1. Früher war auch mehr Lichterkette: Wie alte Aufnahmen in einen aktuellen „Tagesschau“-Film kamen (stefan-niggemeier.de)
Am Wochenende sollte sich eine Menschen- und Lichterkette quer durch Berlin ziehen, als Solidaritätsbekundung mit den Flüchtlingen in Deutschland. Statt mehrerer Zehtausend kamen nach Polizeiangaben allerdings “nur sieben– bis achttausend Leute”; die Lichterkette war recht lückenhaft. In einem Beitrag der “Tagesschau” sah es trotzdem nach viel mehr Teilnehmern aus, was vor allem daran lag, dass die Redaktion Bilder einer ähnlichen Aktion von 2003 untermischte. Stefan Niggemeier klärt die Frage: “Wie können in eine aktuelle Nachrichtensendung zwölf Jahre alte Archivaufnahmen rutschen?”
2. “Bild” bei den Facebook-Hetzern (tagesspiegel.de, Sonja Álvarez und Joachim Huber)
“Der ‘Bild’-Gerichtshof tagt weiter”, schreibt der “Tagesspiegel”: Nach dem “Pranger der Schande” haben “Bild”-Reporter die Facebook-Hetzer zu Hause besucht und nennen diesmal “neben den echten Namen auch noch die Wohnorte. Damit sind die Betroffen sehr leicht zu identifizieren, eine Tatsache, die die ‘Bild’-Leute nicht im Mindesten zu stören scheint.” Der „Bild“-„Pranger“ werde “Hass und Hetze im Netz nicht stoppen”, die Springer-Zeitung müsse sich aber “fragen, zu welchem Klima sie mit ihrer Berichterstattung beiträgt”.
3. 7 Medien, denen Akif Pirinçci nicht menschenverachtend genug war (schantall-und-scharia.de, Fabian Köhler)
Seit seiner “Pegida”-Rede mit dem KZ-Spruch empören sich die Medien über Akif Pirinçci. “Gut so”, meint Fabian Köhler, allerdings viel zu spät: “Denn menschenverachtend sind die Auftritte und Bücher Pirinçcis schon seit Jahren. Hier sind sieben Medien, denen sie offenbar nicht menschenverachtend genug waren.” Siehe auch unseren Eintrag von gestern.
4. Freie Berichterstattung unmöglich (freelens.com, Roland Geisheimer)
Ein Jahr rechte Parolen — “Pegida” feierte am Montag Geburtstag. Fotograf Roland Geisheimer hat seit Start der Kundgebungen immer wieder aus Dresden und von Ablegern in anderen Städten berichtet. So schlimm wie am Montagabend war es bisher nie: “Ich bekam Schubse und auch Tritte zu spüren, gepaart mit der Ansage, dass ich mich sofort verpissen solle, wenn ich heil nach Hause kommen wolle.” Geisheimers ernüchterndes Fazit: “Der Artikel 5 Grundgesetz ruht montagabends in der Landeshauptstadt Sachsens.” Dazu auch: “Reporter ohne Grenzen” verurteilt die Angriffe auf Journalisten.
5. Warum der Algorithmus der Retter des Qualitätsjournalismus ist (journalist.de, Andreas Moring)
Der Medienwissenschaftler Andreas Moring findet die Skepsis vieler Journalisten gegenüber Algorithmen übertrieben. Statt die Medienwelt zu bedrohen, könnten sie den “Qualitätsjournalismus” fördern — denn Leser würden den Unterschied zwischen handgemacht und der Maschine leicht erkennen. Moring analysiert, woher die Ablehnung kommt.
6. Man muss nach vorne denken (dirkvongehlen.de)
Bochum-Fan Dirk von Gehlen freut sich über die jüngsten Nachrichten von seinem VfL. Erst die Absage an die “Bild”-Aktion “Wir helfen”, dann eine Brandrede des Trainers gegen die Boulevardzeitung, und nun spricht eben jener Gertjan Verbeek im FAZ.net-Interview auch noch darüber, wie Journalisten mit dem Medienwandel umgehen könnten. Nunja, zumindest fast.
Die Medien diskutieren momentan, wie Akif Pirinçci seine grässliche KZ-Aussage (“Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.”) am Montagabend bei der “Pegida”-Kundgebung genau meinte. Dass seine Rede in Dresden furchtbar war, darauf können sie sich hingegen einigen. Auch “Bild” und Bild.de:
Das sei eine “Hetzrede des irren Autors” gewesen. Sowieso falle Pirinçci schon seit 2012 “durch rechte Äußerungen in Blogs auf.” Und seine Bücher erst:
Im März 2014 hetzt er in seinem Buch “Deutschland von Sinnen” gegen Frauen, Schwule und Zuwanderer (“Manuscriptum”-Verlag).
Nanu? Damals, “im März 2014”, fanden die “Bild”-Medien Pirinçcis “Deutschland von Sinnen” eigentlich noch ganz spannend:
Von Hetze ist im Currywurstbudenbericht von “Bild am Sonntag”-Reporterin Anja Hardenberg keine Rede. Das Buch sei “schonungslos”, von einem geschrieben, “der politisch völlig unkorrekt ist.”
Pirinçci — laut Teaser möglicherweise ein Genie — liebe den “kalkulierte[n] Tabubruch”:
Wer ist dieser Pirinçci, der mal eben die politische Korrektheit schreddert?
Antwort:
Pirinçci, in dessen Krimis das Blut in Strömen fließt, ist eigentlich ein sympathisches Weichei.
Und:
Der Mann, der sich so wortmächtig über deutsches Schubladendenken und kulturelle Arroganz ereifert, ist ein verkappter Romantiker.
Während Akif Pirinçci aus heutiger “Bild”-Sicht in “Deutschland von Sinnen” “gegen Frauen, Schwule und Zuwanderer” “hetzt”, hieß es vor eineinhalb Jahren über das “Pöbel-Buch” noch:
Darin ledert er gegen Frauenquote, Homosexuelle, Öko-Fundamentalisten und anmaßende Zuwanderer.
“BamS” und Bild.de fanden das Abledern damals anscheinend so interessant, dass sie nicht nur werbewirksam Preis und Verlag des Buches nannten, sondern ihren Lesern auch noch eine Leseprobe spendierten:
Kurz darauf durfte Akif Pirinçci in “Bild am Sonntag” und auf Bild.de sogar als Gastautor über einen Deutschlandauftritt des türkischen Präsidenten Erdoğan schreiben:
1. Wie sich der Blick auf Pegida plötzlich ändert (cicero.de, Thomas Leif)
“Pegida”-Mitläufer seien nicht alle rechtsextrem, doch sie duldeten in ihrer Wut rechtsextreme Positionen, notiert Thomas Leif. Der scheinbar überraschende Aufstieg von “Pegida” zum Jahrestag ist nach dem bereits herbeigeschriebenen Niedergang für den “Cicero”-Autor kein Wunder. Laut Leif empöre sich die Gesellschaft nun, dass die Politik beim Thema “Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft” versage. Dazu fragt auch das Rechercheblog der “Welt”, ob der Verfassungsschutz nun “Pegida” beobachtet, wie Thomas de Maizière sagte — oder sich doch noch sehr zurückhält. Der “Tagesspiegel” berichtet von einem “Pegida”-Angriff auf einen Reporter der “Deutschen Welle”.
2. Bild droht allen Umgehungsversuchen mit Abmahnung (golem.de, Friedhelm Greis)
Seit vergangener Woche sperrt Bild.de Leser aus, wenn diese einen Adblocker verwenden. Es dauerte nur wenige Tage, bis die ersten Anleitungen auftauchten, wie man die Blockade umgehen kann. Jetzt verschickt der Axel-Springer-Verlag Abmahnungen. Ein Nutzer, der ein entsprechendes Youtube-Tutorial veröffentlichte, soll eine Unterlassungserklärung unterschreiben und Anwaltskosten in Höhe von fast 1.800 Euro übernehmen. Der Leipziger IT-Rechtsexperte Peter Hense zweifelt an der Wirksamkeit: “Der Versuch, durch Abwehrsysteme den werbefreien Genuss von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu kriminalisieren, wird jedoch nicht zum Erfolg führen.” Dazu auch: Felix Schwenzel mit der Frage “sind adblock-benutzer ‘pack’?”
3. Nicht immer “immer mehr” (blogs.deutschlandfunk.de, Johannes Kulms)
Johannes Kulms soll für den “Deutschlandfunk” einen Beitrag über Selbstständige basteln, die mit Hartz IV aufstocken müssen. Immer mehr sollen das sein, schreibt die “arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke” in einer Pressemitteilung. Die dpa habe die Geschichte aufgegriffen, genauso die AFP. Ein Blick auf die Statistik zeige aber: Die Sache mit dem “Immer mehr” stimmt gar nicht.
4. Google News und Qualitätsjournalismus: Googles Head of Strategic News im Interview (t3n.de, Carsten Christian)
Über kaum ein Thema reden Journalisten so gerne wie über die Zukunft der eigenen Branche. Dementsprechend ist es vielleicht eine gute Idee, die immergleichen Fragen über Qualitätsjournalismus und zukünftige Erlösmodelle mal jemandem zu stellen, der vermutlich noch mehr Einfluss darauf hat als die Medien selbst: Madhav Chinnappa ist bei Google verantwortlich für “Strategic Relations, News and Publishers” und hat unter anderem die “Digital News Initiative” mitentwickelt. Zwar glaubt Chinnappa, dass “immer ein Redakteur gebraucht” werde; er sagt aber auch: “Journalisten müssen heute viel härter arbeiten, um relevant zu sein.”
5. Wenn möglich, bitte senden (sueddeutsche.de, Martin Schneider)
Kleine schwarze Boxen für Syrien: Das Berliner Team von “Media in Cooperation and Transition” liefert Ultrakurzwellentechnik in “Regionen, in denen es kracht.” Die Mini-Sender bringen jeden Tag 18 Stunden “Musik und unabhängige Nachrichten in den Krieg”.
“Bild” hat also beschlossen, noch ein wenig im Mittelalter zu verweilen.
So viel offener Hass war noch nie in unserem Land! Und wer Hass sät, wird Gewalt ernten. (…) BILD reicht es jetzt: Wir stellen die Hetzer an den Pranger!
(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)
So präsentiert “Bild” heute knapp 40 Kommentare von Facebook (ganz prangermäßig natürlich samt Fotos und Namen der Verfasser). Zum Beispiel von Marco W.:
Verpisst euch aus Deutschland
Oder von Waldemar B.:
An die Wand,mit dem Dreckspack.
Oder von von Silvio B.:
Sind wir nicht alle ein bisschen Nazi
Dazu erklärte “Bild”-Chef Kai Diekmann heute:
Man kriegt Angst, wenn man sich dieser Tage die Nachrichten anschaut. Eine Politikerin, die sich für Flüchtlinge einsetzt in Köln, wird einfach abgestochen, niedergestochen. Da gibt es Demonstrationen, da laufen Leute rum mit selbstgebastelten Galgen, an denen Politiker hängen. Und das alles hat angefangen mit diesen Hass-Posts, mit diesen Hass-Tweets in den sozialen Medien. Und da gilt einfach, wir sehen es jetzt: Wer Hass sät, der wird Gewalt ernten. Das können wir nicht zulassen, da müssen wir „Halt, Stopp!“ rufen. Da wird ein Klima erzeugt, was wir nicht wollen. Und deshalb ist es richtig, diese Leute, die glauben, hier mit ihrem Gesicht diesen Hass, diesen Rassismus verbreiten zu müssen – die müssen wir an den Pranger stellen.
Die eigentliche Frage lässt er allerdings unbeantwortet: Warum „Bild“ die Hetzer an den Pranger stellt. Was soll das bewirken? Dass die 40 Abgebildeten jetzt stellvertretend für all die Dumpfnasen sozial geächtet, von ihrer Familie verstoßen und von ihrem Boss gefeuert werden? Oder dass sich die rechtschaffenden Leser dazu aufgefordert fühlen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen?
Der Medienanwalt Christian Solmecke hat die Aktion heute stark kritisiert. In einer Pressemitteilung schreibt er, „Bild“ hätte die Fotos und Nachnamen verpixeln müssen:
Unabhängig davon welche Straftat möglicherweise durch ein Bürger begangen wurde, gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Dieses Prinzip gehört zu den fundamentalen Grundlagen unseres Rechtsstaates und wird durch einen solchen undifferenzierten Internetpranger mit Füßen getreten. Hinzukommt, dass die Verfolgung von Straftaten ausschließlich den zuständigen Behörden zukommt. Wer die Namen potentieller Straftäter veröffentlicht, verurteilt diese, bevor die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Ermittlungen aufgenommen haben. Dies widerspricht unserem Rechtssystem und greift tief in die Grundrechte der einzeln aufgeführten Personen ein.
Gerade diejenigen, „die zwar moralisch verwerfliche Kommentare von sich geben, jedoch die Grenze der Strafbarkeit noch nicht erreichen“, würden „besonders stark in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt“, schreibt Solmecke. Das Gleiche gelte für jene, die einen ähnlichen Namen tragen „und durch die Berichterstattung nun mit rechtswidrigen Äußerungen in Verbindung gebracht werden“.
Beim Presserat sind schon die ersten Beschwerden eingegangen, was in den Springer-Chefetagen freilich nur für eines sorgte:
Aber zurück zu den Hetzern, also denen bei Facebook.
Angefangen habe alles „mit diesen Hass-Posts, mit diesen Hass-Tweets in den sozialen Medien“, sagt Kai Diekmann. Aber das ist nicht ganz richtig.
Ab ins Arbeitslager, und die Alte gleich mit !!!
Garnicht erst reinlassen diesen Abshaum
raus aus der EU und die Grenzen wieder dicht !!!
Die Familie sofort abschieben, meine Steuern sind mir zu Schade für solche Menschen, der wird sonst sein Leben lang auf Kosten der anderen leben. Kein Wunder, wenn die Deutschen immer mehr nach rechts rucken, so kann es nicht weitergehn!!!
Diese Hass-Botschaften sind nicht bei Facebook oder Twitter veröffentlicht worden, sondern in der Kommentarspalte von Bild.de. Und sie waren auch nicht der Anfang, sondern eine Reaktion – auf diesen Artikel:
Dass die beiden in Wirklichkeit Deutsche sind, haben die „Bild“-Medien damals natürlich verschwiegen. Dort war nur von „Roma“ die Rede.
Und dieses Pack füttert der Steuerzahler durch, sofort dort hin wo sie hin gehören.
Sehe es auch so, dass später nur krumme Dinger gedreht werden. Haben doch genug von den Romas in Deutschland Der größte Teil ist wie die oben genannte Sippe. Ein Kind nach dem anderen kriegen. Geld kassieren und nicht arbeiten.
Viele solcher Hass-Posts kamen nicht aus dem Nichts. Sie kamen, weil „Bild“ sie provoziert hat.
Das ist unser D E U T S C H L A N D!!!
Wir, das Volk sollte mitbestimmen dürfen, wen wir hier reinlassen oder nicht!
Ich möchte nicht, mit einer S&W Cal .357 schlafen, bzw. jeden Tag draussen rum laufen müssen,
aus Angst wegen ein paar Cent ausgeraubt zu werden!
Aber, ich denke, das ist so gewollt mit der Unterwanderung anderer Völker in Deutschland.
Siehe I. und II.WK!
Ich bin nur noch traurig. Haben diese Richter keine Verantwortung oder Gespür für das deutsche Volk.
Wer hier schreib es gibt keine Menschen erster od. zweiter Klasse gibt, hat eigentlich recht. Mitlerweile komme ich mir, als hier geborener,also echter Inländer, schon vor wie in der dritten Klasse.
[…] jetzt müssen wir noch Rumänen und Bulgaren, die arbeitsscheu sind unterstützen. Für einen Normalverdiener mit Kindern ist es doch jetzt schonj uninteressant in die Arbeit zu gehen. […] Aber für Asylanten und sonstige haben wir scheinbar genug Geld. Armes Deutschland.
Diese Kommentare sind erschienen, weil „Bild“ geschrieben hatte:
Dabei war das nur ein winziger Teil der Wahrheit. Das Urteil bezog sich nämlich nicht nur auf Rumänen und Bulgaren, sondern auf alle EU-Bürger, die in Deutschland leben und keinen Job finden, völlig unabhängig davon, aus welchem EU-Land sie kommen.
Nächstes Beispiel.
Solche Dreckspatzen sollte man verrecken lassen!!!!!!!
Großes Schiff. Care-Paket für die Reise, Bundeswehr“reisebegleiter“ mit genügend Waffen im Anschlag und gute Heimreise. Ganz einfach.
Wer tatsächlich vor Krieg und Tot fliehen MÜSSTE, benimmt sich nicht so , sondern würde vor Dankbarkeit den ganzen Tag arbeiten und fleißig deutsch lernen, um sich möglichst schnell in die Kultur und Gesellschaft einzubringen und anzupassen…!
Gleich eine Injektion aufziehen mit Fentanyl und Dormicum dazu noch ein bißchen Lidocain und fertig..
All das sind Reaktionen auf den „Bild“-Artikel, in dem behauptet wird, Rettungssanitäter in Bautzen müssten jetzt Schutzwesten tragen – „aus Angst vor Attacken im Asyl-Hotel“. Was überhaupt nicht stimmt.
Nächstes Beispiel.
Der deutsche Steuerzahler blecht dafür, dass brutale Ausländer in Deutschland sicher leben können, muss aber damit rechnen, von ihnen verprügelt zu werden!
bekomme ein immer größeren Hass auf den rückständigen sch**** Islam, und das ist auch gut so. Lange lebe PEGIDA. Und Gauck, du Urmel aus dem Eis, gehe dahin wo die Baumwollpflücker leben….over and out.
WIE BESCHEUERT UND VERRÄTERISCH GEBEN SICH DIESE ISLAM-ARSCHKRIECHER NOCH BEI DER ABSCHAFFUNG UNSERER KULTUR UND UNSERER WERTE?!
Und genau darum bin ich dabei, genau darum werde ich im Neuen Jahr weiter argumentieren, mich streiten, mit linkem PACK anlegen, demonstrieren, zum N.A.S.I gemacht, und ich werde es aushalten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und der Gemeinde noch ein schönes Weihnachtsfest !
… sind ebenfalls Reaktionen auf einen zurechtgebogenen „Bild“-Artikel, in dem das Blatt behauptete, Politiker würden „fordern“, dass im christlichen Weihnachtsgottesdienst muslimische Lieder gesungen werden.
Eine Idee, die in Wahrheit von „Bild“ kam, nicht von den Politikern.
Die Auflagen von “Bild” und “Bild am Sonntag” sinken weiter rapide.
Laut IVW hat “Bild” im Vergleich zum Vorjahr fast zehn Prozent verloren, die “Bild am Sonntag” 6,5 Prozent. Im Online-Bereich wachsen die Nutzerzahlen dagegen: Im September zählte “Bild-Plus” gut 293.000 zahlende Leser, 50.000 mehr als im Jahr zuvor.
Da die IVW-Zahlen nur bis 1998 vorliegen, hat unser Leser Richard B. mal die früheren Daten rausgesucht:
Und man sieht: Die heutige “Bild”-Auflage ist die niedrigste seit 60 Jahren.
1. Eine gruselige Allianz (taz.de, Jürn Kruse)
Die aktuelle Titelgeschichte des “Spiegel” zur angeblichen schwarzen DFB-Kasse wird heftig diskutiert, auch im “Sport1”-Fußballtalk “Doppelpass” und in der “Bild”-Zeitung. Um Aufklärung gehe es dabei aber nur vordergründig, schreibt Jürn Kruse: “Wichtiger ist das Unglaubwürdigmachen der Ausgangsgeschichte und das Reinwaschen der Beschuldigten.” Oliver Fritsch beobachtet ebenfalls, dass sich die Stimmung drehe: “Plötzlich muss der ‘Spiegel’ Fragen zur WM-Vergabe beantworten, nicht der DFB.” Eine gute Übersicht zum neu entflammten “Klassiker unter den deutschen Medienkonflikten” liefert Imre Grimm.
2. 58 Minuten Ratlosigkeit (sueddeutsche.de, Ulrike Nimz)
AfD-Gründungsmitglied Alexander Gauland, Ex-Pegida-Frontfrau Kathrin Oertel — und nun auch Björn Höcke, Fraktionschef der AfD in Thüringen. Zumindest eines kann man der Redaktion von “Günther Jauch” nicht vorwerfen: Dass sie einen Bogen um unbequeme Gäste mache oder gar die Meinungsfreiheit unterdrücke. Mit dem Auftritt Höckes am vergangenen Sonntagabend hat sich Jauch allerdings keinen Gefallen getan, da sind sich die Kommentatoren einig. Ulrike Nimz diagnostiziert dem Moderator Hilflosigkeit, der Publizist Christian Nürnberger warnt eindringlich davor, einem “rechtsradikalen Hetzer” wie Höcke eine Bühne zu geben, und Andrea Dernbach glaubt, dass Jauch und sein Team die eingangs gestellte Frage mit der Einladung selbst beantwortet hätten: “Pöbeln, hetzen, drohen — wird der Hass gesellschaftsfähig?” Offensichtlich: ja. Noch mehr Pressestimmen hat Knut Kuckel gesammelt.
3. Extremely Public Relations (theawl.com, John Herrman, englisch)
Die “New York Times”-Recherche zu den katastrophalen Arbeitsbedingungen bei Amazon war eine der meistbeachtetsten und folgenreichsten Veröffentlichungen des Jahres. Zwei Monate nach dem Erscheinen wirft Amazons Jay Carney (ehemaliger Pressesprecher des Weißen Hauses) der “NYT” schlampige Recherche und fragwürdigen Umgang mit Quellen vor. Vier Stunden später antwortet ihm Dean Banquet, Chefredakteur der so gescholtenen Zeitung — was wiederum Carney nicht auf sich sitzen lassen will und seine Vorwürfe wiederholt. John Herrman nimmt diese eher absurd anmutende Auseinandersetzung als Anlass für einen klugen Text über das Verhältnis von Tech-Konzernen und Medien: Wer besitzt im Zeitalter der Digitalisierung die öffentliche Deutungshoheit?
4. Leuchten LEDs meistens blau und sind LED-Leuchten ökologisch bedenklich? (fastvoice.net, Wolfgang Messer)
Wolfgang Messer ärgert sich über zwei Zitate aus dpa-Berichten zu LEDs. Der Licht-Blogger erklärt, warum die Lampen nicht schlecht für die Augen sind und auch nicht per se ökologisch bedenklicher als normale Glühlampen sein dürften.
5. Wortfindungshilfe der neuen deutschen Medienmacher: Geflüchtete statt Asylanten (deutschlandfunk.de, Swantje Unterberg, Audio, 3:27 Minuten)
In den Medien liest man häufig vom “Flüchtlingsstrom” oder einer “Flüchtlingswelle”, als rolle eine Naturkatastrophe auf Deutschland zu. Der Verein “Neue deutsche Medienmacher” will dafür sensibilisieren, auch bei diesem Thema genau auf die Sprache zu achten. Das Ziel: “präzise zu formulieren statt irgendeinen Begriff zu nehmen, der einem gerade in den Kopf komme.”
6. Entsorgt (10): What would Cosmo do? Ein Sex-Tipp-Quiz (kioskforscher.wordpress.com, Markus Böhm)
Markus Böhm forscht wieder am Kiosk, dieses Mal zu Frauen- und Männerzeitschriften mit ihren Universal-Sex-und-Liebesratschlägen. “Beim Lesen mancher Artikel frage ich mich, ob auch nur ein Redaktionsmitglied die Tipps befolgt, die sein Magazin veröffentlicht.” Die Ergebnisse seiner Untersuchung hat er in ein Quiz gepackt.
“Bild” schickte gleich jemanden auf die Jagd nach dem “Galgen-Mann”, und siehe da:
Ein heruntergekommenes Mehrfamilienhaus. Die Wohnung liegt im Erdgeschoss. Alles wirkt trist. Der BILD-Reporter klingelt – nach wenigen Sekunden öffnet Bernd A. in Jogginghose und T-Shirt.
Und genau so — in Jogginghose und T-Shirt an seiner Wohnungstür — präsentierte “Bild” den Mann am Samstag groß und unverpixelt in der Bundesausgabe (und online gegen Bezahlung).
(Unkenntlichmachung von uns.)
Die Fotos wurden der Perspektive nach aus Hüfthöhe aufgenommen. Den Namen des Fotografen geben “Bild” und Bild.de nicht an.
In einem Interview mit dem rechtspopulistischen Magazin “Compact” (ab Minute 6:00) sagt der Mann, die Fotos seien “still und heimlich” gemacht worden und obwohl es “eindeutig untersagt war, dass da Fotos gemacht werden”.
Bevor hier Missverständnisse aufkommen (Herr Reichelt, gut aufpassen): Es geht nicht um den Galgen, der war schäbig und hatte mit “Satire”, wie es der Mann nennt, nichts zu tun. Es geht darum, dass auch besorgte Flachzangen Grundrechte haben.
Die ungenehmigte Veröffentlichung von Fotos, die den Abgebildeten in seinem Privatbereich zeigen, verletzt grundsätzlich dessen Persönlichkeitsrecht. Das gilt auch für Personen, die aufgrund ihres Ranges oder Ansehens, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. (Udo Branahl: Medienrecht, 2009, siehe auch: § 201a StGB)
Ein öffentliches Informationsinteresse an seinem Aussehen besteht ohnehin nicht, zumal “Bild” und Bild.de schon am Mittwoch Fotos von der Demo veröffentlicht hatten, auf denen sein Gesicht zu sehen war.
Die “Bild”-Medien zeigen aber nicht nur Fotos, sie schreiben auch, wo der Mann wohnt, welchen Beruf er ausübt, welche Seiten er bei Facebook “mit ‘Gefällt mir’ angeklickt” hat, welche Musik er mag, welche Kommentare er geschrieben und welche Fotos er gepostet hat. Sie stellen ihn bloß, in Jogginghose und T-Shirt, als wäre ein medialer Pranger zielführender als ein symbolischer Galgen.
Nachtrag, 12. April 2016: Der Presserat hat die Veröffentlichung der Fotos für unzulässig erklärt.
1. Hinter dem Flatterband (tagesspiegel.de, Thomas Gehringer)
Vergangene Woche haben sich verschiedene Journalisten zusammengesetzt, um über die Berichterstattung zum Germanwings-Unglück zu sprechen. Motto der Veranstaltung, zu der unter anderem der Presserat eingeladen hatte: “Was lernen wir daraus?” Doch am Ende, so Thomas Gehringer, “stellte sich das ungemütliche Gefühl ein, dass die Medienvertreter der Meinung sind, es gäbe nichts zu lernen, denn: Es war doch eigentlich nicht so schlimm.”
2. Sind Sie ein Diktator? (taz.de, Saskia Hödl)
Der finnische Präsident Sauli Niinistö war auf Staatsbesuch in der Türkei. Und mit ihm unter anderem der Journalist Tom Kankkonen vom finnischen öffentlich-rechtlichen Sender “YLE”. Der “fragte Erdoğan gerade heraus, ob er ein Diktator sei.” Das türkische Staatsoberhaupt war nicht gerade begeistert.
3. to go or to stay? (wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel will ausdrücklich “keine antwort auf diesen facebook-eintrag von mathias richel” schreiben, sondern vielmehr versuchen, “die gleichen gedanken […] anders zu formulieren”. Im Wesentlichen geht es um diese Fragen: Wie und wo erreichen Medien heutzutage ihre Leser? Sollten sie sich immer noch auf ihre Homepage konzentrieren oder ihre Inhalte möglichst breit gestreut auf allen möglichen Kanälen verteilen — und sich dabei von dem Ziel verabschieden, die Nutzer von sozialen Medien mit Links auf die eigene Webseite zu locken?
4. Radionachrichten: Zu wenig Mut. Zu viele Handtücher (radio-machen.de, Rita Vock)
“Wir Nachrichtenmacher […] haben bestimmte redaktionelle Standards und manchmal auch Scheuklappen.” Das sagt Rita Vock, Nachrichtenredakteurin beim “Deutschlandfunk”. Mit sechs Thesen versucht sie, diese festgefahrenen Strukturen aufzubrechen und Radionachrichten neu zu denken.
5. Stephen Glass Repays Harper’s $10,000 for His Discredited Work (nytimes.com, Ravi Somaiya, englisch)
Stephen Glass war Ende der 90er-Jahre einer der großen Nachwuchsstars im US-Journalismus. Bis sich herausstellte, dass mindestens die Hälfte seiner Artikel komplett oder teilweise erfunden waren. Jetzt hat Glass sich zurückgemeldet — mit einer Entschuldigung an seinen einstigen Auftraggeber “Harper’s” in Form eines 10.000-Dollar-Schecks.
6. Sie lesen stundenlang Zeitungen vor (nzz.ch, Viola Schenz)
Das Programm des australischen Radiosenders “2RPH” ist leicht außergewöhnlich: Es gibt dort ausschließlich vorgelesene Zeitungs- und Zeitschriftenartikel zu hören, den ganzen Tag, jeden Tag. Das Kürzel “RPH” steht für “Radio for the Print Handicapped” und gibt die klare Zielgruppe des gemeinnützigen Senders vor: all jene, die nicht lesen können.
Mittlerweile haben die meisten Medien ihre Berichte korrigiert und schreiben jetzt von einer Drohne. Beispielsweise FAZ.net:
Das türkische Militär hat am Freitag nach eigenen Angaben eine Drohne über der Türkei nahe der Grenze zu Syrien abgeschossen. Zunächst hatte es Meldungen gegeben, es habe sich um ein Flugzeug gehandelt.
Und:
Bisher sei nicht bekannt, zu welchem Land das im türkischen Luftraum abgeschossene Objekt gehört habe, teilte der türkische Generalstab auf seiner Internetseite mit.