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“1. Sex-Täter verurteilt!”

Endlich kann “Bild” mal wieder etwas Gutes aus dem Hause derer zu Guttenberg berichten:

Stephanie zu Guttenberg (34) und ihr engagierter Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern – jetzt ein großer Erfolg! Der erste Täter, den sie mit ihrer TV-Sendung “Tatort Internet” überführt hatte, stand Dienstag in München vor Gericht! Der Schlosser, der im Netz und auch bei einem Treffen Sex mit einer 13-Jährigen suchte, wurde verurteilt!

“Was für ein tolle Frau”, möchte man da fast ausrufen — wenn “Bild” das nicht wahrlich schon oft genug getan hätte.

Allein für ihren einmaligen Auftritt als Co-Moderatorin in der umstrittenen RTL2-Sendung “Tatort Internet” (die “Bild” unbeirrt als “Sendereihe von Stephanie zu Guttenberg” bezeichnet) hatte “Bild” die Gattin des damaligen Bundesverteidigungsministers mehrfach in den höchsten Tönen gefeiert. Nun ist einer der Männer, der in eine Falle der TV-Macher getappt war, wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern vom Amtsgericht München zu drei Monaten Haft auf Bewährung und 1000 Euro Geldauflage verurteilt worden und “Bild” (für die eine Bewährungsstrafe sonst eigentlich “laufen lassen” bedeutet) feiert dies als persönlichen Triumph von Stephanie zu Guttenberg.

Die Freifrau darf natürlich sogleich selbst zu Wort kommen und so tun, als sei überhaupt erstmalig in der Geschichte der Menschheit
ein “Sex-Täter” (“Bild”) verurteilt worden:

Stephanie zu Guttenberg zu BILD: “Ich bin froh, dass endlich ein Richter den Mut findet, einen dieser Täter zu verurteilen. Die Justiz muss die Gesetze gegen Kinderschänder endlich härter anwenden!”

Was “Bild” lieber verschweigt, hat die “Süddeutschen Zeitung” aufgeschrieben:

Das Gericht vertrat dabei die Auffassung, der Mann sei von RTL2 ‘in eine Falle gelockt’ worden. Richter Andreas Forstner hielt dem 42-jährigen Schlosser zugute, dass er von dem TV-Team ‘vorgeführt worden’ war. Wenn die Polizei mit Lockvögeln arbeite, sagte der Vorsitzende, sei das schon grenzwertig. Das gelte für einen Sender, der seine Quoten aufbessern wolle, ganz besonders.

Mit Dank an Andreas G. und Axel Sch.

Ohne Worte (mit Angela Merkel)

Empfang vor dem Weißen Haus: Die Obamas warten auf Merkel.

Mit Dank an Thomas B.

Nachtrag, 9.40 Uhr: Bei “Spiegel Online” haben sie sich das zu betextende Foto etwas genauer angeschaut und schreiben jetzt:

Empfang für die Kanzlerin: Die Obamas, Angela Merkel und Ehemann Joachim Sauer vor dem Weißen Haus.

Rivva, Sportschau, Brot

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Rivva ist zurück
(blog.rivva.de, Frank Westphal)
Nachdem rivva.de im Februar aus finanziellen Gründen hatte schließen müssen, ist die Übersichtsseite über die im deutschsprachigen Social Web meistverlinkten Artikel zurück. Diese Nachricht wurde überwiegend enthusiastisch aufgenommen.

2. Russland schaut in den Pressespiegel
(nzz.ch, Ann-Dorit Boy)
Zwei Internet-Seiten übersetzen für russische Leser ausländische Artikel. Meist reagieren die Leser empfindlich auf Kritik an ihrem Heimatland, mitunter kann die Berichterstattung für Betroffene gar gefährlich werden. Doch manchmal stimmen die Kommentatoren den Reportern auch zu.

3. SWR-Tamtam: “Wie Ärzte Patienten reihenweise beim Suizid helfen”
(faz-community.faz.net/blogs/biopolitik, Oliver Tolmein)
“Report Mainz” (Beitrag hier in der Mediathek) berichtet, dass Ärzte “reihenweise” Patienten beim Suizid geholfen hätten, kann diese Behauptung aber nicht wirklich untermauern.

4. Freier Fußball für freie Menschen
(taz.de, Andreas Rüttenauer)
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) erwägt, die frei empfangbaren Zusammenfassungen von Bundesligaspielen (bisher samstags um 18.30 Uhr in der “Sportschau” im Ersten) ins Internet zu verlagern. Andreas Rüttenauer schreibt über ein Beinahe-Grundrecht, Volksparteien und die Wirtschaft (dazu auch ein Kommentar von Roland Peters auf n-tv.de).

5. How Celebrities Are Ruining Our Lives
(blogs.forbes.com/meghancasserly, Meghan Casserly, Englisch)
Lisa Bloom, Rechtsexpertin beim amerikanischen Fernsehsender CBS, hat ein Buch geschrieben, mit dem sie Frauen zum eigenständigen Denken animieren will. Sie glaubt, dass Frauen von Medienmachern falsch eingeschätzt werden: “Producers say that the only programs that women are going to watch are Lindsay Lohan or Kim Kardashian or plastic surgery stories. And I just don’t believe that’s true.”

6. Ehemaliger Ki.Ka-Mitarbeiter veruntreute Geld, um Armverlängerung zu finanzieren
(der-postillon.com, ucn)
“Selten ließ sich ein Brot derart schmieren: Gleich am ersten Verhandlungstag gestand der angeklagte Ki.Ka-Mitarbeiter B. das Brot Bestechung und Untreue in Millionenhöhe, gab aber seinem beruflichen Umfeld eine Mitschuld.”

Bild  etc.

Aber der Hund ist verrückt, ja?

In ihrer gestrigen Münchner Regionalausgabe konnte “Bild” mit einer kleinen Sensationsmeldung aufwarten:

Neu entdeckt! Ein Lied von Mosi

So soll unser Mosi für immer unvergesslich bleiben: ​Im Internet ist jetzt drei Minuten lang die Original-Stimme des ermordeten Modezaren Rudolph Moshammer (†64) zu hören!

Wie “Bild” berichtet, habe der Münchner Musikproduzent und Komponist Gottfried Seidl-Carusa einen Schlager veröffentlicht, “der Jahre lang bei ihm in der Schublade schlummerte”.

Seidl-Carusa: “Wir haben den Dixie-Song zusammen vor elf Jahren in einem Tonstudio von Ambros Seelos aufgenommen. Ich habe gesungen, er seinen Text dazu gesprochen. ​Mosi war begeistert. ​Aber dann kam 2001 sein Grand Prix-Auftritt dazwischen und unser Liebeslied geriet leider völlig in Vergessenheit.”

Als BILD jetzt über das nachlassende Interesse der Münchner an ihrem einstigen Liebling berichtete, erinnerte sich sein Freund wieder an das unveröffentlichte Mosi-Lied und verewigte es auf seiner Homepage (www.​carusa-music.​de/​projekte).

Es spricht wenig dafür, dass sich Seidl-Carusa tatsächlich erst jetzt, nach einem “Bild”-Bericht an seinen Song mit der wiederkehrenden Zeile “Mein Hund Daisy ist so crazy” erinnert hat. Und wenn, dann muss er ihn zwischendurch mehrfach erfolgreich verdrängt haben:

Der Text, den er online gestellt hat, datiert vom Mai 2005. Im Internet (also auf Carusas Website), wo der Song laut “Bild” “jetzt” zu hören ist, steht er auch schon länger, im Google-Cache vom 3. April 2011 ist er jedenfalls schon vorhanden.

Außerdem hatte sich der Produzent und Komponist schon im Februar 2005, dreieinhalb Wochen nach Ermordung des Modeschöpfers, schon einmal an das Werk “erinnert”: Das bayerische Regionalprogramm von Sat.1 hatte damals über die wieder entdeckte Hunde-Hymne berichtet. Seidl-​​Carusa posierte damals im Tonstudio und kündigte an, das Lied zugunsten von Moshammers Verein “Licht für Obdachlose” veröffentlichen zu wollen. Anschließend erklärte die Sat.1-Moderatorin, der Song sei auch auf einer neuen DVD zum Andenken an Moshammer enthalten.

Sat.1 Bayern hat seinen Beitrag vom 7. Februar 2005 heute noch einmal online gestellt — um damit auf die aktuelle Berichterstattung zu reagieren, die längst weite Teile der deutschen Medienwelt erfasst hat.

Die folgende Auflistung ist sicher unvollständig:

dpa:

Moshammers Liebeslied an Hund “Daisy” aufgetaucht

dapd:

Moshammers Hymne auf Daisy – Bislang unbekanntes Lied vom verstorbenen Modezar Moshammer soll für Stimmung auf dem Oktoberfest sorgen

“Spiegel Online”:

Sechs Jahre nach dem Tod von “Modezar” Rudolph Moshammer schenkt der Münchner Musikproduzent und Komponist Gottfried Seidl-Carusa der Welt ein Lied. Nicht irgendein Lied. Es ist eine – bisher garantiert unveröffentlichte – musikalische Liebeserklärung Moshammers an seine Yorkshire-Hündin Daisy.

stern.de:

Mosi-Song aus Schublade gezaubert: Liebeslied an Hundedame Daisy. Vor sechs Jahren wurde der Münchner Modezar Rudolph Moshammer in seinem Haus ermordet. Jetzt ist ein bislang unbekanntes Lied von ihm aufgetaucht: eine Liebeserklärung an seinen Hund Daisy.

“Die Welt”:

Mehr als sechs Jahre nach seinem Tod ist ein Lied des exzentrischen Modeschöpfers Rudolph Moshammer aufgetaucht. Der Titel: “Mein Hund Daisy ist so crazy”. Der Münchner Musikproduzent Gottfried Seidl-Carusa hat den Song nach eigenen Angaben jahrelang in seiner Schublade gehabt. Nun hat er ihn auf seine Internetseite gestellt.

“Rheinische Post”:

Moshammer-Lied für “Daisy” aufgetaucht

“Focus Online”:

Modezar: Moshammer-Song "Mein Hund Daisy" aufgetaucht

abendblatt.de:

Musikalischer Nachlass: Neues Lied vom toten Modezar Moshammer im Internet zu hören. Ein Musikproduzent hat das Lied "Mein Hund Daisy ist so crazy", das er 2000 mit dem Modezar Rudolph Moshammer aufnahm nun veröffentlicht.

“Augsburger Allgemeine”:

Der "Verrückte-Daisy-Song". Komponist will mit Lied des verstorbenen Rudolph Moshammer einen Wiesnhit landen

n-tv.de:

"Mein Hund Daisy ist so crazy": Mosi-Liebeslied aufgetaucht

“Berliner Kurier”:

Gut sechs Jahre nach seinem Tod sorgt der exzentrische Modeschöpfer Rudolph Moshammer wieder für Furore: Mit dem Songtitel “Mein Hund Daisy ist so crazy” – einem Liebeslied an seinen Vierbeiner. Beim Münchner Musikproduzenten Gottfried Seidl-Carusa lag der Dixie-Song in der Schublade, nun hat er ihn auf seiner Internetseite veröffentlicht.

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Korb für Wagner

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist heute zum Staatsbankett im Weißen Haus geladen und bringt neben etlichen Ministern auch Menschen wie Thomas Gottschalk und Jürgen Klinsmann mit. Doch einer fehlt: Franz Josef Wagner Dirk Nowitzki.

Dem deutschen Basketballspieler in Diensten der Dallas Mavericks wurde dafür eine andere Ehre zuteil: Franz Josef Wagner schreibt ihm heute einen Brief. Wagner ist zwar offensichtlich verzückt von Nowitzki (“Sie werfen Bälle, wie sie nur ein Zauberer werfen kann.”), hat aber andererseits eher wenig Ahnung von dem Sport, den dieser so betreibt.

So schreibt Wagner:

Amerika sieht, wie Sie hochsteigen, unglaublich hochsteigen, fast 4 Meter hoch und den Ball versenken.

Warum Nowitzki, der (wie Wagner richtig schreibt) 2,13 Meter groß ist, “fast 4 Meter” hochsteigen soll, um den Ball in 3,05 Metern Höhe im Korb zu versenken, weiß nur Wagner.

Dirk, 32, Deutscher, der höher springt als alle anderen, der aus 30 Metern Bälle wirft – ohne Nerven, ohne zittern.

Womöglich kann Nowitzki auch aus 30 Metern Bälle werfen, allerdings ist ein Basketballfeld in der amerikanischen Profiliga NBA eh nur 94 Fuß (28,65 Meter) lang.

In Teilen der heutigen Auflage ist Nowitzkis Alter darüber hinaus mit “33” angegeben. So alt wird er aber erst in 12 Tagen.

Mit Dank an O. St., Jens W. und Bene.

Panik, Kritikkritik, Kika

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Franz Josef und das Panikorchester
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz analysiert noch einmal die bisherige Medienhysterie um EHEC: “Natürlich hat die “Bild” mal wieder besonders übertrieben, aber es wäre zu einfach, wenn jetzt alle wieder mit den Finger nur auf sie zeigen würden. Tatsächlich gab es in den Redaktionen in den letzten Wochen kaum jemanden, der einfach mal zur Besonnenheit riet.”

2. Zu wenig Geld für eine Nachricht
(journalist.de)
“10 Euro für eine Meldung sind genug. Das findet zumindest der Chefredakteur von pcwelt.de, wenn es um die Bezahlung seiner freien Autoren geht.”

3. Konzertkritiker
(nullsummenspiel.tumblr.com)
Auch Konzertkritiker müssen sich hin und wieder Kritik gefallen lassen, Konzertkritikerkritik quasi: “Blöd nur, wenn man als Kritiker zu einem Konzert gerufen wird, von dem weiß, dass es irgendwie wichtig ist, man vom eigentlichen Gegenstand der Berichterstattung – der Musik – nicht so ganz in Kenntnis gesetzt ist.”

4. Wenn Zeitungen dumm machen
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris zeigt auf, dass die hysterische Berichterstattung vieler deutscher Medien über die Griechenlandkrise einen direkten Einfluss auf die Lage Griechenlands und Europas hat.

5. Von Selbstbeweihräucherung und Nestbeschmutzung
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
“Tagesschau”-Chefredakteur Kai Gniffke sinniert angesichts des KiKa-Skandals darüber, wie es ist und wie es seiner Meinung nach sein sollte, wenn man über Fehler im eigenen Haus berichtet.

6. Konstantin verrät erste Details zu KNDM.de
(meedia.de, Alexander Becker)
“kritisch – nachhaltig – direkt – meinungsbildend”

Für eine Handvoll Milchmädchen

Ein Gutes hat ja die “Bild”-Hetze gegen Griechenland: Es bleibt kaum noch Zeit, um Geringverdiener gegen Hartz-IV-Empfänger aufzuwiegeln.

Am Samstag hatte Bild.de dann doch endlich wieder freie Kapazitäten für den zeitlosen Westerwelle-Klassiker “Leistung muss sich wieder lohnen!”:

Stundenlohn 1,88 Euro: Ich arbeite - kriege aber kaum mehr als Hartz IV

Hartz IV gleich soziale Hängematte? Viele arbeiten, obwohl es sich fast gar nicht lohnt. Sie sind Aufstocker.

Kurios ist dabei der Rechentrick, mit dessen Hilfe Bild.de “Stundenlöhne” von 1,88 Euro oder im folgenden Fall 2,50 Euro überhaupt möglich macht:

Wie die Kölnerin Simone L. (39), die 30 Stunden in der Woche in einem Verwaltungsjob arbeitet. (…) Sie lebt von 1050 Euro Nettogehalt, 184 Euro Kindergeld und 409 Euro staatlichem Mietzuschuss. Macht 1643 Euro.

Wenn sie gar nicht arbeiten würde, hätte sie nur 270 Euro weniger. Sie verdient also nur 2,25 Euro pro Stunde.

Haben Sie’s gemerkt? Während ein Stundenlohn normalerweise angibt, was ein Angestellter pro Arbeitsstunde brutto verdient, nimmt Bild.de den Nettolohn plus Kindergeld und Mietzuschuss, zieht davon einen möglichen Anspruch auf Hartz IV ab und teilt das dann durch die Arbeitsstunden — hier: (1643€ – 1373€)/120h. Berechnet man den Stundenlohn von Simone L. auf herkömmliche Weise, dann liegt er bei ca. 12 Euro.

Wie bescheuert dieser Rechenweg ist, zeigt sich, wenn man damit den Stundenlohn eines alleinerziehenden Bild.de-Redakteurs im fünften Berufsjahr laut Tarifvertrag (immerhin 3467 Euro brutto) berechnet. Denn auch er käme lediglich auf einen Dumping-Stundenlohn von etwa 5,50 Euro statt eines wirklichen Stundenlohns von 21,67 Euro (bei 40 Arbeitsstunden).

Aber ganz unabhängig vom Gehalt: Lohnt es sich überhaupt, für Bild.de zu arbeiten?

Mit Dank an Per K.

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Das Kreuz mit der Griechen-Hetze

Am vergangenen Freitag erfand die “Bild”-Zeitung einen “Wirbel” um den deutschen Botschafter in Athen. Der habe “die Berichterstattung deutscher Medien in der Griechenland-Krise” kritisiert, stellte “Bild” fest, fragte treuherzig: “Wen hat Wegener damit gemeint?”, bekam aber keine Antwort.

Und damit zu einem ganz anderen Thema:

Griechen verhöhnen Europa ... und kriegen trotzdem neue Milliarden

Die “Bild”-Autoren Ralf Schuler und Paul Ronzheimer, der in diesem Jahr den Herbert-Quandt-Medien-Preis für herausragenden Wirtschaftsjournalismus erhält, lassen in ihrem Bericht offen, ob zukünftige Hilfspakete für Griechenland von einem Demonstrationsverbot abhängig gemacht werden sollten oder das griechische Volk vielleicht kollektiv verpflichtet werden könnte, seine Dankbarkeit für drastische Sparmaßnahmen angemessen auszudrücken.

Unerwähnt lassen sie auch, dass es nicht einmal einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Foto und den jüngsten Beschlüssen der EU gibt, Griechenland weiter zu unterstützen: Das Bild entstand bereits vor einer Woche, am 30. Mai.

Besonders verblüffend ist aber diese Stelle im “Bild”-Text:

Unter einem Hakenkreuz-Plakat stand: “Die EU ist die Krönung aus UdSSR-Zentralismus und Glühbirnen-Faschismus”.

Nein. Das steht nicht unter dem Hakenkreuz-Plakat. Das steht unter einem Foto von dem Hakenkreuz-Plakat — in einem Hass- und Hetzblog namens “Politically Incorrect”, das sich vor allem dem Kampf gegen Moslems und alles vermeintlich Linke verschrieben hat.

Und nun kann man darüber streiten, was schlimmer ist: Dass “Bild”-Redakteure ihre Informationen über die Welt von einer solchen Seite beziehen. Oder dass sie zu blöd sind, sie wenigstens richtig abzuschreiben.

Mit Dank an Jens Sch., Christian, Webreporter, Dr. Nötigenfalls, Icke und Josef N.

Nachtrag, 7. Juni 2011. “Bild” hat den Online-Artikel korrigiert und bringt auch in der gedruckten Ausgabe “Berichtigung”, schafft es aber nicht, die traurige Wahrheit zuzugeben:

Berichtigung

BILD berichtete gestern, unter einem Demonstrations-Plakat in Athen habe der Satz gestanden: “Die EU ist die Krönung aus UdSSR-Zentralismus und Glühbirnen-Faschismus”. Nach neuen Erkenntnissen hat dies nicht auf dem Plakat gestanden.

Sprachnörgler, Strippenzieher, Spring Break

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Die unverbesserliche Seichtigkeit der Sprachnörgler
(wissenslogs.de/sprachlog, Anatol Stefanowitsch)
Im dritten Teil seiner Serie (Teil 1, Teil 2) beschäftigt sich Anatol Stefanowitsch weiter mit den laut Bild.de “10 am häufigsten falsch verwendeten Wörtern”, die er sich für seinen Gastbeitrag bei uns angesehen hatte.

2. Maxim – YouTubes Wurmfortsatz
(kioskforscher.posterous.com, Markus Böhm)
Markus Böhm hat sich durch die komplette März/April-Ausgabe des Herrenmagazins “Maxim” gequält. Sein Fazit: “Das Intelligenteste an diesem Magazin ist Daniela Katzenberger.”

3. Unter kakanischen Strippenziehern
(faz.net, Michael Hanfeld)
RTL-Vorstandschef Gerhard Zeiler hat seine Bewerbung als Direktor beim Österreichischen Rundfunk (ORF) abgesagt. “Gegen die staatliche Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Sender ORF erscheinen sogar die hiesigen Verhältnisse als harmlos (was sie nicht sind).”

4. (Nicht) ganz ohne Nebenwirkungen: Zwei BILD-Reporter im Sonderzug Richtung Koma
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Während “Bild” gerne vor “Komasaufen” bei Jugendlichen warnt, berichten ein “Bild”-Reporter und eine “Bams”-Reporterin auffallend unkritisch von “18- bis 30-Jährigen”, die “vier Tage Suff, Sex und Sonne an der Küste Istriens” suchen — beim “Spring Break Europe” in Kroatien.

5. Five Lessons In Breaking News Reporting Learned From The Joplin Tornadoes
(mediabistro.com/10000words, Lauren Rabaino, Englisch)
Brian Stelter, sonst Medienjournalist bei der “New York Times”, fand sich unvermittelt in Joplin, Missouri, wieder, wo ein Tornado weite Teile der Stadt zerstört hatte. Er erklärt, welche fünf Lektionen er dort für seine Arbeit gelernt hat, und warum Papier und Stift immer noch das verlässlichste Werkzeug für Reporter sind.

6. Pluralis Journalistis
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel über Journalisten, die sich scheuen, “ich” zu schreiben, und ein Extrembeispiel im Berliner “Tagesspiegel”. Wir wünschen uns, dass der Satz “Wir haben es mit unserer Partnerin ausprobiert” zum geflügelten Wort wird.

Voll daneben getroffen

Was für eine schöne Geschichte: Mario Gomez, Stürmer der deutschen Fußballnationalmannschaft, hat beim gestrigen EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich in Wien genau auf das Tor getroffen, vor dem er bei der EM 2008 eine Großchance vergeben hatte, die ihn danach jahrelang verfolgte.

Auch sueddeutsche.de räumt dieser Geschichte viel Raum ein und erinnert noch mal an jenen verhängnisvollen 16. Juni 2008:

Deutschland musste gegen Österreich das blamable Vorrundenaus bei der Europameisterschaft abwenden. Ein Spiel um die Ehre des Landes. Und da erlaubte sich Gomez, drei Meter vor dem leeren Tor, sich eine lächerliche Bogenlampe. Er schrumpfte in einem Augenblick vom neuen Bomber der Nation, vom 35-Millionen-Rekordtransfer des FC Bayern, zum Chinakracher, zum teuersten Tollpatsch des Landes. Im weißen Adler-Trikot des DFB konnte sich der Schwabe lange nicht davon befreien. Und nun solch eine Rückkehr an den Ort der Schande.

Gomez wechselte allerdings erst ein Jahr später, zur Saison 2009/10 für die unglaublichen 35 Millionen vom VfB Stuttgart zu Bayern München. Was beim “teuersten Tollpatsch des Landes” natürlich so ein bisschen die Luft raus lässt.

Mit Dank an Franky H.

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