Hassliebe, Jammerverein, Showgipfel

1. Trump und die Medien: Sie lieben mich, sie lieben mich nicht
(sueddeutsche.de, Sacha Batthyany)
Der designierte US-Präsident lässt eine Aussprache mit der “New York Times” platzen, sagt wenige Stunden später aber wieder zu. “SZ”-Autor Sacha Batthyany: “Trumps Lieblingsmedium ist nicht das Fernsehen und schon gar nicht die Zeitung. Er hält sich bevorzugt auf Twitter auf, wo er ungehindert seine Botschaften verkünden kann. Twitter stellt eben keine ungemütlichen Fragen.”

2. #FakeNews jetzt auch im Feuilleton?
(wolfgangmichal.de)
Glaubt man dem Börsenverein des deutschen Buchhandels, stehen 20 bis 25 Prozent aller Verlage vor dem Ruin. Nicht digitaler Wandel und sich abwendende Leser sollen der Grund sein, sondern die Rückzahlungsverpflichtung von zu Unrecht erhaltenen VG-Wort-Geldern. Entsprechend gebe man nun alarmistische Meldungen heraus, die ungeprüft von Zeitungen und Rundfunksendern übernommen würden. Wolfgang Michal hat wenig Verständnis für die angeblichen Nöte der Verlage: “Es war den Verlagen also seit Jahren klar, dass das Geld, das sie bekommen haben, unter Rückforderungsvorbehalt stand. Es wäre vernünftig gewesen, dieses Geld nicht in die laufenden Geschäfte zu stecken; wer es dennoch tat, ging bewusst ein Risiko ein.”

3. Dann noch viel Spaß beim Rübenziehen mit Jörg Pilawa
(faz.net, Oliver Jungen)
In Köln haben sich Fernsehschaffende zum „Großen Showgipfel“ zusammengefunden, dem renommierten Branchentreff der Unterhaltungsbranche. Es wurde Tacheles geredet: Medienjournalisten und Medienschaffende seien sich einig gewesen, dass die derzeitige Fernsehunterhaltung ein Desaster sei, so “FAZ”-Autor Oliver Jungen. Der Wille etwas daran zu ändern, sei jedoch begrenzt: “Dass führende Fernsehmacher die eigenen Shows inzwischen als das perfekt inszenierte Nichts bezeichnen, darf aber nicht so verstanden werden, als würde sich hier bald etwas ändern. Dafür ist das System viel zu schwerfällig geworden. Und dafür sind die Quoten selbst der miesesten Unterhaltungssendungen noch viel zu gut.”

4. Er erfindet Lügen für Trump
(tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
In den USA sind zwei arbeitslose Restaurantangestellten quasi über Nacht zu Betreibern einer boomenden Nachrichtenfabrik geworden und streichen fette Gewinne ein. Die Geschäftsidee: Zusammenfantasierte Politstorys für die rechte Klientel. Constantin Seibt stellt im “Tagesanzeiger” die beiden bekennenden Lügenbolde und ihr Geschäftsmodell vor. Als Vorlage dürfte ein deutlich längerer Artikel der “Washington Post” (englisch) gedient haben.

5. Drei Herren in leeren Hallen
(taz.de, Anne Fromm)
Die Dumont Verlagsgruppe will Personal abbauen und führt daher die Redaktionen von “Berliner Zeitung” und “Berliner Kurier” zusammen. Entsprechend gedrückt ist die Stimmung. Zurzeit sei unklar, was mit den Mitarbeitern passiert, die kein Übernahmeangebot bekommen. Viel Unruhe durch Gerüchte und ein hoher Krankenstand seien die Folge. Auch die Gewerkschaft Verdi kritisiere die Informationspolitik von DuMont.

6. Update: Deutsche Podcast-Serien – gute Produktionen, schlechte Vermarktung
(marckrueger.tumblr.com)
Es muss nicht immer Netflix und Co. sein, es gibt auch spannende Hörspielproduktionen und Podcasts. “Rundfunkfritze” Marc Krüger stellt einige gelungene Podcast-Serien vor. Samt Inhaltsangabe und Link zum Download.

“Die Sensation liegt in der Luft”

Es gibt ja das hartnäckige Gerücht, dass beim Wrestling alles geplant und abgesprochen sei. Die Schläge seien gar keine richtigen Schläge, die Fehden nur ausgedacht. Also nix da mit großen sportlichen Überraschungen, stattdessen ein bis ins kleinste Detail ausgeklügeltes TV-Spektakel.

Und so könnte man die Nachricht, dass der frühere Wrestling-Superstar Bill Goldberg nach zwölf Jahren Ring-Abstinenz sein Comeback gibt und dabei mal eben den normalerweise alles dominierenden Brock Lesnar in gerade mal 90 Sekunden fix- und fertigmacht, schulterzuckend zur Kenntnis nehmen und sich denken: “Nun gut, ist eben alles nur Show und soll ja Quote bringen.”

Man könnte aber auch so tun, als wäre bei der Veranstaltung “Survivor Series” in der Nacht von Sonntag auf Montag wirklich was passiert. Etwas Ungewöhnliches. Etwas Bemerkenswertes. Eine “WRESTLING-SENSATION”:

“Bild”-Redakteur Enrico Ahlig schrieb gestern dazu:

Die Wrestling-Welt steht unter Schock!

Die Sensation liegt in der Luft.

Jetzt diese Szenen!

Der Ringrichter zählt … 1…2…3! Die Sensation ist perfekt.

Das Match war so kurz, die WWE konnte alle Aktionen in der Wiederholung zeigen. Das gab es noch nie!

Das ist so, als würde man aus dem Theater kommen und völlig aufgelöst in den WhatsApp-Familienchat tippen: “Oh Gott, oh Gott, Ihr glaubt es nicht! Da haben sich gerade zwei junge Menschen das Leben genommen 😢😭”

Ahlig fragte dann noch: “Was steckt hinter dem kurzen Match?” Wir würden vermuten: Der Wunsch des Veranstalters, der sogenannten “WWE”, dass möglichst viele Medien den Goldberg-Auftritt zu einer “WRESTLING-SENSATION” hypen. Der “Bild”-Redakteur hat aber noch eine andere Idee:

Außerdem sieht jetzt alles nach einem weiteren Match von Goldberg aus. Denn obwohl er zunächst nur für einen Kampf unterschrieben hat, wird die WWE alles tun, um die beiden erneut aufeinander loszulassen.

Und heute dann die Nachricht bei Bild.de:

Man könnte fast meinen, beim Wrestling ist alles geplant und abgesprochen.

Mit Dank an @ralfheimann für den Hinweis!

Hassliste, Fake-News, Schwärzungen

1. 438 Gründe, warum Zuckerberg bald wegen Volksverhetzung angeklagt werden könnte
(motherboard.vice.com, Daniel Mützel, Max Hoppenstedt & Theresa Locker)
Nachdem der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun eine Liste mit 438 Hasskommentaren auf Facebook vorgelegt hat, prüft nun die Staatsanwaltschaft, ob sie Mark Zuckerberg und andere führende Manager anklagt. “Motherboard” hat die Liste in einer eigenen Tabelle aufgearbeitet, einer Liste voller Verrohung und Menschenhass. Im Artikel geht es auch um die mitunter schwierige Trennlinie zwischen legalen und illegalen Hassposts. Doch bei derartigen Fragen sei man auf Seiten der Staatsanwaltschaft noch lange nicht angekommen. Dort werde zunächst geprüft, ob man überhaupt örtlich zuständig sei.

2. Fake News: “Spiegel”-Klon wirbt bei Facebook
(ndr.de, Fiete Stegers & André Kroll)
Viele Online-Werbeseiten kopieren das Aussehen seriöser Medien, stehlen Fotos normaler Nutzer und werben mit irreführenden Anzeigen auf Facebook. Fiete Stegers und André Kroll haben sich für ihre Recherche in die Welt der dubiosen Promotionpages begeben. Ein großes Problem liege in der Restplatzvermarktung, über die viele der Anzeigen von Fake-Websites ausgespielt würden.

3. Im dritten Jahr: Wie geht es Krautreporter heute?
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die “Krautreporter” können trotz relativ kurzer Vergangenheit auf eine bewegte Zeit zurückblicken, in der es einiges an Unruhe gab. So sollen nach dem ersten Jahr zwei Drittel der Abonnenten abgesprungen sein. Die Krautreporter-Macher haben reagiert, die Firmenstruktur umgebaut und inhaltlich und operative Änderungen vorgenommen. Aus dem anfänglich losen Autorennetzwerk ist eine feste Kernredaktion geworden. Nicht-Mitgliedern werden nicht mehr alle Artikel in voller Länge angezeigt.
Nun wollen die Gründer eine neue Crowdfunding-Plattform zum Verkauf von Abos starten, die von Google im Rahmen der “Digital News Initiative” mit 350.000 Euro unterstützt wird.

4. Ein offener Brief suchtkranker Menschen an die ‘Kronen Zeitung’
(vice.com, Jasmin H., Raman L., Christian M., Barbara Gegenhuber)
Auf der Internetseite der österreichischen “Kronen Zeitung” erschien ein hämischer Beitrag mit dem Titel “Gratisfrühstück für Wiens Drogensüchtige”. Gemeint war das Angebot einer Drogenberatungsstelle, drogenkranke Menschen mit Frühstück zu versorgen. Im Beitrag wurde daraus unter anderem: “Sie spritzen kein Opium? Nehmen kein LSD? Dann haben Sie, liebe Leser, leider keinen Anspruch auf ein vom Wiener Steuerzahler finanziertes Gratisfrühstück”. Nun haben sich Patientinnen und Patienten der Therapieeinrichtung in einem offenen Brief an die Redaktion der Kronen Zeitung gewendet.

5. Erst mal Mobile – dann alles andere
(blog.br24.de, Christian Jakubetz)
“Mobile first” ist die Botschaft von Medienexperte Christian Jakubetz. Vielfach würde Mobile als eine Art Erweiterung des stationären Grundangebots gesehen, dabei sollte es genau umgekehrt sein. “Snapchat und Instagram beispielsweise, vermutlich die beiden heißesten Netzwerke der letzten beiden Jahre, setzen eindeutig darauf, mobil genutzt zu werden. Für Instagram gibt es zwar auch eine Webseite, aber die nutzt vermutlich so gut wie niemand. Und Snapchat? Auf einer Webseite? Absurde Idee.”

6. „Faktencheck ist bei uns journalistischer Alltag“
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
“Fehler können natürlich passieren.”, sagt Yvonne Bauer die Chefin des Bauer-Verlags („Freizeitwoche“, „Schöne Woche“, „Woche Heute“ usw.) und weiter: “Faktencheck ist bei uns, wie überall in der Branche, journalistischer Alltag.” Der Regenbogenpresse-Experte Mats Schönauer hat sich angeschaut, was von diesen Aussagen zu halten ist. Ohne zu viel zu spoilern: Es ist eine Galerie voller Schwärzungen…
Schönauer über die Fehler, die “natürlich passieren können”: “Bei Bauer können sie aber nicht nur, sie sollen sogar. Sie sind wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells.”

Presserat, Breitbart Germany, Angezündet

1. Der Presserat nimmt Journalisten die Verantwortung nicht ab
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Der Presserat kümmert sich um die Einhaltung presseethischer Standards und ist Anlaufstelle für Leserbeschwerden. Nun feiert die freiwillige Instanz publizistischer Selbstkontrolle ihren 60. Geburtstag. Carolin Gasteiger nimmt dies zum Anlass über die Möglichkeiten und Grenzen der Institution nachzudenken und stellt die Frage, ob Twitter nicht das geeignetere Medium sei: “Viele Medien spüren, dass sich das Publikum entfernt. Wer hier den Dialog sucht, tut viel dafür, diese Lücke zu schließen. Journalisten müssen die Scheu davor verlieren, mit kritischen Lesern über ihre Entscheidungen zu diskutieren. Viele Journalisten tun das auf Twitter, weswegen manche in dem sozialen Netzwerk auch den geeigneteren Presserat sehen.”

2. 99 Gedanken zur Entwicklung von Social Media und Journalismus
(medium.com, Martin Giesler)
Martin Giesler ist Journalist und Fachmann für alles, was mit “Social Media” zusammenhängt. In dieser Doppelfunktion hat er die Kristallkugel bemüht und in einer knackigen Liste von Diagnosen und Thesen notiert, wie und wohin sich Social Media und Journalismus seiner Einschätzung nach entwickeln werden.

3. “Die Grundrechte schützen auch Breitbart”
(rbb-online.de)
Die US-amerikanische Nachrichten-Website “Breitbart” gilt als das Sprachrohr der sogenannten “alt-right”-Bewegung: der “alternativen Rechten”. Hetze und Verleumdungen sowie krude Verschwörungstheorien gehören zum Erscheinungsbild der vom rechtskonservativen Unternehmer Andrew Breitbart gegründeten Nachrichtenseite. Nun will “Breitbart” offenbar nach Deutschland expandieren. Der aggressive Kampagnenjournalismus wäre in Deutschland oft justitiabel. Ist die Justiz dafür gewappnet? Medienrechtler Ansgar Koreng antwortet mit einem “Jein”.

4. „Ich bin nur ein Zeitungsleser“
(taz.de, Markus Sehl)
Der deutsche Ableger der türkischen Tageszeitung “Zaman” galt als die auflagenstärkste türkische Tageszeitung in Deutschland. Nach dem Putschversuch in der Türkei wurde die Mutterredaktion geschlossen, in Kürze wird der deutsche Ableger eingestellt: Der Grund: Das Blatt steht der Bewegung des islamischen Predigers Fetullah Gülen nahe, der von der Türkei für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Die “taz” begleitet die Redaktion in ihren letzten Wochen mit verschiedenen Beiträgen. Aktuell hat man sich mit einem langjährigen Abonnent der Tageszeitung unterhalten.

5. «Trump im Titel gab Millionen Klicks»
(tagesanzeiger.ch, Sacha Batthyany)
Sacha Batthyany hat für den Schweizer “Tagesanzeiger” mit dem amerikanischen Journalist, Blogger und Buchautor Jeff Jarvis über die Rolle der Medien während des US-Wahlkampfs gesprochen. Jarvis kritisiert die sogenannte horserace-Berichterstattung: “Das Pferderennen ist zu einem chronischen Problem im US-Journalismus geworden. Dieses Jahr aber geriet alles außer Kontrolle, was an Donald Trump lag. Die Medien waren überfordert. In den ersten Monaten seiner Kandidatur war er ein Clown, danach ein Schlagzeilengarant. Trump im Titel ergab millionenfache Klickzahlen, von Zürich über Tokio bis New York. Man hat ihn kritisiert, gleichzeitig aber von ihm profitiert — wie zynisch ist das? Der Fernsehdirektor von CBS sagte, Trump sei vielleicht schlecht für Amerika, aber gut fürs Geschäft. Das sagt alles.”

6. Boris wollte mich verbrennen
(cms.falter.at, Florian Klenk)
Florian Klenk erzählt auf sehr lesenswerte Weise von seinem Besuch bei dem Mann, der ihn anzünden wollte: „Kann den wer anzünden bitte?“, schrieb Boris auf einer FPÖ-Facebook-Seite. Er meinte mich. Ich fuhr zu ihm und lernte, wie heute Politik und Propaganda funktionieren.”

Hohe Fehlerquote

Heute Abend, in gut einer Stunde, spielt RB Leipzig in der Fußball-Bundesliga bei Bayer 04 Leverkusen. Beim Bezahlsender “Sky” werden sich vermutlich einige Hunderttausend Leute das Spiel anschauen. Und das könnte dann für “Bild”-Sportchef Walter M. Straten der nächste ultimative Beweis sein, dass der ziemlich umstrittene Fußballklub aus Sachsen gar nicht so doof ist, wie ihn viele Fans anderer Vereine finden. Doch der Reihe nach.

Ende Oktober schrieb Straten in seiner Kolumne “Die Lage der Liga” in “Bild am Sonntag” und bei Bild.de:


Das Interesse an den Leipzigern ist bereits fast so groß wie an den alteingespielten Klubs der Liga. In der Einschaltquoten-Tabelle von Sky (Stand 8. Spieltag) rangiert Leipzig bereits auf Platz sechs. Hinter Bayern, Dortmund, Schalke, Köln und Hertha.

Heißt: Die Fans in ganz Deutschland wollen den frechen Großstadt-Neuling spielen sehen. Ob sie ihn nun mögen oder nicht.

Wer steht in der Quoten-Rangliste am Ende?

Ingolstadt, Leverkusen, Augsburg, Hoffenheim — und ganz hinten Darmstadt.

Damit ist die Frage beantwortet, wer für die Liga wertvoller ist. Also: Schluss mit dem primitiven Leipzig-Bashing!

(Straten dürfte sich auf die “Sky”-Einschaltquoten-Tabelle von “Meedia” beziehen.)

Mal davon abgesehen, dass es vielleicht nur von begrenzter Weitsicht zeugt, in einem Beitrag gegen das Bashing eines Fußballklubs andere Fußballklubs als weniger wertvoll darzustellen, übersieht Walter M. Straten in seiner Argumentation einen ziemlich wichtigen Punkt: den Bundesliga-Spielplan und dessen Auswirkungen auf die Einschaltquoten bei “Sky”.

Jeder Bundesliga-Spieltag besteht aus neun Partien. In der Regel findet eine davon am Freitagabend um 20:30 Uhr statt, fünf weitere parallel am Samstagnachmittag um 15:30 Uhr, eine am Samstag um 18:30 Uhr, eine am Sonntag um 15:30 Uhr und die neunte zwei Stunden später um 17:30 Uhr.

Am Samstag um 15:30 Uhr gucken viele “Sky”-Abonnenten die Konferenz mit allen fünf Spielen, und nur jene Fans, die ausschließlich ihren Verein sehen wollen, entscheiden sich am Samstagnachmittag für das Einzelspiel mit ihrem Klub. Bei den Spielen am Freitagabend, Samstagabend, Sonntagnachmittag und -abend gibt es diese Auswahl hingegen nicht. Es findet ja jeweils nur ein Spiel statt. Und deswegen sind die Einschaltquoten bei diesen Partien meist höher als bei den einzelnen Spielen am Samstagnachmittag.

Schaut man sich nun den Spielplan der bisherigen Bundesligasaison an, sieht man, dass RB Leipzig einer der Vereine ist, die die meisten Einzelspiele abbekommen haben. Zum Zeitpunkt, als Walter M. Straten seinen Text veröffentlich hat, waren es sechs Stück. Und das nach lediglich neun Spieltagen. Am vergangenen Spieltag ist noch ein weiteres Einzelspiel hinzugekommen.

Gut möglich also, dass “die Fans in ganz Deutschland” gar nicht unbedingt “den frechen Großstadt-Neuling spielen sehen” wollen, “ob sie ihn nun mögen oder nicht”, wie Straten schreibt. Vielleicht wollen sie einfach nur Fußball gucken, unabhängig davon, wer da nun spielt.

Dafür spricht auch die Einschaltquote der Partie, um die es in Walter M. Stratens Beitrag hauptsächlich geht: SV Darmstadt gegen RB Leipzig. Das Spiel an einem Samstagnachmittag — also mit Konkurrenz von vier anderen Partien und der Konferenz — haben weniger als 5000 Leute eingeschaltet. In der offiziellen Messung heißt das: 0,00 Million.

Mit Dank an Patrick B. für den Hinweis!

Lob im Tarnanzug

Seit Anfang des Monats läuft die Youtube-Serie “Die Rekruten”, mit der die Bundeswehr versucht, junge Leute für sich und die Grundausbildung zu begeistern. Und das scheint ganz gut zu klappen — jedenfalls hat der zugehörige Kanal inzwischen mehr als 200.000 Abonnenten, einzelne Videos wurden bereits hunderttausendfach angeschaut. Ob sich die Youtube-Nutzer alle direkt bei der Bundeswehr bewerben, ist freilich eine andere Sache.

Und auch von Seiten der Medien gibt es positive Rückmeldungen. Also, von zwei Medien zumindest. Die hat die Bundeswehr jedenfalls auf ihre “Rekruten”-Webseite gestellt:

“Bild am Sonntag” — geschenkt.
Aber die “ARD”?

Es gibt dieses Zitat (“Geheimnis, Spannung, Abenteuer”) tatsächlich. Der Text, in dem man es nach kurzer Suche findet, ist im Blog des “ARD”-Hauptstadtstudios erschienen:

Interessanter als die drei Schlagworte, die die Bundeswehr als Lobpreisung daraus übernommen hat, ist allerdings das, was danach kommt:

Geheimnis, Spannung, Abenteuer — das ist der Sound der neuen Reality-Doku “Die Rekruten”. Wie der Vorspann einer angesagten amerikanischen Serie. Dabei geht es um etwas, was eigentlich so spannend gar nicht klingt: die Grundausbildung bei der Bundeswehr.

Und etwas weiter hinten im Beitrag heißt es:

Betten machen, früh aufstehen, Ausrüstung schleppen — natürlich wirkt das angesichts der knalligen Aufarbeitung in den Filmchen deutlich spannender als es in Wahrheit ist.

Und noch mal etwas weiter hinten:

Die Bundeswehr hat sich diese Reality-Doku übrigens einiges kosten lassen, nämlich 1,7 Millionen Euro. Dafür gab es schon Kritik.

Von all dem ist auf der Seite der Bundeswehr nichts zu lesen. Sie reißt ein paar Schlagworte aus dem Zusammenhang, wirft so den Tarnanzug über einen durchaus kritischen Beitrag des “ARD”-Hauptstadtstudio-Blogs und schmückt sich mit dem Endprodukt.

Mit Dank an Ole für den Hinweis!

Putin-Tours, Breitbart, Postfaktisches

1. Einladung nach Moskau: Wie Putin versucht, Schweizer Journalisten zu beeinflussen
(aargauerzeitung.ch, Dennis Bühler und Antonio Fumagalli)
Die “Aargauer Zeitung” aus der Schweiz beschäftigt sich gleich in drei Beiträgen mit Russlands Versuch, die Medien zu beeinflussen. Der erste Beitrag beginnt mit einem Anruf. Am Telefon ein Mitarbeiter der russischen Botschaft, der den Auftrag hat, zwei junge Schweizer Journalisten für einen viertägigen Workshop in Moskau zu rekrutieren. Zweieinhalb Wochen später starten die beiden Journalisten zu ihrer Propagandareise in die russische Hauptstadt. In “Russische Medien erzählen konsequent das Gegenteil von dem, was man im Westen hört” ordnet der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow die vom russischen Staat organisierte Pressereise ein und verrät, welche Absichten dahinterstecken. Und in Propaganda-Trip: Das haben unsere ausländischen Kollegen in Moskau erlebt kommen die Mitreisenden zu Wort.

2. «Breitbart News» wird Trump-Pravda
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Der Erfolg von Donald Trump ist auch der Erfolg von Stephen Bannon, dem Chef der ultrarechten “Breitbart News”. Dieser hatte mit einer aggressiven Agenda den Nährboden für Trump geschaffen und wird nun einflussreicher Berater und Chefstratege des neuen Präsidenten. Adrian Lobe zeichnet für die “Medienwoche” die Entwicklung der “Trump-Pravda” nach, die nun auch nach Europa expandieren will.

3. „Wir weisen auch auf Missstände hin“
(www.taz.de, Wilfried Urbe)
Das Online-Medienmagazin “dwdl.de” liefert mehrmals täglich aktualisierte Nachrichten aus Fernsehen, Print und Internet. Nun wird das Portal 15 Jahre alt. Während andere Seiten um ihre Existenz bangen müssen, erwirtschaftet “dwdl” aktuell einen Jahresumsatz von 700.000 Euro. Die “taz” hat sich mit Chefredakteur und Geschäftsführer Thomas Lückerath unter anderem über das Berufsbild von Journalisten, Einschaltquoten und die Zukunft des Fernsehens unterhalten.

4. Gespaltene Medienwelt: Wahlkampf gegen die Medien
(carta.info, Wolfgang Hagen & Hermann Rotermund)
Wie konnte es Trump gelingen, einen Wahlkampf gegen die Medien zu führen? Die “carta”-Autoren Hagen und Rotermund führen dafür im Wesentlichen vier Gründe an: “Eine nunmehr 30-jährige Tradition des überwiegend rechtskonservativen Talk Radios mit inzwischen über 3500 Stationen in den USA; eine inzwischen 20-jährige Tradition des auf Spaltung ausgerichteten, rechtskonservativen Nachrichtensenders “Fox-News”; die durchdringenden Wirkung der “scripted reality”-Formate, die in allen TV-Kanälen majoritär sind; und die verstärkenden Echokammern der abgeschotteten Teil-Öffentlichkeiten in den sozialen Medien des Internet.”

5. Gefühlte Wahrheiten
(zeit.de, Lenz Jacobsen)
Lenz Jacobsen beschäftigt sich in seiner neuen “Zeit”-Kolumne mit gefühlten Wahrheiten: “Menschen überschätzen Ungleichheit und Migration, aber unterschätzen die Zahl von Übergewichtigen und Politikerinnen.” Überall dort, wo sich eine besonders große Lücke zwischen Statistik und Wahrnehmung auftue, biete sich dem Populismus ein Einfallstor, so Jacobsen. Besonders eindrucksvoll das von ihm zitierte Zahlenbeispiel, in dem es um die Zahl der jährlich getöteten Amerikaner geht. In der vom Europa-Direktor der Hilfsorganisation “Human Rights Watch” verbreiteten Tabelle werden Todesursachen in den USA nach jährlicher Häufigkeit aufgelistet: zwei Tote pro Jahr durch eingewanderte, islamistische Terroristen. 21 Tote durch bewaffnete Kleinkinder, 31 durch Blitzeinschläge. 737 Amerikaner sterben jährlich, weil sie aus dem Bett fallen. Und 11.737 werden von anderen Amerikanern erschossen. Doch was sind die Konsequenzen und wie sollte Politik auf falsche Wahrnehmungen reagieren? Die Antworten darauf sind nicht einfach.
Nachtrag: Jacobsen hat auf Facebook noch ein paar Gedanken ergänzt

6. Gefahr für Geiseln – Tabus für Medien
(ndr.de, Sinje Stadtlich)
Letztes Jahr wurde eine deutsche Journalistin von einer islamistischen Gruppe entführt. Fast alle Medien hätten sich an das ungeschriebene Gesetz gehalten, über laufende Entführungsfälle nicht zu berichten, um das Leben der Geiseln nicht zu gefährden. Der “Focus” war davon abgewichen, hatte den vollen Namen der Frau nebst Bild veröffentlicht, Details zu ihrem Verschwinden genannt und munter drauflos fabuliert. Nachdem die Reporterin wieder frei und wohlbehalten in Deutschland zurück ist, hat das Medienmagazin “Zapp” den “Focus” dazu befragt. Dort ist man sich keiner Schuld bewusst. Ganz im Gegensatz zu der Einschätzung der “Reporter ohne Grenzen”, die die “Focus”-Berichterstattung als “verantwortungslos” bezeichnen.

Spannerfotos von Kindern? Das wird man ja wohl noch andeuten dürfen

Gestern, auf der Facebookseite von “Bild München”:

Linus Förster sitzt für die SPD im Bayerischen Landtag. Er ist dort jugendpolitischer Sprecher seiner Fraktion, stellvertretender Vorsitzender des Europaausschusses, außerdem ist Förster Vorsitzender der SPD im Bezirk Schwaben. Und jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen ihn, wegen des “Verdachts der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und der vorsätzlichen Körperverletzung” — klar, dass so gut wie alle Medien berichten.

Bild.de auch. Und das gestern auf die ganz eigene Art und Weise:

Bei den Ermittlungen geht es laut Staatsanwaltschaft um den Verdacht der vorsätzlichen Körperverletzung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen.

Der Strafrechtsparagraf zum letztgenannten Vorwurf bezieht sich auch auf voyeuristische Spannerfotos und insbesondere Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen.

Im Artikel hat die Redaktion — es sollen schließlich “Erinnerungen an den Fall Edathy” wach geworden sein — auch noch einige Links zu Beiträgen über Sebastian Edathy eingeblockt:

Um schon mal jetzt aufzulösen: Die Vorwürfe gegen Linus Förster haben rein gar nichts mit “Spannerfotos von Kindern” oder Kinderpornographie oder irgendetwas Vergleichbarem zu tun, auch wenn Bild.de an verschiedenen Stellen versucht, es so wirken zu lassen. Das hat Försters Anwalt dem Reporter offenbar auch so gesagt. Im Artikel steht:

Derartige Spekulationen [Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen] wies Anwalt Schmid jedoch klar zurück: “Dies ist falsch!”

Und dennoch bringt Bild.de das Thema mal eben so fröhlich ins Spiel.

Heute dann die Auflösung bei Bild.de und in der München-Ausgabe der “Bild”-Zeitung:


Sex-Skandal um den Augsburger Landtagsabgeordneten Linus Förster (51, SPD). Er soll Anfang September im Bett einer Hure heimlich die Handy-Kamera mitlaufen lassen haben. Danach flogen offenbar die Fetzen …

Das sind natürlich immer noch heftige Vorwürfe. Sie haben aber eben nichts Kinderpornographie zu tun. Dass Bild.de das Thema überhaupt ins Spiel bringt, könnte an dem Paragraphen liegen, um den es bei den Ermittlungen gegen Linus Förster geht: 201a Strafgesetzbuch, die “Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen”. In Absatz 3 heißt es dort:

Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat, herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen

In den zwei Absätzen davor geht es um das, womit die “Bild”-Medien sonst eigentlich zu tun haben: unbefugte Bildaufnahmen einer Person in dessen Wohnung, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, unbefugt Bildaufnahmen von hilflosen Personen, das Zurschaustellen von Personen.

Mit Dank an Marcus D. für den Hinweis!

AfD, Hasslawine, Game of Schund

1. Journalisten nicht willkommen
(djv.de, Eva Werner)
Journalisten nicht willkommen! Die AfD Baden-Württemberg will auf ihrem Landesparteitag keine Medien dabeihaben. Der Deutsche Journalisten-Verband wertet dies als Zeichen für ein massiv gestörtes Demokratieverständnis. DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall: “Geradezu lachhaft ist, dass die AfD Baden-Württemberg statt der Teilhabe am Landesparteitag Journalisten mit einer Pressekonferenz mit vorgefilterten Informationen abfrühstücken will.“

2. Warum “Programmatic Advertising” der eigenen Marke schaden kann: Wenn Werbung Wunder verspricht, haben Medien ein Problem
(kress.de, Bülend Ürük)
Von den politisch motivierten Fake-Nachrichtenseiten war die letzten Tage oftmals die Rede. Doch es gibt noch andere Desinformationsseiten und mit denen wird viel Geld verdient. Dabei geht es um Themen wie Diätpillen, Nahrungsergänzungsmittel, Glücksspiel und Kosmetik. Daniel Brückner von “testbericht.de” berichtet, dass die Werbung dieser Fakenachrichtenseiten auf 72 von 100 überprüften seriösen Nachrichtenseiten erscheint. Schuld daran sei unter anderem das “Programmatic Advertising” das Brückner als “Hintertürchen für Fake-Nachrichten” bezeichnet.

3. Obama sollte Manning die Reststrafe erlassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” appelliert an US-Präsident Barack Obama vor seinem Ausscheiden aus dem Amt, der inhaftierten Whistleblowerin Chelsea Manning den Rest ihrer Freiheitsstrafe zu erlassen: “Chelsea Manning sitzt schon jetzt länger im Gefängnis als jeder andere verurteilte Whistleblower in der US-Geschichte und hat während ihrer Haft grausam gelitten. Ihre unverhältnismäßige Strafe weiterhin zu vollstrecken, wäre eine unnötige Verlängerung ihrer Qualen. Schon jetzt zeichnen sich schwere Zeiten für die Pressefreiheit in den USA unter dem künftigen Präsidenten Donald Trump ab. Gnade für Chelsea Manning und Jeffrey Sterling wäre eine späte Gelegenheit für Obama, sich nach seinem erbitterten Feldzug gegen Whistleblower mit einem positiven Signal aus dem Amt zu verabschieden.”

4. Totficken, Steinigen, Kreuzigen – Wir haben getestet, ob Facebook Hetze und Morddrohungen löscht
(vice.com, Stefan Lauer)
“Vice”-Autor Stefan Lauer hat eine Woche lang mehr oder weniger wahllos, wie er sagt, auf den Facebook-Seiten von NPD, diversen Pegida-Ablegern, anderen rechten Facebook-Seiten und öffentlich einsehbaren privaten Profilen Hasskommentare gemeldet und abgewartet, was passiert. Die Ergebnisse sind, nunja, ernüchternd: “Facebook scheint in einer braunen Hasslawine zu versinken und nicht zu wissen, wie damit umzugehen ist. Oder sie wollen sich gar nicht darum kümmern.”

5. Ein Urteil gegen Ankara
(taz.de, Reinhard Wolff)
Die Türkei hatte beim Satellitenbetreiber Eutelsat einen Ausstrahlungsstopp des kurdischen TV-Kanals “Newroz” bewirkt. Dies hat ein Gericht nun kassiert: Der Sendestopp wurde für rechtswidrig erklärt, Eutelsat muss das Programm wieder ausstrahlen.

6. Was soll der Hype um “Game of Thrones”?
(sueddeutsche.de, Luise Checchin)
Luise Checchin metzelt für die “SZ” die US-amerikanische Fantasy-Fernsehserie “Game of Thrones” nieder: “Wäre Game of Thrones einfach nur platt und redundant, es wäre alles halb so schlimm. Aber da ist eben auch diese schmierige Grundstimmung, die ab der ersten Episode vorhanden ist und die nach und nach bei jedem einigermaßen kritisch denkenden Menschen einen fundamentalen Selbst- und Fremdekel auslösen müsste. Game of Thrones ist eine Aneinanderreihung von sexistischem und gewaltverherrlichendem Schund.”

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