Vision, Ihr Luschen!

Zugegeben: Das mit Europa, das ist unübersichtlich. Es gibt die Europäische Union (EU), die auf die Europäischen Gemeinschaften (nicht zu verwechseln mit der Europäischen Gemeinschaft) zurückgeht, den Europarat (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem Rat der Europäischen Union), den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof der Europäischen Union, obwohl genau das immer wieder geschieht), das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, die wiederum Teil der EU sind, außerdem die Europäische Rundfunkunion, die UEFA und die Band Europe. Da kann man schon mal durcheinander kommen.

Soweit wir selbst vor rund anderthalb Jahren, als es mal wieder darum ging, dass nicht alles, wo “Europa” drauf steht, auch gleichzeitig mit der Europäischen Union (EU) zu tun hat. Diesmal wird es noch komplizierter, denn nicht auf allem, was im weiteren Sinne mit Europa zu tun hat, steht auch “Europa” drauf.

Die oben bereits eingeführte Europäische Rundfunkunion (EBU) richtet seit 1956 alljährlich eine Veranstaltung aus, die seit 1992 offiziell “Eurovision Song Contest” heißt und am vergangenen Samstag im aserbaidschanischen Baku stattfand. Auch in den Jahren davor trug sie schon oft diesen Titel, auch wenn sie im Volksmund immer noch als “Grand Prix Eurovision de la Chanson” oder schlicht “Schlager-Grand-Prix” bekannt ist. Nie, hingegen, hieß sie “European Song Contest” — was auch ziemlicher Quatsch wäre, da zu den EBU-Mitgliedern auch Staaten in Nordafrika und Vorderasien gehören.

Auftritt deutsche Medien:

“Express”, 15. Mai:

In Baku (Aserbaidschan) gab es bei einer Demo von Regierungsgegnern gegen Zwangsenteignungen Verletzte und 10 Festnahmen. In Baku sind seit 2009 4000 Gebäude abgerissen worden. In der Stadt findet am 26. Mai der European Song Contest statt.

“Hamburger Abendblatt”, 16. Mai:

Ob die gefühlvolle Ballade “Standing Still” des deutschen Teilnehmers Roman Lob, 21, ankommt, wird vom Umfeld abhängen. Das Lied, das der englische Ausnahmekünstler Jamie Cullum komponierte, hat unbestritten internationales Pop-Potenzial, so wie der Song “Euphoria” der Schwedin Loreen, die bei den englischen Buchmachern als Favoritin geführt wird – beim European Song Contest 2012, diesmal eben aus Absurdistan.

tagesspiegel.de, 16. Mai:

Aserbaidschan: Vor dem European Song Contest in Baku

“Rheinische Post”, 19. Mai:

Bei der Vorbereitung für den European Song Contest in Aserbaidschan war das Know-how von Gardemann-Arbeitsbühnen gefragt. In Alpen sitzen die Fachberater für Auslandseinsätze.

“Welt am Sonntag”, 20. Mai:

Welt am Sonntag: Herr Schreiber, Herr Urban, haben Sie die Gewinner des vergangenen European Song Contest in Düsseldorf noch in Erinnerung?

(In dem Interview mit ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber und dem ESC-Kommentator der ARD, Peter Urban, wird den beiden ESC-erfahrenen Gesprächspartnern mehrfach die Formulierung “European Song Contest” in den Mund gelegt.)

“Nürnberger Zeitung”, 21. Mai:

Schon vor dem Halbfinale des European Song Contest hat sich die NZ die wichtigsten Beiträge im Internet angesehen.

AFP, 24. Mai:

Baku:
– Zweites Halbfinale beim European Song Contest (21.00 Uhr)

Reuters, 24. Mai ff:

NEU-ULM/ULM – Aktionen von Amnesty International in NEU-ULM (10:40) unter dem Motto “0 Points für Menschenrechte in Aserbaidschan” anlässlich des European Song Contest und in ULM (11:30) unter dem Motto “Hände hoch für Waffenkontrolle – Für einen starken ‘Arms Trade Treaty'”

“Handelsblatt”, 25. Mai:

In Aserbaidschans Hauptstadt Baku findet morgen das Finale des European Song Contest (ESC) statt.

n-tv.de, 25. Mai:

Oslo oder Düsseldorf mögen sich für den European Song Contest mächtig ins Zeug gelegt haben – gegen das, was in Baku aufgefahren wird, waren das allenfalls Sandkastenspiele.

“Westfälische Nachrichten”, 25. Mai:

Peter von Wienhardt ist Pianist und Komponist – aber der Professor an der Musikhochschule Münster hat auch ein gutes Gespür für die Chancen der Kandidaten beim European Song-Contest.

br.de, 25. Mai:

In Baku, der Haupstadt von Aserbaidschan, findet in diesem Jahr der European Song Contest statt. Die Opposition des Landes nutzt die Chance, um die Stimme gegen das autoritäre Regime zu erheben.

Auch an diesem Samstag werden wieder Millionen Fans des European Song Contests (ESC) vor den Fernsehern sitzen, um sich mehr oder weniger gelungene Lieder und deren Interpreten anzuschauen. Mit Spannung verfolgen die Menschen die Entscheidung, wer das Finale gewinnt.

“Spiegel Online”/”Perlentaucher”, 25. Mai:

In einem Pro und Contra widmen sich Jan Feddersen und Stefan Niggemeier der Frage, wie deutsche Journalisten vom European Song Contest aus Aserbaidschan berichten sollen und ob es Heuchelei wäre, wenn sie über dortige Menschenrechtsverletzungen schreiben.

(Im verlinkten Artikel auf taz.de schreiben Feddersen und Niggemeier nur vom “Eurovision Song Contest”.)

“Spiegel Online”/”Perlentaucher”, 26. Mai:

So langsam scheint es, als müsse man den European Song Contest ernst nehmen, staunt Wolfgang Michal auf Carta.

(Im verlinkten Artikel auf carta.info schreibt Wolfgang Michal auch nur vom “Eurovision Song Contest”.)

“Mannheimer Morgen”, 26. Mai:

Mehr als 100 Millionen Zuschauer werden heute Abend vor dem Fernseher sitzen, wenn der European Song Contest ins Finale geht.

“Berliner Morgenpost”, 26. Mai:

Die Berichterstattung in den deutschen Medien zur Lage Aserbaidschans kritisiert der PR-Berater. Viele Journalisten würden nicht fair und objektiv recherchieren. Beispielsweise bei den Umsiedlungen der Menschen, die dem Bau der neuen Konzerthalle für den European Song Contest weichen mussten.

dapd, 27. Mai:

Hamburg (dapd). NDR-Intendant Lutz Marmor hat Anke Engelke für ihre kritischen Äußerungen beim Finale des European Song Contest gelobt. “Ein besonderes Kompliment hat sich Anke Engelke verdient”, erklärte Marmor am Sonntag. “Bei der Punktevergabe live von der Grand-Prix-Party in Hamburg hat sie genau den richtigen Ton getroffen. Danke, Anke!”

(In seiner Pressemitteilung hatte der NDR selbstverständlich “Eurovision” geschrieben.)

neuepresse.de, 27. Mai:

ESC: Schweden gewinnt European Song Contest in Baku

“Euphoria” in Baku: Zum fünften Mal gewinnt Schweden den Eurovision Song Contest. Die Sängerin Loreen ist die Siegerin des wohl politisch brisantesten Grand Prix der Fernsehgeschichte.

dapd, 27. Mai:

Spektakulärer Auftritt von Anke Engelke beim European Song Contest (ESC): Bei der Verlesung der deutschen Punktwertung für die anderen ESC-Teilnehmer kritisierte sie von der Hamburger Reeperbahn aus vor einem 100-Millionen-Publikum die Regierung des ESC-Gastgeberlandes Aserbaidschan. (…)

Nach dem ESC-Erfolg von Sängerin Loreen darf Schweden den Eurovision Song Contest 2013 ausrichten.

“Berliner Morgenpost”, 27. Mai:

Der 57. European Song Contest bietet Unterhaltung und manche Überraschung

dapd, 29. Mai:

Die 28-Jährige ist laut eigener Aussage noch zu haben. “Ich bin Single, leider auch sehr schüchtern.” Loreen gewann am Samstag beim European Song Contest in Baku mit dem Lied “Euphoria”.

“Spiegel Online”/”Perlentaucher”, 29. Mai:

Und: Gerrit Bartels stellten sich beim European Song Contest die Nackenhaare auf: “So viel unfassbare schlechte Musik, die da über drei Stunden zu hören war!”

(Auch hier gilt natürlich: Gerrit Bartels schreibt im verlinkten Artikel auf tagesspiegel.de nur vom “Eurovision Song Contest”.)

dpa, 30. Mai:

Aserbaidschan: Anschläge vor European Song Contest verhindert

Baku/Moskau (dpa) – Aserbaidschanische Sicherheitskräfte haben nach eigenen Angaben vor dem Finale des Eurovision Song Contest (ESC) in der vergangenen Woche mehrere Terroranschläge verhindert.

n-tv.de, 31. Mai:

Jetzt, wo der European Song Contest vorbei ist – haben Sie Angst, dass die Regierung sich rächen wird für all die Kritik, die Sie veröffentlicht haben, und für all die Proteste, die Sie und andere organisiert haben?

Bild, EBU, Holocaust

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Verschweigen, was ist”
(freitag.de, Jakob Augstein)
Jakob Augstein schreibt angesichts des anstehenden 60. Geburtstags über die Rolle, die die “Bild”-Zeitung heutzutage spielt. Er streift dabei unter anderem das Verhältnis von “Bild” und “taz”, die Arbeit von BILDblog-Mitbegründer Stefan Niggemeier und die Bemühungen von “Bild”, “ganz normalen Journalismus” zu machen: “Das macht die Zeitung noch gefährlicher. Aber nicht wegen der Artikel, die dort erscheinen. Sondern wegen derjenigen, die nicht erscheinen.”

2. “Vorstoß für ESC-Ausschluss”
(blog.prinz.de, Matthias Breitinger)
Der Eurovision Song Contest könnte vor einem Umbruch stehen, denn ihr Veranstalter, die Europäische Rundfunkunion (EBU), plant angeblich Reformen: “Eine Reihe von Mitgliedern der Rundfunkgemeinschaft will nicht länger hinnehmen, dass in manchen EBU-Ländern die Meinungs- und Pressefreiheit und demokratische Mindeststandards verletzt werden und die EBU nichts unternehmen kann. Neue Regeln sollen etwa die Möglichkeit erlauben, solchen Ländern die Teilnahme am Eurovision Song Contest zu verweigern.” Treffen könnte es z.B. Ungarn und den diesjährigen ESC-Ausrichter Aserbaidschan.

3. “Stille Post mit Holocaust”
(pannor.de, Stefan Pannor)
Am Montag hat Stefan Pannor bei “Spiegel Online” darüber geschrieben, dass in der aktuellen Ausgabe von “Micky Maus Comics” in einer Sprechblase das Wort “Holocaust” relativ unmotiviert auftaucht. Nun dokumentiert er, wie die Geschichte ihre Runde um die Welt machte — und wie sie sich dabei veränderte.

4. “ZEIT Online und die Urheber”
(blogonade.de, Lukas Bischofberger)
Lukas Bischofberger entdeckt auf “Zeit Online” ein Foto, das er selbst bei photocase.de hochgeladen hatte. Gemäß der dortigen Regeln hätte “Zeit Online” ihn entweder als Urheber nennen oder sehr viel mehr Geld bezahlen müssen. Getan haben sie offenbar beides nicht. (Nachtrag: Der Hinweis auf die Urheber war nur gut versteckt.)

5. “Schöne Heimat Internet”
(dasmagazin.de, Astrid Herbold)
Kurzporträts von drei Menschen, die im Internet “wohnen”: Patricia Cammarata, Gero Nagel und Felix Schwenzel.

6. “Der Kuzy”
(stefan-niggemeier.de/blog)
Stefan Niggemeier flicht Stefan Kuzmany, Redakteur bei “Spiegel Online”, einen Kranz. Kuzmany habe eine neue journalistische Textgattung erschaffen: den sich von sich selbst distanzierenden Text.

Ohne Ljajic fahr’n wir zur EM

Sinisa Mihajlovic, neuer Trainer der serbischen Fußballnationalmannschaft, hat seinen Mittelfeldspieler Adem Ljajic aus dem Kader geschmissen, weil der vor einem Testspiel am Samstag nicht die serbische Nationalhymne hatte mitsingen wollen. So berichteten es am Montag die Deutsche Presseagentur (dpa) und der Sportinformationsdienst (sid).

Bild.de veröffentlichte die dpa-Meldung im Newsticker und versah sie mit einer neuen Überschrift:

Hymne nicht gesungen - EM-Aus für Serben Ljajic

Es ist nicht falsch, dass Adem Ljajic nicht bei der EM spielen wird — nur hat das nichts mit den Ereignissen vom Samstag zu tun: Die gesamte serbische Nationalmannschaft hatte sich schlichtweg nicht für das Turnier qualifizieren können.

Mit Dank an Marc S.

Neues Galshaus feierlich eingeweiht

Mitt Romney, designierter US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner, hat eine offizielle iPhone-App veröffentlichen lassen, mit der User unter anderem Fotos machen und mit seinem Wahlkampfslogan versehen können.

Dummerweise steht dabei auch ein Spruch zur Auswahl, der jetzt für Hohn und Spott sorgt: “A better Amercia”, steht da, statt “America”.

nachrichten.t-online.de hat die entsprechende dpa-Meldung veröffentlicht und mit einem Foto der fehlerhaften App versehen.

Dummerweise …

Ach, sehen Sie selbst:

"A better Amercia": peinlicher Tippfehler auf der Romeny-App

Mit Dank an Manuel G.

Nachtrag, 15.20 Uhr: t-online.de hat die Bildunterschrift korrigiert.

Rockergangs, Paketzusteller, The Offspring

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Rolle der Journalisten bei den Ermittlungen im Rockermilieu”
(tagesspiegel.de, Frank Jansen)
Die Berliner Polizei ist erbost über den Artikel “Berliner Rockergangs tricksen Polizei aus” (spiegel.de, Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer), in dem über eine geplante Razzia berichtet wird. Polizeisprecher Stefan Redlich: “Es wird geprüft, wie die Informationen über die geplanten Maßnahmen der Polizei vorab bekannt geworden sind.”

2. “Wissenschaftsjournalismus: Wer ist wichtig genug, um Nachrichten mit Sperrfrist lesen zu dürfen?”
(scienceblogs.de/astrodicticum-simplex, Florian Freistetter)
Florian Freistetter denkt nach über Fachzeitschriften, Sperrfristen und Kosten. “Der Staat bezahlt also die Wissenschaftler damit diese forschen können. Und dann muss der Staat nochmal Geld bezahlen, um sich die Einsicht in die veröffentlichten Ergebnisse zu erkaufen (nachdem er vorher vielleicht sogar noch Geld bezahlt hat, um sie veröffentlichen zu dürfen).”

3. “The Offspring: Knebelverträge für Konzert-Fotografen”
(metal-hammer.de, Sebastian Kessler)
Keine Bilder vom Konzert der Punkband The Offspring in Hamburg: “Unserem Fotografen zufolge hat das Band-Management von The Offspring vor Ort massive Fotografen-Knebelverträge aufgetischt. Agentur-Fotografen mussten sich verpflichten, ihr Bildmaterial noch am gleichen Abend dem Management vorzulegen, es durften keine Aufnahmen aus Untersicht gemacht werden, keine Frontalen und weitere Einschränkungen.”

4. “The idiot theory of news”
(scottberkun.com, englisch)
“Ein wichtiger Idiot hat etwas Dummes getan” – News nach diesem Schema gebe es viele, doch eigentlich seien das gar keine News, schreibt Scott Berkun.

5. “Armee der Unsichtbaren”
(zeit.de, Günter Wallraff)
Günter Wallraff arbeitet als Paketzusteller bei GLS: “Die Arbeit als Paketauslieferer im Dauerlauf und Dauerstress hat mich an meine Grenzen gebracht. Obwohl ich durchtrainiert bin und harte Arbeit kenne. Ich schäme mich fast, darüber mehr als einen Satz zu verlieren. Denn die Männer und die wenigen Frauen, die sich diesen Job antun, ertragen in den Monaten und Jahren, in denen sie durchhalten, ein Vielfaches.”

6. “Woran man erkennt, ob Dokumente wichtig sind”
(graphitti-blog.de, Katja)

Willkommen im Tollhaus!

Das ist ja toll:

Von Transfermarkt.de: Tolles EM-Heft für nur 4,90 Euro

Bei Bild.de sind sie jedenfalls hellauf begeistert:

Da bekommt jeder Lust auf die EM!

Am Kiosk gibt es schon jetzt alle Fakten zum Turnier.

Das Internet-Portal Transfermarkt.de hat ein handliches Nachschlagewerk (4,90 Euro) gezaubert: 216 Seiten mit allen Kadern, allen Marktwerten.

Dazu Interviews mit den Nationalspielern Manuel Neuer und Miro Klose. Titel-verdächtig!

Wer dieses tolle, titel-verdächtige und luststeigernde Zauberwerk kaufen will, muss noch nicht mal zum Kiosk rennen:

Einfach hier klicken und Heft bestellen!

transfermarkt.de gehört mehrheitlich zur Axel Springer AG, zu der auch die BILD digital GmbH & Co. KG gehört, die für Bild.de verantwortlich ist.

Ein Hinweis wie “Anzeige”, “Werbung” oder “In eigener Sache”, wie es der Pressekodex vorsieht, fehlt.

Mit Dank an Matt.

Kurzer Dienstweg

Wenn Medien etwas berichtet haben, was in den Augen der Betroffenen nicht stimmt, haben diese das Recht auf eine Gegendarstellung. Je nach Thema, Person und Medium kann die Veröffentlichung einer solchen Gegendarstellung schon mal mehrere Monate dauern.

Es geht aber auch schneller.

So hatte “Bild” am Freitag über die Hochzeit von “Rüpel-Rapper” Bushido (O-Ton “Bild”) berichtet:

Bushido feierte die Hochzeitsnacht mit Kumpels — ohne Braut

Das war offenbar falsch, wie “Bild” schon gestern schrieb:

Korrektur: BILD berichtete am 25. Mai unter der Überschrift "Bushido feierte die Hochzeitsnacht mit Kumpels — ohne Braut": "Statt mit seiner hochschwangeren Frau (...) nach Hause zu fahren, ließ es Bushido nach der gediegenen Feier später allein richtig krachen. Bis spät in die Nacht feierte er im VIP-Bereich des Berliner Szeneclubs "Matrix" mit seinen Kumpels." Dies ist offenbar falsch. Denn wie Bushido der BILD mitteilte, hat er in seiner Hochzeitsnacht nicht allein mit seinen Kumpels in einem Club gefeiert, sondern ist mit seiner Frau gemeinsam nach Hause gefahren.

Den Ursprungsartikel hat Bild.de entfernt.

Mit Dank auch an Lothar Z.

Konformitätsdruck, BBC News, Oe24

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Am Medienpranger”
(zeit.de)
Ein langes Gespräch zwischen Frank Schirrmacher und Giovanni di Lorenzo, moderiert von Katrin Göring-Eckardt. Schirrmacher: “Wir müssen erkennen, dass der sogenannte Empfänger ein Medium geworden ist, das selbst senden kann. Ein Blog kann genauso wichtig sein wie ein Leitartikel in der FAZ oder ein Spiegel-Artikel. Wir alle begreifen erst allmählich die Wirkung dieser Technologie auf unsere Gesellschaft.” Di Lorenzo: “Ich beobachte in den deutschen Medien seit einiger Zeit einen besorgniserregenden Hang zum Gleichklang. Das Merkwürdige dabei ist, dass der Konformitätsdruck nicht von bösen Regierungen oder finsteren Wirtschaftsmächten ausgeübt wird. Vielmehr kommt er aus unserer eigenen Mitte, er geht von den Journalisten, Lesern und Zuschauern aus.”

2. “Nie wieder Krieg! Nie wieder Sarrazin!”
(tagesspiegel.de, Alexander Gauland)
“Waren es früher rechte und linke Extremisten, die das freie Wort unterdrückten, gibt es heute zunehmend eine Radikalität der Mitte, die bestimmen möchte, was im Diskurs zugelassen ist und was ohne Diskussion der Verdammung verfällt. Nicht Richtig oder Falsch zählen, sondern die gesellschaftliche Nützlichkeit eines Arguments.”

3. “BBC News uses ‘Iraq photo to illustrate Syrian massacre'”
(telegraph.co.uk, Hannah Furness, englisch)
Die Website “BBC News” verwendet ein 2003 im Irak aufgenommenes Foto in einem Artikel über Syrien und schreibt dazu: “This image – which can not be independently verified – is believed to show the bodies of children in Houla awaiting burial.” Fotograf Marco di Lauro: “What I am really astonished by is that a news organization like the BBC doesn’t check the sources and it’s willing to publish any picture sent it by anyone: activist, citizen journalist or whatever.”

4. “Warum sind Tageszeitungen immer so groß?”
(youtube.com, Video, 3:23 Minuten)
Ein Beitrag von “Wissen macht Ah!”: “Je größer die Seiten sind, desto schneller und billiger lässt sich eine Zeitung herstellen.”

5. “Kritik an oe24.at-Liveticker: Begräbnis ‘absolutes Tabu'”
(derstandard.at)
Ein Liveticker von oe24.at zu einem Begräbnis eines ermordeten Kindes löst Empörung aus.

6. “Ach Günter!”
(ad-sinistram.blogspot.de, Roberto J. De Lapuente)
Roberto J. De Lapuente blickt auf die Sendung “Günter Wallraff deckt auf!” (heute bei RTL, 21:15 Uhr). “Wird denn die BILD tagsdrauf berichten, was RTL an Köstlichkeiten ausgestrahlt hat? So macht es diese Zeitung doch stets, wärmt die lahmen Geschichten um Rach, Jauch oder Bause nochmals auf, um dieselbe Kundschaft zu bedienen, die auch RTL versorgt mit diesen zu Wichtigkeiten erhobenen Nichtigkeiten.”

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Überrundete Enthüllung

Es gibt “Aufregung um unseren Doppel-Weltmeister”:

Englische Medien berichten, Vettel habe einen Vor-Vertrag bei Ferrari für Saisonbeginn 2014 unterschrieben. Neue Gerüchte um einen Wechsel von Red Bull zu den roten Italienern!

Überraschung: Wenn Vettel wollte, könnte er…

BILD enthüllt: Er hat tatsächlich eine geheime Ausstiegsklausel in seinem Red-Bull-Vertrag! (…)

Red-Bull-Boss Helmut Marko bestätigt die Klausel auf BILD-Nachfrage: “2013 ist er fix bei uns. Für 2014 gibt es eine leistungsbezogene Klausel in seinem Vertrag – für ihn und für das Team.”

Bei “Bild” sind sie auf diese “Enthüllung” so stolz, dass sie damit ganz groß aufmachen:

Vettel: Geheime Ausstiegsklausel

Eine echte Überraschung — zumindest für all die Motorsportinteressierten, die nicht irgendwann in den letzten 14 Monaten diese Meldung auf motorsport-magazin.com gelesen haben:

Formel 1 - Mateschitz bestätigt Vettel-Ausstiegsklausel: Rein formale Regelung. Sebastian Vettel könnte Red Bull trotz seiner erst kürzlich abgeschlossenen Vertragsverlängerung verlassen - das bestätigte nun Teamgründer Dietrich Mateschitz.

Darin heißt es über Dietrich Mateschitz, Eigentümer von Sebastian Vettels Rennstall Red Bull Racing:

Mateschitz bestätigte erstmals die Existenz einer Ausstiegsklausel im neuen Vertrag. “Diese Regelung gibt es zwar formal, wäre aber kaum notwendig”, meinte der Österreicher gelassen.

“Wenn wir Sebastian kein wettbewerbsfähiges Auto geben können und er trotz eines Vertrages darum bitten würde, ihn gehen zu lassen, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir dieser Bitte nicht folgen würden”, erklärte Mateschitz.

Mit Dank an Adrian B.

VW-Ausflug ins östliche Schleichwerbetal

Nein, das ist keine Werbung für einen Pannendienst:

Das ist ein Foto von der Titelseite der “Dresdner Neueste Nachrichten” vom vergangenen Freitag. Man sollte es dennoch nicht für redaktionellen Inhalt halten, auch wenn es auf Seite 1 keinerlei Hinweise auf die Natur des Bildes gibt.

Die folgen erst weiter hinten in der Zeitung:

Moment, das ist immer noch schlecht zu erkennen:

Anzeigen — Unterstützt von AutoForum

Die “DNN” beschreiben ihr Projekt so:

Anfang des 20. Jahrhunderts war das Automobil ein begehrtes Luxusobjekt, das sich nur wenige leisten konnten — und ein Megatrend wie heute vielleicht das iPhone. 1929 veröffentlichten die “Dresdner Neuesten Nachrichten” für die frühen Automobilisten eine Serie von Autoausfahrt-Tipps. Ein DNN-Leser stellte uns die historische Serie von einst zur Verfügung. DNN-Redakteure von heute sind die Strecken von damals nun in diversen VW-Automobilen erneut abgefahren. (…)

Garniert ist die Reihe mit einem Gewinnspiel, bei dem die DNN “mit Unterstützung von sechs VW-Autohäusern in Dresden, Freital und Heidenau” zwei “Mietwagen-Wochenenden im Wert von je 300 Euro” verlosen. Verfügbar sind “ein VW Golf Cabriolet und ein VW Tiguan”. Dass es ähnliche Kooperationen schon bei der Originalserie von 1929 gab, ist unwahrscheinlich: VW wurde erst ein paar Jahre später gegründet.

Im Online-Auftritt der “DNN” muss der Leser für die Lektüre der “unterstützten” Anzeigen-Serie übrigens bezahlen.

Kostenlos bekommt er nur diese Würdigung des jüngsten VW-Kleinwagens:

Der Motor des kleinen Stadtwagens surrt am Startplatz in Heidenau leise, aber vergnüglich vor sich hin, als ob sich der “Up!” schon auf den Ausflug durch das kurvige Müglitztal freuen würde.

Hinweise auf den kommerziellen Hintergrund gibt es bei dnn-online.de dafür keine.

Mit Dank an stefanolix!

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