Im Juni wird “Bild” 60. Die Axel Springer AG will das feiern, indem sie am 23. Juni eine einmalige Sonderausgabe veröffentlicht, die kostenlos an alle Haushalte verteilt werden soll.
Die Branchenzeitschrift “Kontakter” berichtete vor zwei Wochen, dass das ganze Projekt “auf der Kippe” zu stehen scheint:
Offenbar bekommt das Mammutprojekt im Anzeigenmarkt weniger Zuspruch als erwartet. Zudem ist immer noch nicht klar, mit welchem Vertriebspartner die Haushalte beliefert werden sollen.
Kritik an der Aktion gab es von Anfang an auf Facebook und anderenWebseiten. Viele Menschen wollten keine “Bild” in ihrem Briefkasten — nicht mal geschenkt.
Gestern ist deshalb die Kampagne “Alle gegen Bild” gestartet. Unter dem Motto “Wer austeilt, muss auch einstecken können!” kann man via Internet ganz einfach Widerspruch gegen die Verteil-Aktion einlegen und der Axel Springer AG untersagen, die Sonderausgabe (oder irgendeine andere “Bild”-Ausgabe) in den eigenen Briefkasten zuzustellen.
Letztere sind gleichzeitig so freundlich, Spenden für uns zu sammeln. Selbstverständlich können Sie uns aber auch weiterhin wie gewohnt direkt unterstützen.
Hinweis: Offenbar wegen des großen Andrangs ist alle-gegen-bild.de zur Zeit nicht zu erreichen. Der Link zu Campact sollte aber funktionieren.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Roboterjournalist interviewt Roboterpräsident” (scilogs.de, Boris Hänßler)
Boris Hänßler denkt über automatisierten Journalismus nach: “Da wir unsere Vorlieben im Internet gerne preisgeben, können Newshersteller künftig nicht nur die Auswahl der Nachrichten auf unsere Präferenzen hin anpassen, sondern auch die Inhalte der Meldungen. Ein Roboter kann dieselbe Story während eines Wimpernschlags in 300 verschiedenen Varianten herunter rotzen, mit unterschiedlichen Schwerpunkten.”
2. “Die 1-Million-Euro-Klage gegen Bild” (journalist.de, Ferry Batzoglou)
Der Zeitschrift “journalist” liegt eine Klageschrift des griechischen Politikers Alexis Tsipras vor, die sich “gegen Bild, bild.de sowie Autor Paul Ronzheimer” wendet. “Weder Ronzheimer noch Springer wollten sich zu der Klage äußern. Bild-Sprecher Tobias Fröhlich verwies darauf, dass die Klage den Verlag noch nicht erreicht habe.”
Kürzlich in Athen freigesprochen wurde übrigens Helmut Markwort, Ex-Chefredakteur des “Focus”: “Freispruch und Ende” (sueddeutsche.de, Katharina Riehl).
3. “Sachen, die ich mache, wenn ich nicht hier bin” (monkeypenny.blogspot.de, Zanet Zabarac)
Ein Interview mit Monkeypenny, Community-Redakteurin bei der “Neuen Zürcher Zeitung”: “Man kann keinen Journalisten dazu zwingen, mit Nutzern zu arbeiten, aber ein guter Journalist wird das tun, weil dies seine Arbeit stark bereichern kann.”
4. “Solche Aufnahmen sind daneben” (beobachter.ch, Balz Ruchti)
Die Schüler Lina, Dario, Chris und Ines diskutieren den Umgang mit von Handys aufgenommenen Filmen im Netz.
5. “Acht mal acht” (umblaetterer.de, Paco)
“Letzten Sonntag stieg ich also in den ICE, um von Dresden zurück nach Leipzig zu fahren. Ich hatte einen Schokoladenosterhasen und die FAS dabei.”
6. “Der gefragte Mann” (facebook.com, Ruedi Widmer, Cartoon)
Herr Grass und der Boulevard.
Gegen Hartz-IV-Empfänger zu hetzen, gehört bei “Bild” ja schon immerzudenKönigsdisziplinen. Insofern ist diese Schlagzeile auf der gestrigen Titelseite eigentlich fast schon normal:
Im ausführlichen Artikel auf Seite 2 behauptet “Bild”:
Erschreckende Hartz-IV-Bilanz: Im letzten Jahr wurden gegen 912 377 Hartz-IV-Drückeberger Sanktionen verhängt – REKORD! Wie geschummelt und gelogen wird, welche Strafen drohen, in welchen Bundesländern am meisten getrickst wird.
Es wurden allerdings nicht gegen “912.377 Hartz-IV-Drückeberger” Sanktionen verhängt, sondern insgesamt 912.377 einzelne Sanktionen. Laut Bericht der Bundesagentur für Arbeit (Excel-Datei) verteilen sich die auf gerade einmal 151.377 Leistungsberechtigte. Das bedeutet, dass je nach Lesart nur 3,4 bis 4,5 Prozent aller Hartz-IV-Empfänger überhaupt sanktioniert wurden.
Nun ist es zwar korrekt, dass die Jobcenter 2011 insgesamt mehr Sanktionen verhängt haben als etwa im Jahr davor, doch “Bild” selbst muss einräumen, dass es in den meisten Fällen nicht um “Tricksereien” oder “Schummeleien” ging:
Meistens wurden im vergangenen Jahr Strafen verhängt, weil die Hartz-Empfänger Meldefristen nicht eingehalten haben (582 253), also z. B. trotz Einladung nicht beim Jobcenter erschienen.
“Zeit Online” erklärt genauer, was die sanktionierten Hartz-IV-Empfänger denn so angestellt haben:
In den meisten Fällen hatten die Hartz-IV-Empfänger der Statistik zufolge gegen sogenannte Meldepflichten beim Jobcenter verstoßen, erschienen also beispielsweise nicht zu Terminen. In anderen Fällen weigerten sie sich, eine Arbeit, Ausbildung oder Weiterbildungsmaßnahme anzutreten oder brachen diese ab.
Die Betrugsfälle beim Bezug von Hartz IV sind hingegen zurückgegangen. Die BA leitete 177.500 Straf- und Bußgeldverfahren wegen Missbrauchs beim Arbeitslosengeld II ein. Das waren knapp 22 Prozent weniger als 2010.
“Die reinen Missbrauchsfälle und Betrugsfälle steigen nicht an. Wir haben überwiegend Meldeversäumnisse, das hängt auch mit der guten konjunkturellen Entwicklung zusammen”, sagte der Sprecher [der Bundesagentur für Arbeit]. Ein einfaches Meldeversäumnis löse noch keinen Betrugsfall aus.
Die gestiegene Anzahl der Sanktionen hängt also hauptsächlich damit zusammen, dass es einfach mehr Termine gibt, die verpasst werden können. Die Betrugsfälle hingegen gehen – und das kann man nicht genug betonen – deutlich zurück. Ebenfalls “Zeit Online” berichtete darüber bereits vor einem Monat:
Die Agentur für Arbeit hat weniger Hartz-IV-Empfänger beim Täuschen erwischt. Innerhalb eines Jahres sank die Zahl der eingeleiteten Verfahren um 50.000.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft “Bild” in einer Stellungnahme “unverantwortliche Stimmungsmache” vor:
“Hier wird ohne jede empirische Grundlage auf unverantwortliche Art und Weise gegen Millionen Menschen gehetzt und ein Bild der schmarotzenden Massen geschürt, das mit der Realität nichts zu tun hat”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen.
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2. “Clown der Medienindustrie” (news.at, Robert Menasse)
Schriftsteller Robert Menasse zum Grass-Werk: “Jeder Redakteur jeder Literaturzeitschrift heute hätte dieses ‘Gedicht’ abgelehnt. Der eigentliche Skandal liegt darin, dass fünfzehn deutsche Zeitungen und fünfundzwanzig Blätter der Weltpresse diesen Text publizierten und ihn sofort mit aufgeregten Kommentaren umrankten. Das zeigte mit einer Deutlichkeit, die zwar wünschenswert, aber doch buchstäblich furchtbar ist, wie sehr solche Skandale heute Medienskandale sind: Die Medien produzieren selbst den Skandal, den sie dann berichten, kommentieren und diskutieren.”
3. “Eine ekelhafte Debatte” (donsbach.net, Wolfgang Donsbach) Wolfgang Donsbach, Professor für Kommunikationswissenschaft in Dresden, befasst sich mit der Grass-Debatte. In Deutschland sachlich über schwierige Themen zu diskutieren, sei unmöglich. “Wir haben in Deutschland eine politische Kultur des Prangers. Wer heiße Eisen anpackt und dabei Behauptungen aufstellt, die nicht politisch korrekt sind, nicht getragen von der Mehrheit der öffentlichen Meinung, das heißt in diesem Fall der publizistischen Elite des Landes, der wird an den öffentlichen Pranger gestellt und als Staatsfeind, zumindest aber als Feind des vorherrschenden Meinungsklimas angesehen.”
4. “Presse-Zitate: Offline hui, Online pfui!” (netzfeuilleton.de, Jannis Kucharz)
Angesichts des von Presseverlegern geforderten Leistungsschutzrechts erinnert Jannis Kucharz daran, dass sich deutsche Medien in einem Ranking messen, wie oft sie einander gegenseitig zitieren. “Während man online befürchten muss eine Rechnung präsentiert zu bekommen, wenn man auf einen spannenden Artikel verweist, ist es offline so, dass sich die jeweiligen Zeitungen darüber freuen erwähnt zu werden und damit brüsten, im Ranking vorne zu stehen.”
5. “Die Logik der Apokalypse” (taz.de, Johannes Thumfahrt)
Johannes Thumfahrt berichtet über die US-TV-Sendungen “Doomsday Preppers” und “Doomsday Bunkers”.
6. “Facebook, Jacques Berndorf und 10.000 Aufkleber gegen die Eifel-Zeitung” (rhein-zeitung.de, Lars Wienand)
Lars Wienand berichtet über Proteste gegen die “Eifel-Zeitung”, sie vergifte das politische Klima. Der angegriffene Unternehmer Peter Lepper antwortet, er sei nicht direkt an der Zeitung beteiligt und auch nicht von ihr angestellt.
Fast ein Jahr nach dem Tod von Osama Bin Laden hat das FBI den Terroristen von der berühmt-berüchtigten Liste der “Ten Most Wanted” genommen. Damit die zehn meistgesuchten Verbrecher wieder zehn sind, muss natürlich einer nachrücken: In diesem Fall der frühere Privatschullehrer und Zeltlager-Betreuer Eric Justin Toth, der wegen des Besitzes und der Produktion von Kinderpornographie gesucht wird.
Und weil Toth auf der Übersichtsseite an erster Stelle genannt wird, ist für Bild.de klar:
Er nutzte seine Stellung als Lehrer schamlos aus und verging sich an den Wehrlosesten der Gesellschaft: Kinderschänder Eric Justin Toth (30) ist der meist gesuchte Verbrecher der USA. Das FBI hat den Lehrer knapp ein Jahr nach dem Tod von Osama bin Laden auf Platz 1 der Fahndungsliste gesetzt.
Und auch wenn diese zehn Namen und Gesichter natürlich eine willkommene Vorlage für eine zehnteilige Klickstrecke von “Nummer 1” bis “Nummer 10” abgeben, so hat Bild.de auf der Website des FBI ein winziges Detail übersehen:
Are members of the “Ten Most Wanted Fugitives” list ranked?
No.
Nein, die Mitglieder der Liste sind in keiner Rangfolge sortiert.
Eine kleine, inoffizielle Rangfolge könnte man natürlich dennoch ableiten: Die Belohnung für Victor Manuel Gerena, “Nummer 9” auf der Bild.de-Liste, ist mit einer Million US-Dollar angegeben, die von Toth und sieben weiteren Gesuchten jeweils mit 100.000. (James J. Bulger, die “Nummer 10”, ist bereits in Haft. Für ihn standen bis zu zwei Millionen Dollar Belohnung aus. Osama Bin Laden ist mit einer ausgeschriebenen Belohnung von 25 Millionen Dollar der inoffiziell “meist-meistgesuchte” Verbrecher in der Geschichte des FBI.)
Zwar haben das mit der Rangfolge auch einzelne amerikanische Medien falsch verstanden und die Formulierung von “Spiegel Online”, “Kinderporno-Produzent löst Bin Laden ab”, ist auch ein bisschen irreführend, aber so falsch wie bei Bild.de ist die Geschichte bei keinem deutschen Nachrichtenportal. Bisher.
Mit Dank an Matthias M.
Nachtrag, 23.20 Uhr: Bild.de hat sich korrigiert und dem Artikel folgende Erklärung hinzugefügt:
Korrektur: BILD.de hatte irrtümlich berichtet, Eric Justin Toth sei der meistgesuchte Verbrecher der USA und habe Osama bin Laden als Nummer 1 der Fahndungsliste abgelöst. Mehrere BILD.de-Leser haben zwischenzeitlich jedoch darauf hingewiesen, dass die Verbrecher auf der FBI-Fahndungsliste nicht nach einer bestimmten Rangfolge sortiert sind. Wir danken unseren Lesern für diesen Hinweis.
2. Nachtrag, 12. April: Die gedruckte “Bild” von heute macht die gleichen Fehler wie Bild.de gestern. Sie schreibt:
Ganz oben steht jetzt der Kinderporno-Produzent mit dem Milchgesicht.
Am Samstag ist bei “Deutschland sucht den Superstar” der Kandidat Joey Heindle ausgeschieden, den “Bild” wegen seiner mangelnden stimmlichen Qualitäten seit Wochen begleitet und “Krächz-Joey” nennt — somit steht er endlich ganz der medialen Zweitverwertung zur Verfügung:
Und so soll das mit der “Karriere” weitergehen:
Musikproduzent Marco Delgardo (u. a. “Roxette”, “Shaggy”) will ihm einen Plattenvertrag geben!
“Joey hat gezeigt, dass er Ausdauer hat”, so Delgardo zu BILD. “Außerdem ist seine Krächzstimme ein Markenzeichen. So einen Wiedererkennungswert braucht man, um Erfolg zu haben.”
Und auch wenn kaum jemand sonst Marco Delgardo kennt — für “Bild” und Bild.de ist er kein Unbekannter:
Als die Jacob Sisters im Januar 2005 mit einem “Gedächtnis-Song” auf Rudolph Moshammer beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest antreten wollten (“Toter Mosi zum Grand-Prix”), äußerte sich Delgardo “zuversichtlich” in “Bild”: “So eine Wahnsinns-Show läßt sich die ARD bestimmt nicht entgehen.”
Als die Band Texas Lightning im März 2006 zum Eurovision Song Contest geschickt wurde, erhob “Musikproduzent Marco Delgardo (37, 183 Goldene, 54 Platin-Schallplatten)” in der Zeitung “schwere Vorwürfe” gegen die Musiker: Ihr Song “No No Never” sei “geklaut”. (Wenn überhaupt, dann nicht von ihm, aber was macht das schon?)
Im Februar 2010 war Delgardo zur Stelle, um “Deutschlands frechstem Arbeitslosen” Arno Dübel einen Plattenvertrag anzubieten. “Bild” zitierte ihn mit den Worten: “Mit uns kann Arno, ohne viel zu arbeiten, jede Menge Geld verdienen.”
Drei Monate später traten erneut die Jacob Sisters auf den Plan, die gemeinsam mit Marco Delgardo Arno Dübel beim Singen unterstützen sollten.
Kurz vor Weihnachten 2010 war “Bild” zur Stelle, als Dübel auf Mallorca von einer “deutschen Rentnerin” angegriffen wurde (“Sie brüllt ihn an: “Du Schwein verprasst hier mein Geld!” Dann tritt und schlägt sie zu!”) und Musikproduzent “Marco Delgardo (produzierte für ‘Savage Garden’ und ‘Roxette’)” Dübel trösten musste. Eine sich anbahnende Romanze zwischen Dübel und der “Kellnerin Katja” begleitete “Bild” in den nächsten Tagen bis zum tränenreichen Ende, stets kommentiert von seinem Produzenten und Manager Marco Delgardo.
Kurz darauf konnte “Bild” ein großes Joint Venture der beiden Delgardo-Spezialgebiete Song Contest und Arno Dübel verkünden: “Deutschlands frechster Arbeitsloser, Arno Dübel (54, seit 36 Jahren auf Stütze, ‘Wer arbeitet, ist doch dumm’), soll für Österreich in Düsseldorf beim Eurovision Song Contest antreten”. Es kam letztlich anders.
Als Arno Dübels Single “Ich bin doch lieb” im Januar 2011 Videopremiere feierte, fand die wenig überraschend auf Bild.de statt.
Nur eine Woche später beschäftigten Dübel und sein Manager plötzlich “sogar die Kanzlerin”, weil spanische Behörden sich angeblich über die Verwendung des Arbeitsamt-Logos auf Dübels Plattencover beschwert hatten. “Bild” zitierte Delgardo mit den Worten: “Offenbar eine plumpe Fälschung, mit der Arno Dübel und ich in Misskredit gebracht werden sollen.”
Im Juli 2011 verkündete Delgardo in “Bild”, dass er Arno Dübel “wegen andauernder Vertragsverletzung” verklage.
Einen Monat später versteigerte Delgardo die Rechte an der Marke “Arno Dübel” auf eBay, was “Bild” mit gleichdreiArtikeln öffentlichkeitswirksam begleitete.
Und erst vor drei Wochen berichtete “Bild”, dass Delgardo nun “wie sein Schützling” von Hartz IV leben müsse, weil Dübel ihn in die Armut getrieben habe.
Obwohl Marco Delgardo nach eigenen Angaben “als Songwriter, Produzent und Künstler (No Face)” “rund 120 Millionen Tonträger” verkauft hat und “183 Gold- und 54 Platin-Auszeichnungen” erhielt, gibt es vergleichsweise wenige Informationen über sein Schaffen, die über das Zitieren der immer gleichen behaupteten Fakten und Künstler (Savage Garden, Roxette, Shaggy, Atomic Kitten) hinausgehen.*
Doch nichts davon hat andere Internetbefüllungsportale davon abgehalten, die “Bild”-Story vom Plattenvertrag für Joey Heindle unreflektiert weiter zu verbreiten. Neben diversen Klatschseiten sind darunter auch die österreichischen Plattformen news.at und oe24.at,
die “Augsburger Allgemeine” und “Focus Online”.
Bei “RP Online”, das so gerne Bild.de wäre, sind aus dem Angebot eines Plattenvertrags gleich knallharte Fakten geworden:
Wie die “Bild”-Zeitung berichtet, hat der 18-Jährige bereits einen Plattenvertrag in der Tasche.
* Nachtrag/Korrektur, 4. Februar 2013: Die wenigen Informationen, die sich zum Namen Marco Delgardo finden lassen, hängen offenbar damit zusammen, dass Delgardo viele seiner Arbeiten unter Pseudonym veröffentlicht hat.
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1. “‘Bild’-Anzeige: ‘Pseudo-originelle Beschuldigung'” (handelszeitung.ch, Christian Bütikofer)
Rechtsanwalt David Gibor zeigt “Bild”-Verantwortliche an. Zuvor hatten diese Strafanzeige gegen die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga eingereicht: “Die ‘Bild’-Verantwortlichen machen damit deutlich, dass sie nie davon ausgingen, dass Frau Sommaruga eine der angezeigten Straftaten begangen habe. Wer jedoch eine unschuldige Person bei einer Behörde absichtlich beschuldigt, begeht eine falsche Anschuldigung nach Schweizer Recht und eine falsche Verdächtigung nach deutschem Recht.”
2. “Dauergast im TV-Studio” (tagesspiegel.de, Nik Afanasjew)
Schon rund 1500 Sendungen hat Steffen Bothe als Studiozuschauer miterlebt: “Als es ins Studio geht, erträgt Bothe den ihm zugewiesenen Platz in der letzten Reihe mit stoischer Ruhe. Stammzuschauer müssen oft nach hinten, damit im Fernsehen nicht immer die gleichen Menschen zu sehen sind.”
3. “Die Rudelmentalität der Medien” (taz.de, Reinhard Wolff)
Nächste Woche beginnt der Prozess gegen Anders Behring Breivik: “Die PR-Regie des Massenmörders sei bislang ‘teuflisch gut aufgegangen’, konstatiert die Osloer Wochenzeitung Ny Tid. Von den Fotoposen bis zu all seinen Erklärungen: Die meisten Medien sähen kein Problem, alles unkritisch weiterzureichen.”
5. “Unser Zuhause ist das Internet” (spiegel.de, Günter Hack)
“Die tobenden Verkäufer aus den fensterlosen Kaufhäusern können sich nicht vorstellen, dass das Netz, anders als alle anderen Verbreitungsmedien, nicht ganz und gar ihnen gehört und ihnen nie gehören wird. Sie können sich erst recht nicht vorstellen, dass das Netz überhaupt kein Medium ist. Noch ferner liegt ihnen der Gedanke, dass das Kontakt-High unter den Usern besseres Entertainment liefern könnte als sie selbst, dabei filmen ihre eigenen Teams nur noch das Netz ab, entnehmen ihm laufend Texte, Daten und Ideen.”
6. “Taking German Chauvinists Down a Peg” (andrewhammel.typepad.com, englisch)
Vergleiche zwischen den USA und Deutschland: “The point of this informal, highly unserious list is just to provoke reflection and provide talking-points to wrong-foot German chauvinists, not make anybody feel bad.”
NebenHitler gibt es bei Bild.de ja auch noch das Thema Krebs, das immer für eine Schlagzeile gut ist. Und während es in der heutigen Printausgabe noch relativ vorsichtig “Bald Impfung gegen Krebs möglich?” heißt, erklärt Bild.de die Krankheit Krebs quasi für besiegt:
Im eigentlichen Artikel schwingt dann doch schon deutlich mehr Konjunktiv mit. Da heißt es, die Forscher “wollen (…) einen universellen Impfstoff gegen die tödliche Krankheit entwickelt haben”. Es ist von “ersten Tests” die Rede und am Ende heißt es:
Nun hoffen die Wissenschafter, mit größeren Studien beweisen zu können, dass ihr Wirkstoff jede Krebsart bekämpfen kann. Sie glauben, mit dem neu geschaffenen Impfstoff könnte nicht nur das Immunsystem gestärkt, sondern es könnten auch kleine, früh entdeckte Tumore bekämpft werden. Außerdem soll die Injektion Streuung und Rückfall vorbeugen. Als Impfstoff für gesunde Menschen zur Vorbeugung von Krebs sei “ImMucin” aber nicht entwickelt worden.
Allerdings wäre die Diagnose Krebs mit dem neuen Schutzstoff kein Todesurteil mehr. Die Mediziner hoffen, dass er in sechs Jahren auf den Markt kommen könnte. Bis dahin soll geforscht werden.
[Hervorhebungen von uns.]
Die Überschrift ist somit ein Paradebeispiel für das, was in Ziffer 14 des Pressekodex gemeint ist:
Ziffer 14 – Medizin-Berichterstattung
Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden.
Doch genau das passiert in schöner Regelmäßigkeit auf Bild.de, wie diese Beispiele aus den letzten Jahren illustrieren (weitgehend chronologisch ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
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2. “Wer wird Millionär Bewerbung: Wege und Umwege zu Günther Jauch” (niedblog.de)
Der Weg zur RTL-Sendung “Wer wird Millionär?” führt über das Bezahlen von einem Euro und über die Beantwortung von privaten Fragen: “Anschließend ging es gute 55 Minuten über mein Leben. Was mir denn so eingefallen sei hinsichtlich der Email und den Stories über mein Leben, wie es so im Zusammenleben mit meiner Freundin sei, ob wir uns oft streiten, ob es morgens Probleme gäbe oder sie Eigenarten hätte, mit denen ich nicht klarkomme.”
3. “Der Zuschauer darf nicht merken, dass er arbeitet” (dwdl.de, Thomas Lückerath)
Ein Interview mit Warm-Upper Christian Oberfuchshuber: “Bei Volksmusik-Sendungen stelle ich oft fest, dass das Publikum mit Krücken vor der Halle steht, später dann aber im Studio genauso ausrastet wie ein Publikum bei der Comet-Verleihung von VIVA. Es ist vielleicht nicht so laut, aber mindestens genauso euphorisch.”
5. “Kaninchen werden blind geboren” (taz.de, Martin Reichert)
“Diese Geschichte handelt davon, dass Journalisten ihr Handwerk häufig bei Lokalzeitungen lernen und dort dazu verdonnert werden, über Ehrungen langjähriger Mitglieder von Kaninchenzüchtervereinen zu berichten, bevor sie – sagen wir – zum Spiegel gehen oder zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung.”
6. “Ein offener Brief” (wortfeld.de)
Ein Offener-Brief-Generator. Mit Grassifizier-Funktion.