Faktenprüfer, Reporterfabrik, Selbstinteressen-Vertreter

1. Umgang mit Falschmeldungen
(de.newsroom.fb.com)
Facebook kündigt an, gegen Fakenews vorgehen zu wollen. In den kommenden Wochen sollen entsprechende Updates in Deutschland erfolgen. Dabei wolle man sich auf die Verbreitung von eindeutigen Falschmeldungen, die durch Spammer erstellt wurden, konzentrieren. Außerdem will Facebook externe Faktenprüfer einbinden. In Deutschland sei dies zunächst “Correctiv”. Man arbeite jedoch daran, in Zukunft noch weitere Organisationen aus der Medienbranche als Partner zu gewinnen.
Ob dem netzpolitischen Sprecher von Bündnis90/Die Grünen Konstantin von Notz Facebooks Ankündigungen reichen, ist fraglich. Er fordert im Interview mit dem “Deutschlandfunk” die Bundesregierung auf, ihren Ankündigungen zur Bekämpfung von Hasskommentaren im Netz endlich Taten folgen zu lassen. Die Große Koalition habe viel zu lange nichts getan, während der Kultur- und Debatten-Verfall immer weiter vorangeschritten sei: “Ich kann nur sagen, der Justizminister sagt seit vielen Monaten, Facebook, wir müssen reden, aber irgendwann ist auch mal Schluss mit Reden. Wir müssen Gesetze machen und aktennotierte Internetunternehmen müssen sich an Gesetze halten. Und wenn man dann eben bei Überprüfungen uns Sich-diese-Dinge-Anschauen feststellt, dass nicht genug Leute dort beschäftigt sind, dass die Zeiten nicht eingehalten werden, bei denen diese Beanstandungen auch zu Löschungen führen, dann müssen eben auch Sanktionen ziehen…”
Weitere Leseempfehlung dazu: Julia Krügers ausführlicher und mit vielen Querverweisen unterfütterter Beitrag auf “Netzpolitik.org”
Warum der bisherige Kampf gegen #hatespeech und #fakenews auf Facebook irreführend ist – und welche Alternativen sich bieten

2. Polizist am Abgrund
(zeit.de, Thomas Fischer)
Rainer Wendt ist seit mittlerweile zehn Jahren Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), die als zweitstärkste Gewerkschaft der Polizei mit der “Gewerkschaft der Polizei” konkurriert. Nach unzähligen populistischen und polarisierenden Statements in den Medien hat er nun ein Buch geschrieben: “Deutschland in Gefahr”. Thomas Fischer, “Zeit”-Kolumnist und Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, hat sich das Werk angeschaut: “Das Buch von Rainer Wendt verstärkt Ängste und Vorurteile. Wer den Autor kennt, weiß, dass er ein intelligenter und schnell denkender Sprecher ist. Anders wird man nicht, was er ist, und erst recht nicht, was er noch werden will. Doch Deutschland in Gefahr ist nicht bloß ein inhaltlich unzutreffendes und literarisch schlechtes Buch. Bedauerlich ist, dass der Autor behauptet, Sprachrohr der deutschen Polizei zu sein. Dass er deren Interessen vertritt, ist zu bezweifeln. Sicher ist nur eines: Er vertritt die Interessen des Rainer Wendt.”

3. Der Troll an der Macht
(faz.net, Mark Siemons)
Mark Siemons hat sich in der “FAZ” Gedanken über das Twitter-Verhalten des zukünftigen US-Präsidenten gemacht: “Während Obama seinen Twitter-Account von einem Team verwalten lässt, das seine in den üblichen Verfahren und Institutionen entwickelte Politik der Öffentlichkeit zu vermitteln versucht, ist Twitter für Trump zugleich der Entwickler, das Medium und der Vollstrecker der Politik selbst – gleich, ob es um China, um Guantanamo, General Motors oder die unabhängige Ethikbehörde des Kongresses geht. All die Sicherungen der Institutionen, von denen man sich nach Trumps Wahl noch zur Beruhigung versichert hatte, wie stark sie seien, werden durch dieses Verfahren umgangen. Trumps Tweets sind so unpresidented wie unprecedented. Sieht es so aus, wenn eine loose cannon über das Deck der Weltpolitik zu rollen beginnt?”

4. Im Berliner Verlag gilt Kontaktverbot zu den neuen Chefs
(horizont.net)
Das Kölner Medienunternehmen DuMont baut sein Zeitungsgeschäft um. In Berlin hat das weitreichende Folgen für die Mitarbeiter: DuMont legt die Redaktionen von “Berliner Zeitung” und “Berliner Kurier” zusammen. Viele Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz oder müssen weiterhin um ihren Arbeitsplatz bangen. Wie Ulrike Simon berichtet, verläuft das gesamte Procedere alles andere als schön.

5. Reporterfabrik, WebAkademie des Journalismus
(facebook.com, Cordt Schnibben)
“Spiegel”-Redakteur Cordt Schnibben und “Correctiv”-Gründer David Schraven wollen eine Web-Akademie des Journalismus aufbauen, die sich an Nicht-Journalisten und Journalisten wendet. Dabei ginge es um vier Ziele: Grundlagen des journalistischen Handwerks vermitteln, die Funktionsweise von sozialen und klassischen Medien durchschaubar machen, Versuche der Desinformation erkennbar machen, Fortbildung und Erfahrungsaustausch von Journalisten. Das Projekt wird von vielen Promis der Journalistenszene unterstützt. Wie das Ganze funktionieren soll, kann man dem beim Reporterforum veröffentlichten Paper entnehmen.

6. Die Macht der Kunst
(taz.de, Nora Bossong)
Die Schauspielerin Meryl Streep hat bei der Golden-Globe-Verleihung eine vielbeachtete, emotionale Rede gehalten, in der sie mit deutlichen Worten den künftigen US-Präsident Donald Trump kritisierte. Sie erinnere uns daran, dass Kunst kein berieselndes Wunderland sein soll, sondern Empathie lehrt und Verantwortung trägt, so Nora Bossong in der “taz”.

“Nafri”, “Nazi” – klingt doch auch fast gleich

In der “Bild am Sonntag” von heute spricht die “Grünen”-Vorsitzende Simone Peter über ihre Kritik am Polizeieinsatz in der Kölner Silvesternacht. Vor zwei Wochen hatte sie unter anderem gesagt, dass die Verwendung einer “herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie ‘Nafris’ für Nordafrikaner durch staatliche Organe wie die Polizei” völlig inakzeptabel sei.

Frage fünf des Interviews greift diese Aussage auf und zieht einen, nun ja, bemerkenswerten Vergleich:

Peters Antwort: Das sei nicht vergleichbar.

Direkt im Anschluss geht es dann noch um “rassistischen Hass und Hetze”, den beziehungsweise die Simone Peter nach ihrer Kritik an der Kölner Polizei erlebt hat:

Haben Sie eine solche Wut schon jemals zuvor erlebt?

Peter: “Wut klingt noch zu harmlos. Ich habe eine solche Hasswelle noch nie zuvor erlebt. Verstärkt wurde sie durch Zuspitzungen in der Berichterstattung, aber offenbar auch durch sogenannte social bots.”

“Zuspitzungen in der Berichterstattung”, die die Hasswelle verstärkt hätten? Wir haben da eine Idee, wer damit gemeint sein könnte.

Erst prüfen lassen

Es ist aber auch ein ziemliches Auf und Ab für die Kölner Polizei: In der Silvesternacht 2015/2016 warf man ihr noch komplettes Versagen vor, “alles falsch gemacht”, so die Kritiker. Ein Jahr später — also vor wenigen Wochen — galt das Verhalten der Polizisten am Hauptbahnhof als unangreifbar, “alles richtig gemacht”, so die Schulterklopfer. Und heute sind die Polizei Köln und ihr Präsident Jürgen Mathies bei “Bild” schon wieder “Verlierer” des Tages:

Grund für das erneute Ab sind Aussagen bei einer Pressekonferenz, bei der Mathies und seine Kollegen neue Zahlen zum Einsatz in der Silvesternacht präsentiert haben: Bei 425 der 674 Männer, die die Beamten im Umfeld des Kölner Hauptbahnhofs kontrolliert haben, habe man eine Nationalität feststellen können. Das Ergebnis unter anderem: 99 von ihnen seien Iraker gewesen, 94 Syrer, 48 Afghanen, 46 Deutsche, 17 Marokkaner, 13 Algerier — also nicht gerade Nordafrikaner in der deutlichen Mehrheit, wie erst von den Beamten behauptet. Die Zahlen stünden allerdings “unter dem Vorbehalt noch andauernder Ermittlungen”, wie die Kölner Polizei in einer späteren Pressemitteilung schrieb:

Viele dieser Personen haben sich mit Dokumenten und Bescheinigungen ausgewiesen, die nicht als sichere Dokumente im Sinne einer zweifelsfreien Bestimmung der Staatsangehörigkeit gelten.

Aus aktuellen Ermittlungsverfahren ist bekannt, dass sich insbesondere junge Männer, die nicht die Anforderungen für die Anerkennung als Asylsuchende erfüllen, als Kriegsflüchtlinge aus Syrien ausgeben. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich unter den 425 Personen noch eine größere Anzahl nordafrikanischer junger Männer befindet. Eine genaue Aussage lässt sich erst nach weiteren Ermittlungen klären.

Nimmt man mal den Extremfall, dass alle 94 Männer, die sich bei den Kontrollen als Syrer ausgegeben haben, gar keine Syrer sind, sondern aus Marokko oder Algerien oder Tunesien kommen, dann stammen von den 425 überprüften Personen, denen eine Nationalität zugewiesen werden konnte, 124 aus Nordafrika, knapp 29 Prozent.

“Erst prüfen, dann twittern”, empfiehlt “Bild” heute also. Ja, guter Vorschlag. Man könnte noch hinzufügen: “Erst prüfen lassen, dann so tun, als wüsste man genau Bescheid, was denn nun wirklich los war am Hauptbahnhof.” Denn nicht nur die Kölner Polizei und ihr Präsident Jürgen Mathies haben in den Tagen nach Silvester stets behauptet, dass vor allem Männer aus Nordafrika kontrolliert wurden, sondern auch viele Medien.

Bleiben wir mal bei “Bild” und Bild.de. Bereits am 2. Januar legte sich Franz Solms-Laubach bei seiner Beurteilung des Polizeieinsatzes in Köln klipp und klar fest:

Fakt ist je­doch: Die Po­li­zei in Köln hat an Silvester 2016 alles rich­tig gemacht!

Und die ein­ge­kes­sel­ten Mi­gran­ten vom Köl­ner Bahn­hof in 2016 waren fast ausschließ­lich Nordafrika­ner.

Durch die Zahlen, die die Kölner Polizei nun bei ihrer Pressekonferenz präsentiert hat, zeigt sich: Stimmte offenbar nicht.

Was noch schlimmer war: Solms-Laubach und seine “Bild”-Kollegen erklärten all diejenigen, die die Beurteilung des Einsatzes und die präsentierten Fakten hinterfragten, anzweifelten oder zumindest diskutieren wollten, zu Idioten. Eine Debatte wurde nicht zugelassen. Wer es mindestens merkwürdig fand, dass die Polizei vor allem aufgrund des Aussehens entschied, wen sie kontrolliert und wen nicht, und nach der Prämisse handelte “jeder, der in etwa so aussieht wie ein Täter des vergangenen Jahres, ist in diesem Jahr ein potentieller Täter” (ein Polizeisprecher sagte später: “Wie ein Nordafrikaner grundsätzlich aussieht, das weiß man.”), wurde angefeindet. Zum Beispiel Simone Peter. Die Vorsitzende der “Grünen” sagte der “Rheinischen Post”, dass das Polizei-Großaufgebot Übergriffe zwar deutlich begrenzt habe:

“Allerdings stellt sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, wenn insgesamt knapp 1000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden.”

“Bild” erklärte Peter daraufhin zur “GRÜFRI”, zur “GRÜn-Fundamentalistisch-Realitätsfremden Intensivschwätzerin”. Sie sei der Superlativ von “dumm”:

Eine der Grundlagen für die harsche “Bild”-Kritik an Simone Peter ist auch hier die anscheinend falsche Annahme, dass es sich bei den kontrollierten Personen in der Silversternacht zum Großteil um Männer aus den nordafrikanischen Staaten handelte.

Mit Dank an Adib E. K. und @WernerHinzpeter für die Hinweise!

Ganz dünnes Eis

Also neee, ihhhh, bäääh, ist ja eklig. Gaffer. Damit wollen die Online-Redakteure des Münchner Boulevardblatts “tz” nichts zu tun haben:

Vergangenen Freitag ist ein Touristenpaar in den Olympiasee in München eingebrochen. Sie hatten die Eisschicht dicker eingeschätzt als sie tatsächlich war. Am Ende ist alles einigermaßen gut ausgegangen: Die 39-jährige Frau und der 40-jährige Mann kamen zwar in eine Klinik, passiert ist ihnen aber nichts Schlimmeres. Ihr Kind, das ebenfalls übers Eis lief, war gar nicht erst eingebrochen.

Und dann waren da noch die Gaffer, über die sich die “tz”-Mitarbeiter so ärgern: Ein Mann und eine Frau standen am gegenüberliegenden Ufer des Sees, filmten das Geschehen und ließen einige Holzkopf-Aussagen ab. Die Frau fragt zum Beispiel: “Meinst du, die krachen dort ein?” Und der Mann antwortet: “Vielleicht, ich hoff’s, haha.” Und die Frau sagt: “Ich hoff’s gerade auch.” Und der Mann sagt: “Sonst würde ich es nicht filmen.” Und als die zwei Touristen dann tatsächlich “einkrachen”, jubelt der Mann: “Haha, hahaha, und ich hab’s drauf. Haha, ich hab’s drauf. Hörst du, wie sie schreien? Haha.”

Das ist alles ziemlich erbärmlich. Das “tz”-Team findet auch, dass die Videoaufnahmen für “Kopfschütteln” sorgen:

Unfassbarer Vorfall am Olympiasee: Zwei Gaffer hofften, dass Personen ins Eis einbrechen. So kam es dann auch — und sie lachten darüber. Wir zeigen das Video.

Ja, richtig gelesen: Die “tz”-Mitarbeiter finden es zwar ganz “Unfassbar!”, dass da Leute filmen und ätzende Kommentare abgeben, anstatt zu helfen, zeigen das 1:16 Minuten lange Video aber trotzdem. Und nicht nur das. Sie haben es extra mit einem “tz”-Logo versehen und zwischendurch — im Sinne der Dramaturgie — Texttafeln eingebaut:




Ganz zum Schluss erklärt die Redaktion dann auch noch mal, warum sie die Aufnahmen überhaupt zeigt:

Na klar, Ehrensache.

Mit Dank an Michel K. für den Hinweis!

Rabiator Trump, Stiftungsbeistand, Feindbild Köppel

1. “Ihr seid Fake News!”
(spiegel.de, Marc Pitzke)
„Trumps erste Pressekonferenz als designierter US-Präsident versinkt im Chaos, noch bevor sie anfängt. Dutzende Reporter keilen sich im Trump Tower um Plätze. Es stinkt nach Schweiß und den Toiletten, die dem Andrang nicht gewachsen sind.“ Marc Pitzke über ein verstörendes Event mit dem großen amerikanischen Rabiator.

2. Körber Stiftung verteidigt Somuncu-Auftritt
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Der Kabarettist Serdar Somuncu hat Ende 2015 bei einer Podiumsdiskussion der Körber Stiftung mit deutlichen Worten Kritik an TV-Sendern geübt und ihnen vorgeworfen, seine Beiträge zu zensieren. Dabei sind auch Beleidigungen gefallen, gegen die eine Redakteurin mit Unterstützung des WDR juristisch vorgehen will. Die Stiftung hat die strittigen Passagen nun aus dem Videomitschnitt entfernt, verteidigt aber den Auftritt des Kabarettisten: „Da wir den vielen weiteren klugen und richtigen Aussagen im Gespräch gern weiterhin eine Plattform geben wollen, haben wir uns entschieden, das Video um die strittige Passage zu beschneiden und wieder einzustellen.”

3. Ich guck’ Sponsoren-TV
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Das erste Spiel bei der Handball-WM – übertragen von einem Sponsor im Internet, auf Youtube. Warum eigentlich nicht, fragt Markus Ehrenberg im „Tagesspiegel“ und konstatiert: „Ein Spiel ist ein Spiel ist ein Spiel. Egal, wer hier wen sponsert. Kein großes Gedöns vorher und hinterher, Handball pur.“

4. Wie mache ich mir ein Feindbild?
(medienwoche.ch, René Zeyer)
In letzter Zeit erschienen verschiedene Porträts des Schweizer Journalisten Roger Köppel, der vor allem durch seinen Rechtspopulismus von sich reden macht. René Zeyer hat sich die Porträts von „NDR“, „Spiegel“, Süddeutsche“, „Zeit“ und „Blick“ angeschaut und Noten vergeben.

5. Von starken Frauen … und Kerlen in Redaktionen
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Eigentlich wollte Ulrike Simon in dieser Woche über Kai Diekmann schreiben. Doch dann starb die langjährige „Brigitte“-Chefin Anne Volk. Ein Grund für Kolumnistin Simon ihren Beitrag dieser Frau zu widmen, die sie als eine Ausnahmeerscheinung bezeichnet. Zum Schluss gehts dann doch nochmal um die Causa Diekmann und das ihr merkwürdig erscheinende Datum der angeblichen sexuellen Belästigung durch den Ex-Bild-Chef: „Sollte dieses Datum stimmen, muss die Frage erlaubt sein, warum die Journalisten an diesem Abend nicht längst dort waren, wo sie hingehört hätten: in der Redaktion. Am 22. Juli 2016 schoss im OEZ in München ein Amokläufer um sich.“

6. Fotoveröffentlichung – wann darf ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden?
(fachjournalist.de, Frank C. Biethahn)
Medien leben von Fotoveröffentlichungen. Diese können aber schnell mit dem Persönlichkeitsrecht kollidieren. Wann ist eine Einwilligung erforderlich und wann nicht? Rechtsanwalt Frank C. Biethahn beschreibt anhand von Beispielen, in welchen Fällen eine Einwilligung entbehrlich ist.

7. Übermedien abonnieren
(uebrmedien.de, Boris Rosenkranz & Stefan Niggemeier)
Die Kollegen von “Übermedien” feiern heute ihr einjähriges Bestehen. Dazu erstmal: herzlichen Glückwünsch! Wenn Sie den beiden — Medienjournalist Boris Rosenkranz und BILDblog-Gründer Stefan Niggemeier — an diesem besonderen Tag eine Freude machen wollen, hätten wir einen Geschenktipp: Schließen Sie doch ein “Übermedien”-Abonnement ab. Das kostet 3,99 Euro im Monat und lohnt sich. Wirklich.

Alle sind gleich, aber manche sind Kai Diekmann

Es gilt die Unschuldsvermutung. Für jeden, und natürlich auch für “Bild”-Herausgeber Kai Diekmann. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt momentan gegen ihn, nachdem eine “Springer”-Mitarbeiterin Anzeige erstattet hatte. Im vergangenen Sommer soll Diekmann sie beim Baden sexuell belästigt haben, so der Vorwurf, den Diekmann bestreitet.

Der “Spiegel” und “Spiegel Online” schrieben vergangene Woche als Erste über die Anzeige, viele weitere Medien zogen nach. Anders als von einigen Leuten bei Facebook und Twitter behauptet, griffen auch die “Bild”-Redaktionen das Thema auf. Bild.de berichtete noch am Freitag, für einige Stunden war eine “dpa”-Meldung auf der Startseite klein verlinkt:

“Bild” brachte am Samstag die gleiche “dpa”-Meldung, ganz unten auf Seite 2:

Und einen Tag später veröffentlichte “Bild am Sonntag”, wo Diekmann ebenfalls Herausgeber ist, auf Seite 2 einen eigenen kurzen Artikel:

Man kann also nicht sagen, dass “Bild”, Bild.de und “Bild am Sonntag” das Thema totgeschwiegen hätten. Vielleicht kann man sogar sagen, dass sie angemessen berichtet haben: nüchtern, keine sensationsgierige “Sex”-Schlagzeile, nicht vorverurteilend (zugegeben: alles andere wäre im Fall des eigenen Herausgebers auch eine große Überraschung gewesen). Schließlich steht außer den Tatsachen, dass gegen Kai Diekmann eine Anzeige vorliegt und die Staatsanwaltschaft ermittelt, nichts fest.

Heute berichten die Berlin-Ausgabe der “Bild”-Zeitung und Bild.de über den “AfD”-Politiker Andreas Kalbitz. Gegen Kalbitz liegt eine anonyme Anzeige wegen sexueller Belästigung vor, die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft derzeit, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleitet. Der Stellvertreter des brandenburgischen “AfD”-Chefs Alexander Gauland soll sich bei einer Party der “Jungen Alternativen” teilweise noch minderjährigen Jugendlichen “sexuell genähert” haben, so der Vorwurf, den Kalbitz bestreitet.

Auch hier ist noch nicht klar, was an den schweren Vorwürfen dran ist. Doch statt wie bei Diekmann auf eine große Aufmachung und Reizwörter wie “Sex” in der Überschrift zu verzichten, berichtet “Bild” so:

Nicht falsch verstehen: Wir sind nicht dafür, dass “Bild” über Kai Diekmann so berichtet wie in diesem Fall über Andreas Kalbitz. Andersrum wäre es wünschenswert: Dass die “Bild”-Medien — wie im Fall ihres Herausgebers — Ermittlungen abwarten, die ermittelnden Behörden und, sollte es zu einem Prozess kommen, die Gerichte ihren Job machen lassen, bevor sie riesige Artikel bringen. In der Vergangenheit, unter der Leitung von Kai Diekmann, hat sich zu oft gezeigt, dass die “Bild”-Redakteure mit ihren schnellen Schlagzeilen zu oft danebenlagen.

Mit Dank an alle Hinweisgeber!

Schmalbart, rechte Korrektheit, Tierfilmspektakel

1. “Breitbart ist eigentlich nur der Aufhänger”
(deutschlandfunk.de, Tanja Runow, Audio, 10:42 Minuten)
Nachdem das amerikanische News-Portal “Breitbart” angekündigt hat, auch in Deutschland einen Ableger der rechtslastigen Seite zu eröffnen, hat sich Widerstand geformt: Unter “Schmalbart” wollen rund 200 Medienexperten ein Aufklärungsportal gründen. Der “Deutschlandfunk” hat mit Initiator Christoph Kappes über das Vorhaben gesprochen. Das Interview gibt es auch zum Nachlesen.

2. Wir müssen sagen dürfen – alle anderen nicht
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Kaum etwas ärgert Rechte so sehr wie der Begriff “Political Correctness”, findet Sascha Lobo in seiner Kolumne beim „Spiegel“. Dabei hätten die Rechten längst ein Gegenkonzept entwickelt: die rechte Korrektheit: „Bei näherem Hinsehen wird jeder Vorwurf, der der linken Political Correctness gemacht wurde, von rechts aggressiver und ungebremster in der öffentlichen Debatte vorgetragen als je zuvor. Rechte Political Correctness streicht die positiven, mäßigenden Elemente der politischen Korrektheit weg und streift sich den antiliberalen Rest auf rechts gewendet über.“

3. „Wir sind es leid“
(taz.de, Jürgen Gottschlich)
Es ist schon bitter: Die Türkei hat nun auch den türkischen Vertreter der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Önderoğlu angeklagt. Die Türkei wirft ihm vor, gemeinsam mit anderen bekannten Journalisten, Publizisten und Menschenrechtlern „Propaganda für eine Terrororganisation“ betrieben zu haben. Der Grund: Er hat sich dafür eingesetzt, dass die prokurdische Tageszeitung „Özgür Gündem“ nicht geschlossen wird.

4. Uwe Kopf
(facebook.com, Jens Meyer-Wellmann)
Jens Meyer-Wellmann erinnert auf Facebook an den jüngst verstorbenen Hamburger Journalist und Autor Uwe Kopf und zeigt eine Seite mit Schreibregeln des ehemaligen „Tempo“-Textchefs. Regeln und Schreibhinweise, die teilweise auch heute noch Bestand hätten.
Im „Rolling Stone“ gibt es einen Nachruf auf Uwe Kopf: Der Verzauberer

5. Fauna im Actionstress
(tagesspiegel.de, Ariane Bemmer)
Warum werden Tierfilme mit Musik überladen und sparen mit Informationen, fragt Ariane Bemmer in ihrem Beschwerderuf. Sie ärgert sich nicht nur über die überfrachtete Musik, sondern auch über die gesprochenen Texte der Tier-Dokus: „Nicht nur den Zuschauern gegenüber, auch gegenüber den Tierfilm-Crews, die größte Mühen investieren, um die Bilder zu bekommen, ist das blöde Spektakelsprech überaus unfair.“

6. ARD findet beinahe eine Antwort auf die K-Frage
(uebermedien.de, Video, 1:41 Minuten)
Die ARD hat ihre besten Leute zum supersupergeheimen Geheimtreffen der SPD geschickt und beinahe eine Antwort auf die K-Frage gefunden. Beinahe …

Ihr EUmel! (7)

Aaaahhhhh! Pfffffff! Tssssss! Grrrrrrr!

Okay, machen wir es kurz — wir haben hier schließlich schon oft genug drauf hingewiesen: Der “Europäische Gerichtshof für Menschenrechte” (“EGMR”) ist kein “EU-Gericht”!

Nein, er ist KEIN “EU-Gericht”. Er hat zwar gestern entschieden, dass muslimische Schülerinnen zur Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen verpflichtet werden können. Aber: Der “EGMR” ist kein “EU-Gericht”.

Das gilt übrigens auch für Euch, liebe “Tagesthemen”-Mitarbeiter: Der “Europäische Gerichtshof für Menschenrechte” ist kein “EU-Gericht”!

Na, dann lasst mal sehen …

Hmpf.

Ach, und Bild.de — nein, der “EGMR” ist auch nicht der “EuGH”:

Mit Dank an Kai und @Krazikrizz für die Hinweise!

Und jährlich grüßt die Terrorpropaganda

Die Entscheidung ist keine ganz einfache für Redaktionen: Wie und wie viel berichtet man über den sogenannten “Islamischen Staat”? Die Gefahr, die dabei immer besteht: Durch die Übernahme von Fotos und Videos und anderem Propagandamaterial wird man schnell selbst zum Sprachrohr der Terrororganisation. Auf der anderen Seite will man seine Leser/Hörer/Zuschauer aber auch über das informieren, was in den Gebieten passiert, die der sogenannte “IS” kontrolliert.

Wie man es auf jeden Fall nicht machen sollte, zeigten in der Vergangenheit “Bild”, Bild.de und “Focus Online”, die Fotos und Videos des sogenannten “IS” veröffentlicht hatten, auf denen Hinrichtungen zu sehen waren, die Opfer teilweise nicht mal verpixelt. Auch das Team von “Spiegel Online” agierte nicht gerade glücklich, als es Propagandaaufnahmen der Terroristen aus der irakischen Stadt Mossul übernommen hatte.

Beim österreichischen Knallportal oe24.at hat man sich offenbar dazu entschlossen, sich gar nicht erst Gedanken zu machen über den Umgang mit Terrorpropaganda und stattdessen alles rauszupfeffern, was der sogenannte “Islamische Staat” so hergibt und reichlich Reichweite bringen könnte.

Zum Beispiel der “7-Stufen-Plan”. Diesen Artikel hat die Redaktion vor gut einer Woche veröffentlicht:

Zum Hintergrund: Der “7-Stufen-Plan” stammt eigentlich aus einem Buch des jordanischen Journalisten Fuad Hussein und beschreibt eine langfristige Strategie der Terrororganisation Al-Qaida. Yassin Musharbash hatte 2005 bei “Spiegel Online” über Husseins Buch und die “sieben Phasen bis zum Kalifat” geschrieben. Bis 2020, so zeigt es Husseins Recherche, wolle Al-Qaida den “endgültigen Sieg” erreichen. Aktuell würden wir uns in Phase 6 befinden, der Phase der “totalen Konfrontation”.

Inzwischen haben die “IS”-Terroristen den “7-Stufen-Plan” übernommen und einzelne weltpolitische Ereignisse in ihrem Sinne gedeutet: Die Regimestürze im Arabischen Frühling beispielsweise passen zeitlich und inhaltlich wunderbar in Phase 4, die “Phase des Umsturzes”. oe24.at übernimmt diese Deutungen und verbreitet sie auf der eigenen Webseite:

4.Phase 2011-2013 (Die Phase des Umsturzes)
Die verhassten arabischen Regime sollen beseitigt werden. Dies geschah durch den Arabischen Frühling, weniger durch Angriffe der Jihadisten.

Die Redaktion tut nicht erst seit diesem Jahr so, als würde alles nach dem großen “IS”-Masterplan laufen, der dazu führen soll, dass die Terroristen 2020 “große Teile der Welt” beherrschten, “auch Österreich, dass Teil von Oropba werden soll”. Im Juli 2016 gab es einen ganz ähnlichen Artikel:

Oder im Januar 2016:

Oder im Dezember 2015:

Oder ebenfalls im Dezember 2015:

Oder noch mal im Dezember 2015:

Oder im November 2015:

Oder im August 2015:

Jedes Mal ging es um den “7-Stufen-Plan”, jedes Mal präsentierte oe24.at ihn so, als hätte ein Verein aus der Fußball-Bundesliga ein neues Konzept oder ein DAX-Konzern eine neue Strategie vorgestellt. Und jedes Mal hatte der Artikel mehrere Hundert, zum größten Teil sogar mehrere Tausend Likes. Hat sich für das Portal wohl gelohnt, die kühnen Terroristenträume zu verbreiten.

So langsam scheinen die Redakteure den Bogen allerdings überspannt zu haben. Unter dem aktuellsten “7-Stufen-Plan”-Beitrag findet man diese Leserkommentare:

Und wie oft wird derselbe Bullshit noch aufgewärmt und wieder gebracht? Winterloch ausfüllen?

Im Abstand von 3 Monaten postet ihr den selben Bullshit..

Geh bitte, Herr Fellner, nicht schon wieder diese alte Geschichte aufwärmen.

…hahaha, wie oft noch,die Geschichte kenn ma schon auswendig

Mit Dank an Jonas für den Hinweis!

Audio-Photoshop, Sieg der Anstalt, Somuncus Wutattacke

1. O-Töne aus der Maschine? Adobes „Project VoCo“ könnte Radiowelt auf den Kopf stellen
(blmplus.de, Sandra Mueller)
Softwareriese Adobe arbeitet an einem Programm, das die einen begeistert und die anderen entsetzt. Noch ist “VoCo” nur ein Projekt, doch bald schon soll es als eine Art Photoshop für Audio auf den Markt kommen. Es sind viele Einsatzmöglichkeiten denkbar: Computerstimmen könnten zum Beispiel Radionachrichten vorlesen. Doch es geht auch anders: Mit der Software kann man einen Text auch mit der Stimme der Kanzlerin vorlesen lassen. Und schnell wird klar, dass Radiomacher bald in Erklärungsnöte hinsichtlich der Echtheit ihrer Aufnahmen geraten könnten. Laut einer Umfrage wünschen sich daher viele Befragte Transparenzregeln oder fordern sogar einen vollständigen Verzicht auf die neue Technologie.

2. “Zeit”-Journalisten scheitern mit Klage gegen ZDF-Satire
(spiegel.de)
Im Jahr 2014 ging es in der ZDF-Satiresendung “Die Anstalt” um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten beim Thema Sicherheitspolitik. Dabei wurden die Namen von zwei Journalisten ins Spiel gebracht: “Zeit”-Herausgeber Josef Joffe sei Mitglied, Vorstand oder Beirat in acht transatlantischen Organisationen, “Zeit”-Journalist Jochen Bittner Mitglied in drei entsprechenden Thinktanks. Dagegen hatten sich die beiden Journalisten mit einstweiligen Verfügungen und Unterlassungsklagen gewehrt. Nun hat der BGH zu Gunsten der “Anstalt” entschieden: Die Angaben zu den Interessenkonflikten der wegen unstreitiger Mitgliedschaften in Lobbyorganisationen würden grundsätzlich stimmen. Die Aussage, dass es “Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen” gäbe, sei zutreffend.

3. Unter Verdacht (1)
(zeit.de, Thomas Fischer)
Nichts gerate im Strafverfahren so leicht und endgültig verloren wie die Unschuld. Wer schuldig sei und wer nicht, würden Justiz, Medien und Öffentlichkeit oft anders sehen, so BGH-Richter Thomas Fischer in seiner Kolumne “Fischer im Recht”. Es geht um drei konkrete Fälle von Anfangsverdacht, Betrugsverdacht und Migrationsverdacht, aber auch die abstrakten Rechtsbegriffe. Nicht mal so nebenbei zu lesen, aber eine wie immer lohnende, da klüger machende Lektüre mit Unterhaltungskomponente.

4. „Lügenpresse“ all’italiana
(de.ejo-online.eu, Heiner Hug)
Der italienische Politiker, Komiker, politischer Kabarettist und Schauspieler Beppe Grillo macht mal wieder von sich reden. Der Initiator der Bewegung “MoVimento 5 Stelle” (deutsch: Fünf-Sterne-Bewegung) will einen „Volksgerichtshof“ schaffen. Dieser soll aus Bürgerinnen und Bürgern bestehen, die Zeitungsartikel und Fernsehberichte auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Dies sei insofern verwunderlich, so der Autor Heiner Hug, da Grillo selbst ein bloggender Hitzkopf und Populist: “Und was er da fast täglich von sich gibt und behauptet, erfüllt die Kriterien „postfaktisch“ und „Fake News“ oft bei weitem. Zudem publiziert er – nachweisbar – Meldungen, die Putins Trolle verfassen.”

5. Nach Wutattacke im Interview: WDR-Mitarbeiterin geht wegen Beleidigung gegen Kabarettist Serdar Somuncu vor
(meedia.de, Marvin Schade)
Der für seine direkte und unverblümt bis ruppige Art bekannte Kabarettist Serdar Somuncu soll Ende 2015 in einem Interview den Sendern vorgeworfen haben, ihn und seine Programme zu zensieren und in beleidigender Weise eine konkrete Redakteurin genannt haben. Diese habe nun erst Kenntnis von dem Videomitschnitt und den Äußerungen Somuncus über sie erhalten und wolle, mit Unterstützung ihres Arbeitgebers, dem WDR, wegen schwerer Beleidigung gegen Somuncu vorgehen.

6. So schauen die Fans die Handball-WM
(haz.de)
Die heute beginnende Handball-WM ist in gewisser Weise ein Novum: Erstmals soll eine sportliche Großveranstaltung in Deutschland nur von einem Sponsor im Internet gezeigt werden. Die “Haz” erklärt, wie es zu der merkwürdigen Situation kam und verrät wie und wo man die Spiele sehen kann.
Alternative für Kulturliebhaber: Ab 18.30 Uhr kann man live via Youtube bei der Einweihung der Elbphilharmonie und dem Eröffnungskonzert dabei sein. Das Besondere: Es soll einen spektakulären 360°-Livestream geben!

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