Unmittelbar nach einem Brand einer Lagerhalle des Versorgungsamtes der Bundeswehr bei Oldenburg konnte die örtliche Polizeiinspektion am Mittwoch folgendes mitteilen:
Zur Stunde kann noch nicht gesagt werden, ob das Feuer durch einen technischen Defekt oder durch Brandstiftung entstanden ist. Die Ermittlungen dauern an.
Am Freitag war die Polizei schon einen Schritt weiter:
Im Rahmen der Untersuchungen (…) geht die Polizei von Brandstiftung aus. (…) Ob die Tat einen politischen Hintergrund hat, steht derzeit noch nicht fest. Der Polizei liegt bislang kein Bekennerschreiben vor. Die Ermittlungen dauern an.
Ungeachtet dessen hatte die Bremer Ausgabe von “Bild” bereits am Donnerstag den Kreis der Verdächtigen signifikant eingeengt:
Eine zehnköpfige Ermittlungsgruppe unter Leitung des Staatsschutzes fahndet mit Hochdruck nach den unbekannten Tätern. Noch ist nicht klar, ob es sich um radikale Islamisten oder politische Wirrköpfe aus der linken Szene handelt.
Auf Nachfrage von BILDblog bestätigte Polizeisprecher Markus Scharf heute morgen noch einmal, dass bislang noch nicht feststeht, ob die Brandstiftung überhaupt einen politischen Hintergrund hat — geschweige denn, welchen.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “BILD-Zeitung wirbt mit Holofernes-Absage” (blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Im Hausblog erklärt Sebastian Heiser, warum die “taz” eine ganzseitige Anzeige von “Bild” veröffentlicht: “Weil die BILD-Zeitung uns dafür bezahlt. Laut unserer Anzeigenpreisliste kostet eine ganzseitige, vierfarbige Anzeige unter der Woche 12.555 Euro. Das sind schon ein paar Monatsgehälter für einen taz-Mitarbeiter. Daher drucken wir auch Anzeigen von Atomkraftunternehmen wie Vattenfall oder von Ölkonzernen wie BP.” Das Interview mit Judith Holofernes führte Josef Winkler.
2. “Kampagnenjournalismus” (coffeeandtv.de, Lukas Heinser)
Lukas Heinser macht sich Gedanken zur Absage von Judith Holofernes: “Ein Vorwurf, der immer mal wieder aufkam, lautete, mit ihrer Antwort hätten Wir Sind Helden ‘Bild’ nur noch mehr Aufmerksamkeit verschafft. Mit der gleichen Logik könnte man Greenpeace vorwerfen, indirekte PR für BP zu machen. Das alte Mantra ‘Any PR is good PR’ steht im Raum, das ich für ziemlichen Unfug halte. Fragen Sie mal Jörg Kachelmann, welche Auswirkungen die ständige Erwähnung seines Namens in den Medien während der letzten elf Monate auf dessen Karriere und Leben gehabt haben!”
3. “Neu bei Bildblog: Der Spiegel” (blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz hat die aktuelle “Spiegel”-Titelgeschichte “Bild – Die Brandstifter” auf dem iPad gelesen: “Der gesamte Titel liest sich wie eine Zusammenfassung der besten Bildblog-Geschichten der letzten zwei Jahre, garniert mit ein paar eigenen Einschätzungen und ein paar Hintergrundgesprächen, beispielsweise mit Ottfried Fischer, den man dann mit Sätzen zitiert, die schon etliche Male auch anderswo zu lesen waren.”
4. “Warum liebt die ‘Bild’-Zeitung Guttenberg so sehr?” (dradio.de, Dieter Kassel)
Ex-“Bild-am-Sonntag”-Chefredakteur Michael Spreng glaubt, die “Bild”-Chefredaktion unterstütze Karl-Theodor zu Guttenberg “aus eigener Überzeugung und aus kaufmännisch-wirtschaftlichem Kalkül”. “Schlagzeilen mit Guttenberg verkaufen sich besser als Schlagzeilen über Thomas de Maizière, das liegt auf der Hand.”
5. “Der Liebling der Medien” (taz.de, Petra Hemmelmann)
Petra Hemmelmann wertet Medienberichte über Guttenberg aus: “Einen echten Fanclub scheint der Minister in der Redaktion des ‘Focus’ zu haben. Neun von zehn Bewertungen fielen zugunsten Guttenbergs aus, damit war das Nachrichtenmagazin mit Abstand das Medium mit der deutlichsten Positiv-Haltung.”
6. “Handzeichen-Lexikon” (el-futbol.de, Sidan)
Ein “Lexikon für Fussballer-Handzeichen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit”.
Es war der Tag nach der Rede-Schlacht – aber die Opposition lässt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (39, CSU) keine Ruhe!
Ganz so, als sei davon auszugehen gewesen, dass nach dem großen Schlagabtausch über die Doktorarbeit des Ministers alle zur Tagesordnung übergehen und die Opposition die Regierung auch mal lobt.
Über die gestrige Parlamentsdebatte zur Aussetzung der Wehrpflicht schreibt Paul Ronzheimer, “Bild”-Experte fürVerhöhnung:
Dann spricht SPD-Chef Sigmar Gabriel (51)! Er will nicht über die Wehrpflicht reden.
Ob Gabriel wollte oder nicht: er hat.
Mehr als zehn Minuten sprach Gabriel zum Thema, wie man bei YouTube sehen und im Sitzungsprotokoll nachlesen kann.
Er lobte die Aussetzung der Wehrpflicht, die die SPD schon 2007 gefordert hätte; warf dem Minister vor, auf Kosten der Sicherheit der Soldaten sparen zu wollen; vermisste ein Konzept, das über “wolkige Formulierungen” hinausgeht; kritisierte die Ansage “No risk, no fun”, die Angela Merkel gegenüber Kommandeuren gemacht hatte; zitierte Bundeswehrkreise, die sich besorgt über die geplante Reform geäußert hatten; forderte zu Guttenberg auf, die Reform so lange zu verschieben, bis der wisse, “wie Sie das machen wollen”.
Erst dann wandte sich Gabriel an die Bundeskanzlerin und bat sie: “Muten Sie uns und der Bundeswehr und sich und unserem Land dieses unwürdige Schauspiel, das wir seit Wochen mit Ihrem Verteidigungsminister erleben, nicht länger zu!”
Ronzheimer berichtet:
Der SPD-Chef spottet über Guttenberg: “Jeder weiß, dass wir es mit einem Hochstapler zu tun haben.” Und fügt hinzu: “Vielleicht stellt ja mal jemand einen Strafantrag …”
Die Sitzungsleitung hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (62, CDU). Aber einen Ordnungsruf gibt es wie am Vortag nicht.
Offenbar hätte sich Ronzheimer solche Ordnungsrufe an beiden Tagen gewünscht. Doch dieser zweite Absatz ist aus mehreren Gründen interessant: Zum einen suggeriert “Bild”, Lammert (im Gegensatz zu Guttenberg keinFreundderZeitung) habe die Sitzungen am Vortag geleitet, was er nicht hatte. Zum anderen stammt die Feststellung, dass es am Mittwoch keine Ordnungsrufe gegeben habe, aus Gabriels Rede selbst:
Es gab keinen Ordnungsruf des Präsidenten, nicht einmal Tumulte oder allzu laute Proteste auf Ihrer Seite, als hier zum ersten Mal in der Geschichte des Parlaments ein amtierender Minister mehrfach von Abgeordneten Lügner, Hochstapler und Betrüger genannt wurde. (…)
Es gab keine große Aufregung bei Ihnen und keinen Ordnungsruf. Frau Bundeskanzlerin, was glauben Sie wohl, warum das so war? Weil jeder hier im Haus wusste, dass das Tatsachenbehauptungen sind.
Seit die Band Wir Sind Helden öffentlich erklärt hat, warum sie nicht an einer “Bild”-Werbekampagne teilnehmen möchte, ist deren Webserver in die Knie gegangen — und unserer ächzt auch schon spürbar. Für einen Moment geriet bei Facebook, Twitter und Co. sogar Karl-Theodor zu Guttenberg in Vergessenheit.
Bei jetzt.de veröffentlichte die Userin synthie_und_roma “Die Antwort der Werbeagentur Jung von Matt auf Judith Holofernes”. Obwohl den Mitarbeitern von Werbeagenturen grundsätzlich viel Hybris, Irrsinn und Arroganz zuzutrauen ist, gab es Anhaltspunkte, dass es sich bei dem Text um eine Satire handeln könnte:
Die 10.000 Euro kommen den von ihnen gewünschten guten Zweck zu Gute: Sie geht an die Organisation “Gutmenschenmütter machen den Prenzlauer Berg besser”. Sie setzt sich für die totale Durchgentrifizierung des Bezirks ein. Unter anderem fordert sie Kinderspielplätze aus Bio-Holz, H&Ms ausschließlich mit nachhaltigen Textilien und die Begrenzung von Schriftgrößen für Boulevardzeitungen.
Man hätte also zumindest mal bei Jung von Matt anfragen können, ob diese Replik echt ist oder nicht.
Hätte:
Die Websites des “Kölner Stadt Anzeigers” und des Mediendienstes Kress brachten fröhlich den Text, den sie “Die Revanche” (ksta.de) bzw. “eine scheinbare Antwort” (kress.de) nannten.
Die Bloggerin Lisa Rank hat bei kress.de angerufen, die erklärten, gerade bei Jung von Matt angefragt zu haben.
Die dort gewonnenen Erkenntnisse fasst kress.de so zusammen:
Update 2: Jung von Matt gegenüber kress.de: “Die Antwort auf die Antwort von Judith Holofernes ist nicht von JvM.” “BILD und JvM haben Wir sind Helden um ihre Meinung zu BILD gefragt und Judith Holofernes hat für Wir sind Helden geantwortet und hat ihre Meinung veröffentlicht. Dass wir niemanden in seiner freien Meinungsäußerung einschränken wollen, haben wir in unserer Anfrage deutlich gemacht.”
Beim “Kölner Stadt Anzeiger” sind sie immer noch davon überzeugt, dass die Antwort echt war.
Mit Dank auch an Amon T.
Nachtrag, 15.40 Uhr: Auch ksta.de hat inzwischen erkannt, dass die “Antwort” ein Fake war, und schreibt:
Wir möchten dem User von jetzt.de zu seinem Coup gratulieren. Wir finden es toll, dass es heutzutage noch immer junge Leute gibt, die genug Zeit haben, sich so etwas Pfiffiges auszudenken.
2. Nachtrag, 15.57 Uhr: jetzt.de-Chefredakteur Dirk von Gehlen sah sich nach dem ganzen Chaos zu einer Stellungnahme genötigt. Er schreibt unter anderem:
Keiner der Dienste hat vor dieser Behauptung, den Kontakt zur Redaktion gesucht.
Dazu stellen wir fest: Dieser Text stammt von einem der rund 160.000 registrierten Nutzer auf jetzt.de. Er ist keine offizielle Antwort der Werbeagentur. Er ist nicht redaktionell verfasst und auch kein “Coup” von jetzt.de (wie der Kölner Stadtanzeiger behauptet). Es ist vielmehr so, dass es auf jetzt.de eine sehr aktive Community gibt, in der die Nutzerinnen und Nutzer kreativ mit den Themen umgehen, die sie umgeben. So auch in diesem Fall.
Wir Sind Helden mögen keine Werbung. Auf Festivals haben sie schon Reklamebanner abhängen lassen, bevor sie die Bühne betraten. Sängerin Judith Holofernes erklärte im Dezember 2007 als BILDbloggerin für einen Tag, was ihr an “Bild” alles nicht passt.
Trotzdem (womöglich eher: deswegen) hielt es die Werbeagentur Jung von Matt für eine gute Idee, bei Wir Sind Helden und Judith Holofernes anzufragen, ob die nicht bei einer “Bild”-Werbekampagne mitmachen wollten:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind als Werbeagentur mit der aktuellen BILD-Kampagne betraut, in der wir hochkarätigen Prominenten eine Bühne bieten, ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung zur BILD mitzuteilen.
Derzeit planen wir die nächste Produktionsphase für Frühjahr 2011. Die neu zu produzierenden TV- und Kinospots sowie Plakat- und Anzeigenmotive sollen die bestehenden Motive von Veronica Ferres, Thomas Gottschalk, Philipp Lahm, Richard von Weizsäcker, Mario Barth u.v.m. ergänzen.
Für diese Fortführung der Kampagne möchten wir sehr gern “Wir sind Helden” gewinnen.
Das schöne an der Kampagne ist, dass sie einem guten Zweck zu Gute kommt. BILD spendet in Namen jedes Prominenten 10.000,- Euro an einen von Ihnen zu bestimmenden Zweck.
Lassen Sie uns gern telefonieren und die Details besprechen. Zur Detailinformation senden wir Ihnen bereits heute anbei einige weiterführende Informationen.
Ich freue mich dazu von Ihnen zu hören.
Herzliche Grüße aus Hamburg,
Jung von Matt/Alster Werbeagentur GmbH
Die Antwort der Band, die wir hier mit freundlicher Genehmigung derselben wiedergeben, fiel eindeutig aus:
Liebe Werbeagentur Jung von Matt,
bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild -Kampagne mitmachen wollen:
Ich glaub, es hackt.
Die laufende Plakat -Aktion der Bild -Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.
Selten hat eine Werbekampagne so geschickt mit der Dummheit auf allen Seiten gespielt. Da sind auf der einen Seite die Promis, die sich denken: Hmm, die Bildzeitung, mal ehrlich, das lesen schon wahnsinnig viele Leute, das wär schon schick… Aber irgendwie geht das eigentlich nicht, ne, weil ist ja irgendwie unter meinem Niveau/ evil/ zu sichtbar berechnend… Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll’s, auf der anderen Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gummibärchen. Ihr sagt jenen Promis: wisst ihr was, ihr kriegt einfach kein Geld! Wir spenden einfach ein bisschen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spendet, der kann kein Ego haben, verstehste? Und außerdem, pass auf, jetzt kommt’s: ihr könnt sagen, WAS IHR WOLLT!
Und dann denken sich diese Promis, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, irgendeine pseudo -distanziertes Gewäsch aus, irgendwas “total Spitzfindiges”, oder Clever- Unverbindliches, oder Überhebliches, oder… Und glauben, so kämen sie aus der Nummer raus, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Und haben trotzdem unheimlich viele saudumme Menschen erreicht! Hurra.
Auf der anderen Seite, das erklärt sich von selbst, der Rezipient, der saudumme, der sich denkt: Mensch, diese Bild -Zeitung, die traut sich was.
Und, die dritte Seite: Ihr, liebe jungdynamische Menschen, die ihr, zumindest in einem sehr spezialisierten Teil eures Gehirns, genau wisst, was ihr tut. Außer vielleicht, wenn ihr auf die Idee kommt, “Wir sind Helden” für die Kampagne anzufragen, weil, mal ehrlich, das wäre doch total lustig, wenn ausgerechnet die…
Das Problem dabei: ich hab wahrscheinlich mit der Hälfte von euch studiert, und ich weiß, dass ihr im ersten Semester lernt, dass das Medium die Botschaft ist. Oder, noch mal anders gesagt, dass es kein “Gutes im Schlechten” gibt. Das heißt: ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.
Die BILD -Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-Kulturgut und kein harmloses “Guilty Pleasure” für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifestyle-Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild -Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands.
Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.
In der Gefahr, dass ich mich wiederhole: ich glaub es hackt.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Ein BILD von einem Mann” (taz.de, Steffen Grimberg und Gordon Repinski)
Die heutige “taz” thematisiert die Verbindung zwischen “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf der Titelseite und nennt sie “eine Waffenbrüderschaft mit gegeltem Haar”.
2. “Bild.de-Leser revoltieren gegen Guttenberg” (spiegel.de, phw)
“Spiegel Online” vergleicht einige sehr unterschiedlich ausgehende Abstimmungen zum Verbleib von Guttenberg im Amt des Verteidigungsministers.
4. “PR-Recycling: Churnalism.com entlarvt faule Journalisten” (avatter.de)
André Vatter stellt die Website Churnalism.com vor, die es ermöglicht, Pressemitteilungen mit vorgeblich journalistischen Texten zu vergleichen. “Um eine Abfrage zu starten, reicht es aus, einen PR-Schnipsel oder die komplette Pressemitteilung in ein Fenster zu kopieren und den Check-Button zu drücken.”
Während sich alle fragen, wer in diesem Jahr bei den Oscars abräumt, scheint Bild.de eher in Richtung Pulitzer-Preis zu schielen:
Der dazugehörige Artikel hält, was die Überschrift verspricht:
Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum,
schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar Heidi Opossum, schielen Oscar
So geht das noch drei Absätze weiter, bevor angekündigt wird: “Mehr aktuelle News aus Leipzig und Umgebung lesen Sie hier auf leipzig.bild.de.”
Aber jetzt mal im Ernst: Entweder es handelt sich hierbei um einen versehentlich online gestellten Artikel-Setzkasten oder ein dem Dadaismus wohlgesonnener Redakteur hat den Kern der gesamten “Bild”-Berichterstattung über Heidi, das schielende Opossum, endlich prägnant auf den Punkt gebracht. Chapeau!
Mit Dank an Andi!
Nachtrag, 25. Februar: Unglaublich. Da lobt man Bild.de endlich mal und dann lassen die den Artikel einfach verschwinden. Da wird Heidi aber Augen machen.
Nach der Volks-Pizza, dem Volks-Joghurt und dem Volks-PC präsentiert “Bild” heute stolz das neueste Mitglied der Produktpalette: das Volks-Kammerergebnis.
Das Ergebnis der großen Telefon- und Fax-Abstimmung (BILDblog berichtete) unterscheidet sich marginal von der Umfrage auf Bild.de, auf die die Redaktion inzwischen aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr verlinkt:
Da “Bild” seine Leser auch gebeten hatte, Begründungen für ihr Votum einzureichen, war die Seite 2 heute schnell gefüllt: 19 Pro-Guttenberg-Leserzuschriften stehen drei gegenüber, die den Minister zum Rücktritt auffordern — womit das Abstimmungsergebnis exakt repräsentiert wird.
Unter den Leserbriefen finden sich Meinungen wie diese:
“Fehler machen wir alle. Wir und unsere Kinder brauchen Politiker wir Herrn zu Guttenberg. Deshalb, Herr Minister: Bleiben Sie bitte im Amt.”
Svenja R. (41), Golf-Managerin aus Sch. (NRW)
(Alle Anonymisierungen von uns.)
Auch Leute, die sich mit Berufsehre auskennen, kommen zu Wort:
“Als Handwerksmeister werde ich nach meinen handwerklichen Fähigkeiten beurteilt. Ob ich einen Doktortitel habe, spielt dabei keine Rolle. Das gleiche muss auch für Politiker gelten!”
Hermann R. (76), ehem. Installateurmeister aus Sch. (Hessen)
Doch nicht alle Zuschriften sind so schlüssig:
“Im Dritten Reich musste mein Vater ins Gefängnis, weil er sich für die Wahrheit eingesetzt hat. Auch heute haben in Deutschland nur wenige den Schneid, eigene Fehler einzugestehen. Herr Guttenberg hat das getan. Deshalb wünsche ich mir, dass er Minister bleibt.”
Amoene Sybille R. (75), Rentnerin aus W.
Es lohnt sich, malwieder einen Blick in die Archive zu werfen: Nachdem die Spitzenkandidatin der hessischen SPD, Andrea Ypsilanti, im Jahr 2008 beim Versuch einer Regierungsbildung von ihrem ursprünglichen Vorhaben abgelassen hatte, “keine Zusammenarbeit” mit der Linkspartei einzugehen (“weder so noch so”), nannte “Bild” sie fortan einigermaßen konsequent “Frau Lügilanti” und veröffentlichte damals Leserbriefe wie diese:
Jedem Arbeitnehmer, der seinen Chef belügt, droht die fristlose Kündigung (“Vertrauensbruch”). Frau Ypsilanti hat ihren Arbeitgeber, den hessischen Steuerzahler, aufs Tiefste belogen.
Christian L., O. (Niedersachsen)
Sie ist doch in guter Gesellschaft. Und da wundern sich die Politiker, wenn die Wahlbeteiligung zurückgeht. Ich habe schon lange den Glauben an die Aufrichtigkeit der Politiker verloren.
Gerhard H., C. (Niedersachsen)
Franz Josef Wagner schrieb damals einen (selbst für seine Verhältnisse bemerkenswerten) Brief an die “Liebe Lüge” und erklärte:
Wenn ich mich über die Lügnerin Ypsilanti empöre, dann muss ich mir die Frage gefallen lassen, ob ich selbst ein wahrheitsliebender Mensch bin. Als Kolumnist ja, glaube ich. Privat – das ist Ansichtssache.
Schon im Februar 2008 hatte Wagner an Andrea Ypsilanti geschrieben:
Frau Ypsilanti, Sie müssen sich an Ihre Wahlversprechen halten, weil sonst das Bescheißen überhandnimmt. Der Diebstahl am Arbeitsplatz, die Steuerhinterziehung. Wenn Lügen in Deutschland schick werden, dann haben wir einen nationalen Notstand. Ich fordere Sie auf, nicht zu betrügen, weil wir doch alle moralisch sein wollen.
Wagner gerierte sich lange als Verteidiger des einfachen Volkes. Über unrechtmäßig erlangte Erfolge schrieb Wagner im Januar 2008:
Lieber Oskar Lafontaine,
ich habe Ihnen noch gar nicht zu Ihren Wahlerfolgen (7,1 und 5,1 Prozent) gratuliert. Ich sage Ihnen, warum. Weil ich einem Doping-Betrüger auch nicht gratuliere. Sie dopten Ihre Wähler mit den Drogen “Weg mit Hartz IV”, “Weg mit der Rente mit 67”, “Raus aus Afghanistan”.
Das ist, wie wenn man verspricht: nie mehr Zahnweh, nie mehr Liebeskummer, nie mehr Insektenstiche.
Was mich empört ist, dass die Mächtigen glauben, dass das alles normal ist. Als wären sie Könige, etwas Besseres. Mehr als wir.
Den Post-Chef Klaus Zumwinkel, der wegen Steuerhinterziehung vor Gericht stand, wollte Wagner “wegen Heuchelei” zu drei Jahren Gefängnis verurteilen. Doch das ging leider nicht:
Heuchelei ist kein Straftatbestand. Sie heuchelten Tugendhaftigkeit nach außen, aber in Ihrem Inneren waren sie nicht sittlich.
Und dann war da noch die Supermarkt-Kassiererin, die wegen der Unterschlagung von Pfandbons im Wert von 1,30 Euro entlassen worden war, und der Wagner ins Stammbuch schrieb:
Es ist der kleine Beschiss, Du nimmst dir was mit aus Deiner Firma, einen Kugelschreiber, eine Tintenpatrone für deinen Computer daheim. (…) Was ich denke, ist: Man darf nicht im Kleinen und im Großen bescheißen.
Man darf nicht bescheißen!
Was fast klingt wie ein göttliches Gebot, ist wohl eher als Regel zu verstehen. Und die werden bekanntlich von Ausnahmen bestätigt.
Mit besonderem Dank an Christoph S. und die vielen anderen Hinweisgeber!
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
2. “Bundeswehr plant Werbekampagne bei ‘Bild'” (ftd.de)
“Mit Blick auf die Aussetzung der Wehrpflicht plant die Bundeswehr eine große Werbekampagne für den Dienst in der Truppe. (…) Den Angaben des Ministeriums zufolge soll die Kampagne im März beginnen und bei den Zeitungen ‘Bild’ und ‘Bild am Sonntag’ sowie der Online-Ausgabe von ‘Bild’ laufen.”
3. “Die heikle Iran-Mission der BamS-Reporter” (ndr.de, Video, 7:58 Minuten)
“Zapp” bezweifelt die Auslanderfahrung der über Monate vom Iran festgehaltenen “Bild-am-Sonntag”-Mitarbeiter Marcus Hellwig und Jens Koch. Und befragt andere Journalisten zur Recherche ohne Journalistenvisum.
4. “Dummheit und Gefahr” (taz.de, Katajun Amirpur)
Auch die “taz” blickt zurück auf die Reise in den Iran: “Jetzt, wo die beiden frei sind, kann man es aussprechen: Diese Reise war eine Mischung aus Dummheit und Verantwortungslosigkeit.”
5. “Enden Sie bloß nicht wie Hemingway” (zeit.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein schreibt eine Ode an Franz Josef Wagner: “Ich mag das Pathos, die starken Bilder. Ironie ist Tarnung. Ironie ist für Feiglinge. Sie haben keine Angst davor, sich lächerlich zu machen. Sie ziehen sich aus und zeigen der Welt Ihren nackten Arsch – wegen des Wortes ‘Arsch’ werde ich sicher Briefe von empfindsamen Seelen bekommen. Ohne Mut zum Risiko kann man nichts erreichen, auch nicht als Autor.”