Gabriel vs. “Correctiv”, Durchlaucht in Ungnade, Aus für “Chez Krömer”

1. CORRECTIV verteidigt “Gazprom-Lobby”-Recherche gegen Sigmar Gabriel vor Gericht
(correctiv.org, Justus von Daniels & Annika Joeres & Frederik Richter)
Nach einer ersten Entscheidung des Hamburger Landgerichts muss “Correctiv” auf Betreiben des ehemaligen Außenministers Sigmar Gabriel eine Aussage der “Gazprom-Lobby”-Recherche ändern. Damit wolle sich die Redaktion jedoch nicht zufriedengeben und riskiere einen womöglich teuren Prozess: “Denn in dieser Auseinandersetzung geht es um mehr als Gabriels Spitzfindigkeiten: Es geht auch darum, ob Journalistinnen und Journalisten Haltungen und Positionen von Politikerinnen und Politikern zusammenfassend wiedergeben können, ohne in jedem Satz alle Details zu nennen.”

2. Statt seine Gäste zerstört Kurt Krömer seine eigene Kunstfigur
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Wie der RBB gestern Nachmittag mitteilte, wird die Fernsehshow “Chez Krömer” nach sieben Staffeln mit 41 Folgen eingestellt. Sein “Bedarf an Arschlöchern sei gedeckt”, so der Komiker und Gastgeber der Sendung Kurt Krömer. Ganz so einfach sei es nicht, wie Frederik von Castell bei “Übermedien” herausarbeitet. Die Sendung habe schon lange eine bemerkenswerte Schieflage gehabt.
Hörenswert sind dazu auch die Gedanken der Schriftstellerin Kathrin Weßling, die sich bei Deutschlandfunk Kultur wenige Minuten vor dem erklärten Ende der Krömer-Sendung skeptisch bezüglich einer Fortsetzung der Sendereihe geäußert hatte (deutschlandfunkkultur.de, Massimo Maio, Audio: von Minute 1 bis Minute 7).

3. Schlimmer als Twitter
(zeitung.faz.net, Hendrik Wieduwilt)
Derzeit wandern viele enttäuschte Twitter-Nutzer und -Nutzerinnen zum dezentralen Alternativangebot Mastodon ab. Diese Entwicklung könnte bald zu einer neuen Form von Problemen führen, sorgt sich Hendrik Wieduwilt in der “FAZ”: “Sollte Mastodon Twitter ablösen, könnte indes bald Ernüchterung eintreten: Wollten Staaten illegale Inhalte bekämpfen, hatten sie bei Konzernen immerhin einen Ansatzpunkt, so sehr sie sich sträubten. Die EU und Deutschland haben ihre Regulierung auf diese Flaschenhälse der Kommunikation ausgerichtet – und nicht auf ein Meer von Mini-Plattformen. Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das global erste Gesetz zur Moderation von Inhalten, greift bei Mastodon nicht.”
Weiterer Lesehinweis: Ministerpräsident Stephan Weil wird Twitter-Account löschen (faz.net).

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4. “Am Anfang habe ich mich oft klein gefühlt”
(journalist.de, Kathi Preppner)
Ella Schindler ist die neue Co-Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen, einem “bundesweiten Netzwerk von Journalist:innen mit und ohne internationale Geschichte”. Im Gespräch mit dem “journalist” geht es um ihren Werdegang, von den ersten journalistischen Meriten in der Jugendzeit in der Ukraine bis hin zu ihrer jetzigen Betätigung als verantwortliche Redakteurin für die Volontärsausbildung im Verlag Nürnberger Presse. Schindler plädiert für eine größere Diversität in den Führungsetagen der Medienhäuser: “Außerdem wünsche ich mir hörbare Diversität in den Redaktionen. Ich frage mich, wann ich im Fernsehen oder im Radio öfter mal Kolleg*innen erlebe, die so wie ich mit Akzent sprechen – ohne dass es um migrantische Themen geht.”

5. MDR erwartet 2023 Defizit in Höhe von 33 Millionen Euro
(dwdl.de, Alexander Krei)
Wie “DWDL” berichtet, erwartet der öffentlich-rechtliche Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) für das Wirtschaftsjahr 2023 ein Defizit in Höhe von 33 Millionen Euro. Dies gehe aus dem Wirtschaftsplan hervor, den der MDR-Rundfunkrat am Montag genehmigt habe. Der Sender wolle das Defizit durch Entnahmen aus Gewinnrücklagen ausgleichen.

6. Wenn Durchlaucht zum Kollateralschaden wird
(regensburg-digital.de, Stefan Aigner)
Bei “Bild” echauffiert man sich gerade darüber, dass sich der einstige Redaktionsliebling Gloria von Thurn und Taxis homophob geäußert habe. Die Fürstin war bei Krawall-Youtuber und Ex-“Bild”-Chef Julian Reichelt zu Gast, was in diesem Fall eine besondere, womöglich die entscheidende Rolle spielen könnte, wie Stefan Aigner findet: “Dass die Reaktionen aus dem Hause Springer, sei es im Blatt oder auf Twitter, weniger moralisch-ethisch motiviert sind, sondern eher der Enttäuschung darüber geschuldet sind, dass mit Gloria ein Zugpferd für den reaktionär-verblödeten Mob den Springer-Stall verlassen und sich nun dauerhaft Reichelt zugewandt zu haben scheint, während BILD TV gerade mit dem eigenen Misserfolg kämpft, darf man zumindest vermuten.”
Dazu auch unser Beitrag “In einem YouTube-Talk” von gestern.

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“In einem YouTube-Talk”

Eigentlich schätzen die “Bild”-Medien Gloria von Thurn und Taxis sehr. Sie wird beispielsweise in die “Bild-TV”-Talkrunde “Viertel nach Acht” eingeladen und sorgt dort mit der Frage, ob “Deutschlands Abstieg politisch gewollt” ist, für Wirbel. Sie darf der “Bild”-Leser- und Zuschauerschaft erklären, dass Ex-Papst Benedikt XVI. “ein sehr liebevoller und schüchterner Mann” sei. Und kommt jemand von “Bild am Sonntag” zum 60. Geburtstag vorbei, dann bietet Gloria von Thurn und Taxis bei der “Schloss-Tour” eine Show als Putzkraft. Es ist eine gut funktionierende Symbiose.

Aber heute:

Ausriss Bild-Titelseite - Verlierer - Mit einem wirren Stasi-Vergleich schockt Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. In einem YouTube-Talk ging es unter anderem um Deutschlands neue Lust am Polizeistaat. Die Fürstin über die DDR: Die haben zwar auch ein bisschen mitgehört, aber die waren wesentlich toleranter. BILD meint: Setzen, sechs.

Es ist allein schon bemerkenswert, dass “Bild”-Textchef Alexander von Schönburg aushalten muss, dass sein Arbeitgeber seine eigene Schwester aufgrund eines “wirren Stasi-Vergleichs” auf der Titelseite zur Verliererin des Tages erklärt. Aber dann ist da ja noch dieser ominöse “YouTube-Talk”, bei dem das alles passiert ist, und dessen Namen die “Bild”-Redaktion nicht nennen will. Wo kann man denn bitte derart hanebüchenen Unsinn erzählen? Wer lässt so eine DDR-Verklärung unwidersprochen zu? Müsste ein ernstzunehmender Moderator da nicht einschreiten? Und warum nennt “Bild” den Namen des Formats nicht, in dem Gloria von Thurn und Taxis derart geschwafelt hat?

Nun …

Screenshot des Youtube-Formats Achtung Reichelt - zu sehen sind der ehemalige Bild-Chefredakteur und heutige Moderator der Sendung Julian Reichelt und dessen Talk-Gästin Gloria von Thurn und Taxis - dazu die Bauchbinde Gloria von Thurn und Taxis - Die neue Lust am Polizeistaat
(Auf einen Link verzichten wir bewusst.)

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Unruhe bei “Bild”?, “Systemkritik für Paranoiker”, Überdosis Trash-TV

1. “Bild” kämpft mit “Bild”: “In Auflösung”?
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Bei “Bild” bekommt der aktuelle Chefredakteur Johannes Boie einen neuen Mann beigeordnet, den bisherigen “Focus”-Chefredakteur Robert Schneider. Dieser werde “an Johannes Boie berichten, der unverändert in seiner derzeitigen Position als Chefredakteur und Vorsitzender der ‘Bild’-Chefredaktionen bleibt”, so der Springer-Verlag. Schneider hat einschlägige Boulevard-Erfahrungen, weiß Joachim Huber im “Tagesspiegel” zu berichten: “Der gebürtige Leipziger Schneider fing einst bei der ‘Bild’ an, wurde dort Ressortleiter, ehe er als stellvertretender Chefredakteur für die ‘B.Z’ und die ‘Bild am Sonntag’ arbeitete.” Huber ordnet die Personalie mitsamt ihrer möglichen Auswirkungen ein und überlegt, wie es bei “Bild” weitergehen könnte.

2. Systemkritik für Paranoiker – Verschwörungstheorien operieren mit dem Werkzeug der Aufklärung und stillen die Sehnsucht nach Vereindeutigung in einer komplexen Welt
(nzz.ch, Robert Misik)
“Wahn wird hier zu Aufklärung und Aufklärung zu Wahn.” Der österreichische Journalist und politische Schriftsteller Robert Misik hat einen lesenswerten Essay zu Verschwörungserzählungen verfasst und als Gastkommentar in der “NZZ” veröffentlicht: “Verschwörungstheorien sind auch Formen, mit einer komplexen, unübersichtlichen Welt umzugehen. Was immer geschieht, es lässt sich zumindest erklären. Es gibt Täter, Hintermänner, die die Fäden ziehen. Wer in der realen Welt ‘nicht weiss, wie ihm geschieht’, der weiss in der Phantasiewelt der Konspirationstheorie genau, was geschieht – und wo das Böse sitzt, gegen das vorgegangen werden müsste. Verständlich, dass das attraktiv sein kann.”
Weiterer Lesehinweis, weil es das Medium betrifft: Anzeige gegen NZZ: Redaktion leistet Gratis-Überstunden: “Der Berufsverband Impressum zeigte die NZZ wegen ungenauer Arbeitszeiterfassung an. Nun hat das Arbeitsinspektorat interveniert.” (infosperber.ch, Pascal Sigg)

3. Dürfen Linke Twitter nutzen?
(taz.de, Ulf Schleth)
Bei der “taz” fragt sich Autor und Online-Entwickler Ulf Schleth, ob Linke angesichts der Übernahme durch Elon Musk weiterhin Twitter benutzen sollten. Seiner Meinung nach sollte “die Verantwortung verinnerlicht werden, Inhalte nicht ausschließlich dort zu teilen, wo das Zielpublikum ausgebeutet wird. Sie müssen reichweitenunabhängig auch dort geteilt werden, wo es sich emanzipatorisch vernetzen kann. Das ist zurzeit das Fediverse.”

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4. Damit verbringen junge Menschen ihre Zeit am Smartphone
(spiegel.de)
Laut einer Umfrage eines Marktforschungsinstituts nutzen 80 Prozent der 14- bis 37-Jährigen ihr Smartphone mehr als drei Stunden pro Tag. Ungefähr ein Drittel sei sogar mehr als sechs Stunden täglich am Handy. Die meistbenutzte App bei den 14- bis 25-Jährigen ist TikTok.
Weiterer Lesehinweis: FBI-Chef sieht in TikTok Gefahr für nationale Sicherheit (zeit.de).

5. Überdosis Trash TV: Wird das TV-Publikum Reality-müde?
(dwdl.de, Peer Schader)
Das zunehmende Angebot an Reality-Formaten habe fatale Konsequenzen für die Akzeptanz des Genres im linearen Programm, so “DWDL”-Kolumnist Peer Schader. Er gelangt zu einer ernüchternden Erkenntnis: “Die vergangenen Monate haben ein für alle Mal den Beweis erbracht, dass der Versuch, das Genre ins Positive zu drehen und entsprechende Gegenentwürfe auszuprobieren, als gescheitert bezeichnet werden muss.”

6. Sternstunde des Sportjournalismus: Warum Esther Sedlaczek einen guten WM-Job macht
(rnd.de, Imre Grimm)
Imre Grimm lobt die Arbeit der ARD-Moderatorin Esther Sedlaczek, die unter anderem DFB-Manager Oliver Bierhoff mit für ihn unangenehmen Fragen konfrontierte: “Kein Schmusetext. Kein Schonwaschgang. Die Nation hat Fragen an diesem Abend, und Esther Sedlaczek nimmt sich die Freiheit, sie zu stellen – stellvertretend für ein Publikum, das nach Jahren der Erfolglosigkeit mehrheitlich die Nase voll hat von wachsweichen DFB-Floskeln, vom ausweichenden Polit-Klimbim der Verantwortlichen und den ewigen Ausflüchten.”

KW 48/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Unser Weg durch die Chaos-Wochen bei Twitter
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck & Chris Köver, Audio: 35:46 Minuten)
Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse bei Twitter kommen die Fachleute von netzpolitik.org nicht aus dem Staunen raus: “Oft sind wir ein Frühwarnsystem, jetzt werden wir überrumpelt – und zwar vom Tempo, in dem Elon Musk sein neues Spielzeug Twitter auseinandernimmt. Wie können wir Ordnung reinbringen, während ein Milliardär Chaos stiftet, und welche Zweifel begleiten uns?”
Weiterer Hörtipp: Im “OMR”-Podcast ist Martin Fehrensen vom “Social Media Watchblog” zu Gast und versucht ebenfalls, das Unfassbare zu erfassen: “Wie viel Chaos und wie viel Kalkül steckt hinter Musks Machenschaften und welches politische Lager profitiert eigentlich vom Untergang Twitters?” (omrmedia.podigee.io, Pia Frey, Audio: 47:33 Minuten)

2. Was macht Recherchen über den Handelsriesen Amazon so schwierig?
(uebermedien.de, Holger Klein, 22:58 Minuten)
“Correctiv.Lokal” hat eine interessante Recherche zu Amazon und den dort vorherrschenden Arbeitsbedingungen angestoßen. Holger Klein hat sich mit Jonathan Sachse unterhalten, der das Projekt mitverantwortet hat: “Was haben Sachse und sein Team zu Amazon herausgefunden? Und was hat es mit all den seltsamen Artikeln auf Nachrichtenseiten zum ‘Black Friday’ auf sich?”

3. Machtgefälle und Traumata
(hinterdenzeilen.de, Tobias Hausdorf & Niklas Münch, Audio: 38:24 Minuten)
Bei “Hinter den Zeilen” geht es um den richtigen Umgang von Medienschaffenden mit traumatisierten Menschen sowie um das Machtgefälle zwischen Journalistinnen/Journalisten und Protagonistinnen/Protagonisten. Die “Spiegel”-Redakteurin Katrin Langhans und die freie Journalistin Petra Tabeling steuern Praxistipps für die Berichterstattung über verletzliche Gruppen bei.

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4. Georgine Kellermann über das laute Geschrei der trans Feinde und ihre eigene Ruhe
(queerkram.podigee.io, Johannes Kram, Audio: 59:56 Minuten)
Im queeren Podcast von Johannes Kram ist die WDR-Journalistin und trans Aktivistin Georgine Kellermann zu Gast. Das Gespräch hat viele mediale Aspekte. Kellermann gebe nämlich ein “extrem schönes Feindbild” für Hater im Internet ab, weil sie nicht nur trans, sondern auch noch öffentlich-rechtlich sei. Sie erzählt, wie sie mit all dem Hass und der Hetze umgeht, wie sie die Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus zieht und wie sie bei all dem locker bleibt.

5. Linda Wiechert: Deutscher Jugendliteraturpreis
(wiesoweshalbwarum.podigee.io, Thomas Hartmann, Audio: 1:03:11 Stunden)
Der Kulturwissenschaftler und Medienpädagoge Thomas Hartmann hat sich mit Linda Wiechert unterhalten, der Projektmanagerin des Deutschen Jugendliteraturpreises: “Welche Bücher werden im Wettbewerb prämiert? Wer trifft die Entscheidungen und wie verlaufen die Entscheidungsprozesse? Welchen Stellenwert haben Kinder- und Jugendbücher in einer zunehmend digitalisierten Welt und wie gelingt es, junge Generationen immer wieder aufs Neue für das Lesen zu begeistern?”

6. Zensur und Hollywood: Wie viel Macht hat China über die Filmindustrie?
(inforadio.de, Joyce Lee, Audio: 38:06 Minuten)
“Welt.Macht.China” beschäftigt sich mit der Frage, wie viel Macht der chinesische Staat über die Filmindustrie hat. Moderatorin Joyce Lee hat sich dazu Experten eingeladen, die erklären, warum Chinas Interesse an Hollywood abnimmt, wie Chinas Staatsführung die eigene Filmindustrie zugleich gängelt und pusht, und wie das wichtigste deutsche Filmfestival mit dem Druck aus China umgeht.

Aus fürs Medienhaus, EU spricht mit Musk, Tranzparenzregister dicht

1. RBB gibt Pläne für “Digitales Medienhaus” in Berlin auf
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der RBB hat seine ehrgeizigen und vor allem kostspieligen Pläne für das “Digitale Medienhaus” in Berlin aufgegeben. Als Gründe seien die fehlende Akzeptanz in der Belegschaft und die unklare Kostenentwicklung genannt worden. Die nunmehr nicht zur Umsetzung anstehenden Pläne hätten die Beitragszahlerinnen und -zahler bereits 32 Millionen Euro gekostet (14 Millionen Euro davon seien nach Senderangaben nachhaltig investiert, 18 Millionen seien als Verlust abzuschreiben). Eine Umsetzung wäre jedoch weit teurer gekommen, wie der Sender mitteilt: “Bei der nun erstmals vorgenommenen Vollkostenbetrachtung summierten sich die zu erwartenden Kosten auf insgesamt 311 Millionen Euro.”

2. Nach EuGH-Urteil: Zugang zu Transparenzregistern wiederherstellen!
(netzwerkrecherche.org)
Als Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs verwehren immer mehr Staaten den Zugang zu Transparenzregistern. Dies beträfe auch Deutschland. Daniel Drepper, Vorsitzender von Netzwerk Recherche, protestiert: “Der Zugang zu Transparenzregistern ist ein wichtiges Werkzeug des investigativen Journalismus. Gerade bei Recherchen zu Geldwäsche und Korruption sind diese Register oft die einzige rechtssichere Möglichkeit zu belegen, wer hinter einem bestimmten Unternehmen steckt. Wir fordern deshalb von der Bundesregierung, dass Journalist*innen auch in Zukunft Zugriff auf diese Daten erhalten.”

3. Es gibt Zweifel an der Geschichte der toten Maria, aber keine am skandalösen Verhalten Griechenlands
(uebermedien.de, Michalis Pantelouris)
Der “Spiegel” hat vier Artikel über den mutmaßlichen Tod eines fünfjährigen syrischen Mädchens auf der Flucht von der Türkei nach Griechenland vorläufig gelöscht. Beim Aufruf der Beiträge erscheint der redaktionelle Hinweis, dass es “mittlerweile Zweifel an der bisherigen Schilderung der damaligen Geschehnisse” gebe. Michalis Pantelouris hat sich den Fall näher angeschaut und die dazu bekannten Fakten sortiert. Er sieht vor allem die griechische Regierung in der Verantwortung: “Wenn sie wollte, dass man die Wahrheit über sie schreibt, könnte sie das sehr unterstützen, indem sie mal die Wahrheit sagt.”

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4. EU mahnt Elon Musk zur Einhaltung von Desinformations-Regeln
(zeit.de)
EU-Kommissar Thierry Breton hat den neuen Twitter-Eigentümer Elon Musk in einem Video-Telefonat dazu aufgefordert, entschlossener gegen Desinformation vorzugehen und die Inhalte bei Twitter stärker moderieren zu lassen. In einer anschließenden Mitteilung habe Breton betont, es gebe “noch gewaltig viel Arbeit”, um die Plattform an das EU-Recht anzupassen. Eine direkte Reaktion von Musk darauf habe es nicht gegeben.

5. Das hat die Deutschen dieses Jahr auf YouTube interessiert
(spiegel.de)
Youtube hat die deutschen Top 10 der erfolgreichsten Videos der Plattform veröffentlicht. Zum “Top Trending Video 2022” wurde die zweite Folge der Survival-Show “7 vs. Wild: Panama” gekürt, die es binnen weniger Wochen und trotz einer Laufzeit von anderthalb Stunden auf stolze elf Millionen Aufrufe geschafft hat. Auf dem zweiten Platz steht ein ursprünglich live gestreamtes Box-Event, die “Universum Boxing Night #1”, mit Auftritten von Webstars. Den dritten Platz sicherte sich der Videomacher, Streamer und Podcaster Julien Bam mit seiner Produktion“Der letzte Song aus der Bohne”.

6. Kramer und Mertesacker: Endlich haben Delling und Netzer ihre Nachfolger
(rnd.de, Imre Grimm)
Imre Grimm hat sich die Performance der Fußball-Berichterstatter und -Berichterstatterinnen im deutschen Fernsehen angeschaut und ist besonders vom Duo Christoph Kramer und Per Mertesacker angetan: “Zuschauer wollen bitte nicht hören, was sie ohnehin selbst sehen oder wissen. Sie haben Augen. Sie können lesen und sehen. Sie wollen Mehrwert. Alles andere ist Spielverzögerung und gehört mit Gelb geahndet. Tacheles ist Mangelware im Expertengeschäft. Umso besser, das mit Kramer und Merte wieder ein stabiles Team willens und in der Lage ist, unterhaltsamen Klartext zu liefern.”

Whistleblowing Policy, Freie, Desinformationen ohne Lizenz?

1. Eine Whistleblowing Policy für die Zivilgesellschaft
(freiheitsrechte.org)
Verschiedene NGOs wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Transparency International Deutschland, das Whistleblower-Netzwerk, LobbyControl und Foodwatch haben sich eine gemeinsame Whistleblowing Policy (PDF) gegeben, um Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber besser zu schützen: “Wir rufen alle zivilgesellschaftliche Organisationen auf, sich zu beteiligen.”

2. Weshalb arbeiten so viele Journalist:innen frei?
(uebermedien.de, Pia Pentzlin)
Viele Menschen können sich nicht vorstellen, wie freie Medienschaffende ihr berufliches Leben ohne Festanstellung und ohne Netz und doppelten Boden meistern. Entscheiden sie sich aktiv dafür? Oder geht es einfach nicht anders? “Übermedien” hat darüber mit Sigrid März gesprochen, der Vorsitzenden von Freischreiber, dem Berufsverband freier Journalisten und Journalistinnen.

3. Desinformationen ohne Lizenz?
(tagesschau.de, Carla Reveland & Pascal Siggelkow)
“Der österreichische Sender AUF1 verbreitet Falschmeldungen und Verschwörungsmythen – und erreicht dabei auch in Deutschland viele Menschen. Die österreichische Medienbehörde hat nun ein Verfahren gegen AUF1 eingeleitet.” Die ARD-“Faktenfinder” Carla Reveland und Pascal Siggelkow erklären den Fall, bei dem auch die politischen Hintergründe der Senderleitung interessant sind.

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4. Was die Öffentlich-Rechtlichen löschen müssen
(sueddeutsche.de, Wolfgang Janisch)
Vor vier Jahren habe sich ein Facebook-Nutzer ein regelrechtes Scharmützel mit dem MDR geliefert, weil einige seiner Kommentare gelöscht worden waren. Er sah sich als ein Opfer von Zensur. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht über den Fall entschieden: “Danach haben ARD und ZDF nicht nur das Recht, bestimmte Beiträge zu löschen, sondern sogar die Pflicht. Denn Kommentare von Nutzern sozialer Netzwerke müssen sich auf Sendungen aus dem Programm beziehen.”

5. Betty kommt nicht mehr
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Die Insolvenz der “Sozialistischen Verlagsauslieferung” habe Auswirkungen auf die gesamte linke Buchbranche, berichtet Josef-Otto Freudenreich: Durch die Pleite des Auslieferers falle “ihr Herzstück weg”. Freudenreich hat mit einem der 75 betroffenen Verlage gesprochen, der sich trotz des empfindlichen Schlags nicht unterkriegen lassen will.

6. Radio mit besonderem Anstrich
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz)
Das Digitalradio DAB+, der digitalen Nachfolger von UKW, lebt von seiner Programmvielfalt mit rund 300 Sendern. Zwischen all den Angeboten taucht auch das Brillux Radio auf, das vom gleichnamigen Farbenhersteller betrieben und finanziert wird. Das wirft Fragen auf, über die auch die zuständige Landesmedienanstalt nachdenkt.

Goldener Vorruhestand, Meta muss zahlen, Totgeglaubter Ex-Kanzler

1. Teure Verträge aus alten Zeiten
(tagesschau.de, Gabi Probst)
Unter der damaligen Intendantin Patricia Schlesinger sind beim RBB anscheinend viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht nur in den wohlverdienten, sondern auch in den hochvergüteten Vorruhestand gegangen. Mindestens in einem Fall liege das sogenannte Ruhegeld sogar über der Summe des einstigen Gehalts: “So zahlt der rbb einem ehemaligen SFB-Intendanten derzeit gut 13.100 Euro Ruhegeld monatlich, das sind rund 157.600 Euro im Jahr. Als Intendant hatte er ein Gehalt von rund 135.000 Euro jährlich.”

2. Was Elon Musk bei Twitter anrichtet
(blog.torial.com, Simon Hurtz)
Simon Hurtz, Journalist und einer der Köpfe des Newsletters “Social Media Watchblog”, beobachtet seit Elon Musks Twitter-Einstieg genau, was bei dem Netzwerk passiert. Zwischen all den Entlassungen und Entgleisungen des mitunter getrieben wirkenden Neu-Eigentümers versucht Hurtz, ein paar größere Linien und Zusammenhänge herauszuarbeiten.

3. Meta kassiert dritthöchstes DSGVO-Bußgeld
(netzpolitik.or, Ingo Dachwitz)
Laut einer Mitteilung der irischen Datenschutzbehörde DPC soll Facebooks Mutterkonzern Meta erneut eine Rekordstrafe wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung zahlen. Dieses Mal betrage das Bußgeld 265 Millionen Euro. Der Grund seien Mängel beim Schutz von Telefonnummern und Mailadressen von Facebook- sowie Instagram-Nutzerinnen und Nutzern.

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4. Der Podcast: Profile und Prognosen
(blog.medientage.de, Petra Schwegler)
Bei den diesjährigen Medientagen München ging es auch um den wachsenden Podcast-Markt. Petra Schwegler fasst zusammen, wie Studien und Experten die zukünftige Entwicklung einschätzen, in welchen Bereichen noch Wachstumspotenzial steckt und welche Werbemöglichkeiten das Medium bietet.

5. ntv wird 30: In der Welt vor Ort, aber bodenständig in Köln
(dwdl.de, Alexander Krei)
Vergangene Woche feierte der Fernsehsender ntv seinen 30. Geburtstag. Alexander Krei freut sich, dass es diese Form des Nachrichtenfernsehens trotz schwieriger wirtschaftlicher Situation immer noch gibt: “So gesehen ist es dem Betreiber RTL Deutschland, dem ntv seit 2006 gehört, durchaus hoch anzurechnen, dass man sich bis heute den teuren Luxus eines solchen Senders leistet – erst recht in Konkurrenz zu einem starken öffentlich-rechtlichen System.”

6. Parlamentsausschuss hielt Trauerminute für totgeglaubten Ex-Kanzler Vranitzky ab
(derstandard.at, Katharina Mittelstaedt & Fabian Schmid)
Gestern wurde im Sozialausschuss des österreichischen Parlaments eine Trauerminute für den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Franz Vranitzky abgehalten. Eine Abgeordnete war bei Twitter offenbar einem Fake-Account aufgesessen, der fälschlicherweise eine Meldung über Vranitzkys Tod verbreitete.

Journalismus ist kein Verbrechen, Twitter im Visier, Gestrandet

1. Journalismus ist kein Verbrechen
(spiegel.de)
Vor zwölf Jahren haben “New York Times”, “Guardian”, “Le Monde”, “Spiegel” und “El País” eine Serie von Enthüllungsgeschichten veröffentlicht, die auf Tausenden vertraulichen Dokumenten der US-Regierung basierten. Möglich wurde dies durch die Plattform WikiLeaks und deren Herausgeber Julian Assange. Nach jahrelanger Isolation in einem Londoner Botschaftszimmer sitzt Assange nun bereits seit rund dreieinhalb Jahren in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis ein. Über ihm das Damoklesschwert der Auslieferung an die USA und die lebenslange Unterbringung in einem US-Hochsicherheitsgefängnis. Die Chefredakteure und Herausgeber der seinerzeit beteiligten Medien fordern nun Assanges Freilassung: “Zwölf Jahre nach den Botschaftsdepeschen ist es an der Zeit für die US-Regierung, die Verfolgung von Julian Assange wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente einzustellen. Denn Journalismus ist kein Verbrechen.”

2. Twitter im Visier der Behörden
(netzpolitik.org, Julien Schat)
Mit dem zunehmenden Chaos, das Elon Musk bei Twitter anrichtet, rückt der Kurznachrichtendienst verstärkt in den Fokus deutscher und europäischer Behörden. Eine entscheidende Frage sei, ob Twitter weiterhin seinen Hauptsitz in Irland beanspruchen und damit von der irischen DPC reguliert werden kann: “Würde Twitter tatsächlich seinen Anspruch auf Hauptniederlassung in Irland verlieren, könnten alle 27 nationalen Datenschutzbehörden der EU aufsichtsbehördlich tätig werden. Twitter drohen damit erheblicher bürokratischer Mehraufwand und empfindliche Sanktionen, die bis zu vier Prozent des jährlichen Umsatzes ausmachen können – und das jeweils in sämtlichen 27 EU-Staaten.”

3. Gestrandet mit Anna Schneider
(faz.net, Elena Witzeck)
Elena Witzeck geht dem Tun Anna Schneiders nach, der streitfreudigen “Chefreporterin Freiheit” der “Welt”. Witzeck war auf Schneiders letzter Buchpremiere, moderiert von Micky Beisenherz, hat mit ihr später telefoniert und immer mehr Zweifel an der Stringenz des Weltbilds Schneiders bekommen. Eine lesenswerte, da differenzierte Annäherung.

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4. Griechenlands Watergate
(taz.de, Ferry Batzoglou)
Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat offenbar mehr als 100 missliebige Personen, darunter viele Medienschaffende, ausspähen lassen. Ferry Batzoglou erklärt “Griechenlands Watergate” und zieht ein bestürzendes Fazit: “Griechenland ist in der unsäglichen Ära Mitsotakis in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 108 von 180 Ländern abgerutscht. Im neuen Ranking dürfte das EU-Schlusslicht Hellas noch tiefer fallen.”

5. Iranischen Botschafter einbestellen
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock aufgefordert, den iranischen Botschafter einzubestellen. Grund seien die Drohungen iranischer Behörden gegen Journalistinnen und Journalisten der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle. “Was muss noch passieren”, so der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall, “damit das Außenministerium dem Mullah-Regime endlich die rote Karte zeigt?”
Weiterer Lesehinweis: Deutsche Welle: Rundfunkrat protestiert gegen Vorgehen iranischer Behörden (dw.com).

6. Künftig im Tabloid-Format: “Tagesspiegel” startet in neue Ära
(dwdl.de, Alexander Krei)
Der “Tagesspiegel” erscheint ab dem heutigen Dienstag im kleineren Tabloid-Format. Auf den ersten 40 Seiten soll es um Deutschland und die Welt, auf den zweiten 40 Seiten um die Hauptstadtregion gehen.
Weitere Lesehinweise: Passend zum Relaunch schwelgt “Tagesspiegel”-Autor Rolf Brockschmidt etwas in Nostalgie und zeigt, wie sich das Blatt über die Jahre verändert hat. Bei medienpolitik.net kritisiert Helmut Hartung die mit dem Neustart verbundene Reduzierung der Medienberichterstattung: “Mit der Verkleinerung des Formats beginnt anscheinend auch – zumindest im Medienbereich – eine Reduzierung der journalistischen Kompetenz. Eine ‘Investition in den Journalismus’ ist die Einstellung der Medienseite jedenfalls nicht.”

Wie die Blackout-Gefahr einmal durch den Springer-Kosmos gereicht wird

Bis vergangenen Mittwoch, also bis die “Bild”-Redaktion sich einschaltete, war es eine Geschichte von einem Behördenchef, der merkwürdig unsachkundige Dinge sagt, und den “Welt”-Medien, die daraus klick- und verkaufsträchtige Überschriften basteln. Dann kam eben “Bild” dazu und verdrehte das Ganze zu einem möglichen Polit-Vertuschungsskandal.

Angefangen hat es alles mit einem Interview in der “Welt am Sonntag”. Auf die Frage “Rechnen Sie angesichts der Energieknappheit mit Blackouts?” antwortete Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK):

Wir müssen davon ausgehen, dass es im Winter Blackouts geben wird. Damit meine ich eine regional und zeitlich begrenzte Unterbrechung der Stromversorgung. Wobei die Ursache nicht nur Energieknappheit sein wird, sondern auch das gezielte, zeitweise Abschalten der Netze durch die Betreiber, mit dem Ziel, die Netze zu schützen und die Gesamtversorgung nicht zu gefährden.

Das Risiko dafür steigt ab Januar und Februar, sodass wir davon ausgehen, dass es von da an stellenweise für eine gewisse Zeit zu Unterbrechungen der Stromversorgung kommt.

Das ist eine bemerkenswerte Aussage, weil sie a) vom “obersten Katastrophenschützer” des Landes kommt und b) dessen Verständnis von einem Blackout ziemlich genau das Gegenteil der Blackout-Definition einer anderen Bundesoberbehörde, der Bundesnetzagentur, darstellt. Die Bundesnetzagentur, die für die Energieinfrastruktur in Deutschland zuständig ist, versteht unter einem Blackout:

ein unkontrolliertes und unvorhergesehenes Versagen von Netzelementen. Das führt dazu, dass größere Teile des europäischen Verbundnetzes oder das gesamte Netz ausfallen (sogenannter Schwarzfall). Ein solches Ereignis könnte beispielsweise auftreten, wenn in einer angespannten Last- und Erzeugungssituation zusätzlich schwere Fehler an neuralgischen Stellen des Übertragungsnetzes auftreten. Ein Blackout ist also grundsätzlich kein durch eine Unterversorgung mit Energie ausgelöstes Ereignis, sondern bedingt durch Störungen im Netzbetrieb.

Das, was Ralph Tiesler im “WamS”-Interview beschreibt – ein regional und zeitlich begrenztes, mitunter gezieltes Abschalten der Netze, um diese zu schützen -, klingt hingegen nach einem Brownout. Auch dafür hat die Bundesnetzagentur eine Definition:

Demgegenüber steht der sogenannte (kontrollierte) Brownout. Dieser kann notwendig werden, wenn im Vergleich zur nachgefragten Menge zu wenig Strom produziert werden kann, z.B. aufgrund eines Brennstoffmangels für Kraftwerke oder einer allgemein zu geringen Erzeugung, beispielsweise auch durch Nichtverfügbarkeiten von Erzeugungsanlagen. In diesem Fall ist es notwendig, die Nachfrage soweit zu reduzieren, dass das Angebot die Nachfrage wieder vollständig decken kann. Nur so kann die Versorgung mit Strom weiterhin stabil und zuverlässig gewährleistet werden.

Tiesler scheint das eigentlich auch zu wissen. Gleich eine Antwort später sagt er:

Wie gesagt, wir rechnen eher mit kurzfristigen, sogenannten Brownouts als mit lang anhaltenden, großflächigen Blackouts. Gute Vorbereitung ist aber auch dafür wichtig.

Er liefert also im gleichen Interview die Auflösung zur Verwirrung, die er eine Antwort zuvor selbst gestiftet hat.

Wie kann eine Redaktion mit diesem Durcheinander nun umgehen? Sie könnte im Interview schon nach der ersten Antwort widersprechen und sowas sagen wie: “Moment, Herr Tiesler, Sie meinen doch gar keinen Blackout, sondern einen Brownout, oder?” Oder sie erklärt der Leserschaft nachträglich in einem Zusatztext, dass Tieslers Aussage “Wir müssen davon ausgehen, dass es im Winter Blackouts geben wird” mit der darauffolgenden “Damit-meine-ich”-Definition nicht zusammenpasst. Oder sie macht es so, wie die “Welt”-Medien es machen, isoliert und überbetont Tieslers Warnung vor einem eher unwahrscheinlichen Blackout und steigert damit bei einer ohnehin schon verunsicherten Bevölkerung die Verunsicherung:

Ausriss Welt am Sonntag - Katastrophenschutz erwartet Strom-Blackouts im Winter
Screenshot Welt.de - Oberster Katastrophenschützer - Müssen davon ausgehen, dass es im Winter Blackouts geben wird

Mit der ersten Schlagzeile auf der Titelseite lag die “Welt am Sonntag” in ganz Deutschland an Kiosken, Tankstellen und in Bäckereien. Die zweite Schlagzeile schaffte es auf die Welt.de-Startseite. Die große Blackout-Winter-Warnung konnte also von vielen gesehen werden, das dazugehörige Interview mit all den Brownout-Einschränkungen in Ralph Tieslers Antworten konnte hingegen nur jener Bruchteil mit einem “Welt-plus”-Abo lesen.

Bereits an dem Sonntag schaltete sich auch Tieslers Behörde ein. Bei Twitter erklärte sie in einer “Klarstellung des BBK”:

Ein großflächiger Stromausfall in Deutschland ist äußerst unwahrscheinlich. Das elektrische Energieversorgungssystem ist mehrfach redundant ausgelegt und verfügt über zahlreiche Sicherungsmechanismen, um das Stromnetz bei Störungen zu stabilisieren.

Ebenso wird die Wahrscheinlichkeit als gering angesehen, dass es regional und zeitlich begrenzt zu erzwungenen Abschaltungen kommt, um die Gesamtversorgung weiter sicherzustellen.

Auf ein solches Szenario hatte sich BBK-Präsident Ralph Tiesler in seinem Interview mit der “Welt am Sonntag” bezogen, um die grundsätzliche Bedeutung von Vorsorgemaßnahmen hervorzuheben.

Die missverständliche Formulierung bedauert das BBK und stellt diese hiermit klar.

Das rief die “Bild”-Redaktion auf den Plan:

Screenshot Bild.de - Rückzieher vom Katastrophenschutz - Will Faeser die Blackout-Warnung vertuschen?

Die “Bild”-Autoren Johannes C. Bockenheimer und Nikolaus Harbusch schreiben:

Versucht das Innenministerium, die Energiekrise zu beschönigen?

Innenpolitiker diskutieren, warum eine Behörde des Ministeriums von Nancy Faeser (52, SPD) Warnungen vor Stromausfällen im Winter kurz darauf zurücknahm. (…)

War Faeser beziehungsweise ihren Beamten die Stromausfall-Warnung des BBK-Chefs also zu heikel?

Bockenheimer und Harbusch geben sich große Mühe, der eigenen Leserschaft möglichst wenig zu dem Fall zu erklären. Sie lassen all das, was gegen ihre Vertuschungsthese spricht, großzügig weg. Im “Bild”-Text erfährt man weder, dass Tiesler im “WamS”-Interview mit einer alternativen Blackout-Definition arbeitet, noch, dass er eine Antwort später seine Aussage selbst relativiert und von Brownouts spricht.

Das “Bild”-Duo könnte ganz einfach erzählen, “warum eine Behörde des Ministeriums von Nancy Faeser (52, SPD) Warnungen vor Stromausfällen im Winter kurz darauf zurücknahm.” Man muss davon ausgehen können, dass sie als Springer-Mitarbeiter Zugang zu “Welt-plus”-Artikeln oder zur “Welt am Sonntag” haben. Im Interview mit Ralph Tiesler hätten sie die Antwort gefunden. Sie hätten es auch in einem Tweet von Malte Kreutzfeldt nachlesen können oder in einem Text vom “Volksverpetzer”. Dort steht überall, dass Tiesler eine erfundene Blackout-Definition verwendet hat, was die “Klarstellung” des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erklärt. Und das wiederum ist auch die Antwort auf die Frage aus den Überschriften von “Bild” und Bild.de, ob Nancy “Faeser die Blackout-Warnung vertuschen” will: Es geht schlicht um die Richtigstellung einer verhunzten Interviewaussage. Johannes C. Bockenheimer, Nikolaus Harbusch und die “Bild”-Redaktion können das alles nicht nicht gewusst haben.

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Tote Briefkästen, Iran-Recherchen, Seltsame Abo-Methoden

1. Tote Briefkästen: Wie sich Verbreiter von Hass oder Desinformation der Justiz entziehen können
(correctiv.org, Kimberly Nicolaus)
Immer mehr Verbreiter von Falschinformationen oder Verschwörungsmythen entziehen sich auf trickreiche Weise ihrer Impressumspflicht, indem sie sich schwer oder gar nicht zugängliche Auslandsadressen zulegen. “Correctiv” ist dem Problem in einer lesenswerten Recherche nachgegangen.

2. Wichtige Recherchen zur Revolution im Iran
(recherche.substack.com, Daniel Drepper)
Daniel Drepper vermisst in deutschen Medien Recherchen zum iranischen Regime und dessen Verbindungen in die deutsche Politik und Wirtschaft. Vor allem international habe es zuletzt ein paar gute Veröffentlichungen gegeben. In der neuesten Ausgabe seines Recherchebriefs stellt Drepper nun einige Texte und eine Doku zum Iran vor.

3. GEO verlangt nur 12 Euro für unverlangt zugesendetes Heft
(uebermedien.de, Eckhard Stengel)
Eckhard Stengel wundert sich über die Methoden des Verlags Gruner + Jahr zur Abonnement-Generierung: “Da werden Leser:innen also tatsächlich mit einem (unbestellten) Zusatz-Abo ohne Widerufsbelehrung zwangsbeglückt, haben angeblich keinen Anspruch, davon verschont zu bleiben – und müssen sich Kontaktdaten auch noch selbst heraussuchen.”

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4. Leitfaden öffentlich machen
(djv.de, Hendrik Zörner)
Die ARD hat einen neuen Compliance-Leitfaden erstellt, “eine Grundlage, auf der die Landesrundfunkanstalten ihre jeweiligen Compliance Managements überprüfen und ggf. anpassen”. Zunächst wollte die ARD den Leitfaden geheim halten, doch nach einem Protest des Deutschen Journalisten-Verbands werde er jetzt “interessierten Medien” zugänglich gemacht.

5. Elon Musk holt die Rechtsextremen zurück
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck)
Twitters neuer Eigentümer Elon Musk hat vergangene Woche eine “Generalamnestie” der besonderen Art angekündigt: Er wolle die (meist aus guten Gründen) gesperrten Accounts reaktivieren lassen. Expertinnen und Experten sind entsetzt, sie halten die Maßnahme für eine Katastrophe. Sebastian Meineck hat sich die Reaktionen der Fachleute angeschaut und gibt Tipps, wie man sich angesichts der zu erwartenden Welle von Hass und Hetze schützen kann.

6. Legendär: Als Enzensberger den Stiernacken für “out” erklärte
(freitag.de, Erika Thomalla)
Der Literaturwissenschaftler Kai Sina hat erstmals die Geschichte der Zeitschrift “TransAtlantik” rekonstruiert. Erika Thomalla fasst zusammen: “Der Autor erzählt die Geschichte von TransAtlantik nicht allein auf der Grundlage ihrer Programmschriften oder ihrer Rezeption, sondern liest sie gleichsam im Ganzen. Insbesondere das erste und das letzte Heft unter der Leitung Enzensbergers und Salvatores werden einem Close Reading unterzogen.”

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