die Schlange bald darauf an einer Silikonvergiftung gestorben sein.
Da einer alten Journalistenregel zufolge “Schlange vergiftet Frau” keine Nachricht ist, “Frau vergiftet Schlange” aber sehr wohl, rauschte die Nachricht vom Silikontod einmal quer durchs Internet und wurde von Online-Medienweltweitaufgegriffen. Da man sich dabei immer munter aufeinander berief, dürfte es kaum mehr möglich sein, herauszufinden, welche Zeitung die Nachricht zuerst adelte.
Im deutschsprachigen Raum etwa berichteten unter anderem Bild.de (“Gerüchten im Netz zufolge”), “Merkur Online”, express.de, 20min.ch (“Wie die belgische Zeitung ‘Gazet Van Antwerpen’ berichtet”) und blick.ch (“wie jetzt der spanische TV-Kanal ‘Telecinco’ […] berichtet”) von diesem weltbewegende Ereignis.
Die vergiftete Schlange machte immer noch fleißig die Runde, als das amerikanische Blog “The Daily What” die Hintergründe der Geschichte genauer beleuchtete: Demnach nahm das Unheil am 3. März seinen Lauf, als die auf Celebrity-Gerüchte spezialisierte Webseite “Oh No They Didn’t” das ursprüngliche YouTube-Video vom Schlangenbiss veröffentlichte und der Autor mit dem Nickname “nappyxheadedxho” neben einigen dürren Bemerkungen hinzufügte:
The snake later died from silicone poisoning.
Noch am selben Tag fragte ein Leser in den Kommentaren “Really? Poor thing.”, worauf nappyxheadedxho antwortete:
lmao I was joking!
(Ich lach mich tot – das war nur ein Witz!)
Inzwischen sind die ersten ausländischen Medien, die von der vergifteten Schlange berichtet haben, eifrig dabei, ihre Artikel zu löschen oder zu berichtigen. Mal sehen, wie lange “unsere” dafür brauchen.
Mit Dank an miguel!
Nachtrag, 15:26 Uhr: “Merkur Online” hat sich inzwischen für die Löschvariante entschieden, während express.deden ursprünglichen Artikel transparent korrigiert hat.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Inszenierungen nehmen zu” (tagesspiegel.de, Sonja Pohlmann)
Für den abtretenden Vorsitzenden der Bundespressekonferenz, Werner Gößling, sind nicht nur die Politiker für für Inszenierungen verantwortlich, sondern auch die Medien, die “sehr schnell” darauf eingehen: “Wenn ein Minister mit dem Fahrrad vorfährt oder sich ein Verteidigungsminister bei den Soldaten in Pose setzt, dann werden diese Bilder sofort gezeigt.”
2. “Stimmt ja gar nicht” (taz.de, Julia Niemann)
Julia Niemann stellt die Website icorrect.com vor. “Dort können Prominente, und solche die sich oder ihr Unternehmen dafür halten, Falschmeldungen korrigieren – gegen Gebühr.”
3. “Sport Bild-Watch (16)” (el-futbol.de, Sidan)
“Sport Bild” weiß ein wunderbares Geschenk für Lothar Matthäus zum 50. Geburtstag: “Trainer bei Bayern München – als Nachfolger von van Gaal”. Außerdem: Das “Beschreiben-einer-Person-per-Einstreuen-einer-völlig-abwegigen-und-unpassenden-Information”. “Über Jupp Heynckes heißt es, nach dem eine Aussage von ihm wiedergegeben wurde, folgendes: ‘Das darf man dem 65-jährigen, den ein künstliches Kniegelenk stützt, ruhig glauben.'”
4. “Bild bei Schlecker – ‘Nicht mit uns!’ sagt der Wettbewerb” (mediatribune.de)
“Nach Informationen von Media Tribune will die Axel Springer AG das Verkaufsstellennetz für ihr Flaggschiff Bild jetzt um 8.000 bis 8.500 Schlecker-Filialen ausbauen.”
Heute Vormittag wurde Gewissheit, was “Bild” schon heute früh als Tatsache verkündet hatte: Der FC Schalke 04 hat sich von seinem Trainer und Manager Felix Magath getrennt.
Bild.de hat die Ereignisse in einem der gerade so populären Liveticker aufbereitet, in dem es unter anderem heißt:
Als Aufsichtsratsmitglied hat Magath das Anrecht, vom Aufsichtsrat gehört zu werden, der nun ohne ihn tagt. Vermutlich wird er nun aus dem Gremium gewählt – damit verliert Magath laut Vertrag auch die Position als Trainer und Manager.
Das ist ziemlicher Quatsch: Magath war nie Mitglied des Aufsichtsrats. Er gehörte bis heute Vormittag dem Vorstand des Vereins an:
Auch war Magaths Vertrag als Vorstand und Trainer von seiner Abberufung als Vorstand nicht berührt und wurde schon gar nicht automatisch gekündigt, wie Bild.de behauptet. Inzwischen hat er ihn allerdings selbst gekündigt, wie uns Magaths Umfeld bestätigte.
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1. “Ich bin kein Draufgänger” (falter.at, Ingrid Brodnig)
Nahost-Korrespondent Karim El-Gawhary erzählt von den Veränderungen seiner Arbeit: “Ich erinnere mich an eine absurde Situation: Ich stehe im Norden von Bagdad im Supermarkt und kaufe gerade mein Abendessen. Da ruft die deutsche Radiostation an und sagt: ‘Gerade eben ist im Süden von Bagdad eine Bombe explodiert. Wie ist die Atmosphäre? Wir gehen gleich auf Sendung.’ Und ich stehe im Supermarkt und denke mir: Bitte, was ist jetzt los?”
2. “Die Fischstäbchen sind sicher!” (faz-community.faz.net, Peer Schader)
Peer Schader fragt sich angesichts der ARD-Sondersendung “Atom-GAU in Japan – Was heißt das für uns?”, wie angemessen es ist, wenn sich die Deutschen “um ihr Mittagessen und ihren Urlaub Gedanken machen, während auf der anderen Erdhälfte gerade die Welt untergeht.”
3. “Der innere Emmerich” (volkerstruebing.wordpress.com)
Volker Strübing beobachtet sich beim Konsum von neuen Nachrichten aus Japan: “Ein Teil von mir ist nicht betroffen, sondern angefixt, ein Teil hat kein Mitleid, sondern will mehr sehen. Ein Teil wird enttäuscht sein, wenn die ganz große Katastrophe ausbleibt und die piefige deutsche Innenpolitik wieder die Nachrichten bestimmt.”
Fast zwei Wochen war “Bild” in Guatemala auf “Gold-Expedition”. Gemeinsam mit dem “Forscher” Joachim Rittstieg hoffte die Zeitung dort einen “Maya-Schatz” zu finden.
Das Expeditionsteam fand nichts, sorgte aber für einige Aufregung in dem zentralamerikanischen Land und in der Wissenschaftsgemeinde.
Daniel Schleusener vom Blog “The Complete Mesoamerica (and more)” hat die “Schatzsuche” von “Bild” die ganze Zeit über aufmerksam verfolgt und für uns einen Gastbeitrag verfasst:
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1. “Ein Teil der Medien instrumentalisiert Kernkraft, um Politik zu machen” (derstandard.at, Doris Priesching)
Die Berichterstattung über das Erdbeben in Japan habe sich schnell vom zu beobachtenden Elend auf die Risiken der Kernkraft verlagert, stellt Hans Mathias Kepplinger fest – das tatsächliche Leid von hunderttausenden Menschen werde so über weite Strecken ausgeblendet. “Die Mehrheit der deutschen Journalisten ist gegen Atomkraft. Sie sehen ihre Chance, durch intensive Berichterstattung über Gefahren der Kernkraft ihre Sicht mitzuteilen.”
2. “Verloren im Stimmengewirr” (nzz.ch, Florian Coulmas) Florian Coulmas, Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio, stellt eine Sehnsucht fest nach “eindeutigen, zuverlässigen Aussagen, nach denen man sich richten kann”. “Eine Konsequenz der Internet-Revolution ist, dass man ausserhalb des Erdbebengebiets viel mehr weiss und vermeint zu wissen als dortselbst; denn die Infrastruktur ist dort völlig zusammengebrochen. Während man sich in Zürich, Houston und Nairobi Bilder von dem weggeschwemmten Flughafen von Sendai betrachtet, weiss man davon zehn Kilometer weiter noch nichts.”
3. “Japan-News: der Boom der Live-Ticker” (meedia.de, Alexander Becker)
Alexander Becker fragt bei Online-Portalen zu den vermehrt für alle möglichen Themen verwendeten Livetickern nach: “Sowohl Plöchinger wie auch Böcking widersprechen dem Gerücht, dass Ticker zudem den wirtschaftlichen Vorteil hätten, dass sie helfen, redaktionelle Manpower einzusparen.” Zum Thema schreibt auch Alexander Kissler auf “The European”.
4. “Kuhn-Interview sorgt für viel Aufregung” (20min.ch, Daniela Gigor)
Ein vom Zürcher “Hauptstadt-Magazin” veröffentlichtes Interview mit René Kuhn, Autor des Buchs “Zurück zur Frau: Weg mit den Mannsweibern und Vogelscheuchen”, ist frei erfunden. Auf seiner Website nimmt Kuhn dazu ausführlich Stellung.
Reiner Metzger hat auf taz.de seiner Wut auf die Informationspolitik der Atomlobby freien Lauf gelassen:
Verglichen mit einem japanischen Kernreaktor scheint sich das Gemüt eines stellvertretenden Chefredakteurs der “taz” jedoch einigermaßen leicht abkühlen zu lassen. Denn wie man an der URL erkennen kann, war die Überschrift bei Veröffentlichung des Artikels noch deutlich deftiger:
Es ist vielleicht ganz gut, dass die “taz” den ursprünglichen Titel geändert hat, denn wer andere Menschen als “Dreckschweine” bezeichnet, befindet sich inschlechterGesellschaft.
Alle Jahre wieder wird “Bild” zur meistzitierten Tageszeitung Deutschlands erklärt. Das hat nur bedingt mit Qualität zu tun und liegt unter anderem daran, dass “Bild” schneller als andere Medien ungeprüfte Informationen als Tatsachen ausgibt.
Als etwa am Rosenmontag in Bonn ein Fahrzeug vom obersten Deck eines Parkhauses stürzte, glaubt “Bild” schon bald darauf zu wissen:
Und im Text heißt es:
Nach BILD-Informationen waren beide Jugendlichen betrunken.
Davon, dass die beiden Jugendlichen betrunken gewesen sein sollen, berichteten dann auch die Bonner Lokalzeitung “General-Anzeiger” und das Nachrichtenportal von t-online — beide unter Berufung auf “Bild”.
Wie zuverlässig “BILD-Informationen” letztlich sind, zeigte sich einen Tag später, als sich Fred Apostel, der Sprecher der Staatsanwaltschaft, gegenüber der “Rhein-Zeitung” zu dem Unglück äußerte:
Spekulationen einer Boulevardzeitung, wonach die Fahrerin nach Informationen des Blattes betrunken unterwegs gewesen ist, widersprach Apostel energisch: “Das jetzt vorliegende Ergebnis der Blutprobe sagt eindeutig, dass das Mädchen mit 0,0 Promille voll nüchtern war.”
Vielleicht wäre “Bild” nicht mehr die meistzitierte Tageszeitung, wenn andere Medien darauf verzichteten, genau solche “Spekulationen einer Boulevardzeitung” weiterzuverbreiten.
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1. “Der doppelte Tim K.” (taz.de, Julia Walker)
Tim K. aus Bremen wurde am 11. März 2009 von vielen als der Amokläufer von Winnenden angesehen. “Wer kommt eigentlich auf die Idee, dass jemand aus Bremen über 600 Kilometer nach Stuttgart fährt, um dort an einer Schule Amok zu laufen?”
3. “Inszenierte Gefechte?” (sueddeutsche.de, Christina Maria Berr)
Wie realistisch ist die von Helmut Scheben auf journal21.ch aufgeworfene Behauptung, die meisten Bilder von Kampfhandlungen seien gestellt? Christina Maria Berr fragt in der Medienbranche nach.
5. “Die Unerträglichkeit von Twitter” (netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert erlebt Twitter am Wochenende als “als Hort von Desinformation und Panikmache”.