Schneekugel, Dschungelcamp, Udo Röbel

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Bitte keine Krokodilstränen!”
(berliner-zeitung.de, Klaus Staeck)
Klaus Staeck schreibt über “Bild”. “Der Platz dieser Kolumne reicht nicht aus, um all die mir persönlich bekannten Zeitgenossen aufzuzählen, die diesem Blatt zwar in tiefer Verachtung verbunden sind, aber am Telefon stramm-verkrampft Haltung annehmen, wenn sich die Bild-Zeitung meldet. Hat sich doch in die Seelen der meisten öffentlichen Personen eingeschlichen, dass man um diesen medialen Gerichtshof nun mal nicht herumkomme.”

2. “Mitten in der Schneekugel”
(freitag.de, Klaus Raab)
Die Titelgeschichte des aktuellen “Freitag” lautet “Blöd: Medien sind jetzt Wulff”. Klaus Raab hält fest: “Medien stehen nicht außerhalb der Schneekugel, sie stehen mittendrin. Objektivität gibt es daher nicht, sie ist ein Paradoxon. Diese Erkenntnis an sich ist freilich banal. Die mediale Aufklärung der Wulffschen Normverletzungen ist aber, und hier beginnt das Besondere dieses Falls, nicht nur nicht objektiv. Es handelt sich um eine Sonderform der scripted reality. Was nicht sofort auffällt, weil es doch die vermeintlichen Aufklärer sind, die hier PR in eigener Sache treiben.”

3. “Die Boulevardangestellten”
(freitag.de, Matthias Dell)
Matthias Dell denkt über die morgen erneut startende RTL-Sendung “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!” nach. “Wer Kulturverfall, Boulevardisierung und Sensationismus beklagt, der wird diese nicht in der klug geschriebenen Sendung finden, sondern in dem sie begleitenden medialen Tamtam wie bei Springer-Medien, stern.de oder Internetportalen, die fast unverändert RTL-Pressetexte weitergeben.”

4. “Let’s talk about: Christian Wulff”
(juliane-wiedemeier.de)
Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag wird in Gesprächsrunden des öffentlich-rechtlichen Fernsehens über die Causa Wulff diskutiert.

5. “Wulff ist für ‘Bild’ ein Sechser im Lotto”
(taz.de, G. Löwisch und P. Unfried)
Die “taz” spricht mit Udo Röbel, “Bild”-Chefredakteur von 1998-2000. “Selbst wenn Bild bewusst Grenzen überschreiten wollte – das bringt doch nichts mehr. Da schließt sich der Kreis zum Internet. Bild verliert Auflage.”

6. “‘Bild’ schafft sich ab”
(danieldaffke.wordpress.com)
“Gemäß Trendfunktion verliert Bild jedes Jahr knapp 130.000 Exemplare. Die Fortschreibung des Trends zeigt, dass 2032 nichts mehr übrig bleibt.”

Statt Wulff

Länger nicht mehr gezeigt haben wir diese “Bild”-Eigenwerbung aus dem Jahr 2006:

Gestern machte “Bild” bundesweit mit einem spektakulären Kriminalfall auf:

Arzt-Gattin ersticht Liebhaber. Weil nicht rauskommen sollte, dass ihr Kind von ihm ist.

Der Fall einer Bochumer Arzt-Gattin, die ihren Liebhaber erst betäubt, dann vergiftet und erstochen hatte (anschließend zündete sie auch noch seine Wohnung an), hatte überregional für Aufsehen gesorgt — im vergangenen September, als die Tat stattfand.

Auch “Bild” hatte damals schon in der Ruhrgebietsausgabe groß über die Ereignisse berichtet, das Gesicht der Tatverdächtigen damals allerdings noch verpixelt. Gestern prangte ihr Foto unverfremdet deutschlandweit auf der Titelseite. Die einzige andere Neuigkeit ist die, dass das Landgericht Bochum vergangene Woche den Zeitplan für den Mordprozess veröffentlicht hat, was in der Bild.de-Version des Artikels aber nicht einmal erwähnt wird.

Es ist überhaupt rätselhaft, warum Bild.de gestern zwei recht unterschiedliche Artikel der gleichen Autoren veröffentlichte: den aus der gedruckten “Bild” und einen zweiten. Dass der Mord schon vier Monate zurückliegt, geht aus keinem der Texte hervor, obwohl einer der Autoren schon damals an der Berichterstattung beteiligt war.

Fixer, Sodomie, Alkohol

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1. “Wulff auf ‘Bild’-Reise: Von Wolke 7 ab in die Wüste”
(evangelisch.de, Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt)
Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt kommentieren die Rolle von “Bild” in der Causa Wulff: “Christian und Bettina Wulff sind die dankbarsten Opfer, die seit langem auf dem Altar der Selbstvermarktung von ‘Bild’ lagen: höchstmögliches Amt, größtmöglicher Dilettantismus.”

2. “Lust am (Hoch-)Kochen”
(dradio.de, Brigitte Baetz)
Auch Brigitte Baetz nimmt sich dem Fall an: “Christian Wulff hatte wohl geglaubt, sich mit ein paar Home-Stories das Wohlergehen dieser Boulevardzeitung auf Dauer gesichert zu haben – und hatte sich getäuscht.”

3. “Fixer für Fallschirm-Journalisten”
(nzz.ch, Philippe Kropf)
Philippe Kropf besucht den Fixer Sardar Ahmad Khan in Kabul. “Insbesondere bei den internationalen Fernsehsendern, die untereinander in einem harten Konkurrenzkampf stehen, gelten die Kosten für einen guten Fixer als notwendige Spesen. Aber auch freischaffende Krisenjournalisten greifen auf sie zurück; in Internetforen wie ‘Lightstalkers’ werden Kontaktdaten von zuverlässigen Fixern erfragt und gängige Preise ausgetauscht; die norwegische Medien-NGO International Reporter stellt gar eine entsprechende Datenbank zur Verfügung.”

4. “Medienkritik in der Schweiz – ein Mauerblümchen”
(drs2.ch, Rahel Walser, Audio, 27 Minuten)
Die Formen der Medienkritik in der Deutschschweiz im Überblick.

5. “Von Hühnern und Hintern”
(fastvoice.net, Wolfgang Messer)
Der Freispruch des malaysischen Politikers Anwar Ibrahim bei tagesschau.de und taz.de.

6. “Kein Alkohol. Die ersten 14 Tage.”
(pro2koll.de, Tillmann)
Seit zwei Wochen trinkt Tillmann keinen Alkohol mehr und beobachtet die Auswirkungen dieser unterlassenen Handlung.

Die Lümmel von der Bank

Es sieht nicht so aus, als ob sie sich bei “Welt Online” überhaupt Gedanken darüber hätten, ob sie die Angeklagten, die da im Ausland vor Gericht standen, anonymisieren sollten: Das Aufmacherfoto zeigt den Hauptangeklagten “beim Verlassen des Gerichts” bzw. beim nicht wirklich geglückten Versuch, sein Gesicht vor den Kameras zu verbergen. Unter dem Foto steht sein Name, der im Artikel noch weitere Male auftaucht, ebenso wie sein ehemaliger Arbeitgeber, sein Alter und die Namen, Altersangaben und Berufe der Mitangeklagten.

“Welt Online” schrieb im vergangenen August nicht über ein brutales Kapitalverbrechen, wo das Medium die identifizierende Berichterstattung noch mit dem immensen “öffentlichen Interesse” an dem Fall hätte rechtfertigen können, sondern über einen vergleichsweise unspektakulären Fall von “white collar crime” — Wirtschaftskriminalität, über die kaum ein anderes deutschsprachiges Medium berichtet hat.

Ein Leser des Artikels beschwerte sich beim Deutschen Presserat über die identifizierende Berichterstattung. Die Chefredaktion von “Welt Online” erklärte in ihrer Stellungnahme, “dass die Berichterstattung nicht die Intim-, Geheim- und Privatsphäre berühre, sondern allein die Sphären des Wirtschafts- und Berufslebens”. Die Berichterstattung betreffe “ausschließlich die Sozialsphäre”, in der das Persönlichkeitsrecht hinter dem Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit (außer in Ausnahmefällen) zurückstehen müsse.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Der Beschwerdeausschuss wollte sich dieser Meinung nicht anschließen: Zwar bestehe “ohne Zweifel” ein öffentliches Interesse daran, über die im Ausland erhobenen Vorwürfe gegen eine Frau und einen Mann aus Deutschland zu berichten. Im konkreten Fall finde die Berichterstattung jedoch ihre Grenzen in den Persönlichkeitsrechten der Angeklagten. Zur vollständigen und verständlichen Unterrichtung der Öffentlichkeit über die im Raum stehenden Vorwürfe seien die identifizierende Abbildung des Mannes und die Erwähnung beider Namen nicht notwendig gewesen. Mit Blick auf die Sozialsphäre und das persönliche Umfeld, welches die Angeklagten in Deutschland hätten, hätte “Welt Online” anonymisiert berichten müssen.

Insgesamt sah der Presserat den Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex durch “Welt Online” als so schwerwiegend an, dass er eine “Missbilligung” (s. Kasten) aussprach.

Feuilletons, Wulffplag Wiki, Fußgänger

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1. “Der Goldene Maulwurf 2011”
(umblaetterer.de, Paco)
“Tor in Fukushima!” von Marcus Jauer gewinnt den jährlichen Wettbewerb der “10 besten Texte aus den Feuilletons des vergangenen Jahres” (Vorwort). Auf weiteren Plätzen finden sich Texte von Frank Schirrmacher, Roland Reuß, Judith Liere, Ulrich Stock, Tilman Krause, Samuel Herzog, Kathrin Passig, Ina Hartwig und Jürgen Kaube.

2. “Vom Glück, ‘Bild’ zu sein”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier analysiert die Rolle von “Bild” in der Causa Wulff. “Wir haben in den vergangenen Wochen einiges Neues über den Charakter von Christian Wulff gelernt. Und nichts Neues über den Charakter der ‘Bild’-Zeitung.”

3. “Am Tropf von BILD”
(sprengsatz.de, Michael Spreng)
“Das Gefühl verstärkt sich von Tag zu Tag, dass auch die sogenannte seriöse Presse in der Wulff-Affäre die Besinnung verloren hat. Alle hängen irgendwie am Tropf von BILD und lassen sich täglich neu instrumentalisieren.”

4. “Wulffs Mailbox-Nachricht: Rekonstruiert via Crowdsourcing”
(onlinejournalismus.de, Fiete Stegers)
Das Wulffplag Wiki versucht “die möglichst genaue und objektive Auflistung der Vorwürfe gegen Christian Wulff”. Unter anderem wird eine “Rekonstruktion der Mailbox-Nachricht Wulffs” angestrebt.

5. “Kopfhörer und tödlich verunglückte Fußgänger”
(ad-sinistram.blogspot.com, Roberto J. De Lapuente)
Roberto J. De Lapuente prüft Zahlen von verunglückten Fußgängern, über die RTL “einigermaßen aufgescheucht” berichtet.

6. “Weihnachtsfernsehen: Im Herzen ein Engländer”
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
“US-Blockbuster, Serienwiederholungen, unerträgliche Schlager-Specials und eine dröges Quiz nach dem anderen”, sieht Torsten Dewi im Weihnachtsprogramm von ARD und ZDF. “DAFÜR werden alljährlich Hunderte von Millionen Euro rausgehauen?”

Bild  

Rasender Reporter

Wie einfach es sich “Bild” macht, wenn es darum geht, einen Schuldigen für ein Unglück zu finden, zeigt diese Schlagzeile von heute:

Beim Familien-Spaziergang am Sonntagnachmittag Raser tötet Mutter und Sohn (7)!

“Bild” zeigt dazu nicht nur das Unfallfahrzeug auf fast einer halben Seite, sondern auch eine abgedeckte Leiche und getrocknetes Blut. Daran, dass der Fahrer zu schnell gefahren ist, besteht für den Reporter kein Zweifel:

Ein Audi-Fahrer hat in Alzenau (Bayern) eine Mutter und ihr Kind in den Tod gerast.

Doch die Schuldzuweisung war wohl zu voreilig. Inzwischen scheint klar zu sein, dass der schwer verletzte Fahrer kurz vor dem Unfall einen Schlaganfall erlitten und dadurch die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte. Das berichtet jetzt auch Bild.de:

Unfallursache Schlaganfall! Fahrer raste hilflos in Mutter (36) und Sohn (7)

Darüber, dass “Bild” den nunmehr “hilflos rasenden” Fahrer zuvor als “Raser” bezeichnet hatte — kein Wort.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 10. Januar: Heute legt “Bild” nach und nutzt diese Gelegenheit noch einmal, um den Unfallwagen und die abgedeckte Leiche groß zu zeigen. Immerhin wird der Fahrer entlastet:

Schlaganfall

Ungebremst raste Audi-Fahrer Rüdiger B. (51) in eine Familie (…). Doch er konnte gar nichts dafür! Der Geschäftsmann saß hilflos im Auto. (…)
Es war also ein tragisches Unglück, das der Fahrer nicht verhindern konnte.

Doch so ganz scheint “Bild” die Vorstellung dann doch nicht ertragen zu können, dass niemand an dieser Tragödie schuld sein könnte. Fast schon vorwurfsvoll heißt es im nächsten Satz:

Allerdings kündigen sich Schlaganfälle durch Lähmungserscheinungen an Armen, Sprachstörungen und Schwindel an.

Mailbox, Metamorphose, My Little Pony

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1. “Politiker und Journalisten: Freunde, die einander verdienen”
(gutjahr.biz, Richard Gutjahr)
Das Netz habe die Spielregeln zwischen Parteizentralen und Redaktionen grundlegend verändert, schreibt Richard Gutjahr: “Absprachen, gegenseitige Abhängigkeiten, sanfte oder auch mal weniger sanfte Erpressung, das alles funktioniert in einer vernetzten Welt so nicht mehr. Blogger haben keinen Verleger, den man unter Druck setzen könnte. Eine über Twitter ausgeplauderte Indiskretion lässt sich nicht wieder einfangen.”

2. “Die Peinlichkeiten des Präsidenten und die Probleme der Presse”
(noz.de, Burkhard Ewert)
Der Fall Wulff sei “auch eine Affäre der Medien”, glaubt Burkhard Ewert und stellt eine Reihe von Punkte zusammen. “Eine Bankenpleite oder auch nur ein heftiger Wintereinbruch mit einigen verspäteten Zügen, dann wäre der Republik so mancher Akt des Wulff-Dramas erspart geblieben.” Siehe dazu auch “Perpetuum Mobile” (stefan-niggemeier.de).

3. “Diekmanns Anmaßung”
(taz.de, Ulrich Schulte)
Ulrich Schulte ist beeindruckt, wie “professionell und geschickt” Kai Diekmann mit der Mailbox-Nachricht von Christian Wulff umgeht. Seit Tagen hausierten “Bild”-Mitarbeiter mit Wulffs Sätzen bei anderen Medien. “Gerne lesen die Kollegen aus der Abschrift am Telefon vor, ausschließlich ‘unter 3’ versteht sich.”

4. “Herr Diekmann übt die Metamorphose”
(post-von-horn.de, uh)
Ebenfalls um Kai Diekmann und die Mailbox-Nachricht geht es in der Post von Horn: “Wulffs Feststellung, er habe vor der Veröffentlichung des besagten Artikels um Aufschub gebeten, sollte als Lüge hingestellt werden. Das gelang, auch mit Beihilfe der Qualitätsmedien. Dabei stellte sich später heraus, dass sich die Bitte um Aufschub tatsächlich auf der Mailbox befand.”

5. “Liebesentzug von Medien und Politikern”
(meedia.de, Stephan Weichert)
Nicht um die Sache, sondern um emotionale Stimmungsmache gehe es in der Causa Wulff, findet Medienwissenschaftler Stephan Weichert. Und um Macht: “Man spürt an der teils flatterhaften, teils alarmistischen Politikberichterstattung der letzten Tage, wie sich die Medienmeute förmlich daran ergötzt, Gott zu spielen und darüber zu richten, ob der Bundespräsident im Amt bleiben darf.”

6. “The story behind ‘the best NYT correction ever'”
(jimromenesko.com, Amy Harmon, englisch)
Die “New York Times” korrigiert eine Verwechslung der Ponys Fluttershy und Twilight Sparkle, Figuren der Kindersendung “My Little Pony”. “Not correcting it would have undermined the credibility of the other 5,011 words of the story – at least for ‘My Little Pony’ fans.”

Wenn es noch Wunder gibt

Zugegeben: Bei den vielen Personalwechseln, die die FDP in letzter Zeit so durchgemacht hat, fällt es schwer, den Überblick zu behalten.

Trotzdem ist es ganz drollig, was cicero.de da passiert ist:

Beim Bankett zum traditionellen Dreikönigsball hatten FDP-Parteichef Philipp Rösler, sein neuer Generalsekretär Patrick Lindner und Fraktionschef Rainer Brüderle am Tisch Nummer 13 gesessen.

“Patrick Lindner” ist entweder eine recht gelungene Mischung aus dem neuen Generalsekretär Patrick Döring und seinem Vorgänger Christian Lindner — oder die FDP hat schon wieder ihren Generalsekretär ausgetauscht und durch einen Schlagerstar ersetzt.

Nachtrag, 7. Januar: Bei cicero.de ist jetzt von einem “Patrick Döring” die Rede.

Know your Kennedy

Die Kennedys. Um die legendäre, womöglich verfluchte, auf jeden Fall weit verzweigte amerikanische Politdynastie ranken sich auch heute noch Mythen. Und die Medien arbeiten fleißig daran, dass es auch so bleibt.

Den Durchblick kann selbst in der Familie vermutlich niemand behalten: Familienoberhaupt Joseph P. Kennedy, Sr hatte neun Kinder, darunter den US-Präsidenten John F. Kennedy und den Senator Robert F. Kennedy, die beide erschossen wurden. Alle Sechs dieser neun Kinder hatten selbst mehrere Kinder, Robert F. Kennedy sogar derer elf, wobei der erstgeborene Sohn zumeist nach seinem jeweiligen Vater benannt wurde, die weiteren Söhne nach einem ihrer Onkel. (Für Menschen mit abseitigen Hobbys und zu viel Tagesfreizeit hält der Stammbaum sicher viel Freude und Grundlagen für außergewöhnliche Small Talks bereit.)

Die Chance, bei der Genealogie der Kennedys danebenzuliegen, ist also hoch. Lieber würde man als Journalist über die Familie Duck aus Entenhausen schreiben.

Nun hat aber ein Kennedy angekündigt, für den US-Kongress kandidieren zu wollen, und einige deutsche Medien sahen sich verpflichtet, darüber berichten zu müssen.

Aber wer könnte dieser “Joseph P. Kennedy III” genau sein?

AFP hielt gestern folgende Version für plausibel:

Der Enkel des 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy sei in den letzten Zügen der Vorbereitung für seine Kandidatur und hoffe, dem in den Ruhestand gehenden demokratischen Abgeordneten Barney Frank nachzufolgen.

Die Agentur fügte aber gleichzeitig hinzu:

Joseph P. Kennedy III. ist der Sohn von JFK-Bruder Joseph P. Kennedy II..

Nun kann Joseph P. Kennedy III nicht gleichzeitig Enkel von JFK und Sohn dessen Bruders sein. Tatsächlich ist er deshalb — keins von beidem.

Entsprechend verschickte AFP heute Vormittag eine korrigierte Fassung der Meldung, in der die Familienverhältnisse jetzt einigermaßen geordnet waren:

+++ Berichtigung: Durchgängig heißt es nun richtig, dass Joseph P. Kennedy III. Großneffe (nicht Enkel) von John F. Kennedy ist. Er ist der Enkel von JFKs Bruder Robert F. Kennedy. +++

Die falsche Version findet sich aber noch bei “Focus Online”, “RP Online” hält ein ganz besonderes Mashup von erster und zweiter Fassung bereit.

Auftritt Bild.de:

Mit Joseph P. Kennedy III. (31), Sohn des 1968 ermordeten Robert Kennedy († 42), will wieder ein Mitglied der berühmten US-Dynastie ein politisches Amt übernehmen.

Der junge Staatsanwalt ist ein Großneffe von US-Präsident John F. Kennedy († 46), der 1963 in Dallas erschossen wurde.

Ein 31-jähriger Mann als Sohn eines vor fast 44 Jahren erschossenen Mannes? Ein Großneffe vom Bruder seines Vaters? Um zu bemerken, dass das nicht stimmen kann, muss man nicht mal den Stammbaum der Kennedys studiert haben.

Mit Dank an Jan W. und Felix H.

Nachtrag, 18.55 Uhr: Bild.de hat Joseph P. Kennedy III. zum “Enkel” von JFK umgeschrieben.

Bettwäsche, Nasenring, Wendi

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1. “Auf dem Niveau von Bettwäsche”
(taz.de, Matthias Dell)
Noch bevor es überhaupt gesendet worden war, gehörte das Interview von ARD und ZDF mit Christian Wulff schon einer Vergangenheit an, die Kommentatoren aus Medien und Politik durch Einordnung bereits bewältigt hatten, stellt Matthias Dell fest.

2. “Die Wulffolyse”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.com)
Eine Zusammenstellung verschiedener Analysen zum Wulff-Interview.

3. “Schaf im Wulffpelz”
(heise.de/tp/blogs, Rüdiger Suchsland)
Sind die Medien Kontrollinstanz oder selbst Getriebene? “Jedenfalls bleibt festzustellen: Auf dem vorläufigen Höhepunkt der europäischen Staatsschuldenkrise ist das ganze Land damit beschäftigt, die Amigo-Affaire eines real recht machtlosen Durchschnittspolitikers aufzuklären. Sämtliche Medien von Links bis Rechts lassen sich vom über Bande spielenden Springer-Verlag am Nasenring durch die Arena ziehen, lassen sich von der Guttenberg-Fanpostille mit immer neuen Fakten füttern, die punktgenau über Wochen in Tagesrationen verabreicht werden.”

4. “Wenn man keine Einigung findet, geht es vor Gericht”
(20zwoelf.de, Lennart Wermke)
Auf 20zwoelf.de, einer Publikation der Axel-Springer-Akademie, sprechen “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann und Medienanwalt Christian Schertz über Persönlichkeitsrecht, Pressefreiheit und Inszenierungen.

5. “Wieso die Tech-Berichterstattung sorgfältiger werden muss”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert kritisiert einen Eintrag im “Digitalblog” auf Sueddeutsche.de – Autor Dirk von Gehlen antwortet in den Kommentaren.

6. “How Twitter Verified the Fake Wendi Over the Real Wendi”
(allthingsd.com, Kara Swisher, englisch)
“Mistakenly, Twitter apparently thought that the correct account was the one with the underscore and not the one with no space at all.”

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