Bulle, Apple, Füllstoff

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Mein Bulle”
(lawblog.de, Udo Vetter)
Ein Polizist wird vom Amtsgericht Mannheim zu einer Geldstrafe verurteilt, “wegen der Verhaftung einer Bundestagskandidatin, die so inszeniert war, dass die Journalistin eine exklusive Schlagzeile bekam.” Die Schlagzeile lautete 2009 auf Bild.de: “Hier wird eine Bundestags-Kandidatin verhaftet”.

2. “Die Selbstvergewisserungs-Maschine Bild”
(meedia.de, Christian Meier)
Christian Meier liest gelangweilt die am Samstag in Übergröße erschienene “Bild”: “Die Mega-Bild ist auch mega-langweilig. Sie gibt sich als Huldigung an große Deutsche und deutsche Marken (Werbekunden, hereinspaziert) und endet als Einschlafhilfe.”

3. “Live by the BILD, die by the BILD”
(sportmedienblog.de)
Fußball: Das Sportmedienblog befasst sich mit der “Führungsspieler-Debatte” und der Aufregung über das Buch von Philipp Lahm: “Seine Aussagen wurden aus dem Zusammenhang gerissen? Verkürzt dargestellt? Ach was! So arbeitet BILD nunmal.” Siehe dazu auch nennenswertes.de, das sich Aussagen von Mario Gomez im ZDF-Sportstudio widmet.

4. “traurige BILDfälschung”
(die-anmerkung.blogspot.com)
Bezugnehmend auf diese Analyse eines Fotos von Steve Jobs fragt “Die Anmerkung”, ob Bild.de eine Fotofälschung verbreitet.

5. “Artikel Fanatismus”
(343max.de, Max Winde)
Max Winde über Blogger und Twitterer, die jeden unverzüglich steinigen, der es wagt, ‘der Blog’ zu sagen. “Ganz im Ernst: Wie wollen wir jemals zu einer Gesellschaft gelangen, die jeden seine Kultur, Religion, Sexualität, Weltanschauung frei ausleben lässt, wenn wir es nicht mal schaffen solche Nebensächlichkeiten zu akzeptieren oder wenigstens zu ignorieren?”

6. “Lorem ipsum dolor sit amet (Hajos Apple-Bashing)”
(rpzine.de)
In sozialen Netzwerken hat der “Spiegel Online”-Artikel “Abrechnung eines Ex-Fans – Apple, es reicht!” von Hajo Schumacher für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Texts for Robots kürzt den Text “um den Füllstoff”.

“Focus Online” versteht nur “Bahnhof”

Die Überschriften und Vorspänne, die “Focus Online” eingekauften Agenturmeldungen voranstellt, werden wie gesagt von Menschen geschrieben, die diese Agenturmeldungen allenfalls überfliegen. Das geht selten gut.

Im neuesten Fall hätte der zuständige Überschriftentexter den ersten Satz der dapd-Meldung allerdings vermutlich auch fünftausend Mal lesen und immer noch auf dem Schlauch stehen können:

Der Enkel des Bahnhofsarchitekten Paul Bonatz und Stuttgart-21-Gegner, Peter Dübbers, hat zum Widerstand gegen den geplanten Abbruch des Südflügels aufgerufen.

Preisfrage: Was hat der “Bahnhofsarchitekt” Paul Bonatz entworfen?

  • Irgendeinen Bahnhof, vielleicht auch mehrere.
  • Den aktuellen Stuttgarter Hauptbahnhof, der teilweise abgerissen werden soll bzw. schon wurde.
  • Den geplanten unterirdischen Bahnhof des Projekts “Stuttgart 21”, immerhin wird das ja im Text erwähnt.

Bei “Focus Online” haben sie sich gegen Google und für die letzte Möglichkeit entschieden:

Stuttgart 21: Enkel von Stuttgart-21-Architekt ruft zum Widerstand auf

So visionär war Paul Bonatz (1877-1956) dann allerdings nicht: Er hatte vor hundert Jahren den aktuellen Stuttgarter Hauptbahnhof entworfen. Entsprechend ist es auch nicht wirklich erstaunlich, dass sein Enkel gegen den Teilabriss des Gebäudes ist.

Der Entwurf zu “Stuttgart 21” stammt übrigens von Christoph Ingenhoven.

Mit Dank an Nico N.

Nachtrag, 29. August: “Focus Online” hat sich transparent korrigiert.

Er hat “Jude” gesagt!

Bremen ist das kleinste deutsche Bundesland. Es liegt auf der Deutschlandkarte etwa an der selben Stelle, an der vorne in “Asterix”-Büchern das kleine gallische Dorf verzeichnet ist. Wenn der Bremer Bürgermeister nicht gerade versehentlich amtierender Bundespräsident wird, kriegt der Rest der Republik wenig von dem kleinen Stadtstaat mit. What happens in Bremen stays in Bremen.

Der stellvertretende Fraktionschef der CDU in der Bremer Bürgerschaft, Heiko Strohmann, hatte am 12. August insgesamt 90 Personen, darunter etwa 75 Muslime, zum abendlichen Fastenbrechen im Ramadan eingeladen.

Verschiedene Vertreter der Bremer CDU fanden das zu viel des Guten und erklärten etwa, für ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen sei es “nicht erforderlich, dass die CDU als Veranstalter muslimische Rituale wie das Fastenbrechen durchführt”. Die Kosten von 3.000 Euro können bei der Kritik auch eine Rolle gespielt haben.

Malte Engelmann, Vorsitzender der CDU-Nachwuchsorganisation “Junge Union” in Bremen und ehemaliges Mitglied der Bürgerschaft, fand die Kritik engstirnig und wohl irgendwie auch islamfeindlich, jedenfalls schrieb er einen Blog-Eintrag zu dem Thema, der als Satire-Versuch verstanden werden muss. Und weil Ironie (oder das, was manche dafür halten) immer das denkbar schlechteste Stilmittel für jedwede Form der Auseinandersetzung ist, musste das gründlich schief gehen.

Überschrieben hat er den Eintrag nämlich so:

DEUTSCHE! Kauft nicht beim Juden!!! Äh, ich mein: HEIKO!!! Koch nicht für den Muselmann!!!

Engelmann meinte offenbar, die Haltung seiner Parteikollegen gegenüber Muslimen ähnele denen der Nationalsozialisten gegenüber Juden. Vielleicht eine etwas zu steile These und womöglich ein bisschen zu plakativ formuliert.

Doch als Medien und CDU-Mitglieder auf Engelmanns Blog-Eintrag aufmerksam wurden, beklagten sie nicht etwa den überzogenen Nazi-Vergleich, sie meinten, etwas ganz anderes entdeckt zu haben:

Malte Engelmann verbreitet Nazi-Parolen im Internet: Bremer Junge-Union-Chef sorgt für Eklat. Bremen. Der Vorsitzende der Jungen Union in der Metropolregion Bremen, Malte Engelmann, verbreitet im Internet Nazi-Parolen. Auf seiner Homepage kommentiert der Christdemokrat ein Iftar-Essen der Bremer Bürgerschaftsfraktion anlässlich des muslimischen Fastenmonats Ramadan mit den Worten: "Deutsche! Kauft nicht beim Juden!!!"

Wenn das Zitieren von Nazi-Parolen mit einer “Verbreitung” derselben gleichzusetzen ist, hätte sich der “Weser Kurier” in diesem Moment ebenfalls schuldig gemacht. In ihrem kleinen Werbeteaser im Internet (“Mehr zu diesem Thema lesen Sie am Mittwoch im WESER-KURIER.”) zitiert die Zeitung ein namentlich nicht näher genanntes CDU-Mitglied mit den Worten, es handele sich um “eine Entgleisung, die durch nichts zu rechtfertigen sei”.

Malte Engelmann zitierte der “Weser Kurier” auch — höchst irreführend:

Engelmann selbst kommentiert die Diskussion um seine Person im Internet mit den Worten: “Naja, also zu Heiko. Wollte in einen Dialog mit den Museltypen treten. Ja, voll dumm. Also Kinder: Es gibt in unserer Welt Muselleute. Die sind wie Christen, nur halt muselig. Und die feiern so doofe Sachen wie Ramadan.”

Engelmann hatte mit diesen Worten nicht etwa “die Diskussion um seine Person” “kommentiert”, die Sätze stammen vielmehr aus seinem sarkastischen Blog-Eintrag. Die Kurzmeldung ist beim “Weser Kurier” inzwischen offline.

In der Folge berichtete der “Weser Kurier”, über die Kritik an Engelmanns Wortwahl durch Vertreter der Partei “Die Linke” (“Das Iftar-Mahl mit einer judenfeindlicher Parole zu kommentieren, lasse sich nicht als ‘Sarkasmus’ entschuldigen”) und der CDU (“Fraktionsvize Heiko Strohmann, der in dem Text direkt angesprochen war, stoppte sofort seine ‘Freundschafts’-Verbindung mit Engelmann bei Facebook – andere CDU-Abgeordnete folgten.”).

Wer den Original-Eintrag nicht kannte und nur im “Weser Kurier” davon las, musste annehmen, dass da tatsächlich ein innerer Reichspropagandaminister aus Engelmann hervorgebrochen sei:

Er hatte einen Internet-Text mit “Deutsche! Kauft nicht beim Juden” eingeleitet und dann unter anderem ergänzt: “Koch nicht für den Muselmann!!!” (…)

Für seinen Internet-Beitrag, den er als Ironie verstanden wissen möchte, erntete Malte Engelmann harte Kritik.

Engelmann selbst zitierte der “Weser Kurier” mit den Einschätzungen, sein Text sei “überspitzt” und “unklug” gewesen.

Da war “Bild” in seiner Regionalausgabe schon auf den Empörungszug aufgesprungen:

CDU fordert seinen sofortigen Rücktritt: Nazi-Skandal um Bremer Jung-Politiker

(“CDU fordert seinen sofortigen Rücktritt” ist natürlich besonders clever: Beim Überfliegen könnte man annehmen, Engelmann selbst sei Mitglied einer ganz anderen Partei.)

Immerhin hatte “Bild” Engelmanns ursprüngliche Intention verstanden:

Auf seiner Internetseite schießt er in einem Artikel scharf gegen einen Bremer Parteifreund, wirft ihm eine islamfeindliche Gesinnung vor.

Doch Engelmann vergreift sich dabei im Ton, eröffnet den Aufsatz mit den Worten: “Deutsche! Kauft nicht beim Juden!” Ein übler, judenfeindlicher Spruch der Nazis aus dem jahr 1933

Gestern trat Engelmann dann von allen Ämtern zurück, was der dpa-Landesdienst Niedersachsen wie folgt berichtete:

Der Bremer CDU-Nachwuchspolitiker Malte Engelmann (32) hat am Donnerstag nach heftiger interner Kritik an einem umstrittenen Nazi-Zitat alle Parteiämter niedergelegt. Engelmann hatte in seinem Internet-Tagebuch ein Essen der Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion zum islamischen Fastenmonat Ramadan mit den Worten kommentiert: “Deutsche! Kauft nicht beim Juden!!! Äh, ich mein: Heiko!!! Koch nicht für den Muselmann!!!” Gemeint war der stellvertretende CDU-Fraktionschef Heiko Strohmann, der zum Fastenbrechen eingeladen hatte.

Engelmann teilte am Donnerstag auf seiner Homepage mit, seine Wortwahl sei satirisch gemeint, aber unangemessen und falsch gewesen. Deswegen lege er alle Parteiämter nieder. Engelmann koordinierte die Arbeit der CDU-Nachwuchsorganisation in der Metropolregion Bremen.

Den zweiten Absatz hat Bild.de einfach weggelassen und erweckt so den Eindruck, Engelmann sei nicht nur juden-, sondern auch islamfeindlich.

Mit Dank an den “Falken”.

Bild  

BILDblog-Lesen kann sich lohnen

In einem Interview, das er dem Internetportal “Meedia” gegeben hat, lässt sich “Bild”-Chef Kai Diekmann gestern mit den abfällig gemeinten Worten zitieren, er wisse gar nicht, wann er das letzte Mal ins BILDblog “hineingeschaut” habe.

Letzten Samstag wäre zum Beispiel eine schöne Gelegenheit gewesen, auch wenn es da gar nicht um “Bild” ging. Da haben wir nämlich über die Leute von kicker.de berichtet, die geschrieben hatten, der deutsche Nationalspielers Mesut Özil sei bei einem Spiel mit einem Gegenspieler aneinandergeraten, weil dieser Özils Religion beleidigt habe. kicker.de hatte das angebliche Zitat aus einer unseriösen Quelle, den Artikel aber sofort offline genommen, nachdem wir die Redakteure darauf hingewiesen hatten, dass es keinen brauchbaren Beleg für diese Version gibt. (Bei sport1.de, das sich auf kicker.de beruft, und dem “Trierischen Volksfreund”, der sich auf sport1.de beruft, steht der Unfug immer noch online.)

Wenn Kai Diekmann den BILDblog-Eintrag zu diesem Fall gelesen hätte, hätte er unter Umständen verhindern können, dass Ertuğrul Özkök, “der berühmteste Journalist der Türkei”, heute in seiner Kolumne in “Bild” schreibt:

Özil hat den Grund erklärt: “Ich saß auf der Ersatzbank. Villa hat meine Religion beleidigt. Ich habe nur meine Religion verteidigt.”

Özköks ganzer “Bild”-Text über Religion, Staatsbürgerschaft und Toleranz baut auf dem falschen Zitat Özils auf. Das wäre nicht nötig gewesen.

Nachtrag, 18.55 Uhr: Der “Trierische Volksfreund” hat seinen Artikel “Özil rechtfertigt sich: Villa hat den Islam beleidigt” unauffällig durch einen anderen Artikel zu Özils roter Karte ersetzt.

2. Nachtrag, 28. August: sport1.de hat seinen Artikel gelöscht. Jetzt verbreitet nur noch Bild.de in Özköks Kolumne das falsche Özil-Zitat.

Tripolis, Philipp Lahm, Schlamper

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Irgendwas passiert in Tripolis”
(zeit.de, Daniel Erk)
Zwangsläufig ahnungslose Korrespondentenberichte aus Libyen erinnern Daniel Erk an Parodien: “Wenn schon die Menschen in Tripolis nicht wissen, wer an der Macht ist, wenn der Sieg der Rebellen nahe scheint, aber eben noch nicht errungen ist, wenn vermutlich nicht einmal Gadhafi selbst mehr übersieht, wie es um Libyen bestellt ist: Wie sollen es die Journalisten wissen?”

2. “Infokasten, IN-novativ”
(axel-springer-akademie.de, amayer)
Im Magazin “In” stösst amayer auf einen wunderlichen Infokasten.

3. “Jetzt noch Erotikfotos!”
(11freunde.de, Philipp Köster)
Philipp Köster widmet sich der Autobiographie des 27-jährigen Fußballspielers Philipp Lahm: “Dass ein solch nüchterndes, leidenschaftsloses Buch durch eine Vorabveröffentlichung auf dem Boulevard nun doch größere Verwerfungen hervorruft, ist deshalb einigermaßen skurril und zugleich völlig erwartbar. Denn natürlich gelingt es der ‘Bild’ durch eine routinierte Montage der spärlichen Stellen, an denen sich Lahm wenig schmeichelhaft über seine früheren Trainer auslässt, mühelos den falschen Eindruck zu erwecken, hier habe der Nationalspieler schonungslos abgerechnet.”

4. “taz heute mit BILD-Coupon”
(blogs.taz.de, Sebastian Heiser)
“In der taz steht am heutigen Freitag folgende ganzseitige Anzeige mit Coupon für die morgen erscheinende XXL-Ausgabe der BILD-Zeitung.”

5. “Das Blog ist tot, es lebe der Blog”
(scilogs.de, Anatol Stefanowitsch)
Das Blog oder der Blog? Neue Erkenntnisse in der am längsten währenden Debatte der deutschsprachigen Blogosphäre: “(…) auch in Deutschland ist das Maskulinum mit fast siebzig Prozent der Vorkommen klar die dominante Form”.

6. “Die Schlampenparade wird es jetzt vermutlich jedes Jahr geben”
(zeit.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein fordert Männer dazu auf, bei einem “Schlampermarsch” mitzumachen. “Sie sollten alle zwei verschiedene Strümpfe tragen, die Hemden müssen Fettflecken haben und aus den Hosen heraushängen. Die Haare müssen ungewaschen und zerstrubbbelt sein. Auf den Plakaten soll stehen: ‘Ich bin ein Schlamper, und ich bin stolz.’ Während des Marsches essen sie Chips, trinken Bier, zerfleddern Zeitungen und lassen anschließend alles fallen. Wenn jemand sie deswegen anmacht, sollen sie sagen: ‘Schlamper dürfen kein Freiwild sein.'”

Apfelkraut und Rüben

Technik und Juristerei sind (wie Abwassersysteme) keine Gebiete, mit denen sich der Durchschnittsbürger gerne befasst: Beides versteht er nicht so richtig, aber es “funktioniert halt irgendwie” und hilft ihm im Leben — und wenn es nicht in seinem Sinne funktioniert, ist das Gemecker groß. Keine guten Voraussetzungen, dass noch irgendjemand den Überblick behält, wenn beide Themengebiete aufeinander treffen.

Der amerikanische Unterhaltungselektronikkonzern Apple hat im vergangenen Jahr das iPad auf den Markt gebracht, einen mobilen Computer ohne Tastatur. Auch der südkoreanische Mischkonzern Samsung hat einen solchen Computer produziert, das sogenannte Galaxy Tab 10.1. Apple wirft Samsung vor, das Galaxy Tab beim iPad abgeguckt zu haben, und hat Anfang August vor dem Düsseldorfer Landgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt: Samsung verletze den Geschmacksmusterschutz von Apple, das Galaxy Tab darf in Deutschland (ursprünglich sogar in der EU) bis auf Weiteres nicht verkauft werden.

Samsung legte gegen die Entscheidung Widerspruch ein — unter anderem, weil die Fotos, mit denen Apple die optische Ähnlichkeit zwischen den beiden Geräten beweisen wollte, verzerrt waren, so dass die Proportionen des Galaxy Tab denen des iPad viel stärker ähnelten als in echt.

Heute nun begann die mündliche Verhandlung vor dem Düsseldorfer Landgericht und die Nachrichtenagentur dapd bewies schon mal mit ihrer ersten Zusammenfassung um 11.28 Uhr, nicht exakt verstanden zu haben, worum es eigentlich ging:

Das kalifornische Unternehmen wirft den Koreanern vor, bei Gestaltung und Design des eigenen Tablet-PCs Markenrechte von Apple verletzt zu haben und hatte deshalb vor dem Düsseldorfer Gericht ein Verkaufsverbot für den iPad-Rivalen erwirkt.

Nein, ums Markenrecht, das die Bezeichnung von Produkten oder Dienstleistungen regelt, geht es in diesem Prozess nicht, sondern ausschließlich um das Design.

Um 12.46 Uhr berichtete Reuters:

Apple hat im Patentstreit mit seinem Rivalen Samsung erneut einen Sieg vor Gericht errungen. Das Landgericht Düsseldorf bestätigte am Donnerstag die einstweilige Verfügung, wonach Samsungs Tablet-PC Galaxy in Deutschland nicht verkauft werden darf. Die Kammer folgte der Argumentation der Amerikaner, das koreanische Gerät verletze Patentrechte.

Dass es um Geschmacksmuster ging und nicht um Patentrechte ging, ist hier fast zweitrangig, denn das Gericht hatte zu diesem Zeitpunkt die Einstweilige Verfügung noch gar nicht bestätigt — und würde es bis zum Ende des heutigen Verhandlungstages auch nicht mehr tun. Die Entscheidung soll erst am 9. September verkündet werden, bis dahin bleibt die Einstweilige Verfügung weiterhin bestehen, wurde vom Gericht aber noch nicht bestätigt.

Zu den vielen Medien, die die vorschnelle Reuters-Meldung übernahmen, zählte auch tagesschau.de, deren Mitarbeiter aber irgendwann selbst beim Gericht nachfragten und ihren Artikel alsbald korrigierten:

tagesschau.de hat – auf Basis von Agenturmeldungen – zunächst berichtet, die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Düsseldorf über die einstweilige Verfügung sei bereits zu Ende. Eine Sprecherin des Gerichts stellte aber auf Nachfrage gegenüber tagesschau.de klar, dass die Verhandlung noch laufe und die entsprechenden Meldungen nicht zutreffend seien.

Bei Reuters selbst brauchten sie fast zwei Stunden, um festzustellen, dass sie vorzeitig Fakten berichtet hatten, die noch gar nicht geschaffen waren:

DEUTSCHLAND/APPLE/SAMSUNG (KORREKTUR)
KORRIGIERT-Richterin hält Verbot von Samsung-Tablet für gültig=

(Stellt klar, Richterin hält einstweilige Verfügung für rechtens. Entscheidung der Kammer erst später erwartet.)
Düsseldorf, 25. Aug (Reuters) – Apple hat im Patentstreit mit seinem Rivalen Samsung gute Aussichten in Deutschland. Die Vorsitzende Richterin im Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf erklärte am Donnerstag, sie halte die einstweilige Verfügung, unter der Samsungs Tablet-PC Galaxy in Deutschland nicht verkauft werden darf, weiterhin für rechtens.

Diese Korrektur kam zu spät für Bild.de, das von einer “Niederlage vor Gericht” für Samsung und einem “Sieg” für Apple berichtet.

Die “Deutsche Welle” hat in ihrem Internetauftritt ziemlich genau alles falsch gemacht und beeindruckt im Vorspann mit einem überraschenden Kausalzusammenhang:

Trotz des Rücktritts von Steve Jobs kann Apple einen Erfolg verbuchen. Im Patentstreit mit seinem Rivalen Samsung hat Apple einen Sieg vor Gericht errungen. Samsungs Tablet-PC erhält Verkaufsverbot in Deutschland.

Und während dapd weiter ahnungslos mit dem Begriff “Markenrecht” hantiert, fasst dpa den Sachverhalt in zwei Sätzen korrekt zusammen:

In dem Verfahren geht es ausschließlich um das sogenannte Geschmacksmuster, also Design und Äußeres aussehen. Bei der Bewertung, ob ein Geschmacksmuster verletzt wurde, geht es darum, ob ein Produkt vom Gesamteindruck her mit einem anderen identisch ist.

Mit Dank an Patrick D. und Gabriel W.

Nachtrag, 26. August: Gestern in der “Tagesschau” um 20 Uhr:

Patentstreit

Am Text, den Marc Bator vorlesen musste, war so ziemlich alles falsch:

Im Patentstreit mit seinem Konkurrenten Samsung hat Apple einen Etappensieg errungen. Das Düsseldorfer Landgericht bestätigte heute in mündlicher Verhandlung eine Einstweilige Verfügung gegen die Koreaner. (…) Es gebe deutliche Hinweise, dass Markenrechte von Apple verletzt worden seien.

Mit Dank an Klaus M., Kiki W., Dennis R. und Johannes.

Selbsttötung, Solarbäume, Bauer sucht Frau

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Loblied des Links”
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo lobt den Link: “Der Link verheisst Vernetzung, Zugänglichkeit, Offenheit. Ein Link gibt dem Nutzer auch die Möglichkeit, die Seite zu verlassen; im Link steckt deshalb die Freiheit des Netzes. (…) Verlinkung ist digitales Leben, der Rest ist Konsum.”

2. “Dreifach-Suizid: Fragwürdige Details”
(ndr.de, Video, 4:32 Minuten)
“Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände”, heisst es in Richtlinie 8.5 des Pressekodex. “Zapp” berichtet über einen aktuellen Fall aus Niedersachsen: “Selbsttötungen haben als solche in der Presse nichts verloren. Das sollten Journalisten wissen, spätestens seit Robert Enke. Von daher war es unverantwortlich, was sich letzte Woche in vielen Medien abspielte.”

3. “Bauernopfer”
(sueddeutsche.de, Frederik Obermaier)
Frederik Obermaier berichtet aus dem oberbayerischen Aiglsham, dem Wohnort des durch die Doku-Soap “Bauer sucht Frau” bekannt gewordenen Bauers Josef und seiner Frau Narumol. “An einem einzigen Wochenende, so erzählen einige Dorfbewohner hier, fahren so viele Autos durch den 60-Einwohner-Weiler wie vor Bauer sucht Frau nicht mal in einem Monat.”

4. “Von Solarbäumen, Fibonacci-Folgen und unbelehrbaren Schreiberlingen”
(intern.de)
“13-Jährigem gelingt Durchbruch in Solarenergiegewinnung”, meldete beispielsweise Gizmodo.de vor wenigen Tagen. Intern.de schreibt auf, was sich ereignete, nachdem ein Blogger daran öffentlich zweifelte.

5. “Wenn Gerüchte Fakten schaffen”
(dw-world.de, Video, 4:09 Minuten)
Detlef Saitner liest keine Zeitungen mehr: “Er liest lieber im Netz, bei den Crash-Propheten. Deren Klickraten haben sich seit 2008 fast verdreifacht.”

6. “Der Lottogewinner Erwin Lindemann”
(youtube.com, Video, 3:41 Minuten)
“Wie kann man einen ‘Brennpunkt’ zum WM-Aus für Michael Ballack machen aber keinen zum Abschied von einer Legende, die so lustig war wie sonst kein Deutscher und so deutsch wie sonst kein Lustiger?”, fragt Imre Grimm auf haz.de.

Mutter, der Kurier mit der Strafe ist da

In Deutschland gelten sogenannte Gesetze. Die regeln z.B., dass ein Mann, der alkoholisiert einen Autounfall verursacht und dann vom Tatort flieht, eine bestimmte Strafe bekommt. Diese wird auf Grundlage der Gesetze von einem Gericht verhängt.

Dieses Prinzip müsste dann wohl mal irgendjemand dem “Berliner Kurier” erklären, der am Sonntag das hier druckte:

Alkohol-Crash: Zur Strafe zeigt der KURIER den Suffkopf mit heruntergelassener Hose

Immerhin kann man das Gesicht des Mannes nicht erkennen, von dem der “Berliner Kurier” Alter, Vornamen und abgekürzten Nachnamen nennt.

Die Berliner Polizei wollte das auf unsere Anfrage hin nicht weiter kommentieren. Die Art der Berichterstattung spreche für sich.

Mit Dank an Simone und Björn.

Der Sauerstoff, aus dem Legenden sind

Die österreichische Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner hat als erste Frau alle Achttausender der Welt ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen.

Bild.de schrieb dazu gestern:

Als erste Frau hat Gerlinde Kaltenbrunner (40) alle Achttausender-Gipfel der Welt bezwungen – ohne zusätzliche Sauerstoff-Versorgung. Das hatte vor ihr nur Reinhold Messner geschafft.

Das war teils irreführend, teils falsch — entstand doch der Eindruck, Frau Kaltenbrunner hätte als erste Frau überhaupt aller Achttausender bezwungen. In Wahrheit ist sie (je nach Zählweise) die zweite oder dritte Frau. Vor allem aber hatten nach Reinhold Messner und vor Gerlinde Kaltenbrunner noch neun weitere Männer alle Achttausender ohne Sauerstoffmaske bestiegen.

Diesen Fehler hatte Bild.de mutmaßlich von der Nachrichtenagentur AFP übernommen, die gestern zunächst berichtet hatte:

Bislang war Reinhold Messner der einzige, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwang.

Und:

Bislang war der Südtiroler Reinhold Messner der einzige Mensch der Welt, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwungen hat.

Um 17.15 Uhr korrigierte AFP seine Meldung:

+++ Berichtigung: Im dritten Satz sowie im letzten Satz des vierten Absatzes heißt es nun richtig, dass Messner der erste (nicht der bisher einzige) Bergsteiger war, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwang. Diese Korrektur gilt auch für die diesbezügliche Meldung von 15.09 Uhr. +++

Zu spät für die heutige “Bild”-Zeitung:

Bisher war es nur Reinhold Messner gelungen, alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske zu besteigen.

Mit Dank an Mithrandir und Florian B.

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