Jaron Lanier, Oliver Pocher, Rankings

1. “RTL spaltet Katalonien ungewollt von Spanien ab”
(dwdl.de, Alexander Krei)
RTL zeigt eine Karte von Spanien ohne Katalonien. Gegenüber dpa sagt ein RTL-Sprecher: “Eine studentische Aushilfe hatte für den Landesumriss Spaniens in der Grafik eine falsche Vorlage aus dem Archiv verwendet.”

2. “Was unser Leben bislang ausmacht”
(ueberschaubarerelevanz.com, Muriel)
Muriel befasst sich mit dem Artikel “Der Mensch als Schöpfung” (faz.net, Michael Hanfeld) zur Verleihung des Friedenspreis des deutschen Buchhandels an Jaron Lanier. Siehe dazu auch “Die Phase des Aufräumens” (perlentaucher.de, Thierry Chervel).

3. “Why I stopped reading/hearing/watching the news”
(medium.com/@thehandsomepig, Alejandra Quintero, englisch)
Alejandra Quintero stellt Fragen zum Nutzen von News: “I know, you might be thinking that news is necessary because it keeps us informed about the world, but first ask yourself these questions. Does it really improve your life in any way? Does it affect you personally? Your family, your businesses or your career? Is it a true representation of our world? Does it encourage thinking? Does it encourage acting? Think about it. In the last year, has any piece of news changed your life? In a way that if you hadn’t read it, your personal or professional life would have be different?”

4. “Miese Zahlenspiele”
(nzz.ch, Urs Hafner)
Urs Hafner schaut sich “schlicht absurde” Rankings von Städten, Hochschulen und Ökonomen an: “Ihr Aussagewert ist gleich null. Von den undurchsichtigen Zahlenspielen profitieren einzig ihre Produzenten und die beteiligten Medien, welche die Ergebnisse als ‘Primeurs’ veröffentlichen.”

5. “Oliver Pocher verdient sein Geld jetzt als DJ”
(welt.de, Kathrin Spoerr)
Oliver Pocher habe bisher “fast alles eigentlich” gemacht, “was im Unterhaltungsprogramm der deutschen Fernsehsender vorkommt”, schreibt Kathrin Spoerr: “Kleine Shows, große Shows, eigene Shows, fremde Shows, auch Ausflüge in die Schauspielerei. Er war Hauptdarsteller und Sidekick, 14 Jahre lang geht das jetzt und irgendwie hört es nicht auf, obwohl es seit Jahren immerzu so aussieht, als würde es bald aufhören.”

6. “Glenn Greenwald: Why privacy matters”
(youtube.com, Video, 20:41 Minuten)
Siehe dazu auch “These Are the Emails Snowden Sent to First Introduce His Epic NSA Leaks” (wired.com, Andy Greenberg, englisch).

Quassel-Imam, Ebola, Stephanie Nannen

1. “Wie Medien Wörter machen”
(sprachlog.de, Anatol Stefanowitsch)
Die Erfindung und Verbreitung von Wortschöpfungen wie “Döner-Morde” oder “Quassel-Imam”.

2. “Wie der Mindestlohn tatsächlich die Pressefreiheit gefährdet”
(surfguard.wordpress.com)
SurfGuard erzählt von einer Begegnung mit dem Auslieferer seiner Zeitung: “Menschen, die sich für niedrig qualifizierte Arbeit interessieren, machen einen Bogen um Zeitungsboten-Jobs, weil sie anderswo den Mindestlohn bekommen, dort aber nicht.”

3. “Verehrte Verleger”
(welt.de, Stephanie Nannen)
Stephanie Nannen, Enkelin von Henri Nannen, vermisst die Verleger: “Ein guter Verleger stellt sich in der Not vor seine Redaktionen und lässt ihnen ansonsten Freiheit. John Jahr war so einer. ‘Ihr könnt über alles schreiben’, hat er gesagt. ‘Es muss nur stimmen.’ Jahr war Verleger, nicht nur einfach jemand, der seine Arbeit liebte – er war, was er tat.”

4. “Geächtet aus Angst vor Ebola”
(berliner-zeitung.de, Johannes Dieterich)
Johannes Dieterich kehrt aus Liberia zurück, und wird gemieden: “In den folgenden Tagen und Wochen werde ich auf der Straße umgangen, vom Zahnarzt und Friseur nach Hause geschickt und zu Festen wieder ausgeladen. ‘Wegen der Kinder’ will eine Cousine meiner Frau das jüdische Neujahrsfest lieber alleine feiern. Da helfen auch sämtliche Erläuterungen über die tatsächlichen Infektionswege nicht weiter – die Angst wird als irrational und damit als vernunftresistent erklärt. Selbst meine Frau wird zur Einschränkung ihrer Sozialkontakte gezwungen, schließlich könnte auch sie inzwischen kontaminiert sein.”

5. “‘Liebe ist kein Algorithmus'”
(jungewelt.de, Thomas Wagner)
Der Konzerngeschäftsführer “Public Affairs” bei der Axel Springer AG, Christoph Keese, befasst sich in einem Interview mit dem ehemaligen Zentralorgan der FDJ, der “jungen Welt”, mit dem “verlockenden und nachvollziehbaren” Gedanken der demokratischen Planwirtschaft: “Es könnte tatsächlich sein, dass die sozialistische Planwirtschaft an der damals noch nicht vorhandenen Technologie gescheitert ist und dass eine neue Planwirtschaft unter digitalen Vorzeichen möglich wäre. Die Cloud und das Internet sind die besten Instrumente dafür, denn sie würden die zentrale Planungsbehörde, die das Problem vieler sozialistischer Staaten war, überflüssig machen.”

6. “10 Top Tips For PRs Considering Whether To Phone The Register”
(theregister.co.uk, Gareth Corfield, englisch)

Vier Gramm Heroin und ein paar Kilo Bullshit

In den USA hat eine Vierjährige in der Kita Heroin verteilt, weil sie dachte, in den Tütchen seien Süßigkeiten.

Klingt schon irgendwie faul, aber laut Angaben der Delaware State Police soll sich die Geschichte tatsächlich so abgespielt haben. Zusammengefasst: Mutter gibt Kind falschen Rucksack mit, Kind verteilt Heroin, nix passiert, alle wohlauf, Mutter festgenommen.

Wo man diese Geschichte auch liest, sie klingt immer gleich. Nur an einer Stelle gehen die Angaben der deutschen Medien seltsam auseinander: Wenn es darum geht, wie viel Heroin in dem Rucksack war.

Die “Huffington Post” und die “Yahoo Nachrichten” meinen, es seien …

insgesamt 4 Gramm

gewesen.

Die AFP hingegen schreibt:

Insgesamt wurden 249 Päckchen mit jeweils 3,735 Gramm Heroin im Rucksack des Mädchens gefunden.

Das berichten unter anderem auch T-Online.de, Faz.net, und “RP Online”. 249 mal 3,735, macht knapp über 900 Gramm.

Wer bietet mehr?

Bild.de.

Fast vier Kilogramm des schweren Rauschgifts hatte das Mädchen verteilt.

“Fast vier Kilogramm”. So viel ist es auch bei n-tv.de und in der Online-Ausgabe des “Berliner Kurier”.

Vier Kilo. Also das Tausendfache von dem, was andere Medien berichten. Und die 900 Gramm sind auch noch im Rennen.

Zumindest für den Ursprung der verschiedenen Versionen haben wir eine mögliche Erklärung gefunden. In der Pressemitteilung der Ermittler und in einigen US-Medien steht nämlich:

A total of 249 bags of heroin weighing 3.735 grams was located in the backpack.

Das ist natürlich ein bisschen knifflig. Aber es hilft schon mal sehr, wenn man weiß, dass im Englischen der Punkt in der Regel als Dezimaltrennzeichen eingesetzt wird und nicht, wie hierzulande, als Tausendertrennzeichen. Anders gesagt: “3.000 grams”, liebe Medien, heißt eben nicht dreitausend Gramm.

3,7 Kilo waren es also mit Sicherheit nicht. Und was die 249 Tütchen angeht: Gemeint ist nicht, dass jedes davon 3,7 Gramm wiegt, sondern das Gesamtgewicht. Das wird auch deutlich, wenn man sich andere Artikel in US-Medien dazu anschaut:

the backpack contained 3.375 grams of heroin

police say a total of 3.735 grams of heroin were found

Oder hier, sogar ohne die doofe Schreibweise:

the backpack contained nearly 250 packets of heroin, totalling nearly four grams

Fast vier Gramm. Nicht weniger, nicht mehr, und erst recht keine vier Kilo. Das hat uns auch die zuständige Lokalreporterin von “Delaware Online” nochmal bestätigt.

Im Gegensatz zu den deutschen Journalisten haben viele Leser den Fehler bemerkt und in den Kommentaren darauf hingeweisen, doch die meisten Redaktionen haben nicht darauf reagiert.

Ein Positiv-Beispiel gibt es aber doch: Die Online-Ausgabe der “Welt” hat ihren Artikel nach einem Leser-Hinweis geändert. In der ersten Version hieß es, die Beamten hätten …

mehr als 3,7 Kilogramm Heroin in dem Rucksack gefunden.

Inzwischen steht dort aber:

In den Tütchen befanden sich nach Polizeiangaben jeweils 3,7 Gramm Heroin, insgesamt befanden sich also knapp über 900 Gramm Rauschgift in dem Rucksack.

Naja. Aber versucht haben sie’s.

Mit Dank an Johannes S.

Nachtrag, 13. Oktober: Wir haben zur Sicherheit auch noch bei der Delaware State Police nachgefragt. Sergeant Paul G. Shavack, Leiter der Presseabteilung, bestätigte uns, dass die 249 Tütchen insgesamt 3,7 Gramm enthielten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten, Fehlerkultur, Trefferzahlen

1. “8 Gründe, warum ich ‘Deutsche Wirtschafts Nachrichten’ nicht lese”
(youtube.com, Video, 9:17 Minuten)
Rayk Anders analysiert die Deutschen Wirtschafts Nachrichten‎.

2. “Vom Gate-Keeper zum Sense-Maker”
(journalism-reloaded.ch, Alexandra Stark)
Journalisten, Daten, Experten und das Publikum: “Die technologische Entwicklung, einfachere Tools und eine bessere Zugänglichkeit zu Daten haben dazu geführt, dass die Journalisten theoretisch selber mit Daten arbeiten und so die Abhängigkeit von Experten und Institutionen, die eine eigene Agenda haben, verringern können. Und dennoch tun das nur ganz wenige Kolleginnen und Kollegen. Warum?”

3. “Ein Text aus purem Gold”
(tomhillenbrand.de)
Tom Hillenbrand denkt nach über Rechte, die beim Verkauf eines Texts abgetreten werden sollen.

4. “Macht mehr Fehler!”
(spiegel.de, Pauline Schinkels)
Pauline Schinkels schreibt über den Umgang mit Fehlern: “Meistens passieren uns Fehler schneller und häufiger als uns lieb ist. Auf dem Weg zur Arbeit, im Büro, auf dem Weg nach Hause. Es folgt betretenes Schweigen, Blick nach unten, Rapport beim Chef. Aber was wäre, wenn wir einfach einmal aufstehen und laut rufen würden: ‘Faszinierend, ich habe einen Fehler gemacht!'”

5. “google-trefferzahlen zur häufigkeitsbestimmung?”
(lexikographieblog.wordpress.com)
Michael Mann wertet über über 18 Monate hinweg Google-Trefferzahlen für bestimmte Suchbegriffe aus und findet heraus: “Man sollte Google-Trefferzahlen wirklich nicht verwenden, um Aussagen über die Verwendungshäufigkeit sprachlicher Ausdrücke zu geben — und wenn schon, dann sollte man im Abstand mehrerer Tage mehrere Trefferzahlen einholen und prüfen, ob die Häufigkeitsaussage nicht auf Ausreißern basiert.”

6. “Nach Kontakt mit Heute-Zeitung: Wienerin (72) steckt sich mit Ebola-Panik an”
(dietagespresse.com)

Kurz korrigiert (503)

In einem Artikel über den Milliardär Carl Icahn schreibt n-tv.de:

Was für einen gewaltigen Einfluss Icahn hat, demonstrierte er eindrucksvoll Mitte der Woche. Er kündigte auf Twitter lediglich an, dass er einen interessanten Brief an Cook schreiben werde. Sofort stieg die Aktie um mehr als zwei Prozent. Icahn ist an Apple mit 0,9 Prozent beteiligt. Sein Aktienpaket von etwa 53 Millionen Dollar war somit rund 100 Millionen Dollar wertvoller als zuvor.

Logisch! Denn wenn 0,9 Prozent 53 Millionen Dollar wert sind und das Ding um zwei Prozent steigt, macht das insgesamt also … drei im Sinn … 153 Millionen!

Nein?

Nein.

Aber bevor Sie jetzt groß rumrechnen: Mit den Zahlen hat der Fehler (vermutlich) gar nichts zu tun.

Das Aktienpaket von Icahn umfasst nämlich nicht 53 Millionen Dollar, sondern 53 Millionen Aktien — mit einem Gesamtwert von etwa 5,3 Milliarden Dollar. Und zwei Prozent von 5,3 Milliarden sind tatsächlich rund 100 Millionen. Kurzum: Wenn man im zitierten Absatz das erste “Dollar” durch “Aktien” ersetzt, dann stimmt’s. Anscheinend hat sich n-tv.de also nicht verrechnet, sondern verschrieben. Macht die Sache zwar nicht richtiger, aber zumindest weniger peinlich.

Mit Dank an Yannick.

Nachtrag, 11. Oktober: n-tv.de hat den Fehler transparent korrigiert.

Frontal21, Mario Götze, Peter Wälty

1. “Ukraine-Konflikt: Kritik an Medienhäusern”
(ndr.de, Video, 6:21 Minuten)
Die Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt: Rund 300 Menschen demonstrieren vor dem Redaktionsgebäude des “Spiegel” in Hamburg, die ARD-Tagesschau und die ARD-Tagesthemen erhalten täglich stapelweise kritische Post (ab 4:28 Minuten).

2. “Als-ob-Information”
(demystifikation.wordpress.com)
Stefan Wagner misst eine von der ZDF-Sendung “Frontal21” in einem Beitrag (youtube.com, Video, ab 5:15 Minuten) verwendete Grafik nach.

3. “Kein Liebling der Massen”
(wdr.de, Video, 8:35 Minuten)
Die WDR-Sendung “Sport Inside” beleuchtet die Abschottung von Fußballer Mario Götze durch PR und Werbung.

4. “Deshalb nervt PR”
(blog.tagesanzeiger.ch/offtherecord, Christian Lüscher)
Christian Lüscher listet zehn Methoden auf, wie Öffentlichkeitsarbeiter versuchen, Journalisten für ihre Sache zu gewinnen.

5. “‘Diese professionelle Demutsheuchelei ist mir auf Dauer zu anstrengend'”
(persoenlich.com, Matthias Ackeret)
Ein Interview mit Peter Wälty, Leiter Digitalentwicklung und stellvertretender Chefredaktor von “20 Minuten”: “Wir kriegen 5’000 Leserbilder im Monat, davon zeigen wir vielleicht 50. Dasselbe bei den Leserkommentaren. Wir kriegen täglich um die 5’000, aber nur deshalb, weil wir die Kommentarfunktion nach 24 Stunden schliessen. Würden wir das nicht tun, hätten wir doppelt so viele.”

6. “Helmut Markwort: ‘Ja, ich bin Moritz Rodach'”
(newsroom.de, Bülend Ürük)
Helmut Markwort gibt zu, unter dem Pseudonym Moritz Rodach für “Focus Online” über den FC Bayern München geschrieben zu haben: “Ich bin ja nicht nur Fan, sondern auch Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern. Jeder weiß das. Natürlich auch die Kollegen von Online, als sie mich baten, ihnen ein paar Fakten von einer Reise mit den Bayern durchzugeben. Es war eine Gelegenheitsarbeit – und in meinem grundsätzlichen Bemühen, ein objektiver Journalist zu sein, meine subjektive Schwachstelle.”

Unfallbilder, Zensur, Google News

1. “In eigener Sache: Warum wir keine Unfallbilder zeigen”
(racingblog.de, Don Dahlmann)
Don Dahlmann schreibt nach dem Unglück von Jules Bianchi beim Formel-1-Rennen in Suzuka auf, wie er mit Bildern oder Videos von Unfällen umgeht: “Wenn die Gesundheitssituation eines Unfallbeteiligten unklar ist und wenn wir nicht wissen, ob der Unfall schwere, bleibende Schäden hinterlässt, werden wir keine Bilder zeigen.” Siehe dazu auch den Facebook-Eintrag zur Berichterstattung von “Bild”.

2. “In eigener Sache”
(dagmar-woehrl.de)
Die RTL-Sendung “Punkt 12” entschuldigt sich bei Dagmar Wöhrl, die falsch wiedergegeben wurde: “Wir möchten folgendes richtigstellen: Heute in der Sendung haben wir berichtet, die CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl habe gefordert, jeder solle Flüchtlinge in seiner Wohnung aufnehmen. Wortwörtlich hat Frau Wöhrl aber gesagt: ‘Wenn hilfsbereite Mitmenschen ihre Türen für Flüchtlinge öffnen wollen, dann sollten wir diese nicht durch staatliche Schranken verschließen.'”

3. “Katz-und-Maus-Spiel mit dem Zensor”
(nzz.ch, Mike S. Schäfer und Adrian Rauchfleisch)
Freiräume und Zensur in der chinesischen Medienlandschaft: “30 Prozent der als problematisch angesehenen Beiträge werden innerhalb von 30 Minuten gelöscht, 90 Prozent innerhalb eines Tages.”

4. “Taking the fight for #transparency to court”
(blog.twitter.com, Ben Lee, englisch)
Twitter geht rechtlich vor gegen von der US-Regierung auferlegte Zensurmaßnahmen: “Our ability to speak has been restricted by laws that prohibit and even criminalize a service provider like us from disclosing the exact number of national security letters (‘NSLs’) and Foreign Intelligence Surveillance Act (‘FISA’) court orders received — even if that number is zero.”

5. “Google’s ‘In The News’ Box Now Lists More Than Traditional News Sites”
(searchengineland.com, Danny Sullivan, englisch)
“Google News” scheint seine Quellen erweitern zu wollen: “Google has confirmed that new ‘In The News’ box appearing in some of its search results now lists content from more than just the traditional news sites. Discussions at Reddit, blog posts, videos and more from non-news sites may turn up.”

6. “Süddeutscher Focus gibt Rätsel auf: Nordkoreaner bei Amazon zu verkaufen?”
(luisbl.wordpress.com)
Automatisierte Amazon-Links bei “Focus Online”.

Michael Schumacher und die “sensationelle Prognose”

Jean Todt, der Präsident des Automobilverbandes FIA und langjährige Freund von Michael Schumacher, hat im französischen Fernsehen vor ein paar Tagen ein kurzes Interview zu Schumachers Gesundheitszustand gegeben.

Viele deutsche Medien berichten heute darüber, und zwar vor allem so:


(“Spiegel Online”)


(“Focus Online”)


(N-tv.de)


(Bunte.de)


(Web.de)


(T-online.de)


(Express.de)

Auch viele, viele andere Medien zitieren diesen Satz, selbst in Großbritannien und Italien kursiert er schon. Allerdings: Jean Todt hat ihn in dem Interview nie gesagt. Im Gegenteil: Er bemühte sich sogar, der Frage nach dem “normalen Leben” so gut es geht auszuweichen.

Übersetzt lautet das Gespräch so:

Reporter: Wie geht es ihm heute?
Jean Todt: Heute? Er kämpft. Und wir hoffen, dass die Dinge besser werden. Schnell.
Reporter: Kann er seine Bewegungen kontrollieren? Kann er sprechen?
JT: Ich will nicht ins Detail gehen, weil es zu persönlich ist. Ich glaube, dass das Wichtigste ist, dass er lebt, dass seine Familie bei ihm ist und dass es besser wird, aber wir müssen ihm Zeit geben. Wir müssen ihn in Ruhe lassen.
Reporter: Ich werde die Frage anders formulieren. Wird er je wieder zu einem normalen Leben zurückfinden?
JT: Er wird wahrscheinlich nie wieder F1 fahren.
Reporter: Sie können ein normales Leben haben, ohne F1-Auto zu fahren.
JT: Wir können nur hoffen.

Wo das falsche Zitat ursprünglich herkommt, lässt sich nur schwer nachvollziehen; einige Medien verweisen auf einen Artikel bei motorsport-magazin.com, andere auf “Spiegel Online”. Wie auch immer: Die “sensationelle Prognose von Jean Todt” (Bunte.de), die jetzt durch die europäischen Medien geistert, hat es in Wahrheit gar nicht gegeben.

Mit Dank an Basti, Hendrik L., Nils M. und Carsten P.

Nachtrag, 22.15 Uhr: “Spiegel Online” hat den Artikel transparent korrigiert. Demnach beruhte der Fehler auf einer falschen Übersetzung der australischen Nachrichtenagentur GMM.

Asylstatistik, geschnitten serviert

Als wir vor ein paar Tagen darüber berichteten, wie die “Bild”-Zeitung Stimmung gegen Asylbewerber macht, schrieb uns ein Leser, dass auch andere Medien gezielt Panik verbreiten würden:

apropos Angstmache vor “Flüchtlingsflut”:
da machen auch Blätter wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit, indem sie bspw. Statistiken manipulativ so ausschneiden, dass die aktuellen Zahlen herausstechen.

Konkret meint er eine Infografik, die vor gut drei Wochen bei Faz.net erschienen ist:

Ein ganz ähnliches Diagramm taucht derzeit auch in anderen Medien auf, etwa im aktuellen “Spiegel”* …

(Hier sind die Zahlen insgesamt niedriger, weil der “Spiegel” nur die Erstanträge zählt, Faz.net aber Erst- und Folgeanträge.)

… auf den Webseiten der “Welt” …

… oder der “Berliner Zeitung”* …

… und auch die dpa* hat eine Grafik im Angebot:

Sie alle bilden den Zeitraum von 1995 bis heute ab. Das ist zwar nicht falsch, aber: 1992 gab es mehr als doppelt so viele Asylanträge wie 1995. Auch 1991 und 1993 war die Zahl viel größer. In der Infografik werden diese Jahre aber weggelassen, wodurch der Balken für das aktuelle Jahr im Vergleich zu den anderen deutlich höher ist.

Wenn man die Grafik aber beispielsweise um fünf Jahre nach hinten ausdehnt, sieht sie nicht mehr so aus …

… sondern so:

Und wenn man noch ein paar Jahre zurückgeht, so:


(Jeweils Erst- und Folgeanträge; Quellen: “Das Bundesamt in Zahlen” & “Aktuelle Zahlen zu Asyl” des BAMF, für 2014: Schätzung des Bundesinnenministers im Mai.)

Dass die Medien nur den Ausschnitt ab 1995 zeigen, muss natürlich nicht gleich böse Absicht sein (wir vermuten eher, dass sie einfach auf die aktuelle Statistik des BAMF zurückgegriffen haben, dort werden nämlich ebenfalls nur die Zahlen ab 1995 aufgelistet), aber mit ein bisschen mehr Recherche und ein paar zusätzlichen Zahlen hätten sie erstens eine bessere Einordnung und zweitens weniger Futter für Manipulationsvorwürfe geliefert.

Mit Dank an Christian K.

Nachtrag/Korrektur, 19.05 Uhr: Einige Leser haben uns darauf hingewiesen, dass man in diesem Zusammenhang auch den “Asylkompromiss” beachten muss. Diese im Mai 1993 beschlossene Neuregelung des Asylrechts hatte unter anderem zur Folge, dass es schwieriger wurde, sich auf das Grundrecht auf Asyl zu berufen. *Wichtig ist außerdem: Bei Infografiken, die nur die Erstanträge abbilden, können die Jahre vor 1995 nicht als Vergleich herangezogen werden. Das BAMF differenziert in seiner Statistik nämlich erst seit 1995 zwischen Erst- und Folgeanträgen.

Ursula von der Leyen, Creative Commons, Kronen Zeitung

1. “Den Krieg erklären”
(folio.nzz.ch, Balz Ruchti)
Ein Porträt des Kriegsreporters Kurt Pelda: “Es sei heuchlerisch, dass gespielte Gewalt in Krimis und Actionfilmen kein Problem sein soll, echte Bilder aus Syrien hingegen schon. Durch diese Haltung werde Krieg so virtuell, sagt Pelda.” Das “NZZ Folio” des Monats Oktober widmet sich dem “Beruf: Reporter”. Siehe dazu auch ein Interview mit Chefredakteur Daniel Weber (persoenlich.com, Adrian Schräder).

2. “Schreckensnachrichten: Hilft nur noch die News-Verweigerung?”
(beobachter.ch, Jürgen Krönig)
Jürgen Krönig befasst sich mit jenen, die sich dem Konsum negativer Nachrichten verweigern: “Der springende Punkt dabei ist, dass Demokratie ein Mindestmass an Teilhabe und Kenntnis verlangt über das, was vor sich geht. Informationsverweigerung um der privaten Ruhe willen kann deshalb ­keine Lösung sein. Zudem wird die Ruhe, die sich nach dem Medienverzicht einstellen mag, früher oder später doch als trügerisch entlarvt. Denn der Rückzug ins Pri­vate bedeutet nicht, dass die Welt da draus­sen im selben Zustand verharrt.”

3. “Endlich Creative Commons im öffentlich-rechtlichen Rundfunk?”
(irights.info, Leonhard Dobusch)
Leonhard Dobusch stellt den bisher nicht öffentlich zugänglichen Bericht “Creative Commons in der ARD” (irights.info, PDF-Datei) vor, den eine Arbeitsgruppe erarbeitet hatte: “Die AG kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von CC für ausgewählte ARD-Inhalte bei sorgfältiger Rechteprüfung sinnvoll ist.”

4. “Funke bestätigt ‘Krone’-Offensive: ‘Haben Syndikatsverträge gekündigt'”
(derstandard.at, fid)
Ein Machtkampf unter den Eigentümern der “Kronen Zeitung”: “Grotkamp und Schumann gestanden Dichand einen garantierten jährlichen Gewinn zu – rund zehn Millionen Euro, unabhängig vom damals prächtigen Geschäftsgang, und abgestuft weniger für seine Erben bis hin zu den Enkeln. (…) Die Syndikatsverträge verbieten den Funkes aber auch, etwa in der Mediaprint gegen die Dichands zu stimmen – Ausnahmen wie zuletzt bei Abopreisen bestätigen die Regel.”

5. “Josef Joffe und Jochen Bittner scheitern gegen Die Anstalt (ZDF)”
(heise.de/tp, Markus Kompa)
Markus Kompa liefert den neusten Stand in der Auseinandersetzung zwischen zwei “Zeit”-Journalisten und den Verantwortlichen einer ZDF-Satiresendung. Und fragt: “Wäre es nicht die politische Aufgabe freier westlicher Journalisten gewesen, dem Osten ein Vorbild in Sachen Pressefreiheit zu geben und wenigstens die Freiheit der Satire zu achten?”

6. “Zeitungen führen eigenes Ressort ‘Ursula von der Leyen’ ein”
(der-postillon.com)

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