AFP  

Heavy Metal

Wissen Sie, was ein “Schwermetallkabel” ist?

Nun, wir wissen es ehrlich gesagt auch nicht, sind uns aber ziemlich sicher, dass auch die Redakteure der etwa 300 Nachrichtenseiten, auf denen das Wort seit gestern auftaucht, auch keine Ahnung haben.

Erst- und einmalig aufgetaucht ist das “Schwermetallkabel” in einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP. Auf den Philippinen war ein 6,40 Meter langes Krokodil gefangen worden, was wohl nicht ganz so einfach war:

Mehr als zwei Wochen lang hatten die Behörden in der entlegenen südlichen Kleinstadt Bunawan versucht, mit Ködern aus Hühner-, Schweine- oder Hundefleisch das mehr als eine Tonne schwere Reptil in eine Falle zu locken. Doch nachdem das Salzwasserkrokodil das Fleisch immer nur vom Spieß riss und fraß, konnte dem Tier am Samstag mit Hilfe von 30 Einheimischen ein Schwermetallkabel um das Maul geschnürt werden. Das Riesen-Reptil soll nun zur Attraktion in einem eigenen Naturpark werden.

Und was ist jetzt ein “Schwermetallkabel”? Ein Kabel aus Gold, Blei oder Kupfer? Das Ergebnis einer Wette von AFP-Mitarbeitern, wer ein bisher für Google unbekanntes Wort in eine Agenturmeldung geschmuggelt kriegt?

Die Antwort ist bedeutend banaler.

Im englischsprachigen Korrespondentenbericht der AFP lautet die Stelle so:

A heavy metal cable finally proved beyond the power of its jaws, and the beast was subdued in a creek late Saturday with the help of about 30 local men.

Ein schweres Metallkabel (oder Drahtseil) also. Wie langweilig.

Mit Dank an Elias P.

Man schreibt “deutsch”

Manchmal berichten die Medien nicht nur über das, was los ist, sondern auch über das, was nicht los ist.

Kevin Costners Frau wird fälschlicherweise für Deutsche gehalten

Der amerikanische Filmschauspieler Kevin Costner hat also der deutschen Frauenzeitschrift “Freundin” erzählt, dass er keine Ahnung habe, wo das Gerücht herkomme, seine Frau Christine Baumgartner Deutsche sei. Die Nachrichtenagentur dapd hat daraus eine Meldung gebaut und Medien wie Bild.de haben sie veröffentlicht.

Und tatsächlich scheint der Irrglaube, Frau Baumgartner sei Deutsche, weit verbreitet zu sein: Die Internetfilmdatenbank imdb.com behauptet dies, ebenso der englischsprachige und der deutschsprachige Wikipedia-Eintrag zu Kevin Costner*, sowie sein Eintrag im renommierten Personen-Archiv Munzinger.

Es folgt also das Dokument einer wechselvollen Liebe zwischen einem Mann und einer nicht-deutschen Frau, wobei letztere zwischendurch ihren Namen, ihr Alter und ihren Beruf wechseln, heiraten, dann doch nicht heiraten und nebenbei auch noch die Zeitschrift “die aktuelle” ehelichen wird:

“Bild”, 18. April 2001:

Hier klatscht Zurzeit im Urlaub London. Er kam, sah – und heiratete! Hollywood-Held Kevin Costner (46, “Der mit dem Wolf tanzt”) hat seine deutsche Verlobte Christine Baumgarten [sic!] (26) in Italien heimlich geehelicht. Ganz romantisch vor dem Altar einer kleinen Kapelle in der Toskana. Die Hochzeit nicht auf dem Reiseplan. Costner war mit Christine beruflich unterwegs, entschied sich in einem Anflug von Romantik, seiner Christine in dieser wunderschönen Gegend die ewige Treue zu schwören.

“Hamburger Morgenpost”, 18. April 2001:

Für so romantisch hält man Kevin Kostner eigentlich nicht. Doch während der Promotiontour zu seinem neuesten Film legte der 46-Jährige einen Stopp in der Toskana ein und heiratete kurz entschlossen seine deutsche Freundin Christine Baumgarten [sic!].

“Express”, 25. April 2001:

Hochzeit 3: Hollywood-Star Kevin Costner (46). “Gala” berichtet, dass Costner seine schöne Freundin, das deutsche Model Christine Baumgarten [sic!] (23) doch noch nicht in der Toskana geheiratet hat. Aber im Mai solls so weit sein – im Mittelmeer auf der Luxusyacht “Lion Heart”.

“Express”, 5. Juni 2002:

Kevin Costner kann wieder der einsamen Wolf spielen. Zwei Jahre lang küsste der 46-Jährige das deutsche Model Christine Baumgartner (23), sprach sogar von Hochzeit. Aus, vorbei. Der Zeitschrift “Frau im Spiegel” bestätigte er: “Wir sind nicht mehr zusammen.”

“Express”, 2. Oktober 2002:

Schlechte Nachricht für die Damenwelt: Hollywood-Schönling Kevin Costner hat das Herz seiner Ex Christine Baumgarten [sic!] zurückerobert. Das deutsche Model hatte ihm wegen seiner Untreue nach zwei Jahren Beziehung den Laufpass gegeben.

“Das Neue Blatt”, 2. Juli 2003:

Vor drei Jahren traf ihn Amors Pfeil mitten ins Herz. Seine Freundin Christine Baumgartner (30) ist Deutsche – sie hat den Frauenheld gezähmt.

“B.Z.”, 17. Januar 2004:

Hollywood-Star Kevin Costner, 48, und seine deutsche Freundin Christine Baumgartner, 29 (Foto), bummelten verliebt durch Rom. In diesem Jahr wollen sie heiraten.

“B.Z.”, 25. Januar 2004:

Ihre Freundin Christine ist eine Deutsche. Hat sich dadurch Ihr Bild von Deutschland verändert?

Ich habe kein anderes Bild von Deutschland als vorher, was daran liegt, dass meine Vorfahren auch Deutsche waren.

“Der Tagesspiegel”, 25. Januar 2004:

Kevin Costner (49), Schauspieler und Regisseur, will nach langem Zaudern im Herbst seine deutsche Verlobte Christine Baumgartner (29) heiraten.

“Berliner Kurier”, 29. Januar 2004:

Die deutsche Taschendesignerin Christine Baumgartner ist seit vielen Jahren ihre Freundin. Wollen Sie bald heiraten.

Oh, ja! Ich habe sie gefragt, ob sie mich heiraten würde, und sie hat Ja gesagt. Im September werden wir heiraten und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich mich darauf freue.

“B.Z.”, 13. März 2004:

Frauenschwarm Kevin Costner, 49, traut sich wirklich ein zweites Mal: Der US-Schauspieler will seine deutsche Verlobte Christine Baumgartner, 29, (Foto) noch dieses Jahr heiraten.

“Berliner Kurier”, 23. September 2004:

Kevin Costner kommt unter die Haube: Der Schauspieler heiratet am Wochenende seine langjährige deutsche Freundin Christine Baumgartner.

“B.Z.”, 23. September 2004:

Die Hochzeitsglocken läuten für Kevin Costner, 49. Der Hollywood-Star soll seine deutsche Freundin Christine Baumgartner, 26, am Sonnabend auf seiner Ranch in Aspen, Colorado, das Ja-Wort geben.

“Express”, 24. September 2004:

Hollywoodstar Kevin Costner (49) traut sich doch. Am Samstag will er seine langjährige deutsche Freundin Christine Baumgartner heiraten.

“Bild”, 25. September 2004:

Kevin Costner (49) heiratet heute seine deutsche Freundin Christine Baumgartner (27).

“Bild am Sonntag”, 26. September 2004:

Für 2 Millionen Dollar! Kevin Costner heiratete deutsche Freundin

“Bild”, 27. September 2004:

Kevin Costner & seine deutsche Braut: Traumhochzeit! Hier paddelt Kevin Costner seine Braut ins Ehe-Glück

“B.Z.”, 28. September 2004:

Heiraten im Jogginganzug (wie Britney Spears) ist out. Kevin Costner und seine deutsche Frau zeigen den neuen Trend: Comeback der Romantik-Hochzeit

“Bild”, 6. Oktober 2004:

Sie spielen mit dem Schwung der Liebe. Hollywoodstar Kevin Costner (49) und seine frisch angetraute, deutsche Frau Christine (30) auf dem weltberühmten Golfplatz Old Course in St. Andrews (Schottland).

“Die Welt”/”Berliner Morgenpost”, 27. September 2006:

Ebenfalls am 1. Oktober präsentiert der Filmverleih Buena Vista International sein Rettungstaucher-Drama “Jede Sekunde zählt – The Guardian” (Kinostart 19. Oktober) in Berlin. Dafür kommen die beiden Hauptdarsteller Kevin Costner (verheiratet mit der Deutschen Christine Baumgartner) und Ashton Kutcher, der Ehemann von Demi Moore, angeflogen.

“Süddeutsche Zeitung”, 14. Oktober 2006:

Seit 2004 ist er mit der deutschen Designerin Christine Baumgartner verheiratet.

“Express”, 29. Oktober 2006:

Und auch in Sachen Liebe fand Costner wieder sein Glück. Im September 2004 heiratete er die deutsche Handtaschendesignerin Christine Baumgartner.

“Hamburger Morgenpost”, 10. Februar 2007:

Hollywood-Star Kevin Costner (52, “Der mit dem Wolf tanzt”) wird wieder Papa. Ehefrau Christine erwartet das erste gemeinsame Kind. “Beide sind sehr aufgeregt und sehr glücklich”, so ein Sprecher. Costner hatte die Deutsche 2004 in Colorado geheiratet.

dpa, 25. Februar 2007:

Die Ehefrau von Hollywood-Star Kevin Costner hat verkündet, dass ihr erstes gemeinsames Kind ein Junge werde. Und sie weiß noch mehr: Die auf Ultraschallbildern erkennbaren Gesichtszüge zeigten eine deutliche Ähnlichkeit mit dem Schauspieler, sagte die 32-jährige deutsche Gattin der Zeitschrift “die aktuelle”.

“B.Z.”, 26. Februar 2007:

Kevin Costner und seine deutsche Frau Christine Baumgartner erwarten laut Ultraschall einen Jungen. Im Mai soll der Mini-Costner zur Welt kommen.

“B.Z.”, 8. Mai 2007:

Hollywood-Star Kevin Costner (52) und seine deutsche Ehefrau Christine Baumgartner (33) sind Eltern geworden.

“Berliner Morgenpost”, 8. Mai 2007:

Hollywood-Star Kevin Costner (52) und seine deutsche Ehefrau Christine Baumgartner (33) sind Eltern geworden.

“Bild”, 9. Mai 2007:

Hollywoodstar Kevin Costner (52) und seine deutsche Ehefrau Christine Baumgartner (33) sind Eltern geworden.

“Berliner Kurier”, 17. Oktober 2008:

Hollywood-Star Kevin Costner (53) und seine deutsche Ehefrau Christine (34) erwarten ihr zweites gemeinsames Kind.

“Berliner Morgenpost”, 17. Oktober 2008:

Auf Hollywood-Star Kevin Costner und seine deutsche Frau wartet neues Kinderglück: Ein Sprecher des Schauspielers bestätigte in Los Angeles die zweite Schwangerschaft der 34-jährigen Christine Baumgartner.

“Express”, 17. Oktober 2008:

Hollywood-Star Kevin Costner (53) und seine deutsche Ehefrau Christine Baumgartner (34) erwarten ihr zweites Kind. Dies bestätigte ein Sprecher des Paares der US-Zeitschrift “People”.

“Express”, 18. Oktober 2008:

Hollywood-Star Kevin Costner (53; “Der mit dem Wolf tanzt”) und seine deutsche Frau Christine Baumgartner (34) erwarten Baby Nummer zwei.

“Express”, 16. Juli 2009:

Im September 2004 heirateten Kevin Costner (54) und die gebürtige Hamburgerin Christine Baumgartner (34). Die schöne Blonde schenkte Costner dessen Kinder Nummer 5 und 6

“Berliner Kurier”, 16. Juli 2009:

Kevin Costner (54) verliebte sich in die deutsche Designerin Christine Baumgartner (33). 2004 heiratete das Paar ganz romantisch auf Costners Ranch in Aspen, Colorado. Beide haben zwei Söhne.

Bild.de, 16. Juli 2009:

Auch Kevin Costner (54) ist mit der deutschen Handtaschen-Designerin Christine Baumgartner (35) verheiratet.

“Express”, 14. Oktober 2009:

Seit fünf Jahren ist er mit der Deutschen Christine Baumgartner verheiratet, bedauerte: “Leider spreche ich eure Sprache nicht. Aber ich bin immer beeindruckt, wenn ich nach Europa komme und von allen verstanden werde.”

“B.Z.”, 17. Oktober 2009:

Ganz ohne seine deutsche Frau, Handtaschen-Designerin Christine Baumgartner (35) und die beiden Baby-Söhne will der Sechsfach-Papa mal so richtig rocken.

“Berliner Kurier”, 19. Oktober 2009:

Seine deutsche Frau Christine Baumgartner brachte ihn übrigens zur Musikkarriere. “Sie machte mir Mut, in der Öffentlichkeit aufzutreten.”

“Express”, 28. November 2009:

Aber natürlich habe ihn auch seine deutsche Ehefrau Christine Baumgartner immer wieder zu diesem Schritt angetrieben, verrät der Ausnahmeschauspieler.

“Hamburger Morgenpost”, 10. März 2010:

Mit seinem Kumpel John Coinman hatte er schon vor 20 Jahren eine eigene Band namens Roving Boy. Diesmal musste ihn erst seine deutsche Gattin Christine Baumgartner ermutigen, wieder mit der Musik anzufangen.

“Bild”, 10. März 2010:

Seit über 20 Jahren macht der Schauspieler auch Musik, seine deutsche Frau Christine Baumgartner (36) hat ihn ermutigt, wieder als Sänger auf der Bühne zu stehen.

“Hamburger Morgenpost”, 13. März 2010:

Seine zweite Frau Christine Baumgartner (36) heiratete er 2004. Hartnäckig hält sich das Gerücht, sie sei gebürtige Hamburgerin. Costner: “Nein, das stimmt nicht. Wir haben beide deutsche Vorfahren, aber das liegt lange zurück. Meine Frau ist ein kalifornisches Surfergirl. Sie ist einfach wunderschön und so lustig. Mit ihren blonden Haaren würde sie aber auch perfekt nach Deutschland passen.”

“Berliner Morgenpost”, 15. März 2010:

Der Musiker Kevin Costner griff in den Drehpausen seiner Filme immer wieder zur Gitarre und schrieb Songs. Seine deutsche Frau Christine Baumgartner überzeugte ihn vor fünf Jahren, wieder eine Band zu gründen.

“Bild”, 18. März 2010:

Hollywoodstar Kevin Costner (55, “Der mit dem Wolf tanzt”) wird zum 7. Mal Vater. Seine deutsche Frau Christine Baumgartner (42) erwartet das 3. gemeinsame Kind.

dpa, 4. Juni 2010:

Hollywood-Schauspieler Kevin Costner (55) ist zum siebten Mal Vater geworden. Seine deutsche Frau, Model und Designerin Christine Baumgartner, (36) brachte das Mädchen Grace Avery am Mittwoch zur Welt, wie Costners Sprecher dem US-Magazin “People” am Donnerstag bestätigte.

“Bild”, 4. Juni 2010:

Kevin Costner (55, “Der mit dem Wolf tanzt”) hat mit seiner Kinderschar jetzt eine Handballmannschaft zusammen. Der Oscar-Preisträger und seine deutsche Frau Christine Baumgartner (36) verkündeten gestern die Geburt von Grace Avery.

“Hamburger Morgenpost”/”Berliner Kurier”, 8. Mai 2011:

Bei Weltstars wächst die Liebe zu “Germany”. Auch bei Kevin Costner (56) wuchs sie mit der Liebe zu seiner deutschen Ehefrau Christine (37).

“Ostsee-Zeitung”, 25. Mai 2011:

Costner ist seit 2004 mit der deutschen Modedesignerin Christine Baumgartner verheiratet.

Mit Dank an Janek W.

*) Nachtrag, 20.45 Uhr: Inzwischen behaupten die Wikipedia-Einträge nicht mehr, dass Kevin Costner mit einer Deutschen verheiratet sei.

Hokusai, Ürümqi, Women’s Health

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Hokusai und die Linguistik”
(schnellinterkulturell.de, Marco Damm)
“Im Land der aufgehenden Sonne” (Japan) gebe es “kein Wort für die mörderische Wucht meterhoher Wellenwände, überhaupt kaum Begriffe für Katastrophen”, schreibt Roland Mischke auf mainpost.de. Schnellinterkulturell.de setzt eine Grafik mit den Entsprechungen von Wörtern wie Taifun, Erdbeben, Hochwasser, Erdrutsch, Vulkanausbruch, Hitzewelle und Kältewelle im Japanischen dagegen.

2. “Women’s Health – Zeitlos langweilig”
(kioskforscher.posterous.com)
Der Kioskforscher liest die “Women’s Health”: “Austauschbarkeit Zeitlosigkeit scheint bei den Health-Zeitschriften zum Markenkern zu gehören.”

3. “Richter fördern Presse-Monopol”
(taz.de, Jean-Philipp Baeck)
“Nur eine einzige Journalistin des marktbeherrschenden Weser-Kuriers war geladen, als sich fünf Bremer GerichtspräsidentInnen gemeinsam mit der Generalstaatsanwältin und dem Leiter der Justizvollzugsanstalt zu Sparplänen des Bremer Senats äußerten.”

4. “Hausrecht oder Pressefreiheit?”
(journalist.de, René Martens)
Bundesliga-Vereine machen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften darüber, wer von wo aus dem Stadion berichtet. “De facto wird damit die Pressefreiheit beschnitten, denn selbstverständlich muss ein Journalist das Recht haben, sich privat – bei einem Stadionbesuch ja sogar als zahlender Kunde – an jedem beliebigen Ort aufzuhalten und darüber zu schreiben.”

5. “Entwicklung Leichtathletik-Weltrekorde: Datenjournalismus”
(danieldrepper.de)
Datenjournalismus im Sport: “Im Gegensatz zu brisanten Daten bei harten Recherchen sind Zahlen und Fakten im Sport sehr leicht zugänglich.”

6. “Internetzensur in China – ein Selbstversuch”
(klartext-magazin.de, Friedrich Leist)
Friedrich Leist testet das Web in Ürümqi: “Als Suchmaschine kann man nur baidu.cn aufrufen, Google ist nicht erreichbar. Dafür kommt man auf Spiegel.de oder die Seite der Bildzeitung, bei letzterer sind aber alle Bilder gesperrt.”

Gestern, heute, morgen

Der 11. September 2001 war ein Tag, der die Welt veränderte. Doch wie sah diese Welt eigentlich aus, bevor sie verändert wurde?

Bild.de möchte ab heute über die Tage berichten, “in denen sich unsere Welt noch in Frieden und Sicherheit wähnte”, und erzählt deshalb zehn Jahre alte “Bild”-Meldungen nach. Da geht es dann zum Beispiel um die Flugaffäre des damaligen Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping, die Basketball-EM in der Türkei und die Flitterwochen von Ex-Bundespräsident Roman Herzog.

Doch es geht auch um einen Fall, der bis heute in den Medien ist:

Wulsbüttel (Niedersachsen): Schon wieder wird ein Kind in Deutschland vermisst: Der blonde Dennis (damals 9) ist am 5. September nachts aus dem Schullandheim in Wulsbüttel verschwunden. 300 Einsatzkräfte durchkämmen seitdem die Umgebung. Mit dem Foto, auf dem Dennis mit seinem Pokemon zu sehen ist, wird nach ihm gesucht. Der Verdacht fällt auf den sogenannten “Schwarzen Mann”, der den Jungen entführt haben soll. Erst zehn Jahre später, im April 2011, wird der Täter endlich festgenommen werden. Er wird gestehen, ab Oktober 2011 vor Gericht stehen und schließlich zu lebenslänglich verurteilt werden.

Äh, Stopp!

Die Leute von Bild.de haben auf dem Weg zurück in die Gegenwart soviel Gas gegeben, dass sie in der Zukunft ausgekommen sind: Der Prozess beginnt ja erst im Oktober, da kann Bild.de jetzt noch gar nicht wissen, wie er irgendwann danach ausgehen wird.

Andererseits:

Mit Dank an Johannes G.

Nachtrag, 21:50 Uhr. Puh, Bild.de kann doch nicht in die Zukunft sehen, hat den Artikel korrigiert und schreibt:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels entstand der Eindruck, das Urteil gegen den mutmaßlichen Mörder stehe bereits fest. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen und danken unseren Lesern für die Hinweise.

Bild  

Der Mond von Wanne-Eickel

“Was wissen Sie wirklich über Sonne, Mond & Sterne?” fragt “Bild” heute ihre Leser und die erwartete Antwort ist offenbar “nicht viel” — sonst hätte die Zeitung Markus Landgraf von der Europäischen Weltraumagentur ESA nicht so viele Fragen gestellt.

Damit die Leser wenigstens wissen, wie unser Sonnensystem grob aussieht und was da so für Planeten rumeiern, hat “Bild” diese Grafik im Angebot:

Was wissen Sie wirklich über Sonne, Mond & Sterne?

Dieses Bild ist natürlich nicht maßstabsgetreu — die Planeten würden sonst zusammenstoßen, wenn sie aneinander vorbei ziehen.

Mehr noch, wie “Bild” selbst dazu schreibt:

Die Grafik zeigt die Planeten unseres Sonnen-Systems. Pluto zählt seit 2006 nicht mehr zu den Planeten. Der Mond ist für das Bild zu klein.

Demnach gäbe es zwei Gründe, Pluto auf dieser Grafik nicht zu zeigen: Erstens ist er, wie gesagt, kein Planet mehr — und zweitens ist er mit einem Durchmesser von 2.390 km noch kleiner als der Mond, der mit seinen 3.476 km “für das Bild zu klein” war.

Mit Dank an Michael L.

Günter Grass, Fahrradfahrer, Charles Moore

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Israelischer Historiker verteidigt Günter Grass”
(spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Eine falsche Aussage von Günter Grass in einem Interview mit der Zeitung “Ha’aretz” wird von verschiedenen Medien skandalisiert. Der Historiker und Holocaust-Forscher Tom Segev erklärt, wie es dazu kam: “Er hat eben eine falsche Zahl genannt. Hätte ich es bemerkt, hätte ich ihn darauf hingewiesen, dann hätte er sich sofort korrigiert.”

2. “Was dürfen Autofahrer sich alles erlauben?”
(criticalmass-hamburg.de, Malte)
“Auto Bild” stellt sich die Aufgabe, darüber aufzuklären, was Fahrradfahrern im Straßenverkehr erlaubt ist – “und scheitert wie erwartet”.

3. “Der ORF verabschiedet sich”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Der ORF strahlt den Film “9/11 Mysteries” aus, “distanziert sich jedoch von anfälligen [sic!] Aussagen, die dem ORF-Gesetz, insbesondere dessen Objektivitätsgebot, widersprechen”. ORF-Sprecher Martin Biedermann sagt dazu auf diepresse.com: “Verschwörungstheorien ziehen sich durch den gesamten Themenkomplex des 11. September. Deswegen hat eine solche Doku in einem breit angelegten Programmschwerpunkt ihren Platz.”

4. “‘Twitter terrorists’ face 30 years after being charged in Mexico”
(guardian.co.uk, Jo Adetunji and agencies, englisch)
Wegen Verbreitung der Falschmeldung, eine Schule werde von Bewaffneten angegriffen, drohen einem Lehrer und einer Radiomoderatorin 30 Jahre Haft. “The resulting panic caused dozens of car crashes after parents rushed to save their children from schools across the city and jammed emergency telephone lines, which ‘totally collapsed’ under the pressure.”

5. “Warum der Streit zwischen Assange und Domscheit-Berg kein Zickenkrieg ist”
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal fragt, warum sich gerade jetzt so viele Journalisten und Kommentatoren gegen Wikileaks wenden. “Die Reduktion der Enthüllungsplattform WikiLeaks auf ein ‘neutrales’, vermittelndes Medium, das seine journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt, blendet die Tatsache aus, dass WikiLeaks von Anfang an darauf aus war, geheimes Material zu publizieren, um bestimmte politische, militärische und finanzielle Machenschaften nicht nur aufzudecken, sondern zu bekämpfen.”

6. Interview mit Charles Moore
(welt.de, Thomas Kielinger)
Aufbauend auf einer Kolumne von Charles Moore wurde im August in deutschsprachigen Medien eine ausführliche Debatte geführt: “Ich habe Ende Juli gerade einmal zwei Kolumnen geschrieben, die eine bis heute andauernde Debatte auslösten, aber man hat immer nur die erste zitiert: ‘Ich fange an zu glauben, dass die Linke tatsächlich Recht haben könnte.'”

Bravo  

Haarentfernfreundschaften

Es ist nicht so, dass die Jugendzeitschrift “Bravo” ihre redaktionellen Inhalte nicht deutlich von bezahlten Werbeanzeigen trennt:

Moment, in dieser Größe sieht man es vielleicht nicht so gut.

Besser?

Wenn “Marie” die Frage “Wie führe ich eigentlich einen Tampon richtig ein?” von “Lena” mit “Mein Tipp: Probier doch mal die o.b. Pro-Comfort Tampons” beantwortet und daneben o.b.-Produkte abgebildet sind, ist das also eindeutig eine “Anzeige”. (Die Frage, ob die zumeist minderjährigen LeserInnen diesen Unterschied auch bemerken würden, ist womöglich eine für Dr. Sommer.)

So gesehen müsste es sich bei der Frage “Fernfreundschaften — funktioniert das?” eindeutig um redaktionellen Inhalt handeln, denn das Wort “Anzeige” steht hier nirgends:

Und tatsächlich liest sich der Text, in dem Jana Beller (“Gewinnerin von ‘Germany’s next Topmodel’ und aktuelles Werbegesicht von Gillette Venus”) Tipps gibt, wie man mit Freunden und Familie in Kontakt bleiben kann, erst einmal wie ein ganz normaler Artikel.

Andererseits irritiert beim Thema “Fernfreundschaften” dann doch die Produktabbildung des “Gillette Venus Embrace” und der Hinweis, dass es “mehr” im Internet bei Gillette gebe:

Wir haben vergangene Woche deshalb bei der “Bravo”-Redaktion nachgefragt, ob es sich um redaktionellen Inhalt oder Werbung handle. Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten.

Mit Dank an Sebastian K.

Alter Wein in alten Schläuchen

In ihrer Samstagsausgabe hat die “Leipziger Volkszeitung” einen Coup gelandet: Sie konnte als erstes Medium von einem neuen Kompromissangebot der Union an die FDP im lange schwelenden Streit um die Vorratsdatenspeicherung berichten.

Vorratsdatenspeicherung: Union kommt Liberalen weit entgegen

Die Redaktion versandte gar einen Vorbericht per Pressemitteilung, so dass alle Welt über die Neuentwicklung berichten konnte. Der Innenexperte der Union im Bundestag, Clemens Binninger, hatte der “LVZ” nämlich verraten, dass er sich bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung “eine von sechs auf drei Monate verkürzte Speicherfrist” vorstellen könne.

Und nicht nur das:

Zugleich erklärte Binninger, statt einer generellen Datenspeicherung könne man sich auch auf einen ganz konkreten begrenzten Straftatenkatalog beschränken. Bisher hatten die Union und das Bundesinnnenministerium eine Mindest-Speicherfrist von sechs Monaten als zwingend notwendig erachtet, um sachlich den Anforderungen der Behörden zu genügen.

Das wäre nicht nur eine politische Sensation, sondern vor allem auch eine technische: Es ist unmöglich, die Datenspeicherung im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung auf bestimmte Straftaten zu beschränken. Da Kriminelle ihre Datentransfers nicht vorher bei der Polizei anmelden, wollen Innenpolitiker und Leute wie BKA-Chef Jörg Ziercke einfach die Daten von allen Kommunikationsvorgängen abspeichern lassen und später die Spuren zu den Kriminellen aussortieren. Ohne “generelle Datenspeicherung” ist keine Vorratsdatenspeicherung möglich. Wie Binninger das eine fordern und das andere ablehnen kann, hat die “Leipziger Volkszeitung” gar nicht erst hinterfragt.

An der Position der Union hat sich also wenig geändert: Weiterhin sollen umfassende Kommunikations- und Positionsdaten aller Menschen in Deutschland gespeichert werden, lediglich der Abruf der Daten kann beschränkt werden. Die Politiker vertrauen darauf, dass die Behörden mit den Daten schon verantwortungsvoll umgehen werden — und sich nicht irgendwelche Sicherheitslücken auftun oder die Daten auf andere Weise in die falschen Hände geraten.

Das vermeintliche Zugeständnis der Union an die FDP, den Datenabruf auf bestimmte Straftaten zu beschränken, ist auch kein neuer Einfall von Clemens Binninger. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht diese Beschränkung bereits vor anderthalb Jahren gefordert. Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit dem Thema beschäftigt hat, müsste das wissen.

Nachtrag, 6. September: Auch die in Aussicht gestellte Verkürzung der Speicherdauer war alles andere als neu. Bereit im Mai berichtete Welt.de über entsprechende Äußerungen von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Von einem “Entgegenkommen” kann also aktuell gar nicht nicht gesprochen werden.

Bild  

Fakten schaffen ohne Waffen

Weil sich die Anschläge vom 11. September 2001 am kommenden Samstag Sonntag zum zehnten Mal jähren, hat “Bild” den Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich befragt, wie es eigentlich so aussieht mit der Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland.

BILD: Wie viele Islamisten und Gefährder mit Terror-Ausbildung gibt es hier bei uns?

Friedrich: Wir haben fast 1000 Personen, die man als mögliche islamistische Terroristen bezeichnen könnte. Davon wiederum sind 128 Gefährder, also Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie erhebliche Straftaten begehen könnten, das schließt auch einen Anschlag mit ein. Ungefähr 20 dieser Gefährder waren zudem eindeutig in einem Terrorcamp zur Ausbildung. Wir wissen also, wer die Leute sind und die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern tauschen ständig Informationen aus und stimmen die notwendigen Maßnahmen aufeinander ab.

“Fast 1000 Personen, die man als mögliche islamistische Terroristen bezeichnen könnte” — aber wer würde das schon tun? Also: Wer, außer “Bild”?

Innenminister Friedrich in BILD-Interview: In Deutschland leben 1000 islamistische Terroristen!

Mit Dank an DerPhi.

Nachtrag, 18.20 Uhr: “Spiegel Online” hat die “fast 1000 Personen” des Ministers und die “1000 Terroristen” von “Bild” mal ein bisschen unter die Lupe genommen:

9/11, Yvonne, Photoshop

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Leitmedien und die Gegenöffentlichkeit des 11. Septembers”
(heise.de/tp, Marcus Klöckner)
In einem ausführlichen Beitrag stellt Marcus Klöckner den Umgang von Leitmedien wie “Spiegel”, “Zeit” oder “Süddeutsche Zeitung” mit 9/11 in Frage. Zweifler seien vorschnell diffamiert und psychiatrisiert worden. “Stattdessen konnte ein Journalismus beobachtet werden, der Wissen durch Glauben ersetzte und die scheinbar unerschütterliche Überzeugung der eigenen politischen Weltsicht an die Stelle des Prüfens und Hinterfragens treten ließ.”

2. “Wie wird man eigentlich ‘Journalist’?”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
“Bild”-Kritiker werden in einer Bildergalerie als “Experten” in Anführungszeichen dargestellt. “Es handelt sich nach Ansicht von Bild bei Menschen wie dem Wirtschaftsminister Thüringens, Roland Koch und Sigmar Gabriel nicht um Experten, sondern nur um so genannte.”

3. “Wenn Schlagzeilen in die Irre führen”
(nachtwach.blog.sf.tv, Franziska von Grünigen)
Die Produzentin der Call-In-Ratgebersendung “Nachtwach” antwortet auf den “Blick”-Titel “SF bezahlt Psycho-Doc für Talkerin”: “Die Geschichten, die die Redaktoren am Telefon, ich als Produzentin und Barbara Bürer direkt in der Sendung zu hören bekommen, wühlen bisweilen auf, irritieren, machen nachdenklich. Eine sorgfältige Vor- und Nachbereitung ist für uns daher oberstes Gebot.”

4. “Pleiten, Pech und Pannen: Unsere größten Flops”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“DWDL” erinnert sich zum zehnjährigen Jubiläum an die größten Flops und die bittersten Falschmeldungen.

5. “The head of photography on… picture manipulation and trust in news imagery”
(guardian.co.uk, Roger Tooth, englisch)
“Our rule about the use of Photoshop and other picture-manipulating software is that cropping and toning – basically anything that might have been done in a darkroom – is OK, but the moving of pixels or ‘cutting and pasting’ is forbidden.”

6. “Yvonne – die arme Werbe-Kuh”
(rp-online.de, Dieter Dormann)
Hätte die Kuh Yvonne, das diesjährige Sommertier der Medien, nicht schon viel früher eingefangen werden können? Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer Rheinland: “Die vom Gut Aiderbichl haben viel PR für sich gemacht, anstatt das Problem zu lösen.”

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