Weil in der “Bild”-Redaktion offenbar niemand aufzutreiben war, der sich mit dem “Welt-Phänomen” der Filmreihe “High School Musical” auskennt, durfte kurzerhand Dina, die neunjährige Tochter von Norbert Körzdörfer, den Hauptdarsteller Zac Efron interviewen.
Körzdörfer hielt sich mit dem, was die “große BILD-Zeitung” gefragt hätte, zurück und überließ stattdessen für 50 Zeilen der “BILD-Kid-Reporterin” und ihren sieben Kinderfragen den Artikel. Entweder konnte er sich aber dann doch nicht ganz zurückhalten …
In Genf ist gerade Uhrenmesse. Und “Bild” ist in Person von “BILD-Chefreporterin” Annette Pawlu mit dabei. Kein Wunder, da sind ja auch die ganzen Prominenten und halten zum Beispiel ihre Uhren in die Kameras: Zinedine Zidane, Boris Becker, Oliver Bierhoff, Kevin Spacey, Jean Reno, Sebastian Koch oder Johann Lafer.
Uhrenhersteller sind natürlich auch vor Ort. Die “16 nobelsten Uhrenmarken der Welt”, stand gestern (siehe Ausriss) in “Bild” – und dass der Fußballer Zinedine Zidane sich eine Uhr “bei IWC”, einem Schaffhausener Uhrmacher, aussuchte. Heute erfahren wir, dass IWC “schon wieder” eine Party geschmissen hat.
Apropos IWC. “Meistertrainer” Ottmar Hitzfeld erzählte bereits vorgestern im “Bild”-Sportteil, dass er sich “eine schöne Uhr von IWC bestellen” werde: “Ich habe sie mir schon ausgesucht…”.
Ob sich Boris Becker, Oliver Bierhoff, Kevin Spacey, Jean Reno, Sebastian Koch oder Johann Lafer auch eine IWC aussuchen würden, steht nicht in “Bild”. Aber Boris Becker und Oliver Bierhoff sind “Botschafter” für IWC, ebenso wie Zinedine Zidane und Ottmar Hitzfeld “Botschafter” für IWC sind. Kevin Spacey hat schon auf der Uhrenmesse im vergangenen Jahr für IWC geworben. Schon damals wurde auch Jean Reno mit einer IWC gesichtet. Dass Sebastian Koch eine “schwarze IWC-Flieger-Uhr” trägt, berichtete Norbert Körzdörfer im Dezember 2007. Johann Lafer trägt Berichten von Uhrliebhabern zufolge öfter eine “Keramik Doppelchrono von IWC”. Und alle diese IWC-Promis tauchten im Zusammenhang mit IWC in den letzten drei “Bild”-Ausgaben auf.
Wie das Schweizerische Wirtschaftsmagazin “Bilanz” kürzlich schrieb, werben IWC-“Botschafter” für ihren Werbepartner übrigens “diskret und ohne Testimonials”.
Bleibt die Frage, welche eigentlich die anderen 15 “nobelsten Uhrenmarken der Welt” sind, die in Genf ausstellen. Darüber erfährt man nämlich gar nichts in “Bild”. Aber wahrscheinlich haben die keine so gerissene Werbestrategie schmeißen die einfach nicht so gute Partys.
Mit Dank an Christian H. für den sachdienlichen Hinweis.
“Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der ‘Bild’-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.” (Heinrich Böll in seiner Vorbemerkung zu “Die verlorene Ehre der Katharina Blum”, 1974)
“Übrigens war die Reaktion der Presse, die sich getrost als mit diesem Buch ‘gemeint’ verstehen konnte, (…) streckenweise geradezu albern. Man verzichtete auf die wöchentliche Bestseller-Liste, weil man das Buch hätte nennen müssen.” (Heinrich Böll in seinem “Nachwort zur Neuausgabe: ‘Die verlorene Ehre der Katharina Blum'”, 1984)
Es begab sich aber zu der Zeit, als der deutsche Schriftsteller Heinrich Böll gerade einen Bestseller veröffentlicht hatte, welcher sich kritisch mit der “Bild”-Zeitung einer großen deutschen Boulevardzeitung auseinandersetzte (die Böll nur “ZEITUNG” nannte) und von welchem noch heute behauptet wird, er habe an Aktualität nichts eingebüßt, dass die Bestseller-Listen, in denen Bölls Buch auftauchte, in den Zeitungen des Axel-Springer-Verlags plötzlich nicht mehr auftauchten.
Das war im September 1974.
Und warum wir das erzählen? Aus aktuellem Anlass natürlich. Denn auf die Frage, ob es ein Buch gebe, das sein Leben verändert habe, nennt der Komiker “Atze Schröder” heute u.a.:
Verändert hat das Buch sein Leben aber offensichtlich nicht: Denn gefragt wurde “Atze Schröder” von Norbert Körzdörfer — in einer großen deutschen Boulevardzeitung. Wir nennen sie “Bild”.
Sebastian Walther, 25, ist BILDblog-Leser. Nach eigenen Angaben hat der freiberuflicher Journalist und Discjockey “das Gefühl, dass er mit zunehmendem Alter mit seinen Wunschzetteln immer später dran ist. Zu seinen Auftraggebern zählt auch der Axel-Springer-Verlag. Er ist schon gespannt, was das neue Jahr in dieser Hinsicht bringt. An den Weihnachtsmann glaubt der Braunschweiger schon lange nicht mehr, wohl aber das Wunder der Weihnacht. Mit besonders viel Freude würde er also im Januar einen BILDblog-Eintrag über seinen erfüllten Wunschzettel (nebenstehend) lesen. Falls es damit nichts wird: Mit seiner Liste für Ostern hat er bereits begonnen.”
ich weiß, Ihr habt nichts zu verschenken. Außer vielleicht, man heißt Dieter Bohlen. Aber umsonst scheint es bei “Bild” nichts zu geben. In vier Tagen ist Weihnachten, ich möchte es trotzdem versuchen. Vielleicht bin ich damit bereits zu spät, vielleicht auch längst zu alt, aber auch ich habe einen Wunschzettel.
Eine Titelseite wünsche ich mir. Eine Überschrift, die schreit. Etwas Markerschütterndes, das die Schuhe auszieht und die Socken gleich mit. Ist doch sonst auch kein Problem. Wie wäre es mit dem “Bild”-Lieblingsthema: Soziale Gerechtigkeit kübelweise, der erhobene Zeigefinger in dicken, fetten Lettern. Zum Fest in hellem Grün bitteschön. Etwa “510 Millionen verpulvert” könnte er lauten, “Arbeiten und trotzdem arm” würde auch passen oder “9.000 ohne Job”. Nicht packend genug? Es fehlen Witz und Esprit? Wie wäre es stattdessen mit:
Einen packenden Aufmacher zum Niedergang der “grünen Post”, wie Ihr den Briefdienstleister PIN AG heute nennt, das hätte ich mir gewünscht. Nach einer knappen Kurzmeldung gestern, gibt es in der heutigen Ausgabe immerhin einen Bericht dazu. Nur mündet der wieder, man hat es geahnt, im bösen Buben Mindestlohn. Das der “Stern” in seiner aktuellen Ausgabe jedoch von Zustellern berichtet, die für 40 Stunden pro Woche mit monatlich gerade mal 400 Euro entlohnt werden, ist Euch keinen Buchstaben wert. Sieht so der Kampf im Dienst des kleinen Mannes aus? Was jedoch schreit da heute stattdessen von Seite 1: die kleine Schwester von Britney Spears ist schwanger. Mit 16! Und nur wenige Zeilen darunter, räkelt sich Miriam im Wasser. Bedeckt durch eine “klitzekleine Hürde”.
Wenn wir also schon dabei sind, liebe Redaktion, nutzt doch bitte die besinnliche Zeit, um die moralische Wünschelrute wieder neu zu justieren. Irgendwie will das kein stimmiges Bild ergeben: Miriam im Bikini auf dem Titel, “knisternde Verbindung” auf Seite 14: “Direkt + ohne Vorspiel” geht es dort zur Sache, mit dabei ist “Resi (69)”. Und auf den anderen Seiten weidet man sich genüsslich an vermeintlichen Schändern, Sadisten oder Perversen. Wo genau hängt denn nun das Gewissen — Keller oder Parterre? Die “sexhungrige Nachbarin verführt Jungen” auf Seite 6. Bei soviel Schweinkram kann man getrost auf eine Anonymisierung verzichten. Hat sie ja auch nicht besser verdient.
Einen dritten Wunsch, den kann ich mir zum Schluss nicht verkneifen. Sicher, es ist immer wieder beeindruckend mit wie vielen Superstars Welt- und Lebemann Körzdorfer (hat der Mann eigentlich keinen Vornamen?) per Du ist. In der heutigen Ausgabe darf Comedian Atze Schröder in eurem Blatt Imagepflege betreiben. “Der bekannteste TV-Pudel” gewährt wahrlich Einblicke in sein Leben. Endlich erfahre ich, dass er “Bücherwurm”, “DVD-Freak” und “Windsurfer” ist. Kein Wort jedoch, zum gerichtlichen Namensstreit des Atze Schröder, der untersagen ließ, dass man diesen Mann des öffentlichen Interesses mit seinem richtigen Namen nennt. Überhaupt scheint Körzdorfer seine “Begegnungen” generell in Samthandschuhen zu tippen. Das ist gelebte Nächstenliebe, der Geist der Weihnacht weht über den Axel-Springer-Platz.
Hans Leyendecker, 58, ist seit 1997 Leitender Redakteur der “Süddeutschen Zeitung”. Zuvor arbeitete er 18 Jahre lang für den “Spiegel” und gilt als einer der führenden investigativen Journalisten Deutschlands. Er ist Gründungsmitglied und Vize-Chef des Netzwerk Recherche — und begleitet auch die “Bild”-Zeitung immer wieder mit kritischen Artikeln.
Dennoch: In “Bild” nannte Maynhardt Graf Nayhauß ihn mal “Top-Rechercheur”, Franz Josef Wagner nannte ihn “Müllentsorger unseres Staates” — und an anderer Stelle schrieb Wagner in “Bild”: “Die Wahrheit kann niemand recherchieren — außer Jesus, Nietzsche, Buddha und Hans Leyendecker von der SZ (kleiner Witz meinerseits).” Weniger witzig: Am 8. Juni 2006 druckte “Bild” auf Seite 2 unter der Überschrift “Was macht der “SZ”-Reporter mit dem Sturmgewehr im Arm?” ein über zehn Jahre altes Leyendecker-Foto (wir berichteten). Leyendecker verstand die Veröffentlichung damals “als Versuch, mir zu drohen”.
Von Hans Leyendecker
Die Geldmaschine des Springer-Verlages, die “Bild”-Zeitung, berichtet gern über Gehälter und Millionen — die Gehälter der anderen, die Millionen der anderen. Diesmal auf Seite 1 und Seite 2: “Die Gehalts-Liste der Politiker” und wieder mal “Wahrheiten über den Mindestlohn”.
Die Botschaft ist einfach, ehrlich und nachvollziehbar: Das Millionen-Gehalt des Verlagschefs Döpfner bleibt tabu, das Millionen-Gehalt des Post-Konkurrenten Zumwinkel und seine Aktienoptionen sind ein Skandal. Nicht getarnt, nicht klammheimlich, sondern ganz offen macht das Massenblatt Politik im Verlagsinteresse und Klassenkampf von oben: Dass dabei Arbeiter etwa gegen höhere Mindestlöhne demonstrieren, hätte beispielsweise Bert Brecht sehr gefallen.
In der Freitag-Ausgabe berichtet “Prof. Sinn” vom Ifo-Institut über seine bitteren Wahrheiten, aber auch er kommt nicht über eine Statistenrolle hinaus. Was beim Thema Mindestlohn schon übellaunig verbreitet wurde, erinnert doch sehr an Brechts “Dreigroschenroman” und den Inhaber der Firma “Bettlers Freund”, Jonathan Jeremiah Peachum, der feststellte: “Es gibt nur einige wenige Dinge, die den Menschen erschüttern, einige wenige, aber das Schlimme ist, dass sie, mehrmals angewendet, schon nicht mehr wirken”.
Peachum ließ Bettler, die, “nicht immer die Gabe besaßen, unglücklich zu wirken”, durch Kunstgriffe noch elender aussehen. Zur “Veranlassung christlicher Barmherzigkeit” etwa hatte er sich verschiedene Ausstattungen wie “Opfer des Verkehrsfortschritts” oder “Opfer der Kriegskunst” ausgedacht und stellte in einem kleinen Atelier sogar künstliche Missbildungen her.
Kunstgriffe
“Peachum hatte ganz klein angefangen. Er unterstützte eine Zeitlang einige wenige Bettler mit seinem Rat, Einarmige, Blinde, sehr alt Aussehende… Verhältnismäßig bald erkannte er, dass das elende Aussehen, welches von der Natur hervorgebracht wurde, weit weniger wirkte, als ein durch einige Kunstgriffe berichtigtes Aussehen. Jene Leute, die nur einen Arm hatten, besaßen nicht immer die Gabe, unglücklich zu wirken. (…)” (Zitiert aus Bertolt Brechts “Dreigroschenroman”)
Die Ladeninhaber zahlten den Bettlern, die vor den Geschäften saßen, einen Zoll, damit die weiterzogen. “Ausstattung E” beispielsweise war “Junger Mann, der bessere Tage gesehen hat”. Der Bettler Filch, ein mittelloser Mann aus gutem Hause, fragt Peachum: “Warum kann ich das nicht mit den besseren Tagen machen?” Peachums Antwort: “Weil einem niemand sein eigenes Elend glaubt, mein Sohn.”
So ist das mit dem Elend und dem Massenblatt. Ein Medium, das Menschen in die Jauchegrube stößt (al-Masri) und an anderer Stelle die Werte des christlichen Abendlandes verteidigt; ein Blatt, das Intimität als Rohstoff behandelt und gleichzeitig die Würde des Menschen einklagt, ist schizo, und das finden die meisten Betrachter normal.
Phrase und Sache werden eins. Es müsste eine Kommission über die “Bild”-Sprache konstituiert werden, die für jede erlegte Phrase eine Belohnung aussetzt. Die Mitglieder würden vor allem fündig bei einem Autor, der Körzdörfer heißt und offenbar Stummel-Sätze mag, wie Peachum, der künstliche Missbildungen herstellte: Über die “Kino-Legende Bud Spencer” schreibt Körzdörfer in der heutigen Ausgabe:
Gibt es 1,94 Meter hohe, hinkende Schatten, und warum muss in dieser Scheinwelt auch noch alles “gleißend” sein? Und wie geht denn das:
Gefühlte Videos? Natürlich wäre es eine Illusion zu glauben, man könnte “Bild” (oder eine andere Zeitung) retten, wenn es gelingen könnte, die Sprache zu reinigen, aber ohne die Form ist nichts: “Hätten die Leute, die dazu verpflichtet sind, immer darauf geachtet, dass die Beistriche am richtigen Platz stehen, würde Shanghai nicht brennen”, hat Karl Kraus gesagt. Aber wer kennt da Beistriche.
Wahr ist aber auch, dass es dieser Zeitung zu keiner Zeit an Gegnern gefehlt hat. Dass das Blatt oft ein Anschlag auf den Anstand oder eine Geschmacklosigkeit ist, das haben Generationen von Kritikern zu Recht beklagt. Aber “Bild”-typisch ist geblieben, dass Koitus und Gebet auf eine Seite passen und die Moralblase neben Niedertracht steht. Redaktionen sind nicht für die Anzeigen verantwortlich, aber der Verlagsmensch, der auf der heutigen Seite eins die Anzeige einrücken ließ: “Millionen Deutsche jetzt betroffen. Blähungen”, muss der James Joyce der Verlagswelt oder ein heimlicher Rebell sein.
Es sind wirklich immer Millionen betroffen, doch die Blähungen bleiben oft seltsam folgenlos. Es riecht nur ein bisschen. Vor 24 Jahren schon hat Hans Magnus Enzensberger in seinem Aufsatz “Der Triumph der Bild-Zeitung oder Die Katastrophe der Pressefreiheit” darauf hingewiesen, dass der Zynismus der Leser nicht hinter dem Zynismus der Macher zurückstehe:
Jede Aufklärung über die Bild-Zeitung ist vergeblich, weil es nichts über sie zu sagen gibt, was nicht alle schon wüssten (…). Bild wird gelesen, nicht obwohl, sondern weil das Blatt von nichts handelt, jeden Inhalt liquidiert, weder Vergangenheit noch Zukunft kennt, alle historischen, moralischen, politischen Kategorien zertrümmert; nicht obwohl, sondern weil es droht, quatscht, ängstigt, schweinigelt, hetzt, leeres Stroh drischt, geifert, tröstet, manipuliert, verklärt lügt, blödet, vernichtet.
Prinzipiell sei “Bild” “nicht datierbar”, weil sich das Blatt permanent wiederhole, was beim Leser wiederum zur Beruhigung führe. “Bild” biete nicht jedem etwas, sondern allen nichts.
Niemand hat das Elend der Kritiker so nachvollziehbar wie Enzensberger umrissen. Aber immer wieder gibt es Selbstversuche, diesem Phänomen beizukommen: Günter Wallraff hat einen solchen Versuch unternommen, der unermüdliche Gerhard Henschel bleibt zornig, und seit einer Weile müht sich auch BILDblog. Dafür muss ihnen gedankt werden.
Norbert Körzdörfer, Berater des “Bild”-Chefredakteurs und Alter Ego von David “Gillette” Blieswood, hat ein Interview mit Dustin Hoffman geführt, das so exklusiv ist, dass es sogar seine eigene Werbeunterbrechung hat:
ich habe mal irgendwo gelesen, Ihre Chefs würden über Sie sagen: “Körzi kannst Du um drei Uhr in der Nacht anrufen. Er schreibt Dir jeden Nachruf, ohne irgend ein Faktum nachgucken zu müssen”. Und ich muss gestehen, ich hatte, als ich das las, so meine Zweifel…
Und nun ist also Jean-Claude Brialy gestorben, der französische Schauspieler, der eng mit der vor 25 Jahren gestorbenen Romy Schneider befreundet war — und Sie mussten für “Bild” drüber schreiben. Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie Brialy persönlich kannten. Oder gut. Aber immerhin: Sie haben sich vorbereitet und für Ihren kleinen Nachruf dieses Interview gelesen, das Brialy kürzlich dem “Spiegel” gegeben hatte. Zumindest zitieren Sie daraus wörtlich, wenn Sie heute schreiben:
Romy-Tochter Sarah Biasini (29) hatte rotgeweinte Augen. Brialy fand ihre tote Mutter: “Wunderschön, schlafend, lächelnd.”
Solche Formulierungen, lieber Norbert, macht Ihnen keiner nach. Allein dieser fast lyrische Doppelpunkt! Ganz schön gewagt auch. Fand Brialy jetzt die tote Romy? Oder die tote Romy wunderschön? Ich weiß: Sie und ich kennen die Antwort — steht ja lang und breit in dem zitierten “Spiegel”-Interview, dass Brialy “im Radio, um 8 Uhr morgens” von Romys Tod erfahren hat, aber wissen das auch Ihre Leser? Oder sehe ich jetzt schon Gespenster?!
Falls ja, will ich nichts gesagt haben…
Mit Gruß
Ihre Clarissa
Ach, eins noch: Weil ja nicht jeder schreiben kann, “ohne irgend ein Faktum nachgucken zu müssen”, sagen Sie doch bitte beim nächsten Mal den Kollegen in der Fotobetextungsabteilung von “Bild” kurz Bescheid, wie Sie was meinen. Bei der Illustration Ihres Nachrufs haben die nämlich heute neben ein Brialy-Foto das hier geschrieben:
Schon möglich, dass die Nennung von Markennamen in der Literatur spätestens seit Bret Easton Ellis’ “American Psycho”, Christian Krachts “Faserland” und Florian Illies’ “Generation Golf” als Stilmittel gilt. Im Journalismus kennt man gemeinhin ein anderes Wort dafür — außer bei “Bild”. Dort nennt man’s schlicht:
Seit Norbert Körzdörfer für “Bild” den Klatschkolumnisten mimt, widmet sich die ehemalige “Ich weiß es!”-Kolumnistin Christiane Hoffmann ja bekanntlich “einmal wöchentlich in BILD großen Portraits, Interviews und Home-Storys”. Am gestrigen Samstag erschien bereits die 10. Folge — und wir fassen zusammen:
Wieviele Markennamen passen in eine einzige “Bild”-Homestory?
Udo Jürgens trägt Smokings von “Baldessarini”, duftet nach “Eau Sauvage” und benutzt Kosmetik von “La Mer”. Vicky Leandros benutzt Kosmetik von “La Mer”, hat ein Klavier von “Yamaha”, Dreh-Hocker von “Ikea”, einen Fernseher von “LG” sowie eine Kaffeemaschine von “Tefal” und trägt Jeans von “True Religion”. Barbara Becker hingegen trägt Jeans von “Acne”, benutzt Kosmetik von “La Mer” sowie Duschbad von “Dr. Hauschka”, duftet nach “Shalimar”, trinkt “E3 live” und besitzt eine Hifi-Anlage von “Bang&Olufsen”, eine Küche von “Gaggenau”, Tisch und Stühle von “Knoll”, Möbel von “Dedon” sowie eine Uhr von “Milus” (für die Becker selbst Werbung macht). Tommy Haas hat einen Kühlschrank von “Sub Zero”, einen Fernseher von “Sony” sowie Taschen von “Dunlop” und “Limited Sports” (für die Haas selbst Werbungmacht). Ralf Möller (der u.a. für die Kosmetikfirma “LR” Werbung macht) duftet nach “Ralf Moeller” von “LR”, hat einen Fernseher von “Sony”, einen Computer von “Apple”, einen Gasherd von “General Electric” und eine Trainingstasche von “Louis Vuitton”. Aber vielleicht spulen wir — Ikea St.Barth Helena Rubinstein Transvital Gucci Boss Medion Studio 39 Balay Apple Wasser-Maxx Ewe Miele Ikea Minotti NEC AquaTech Bang&Olufsen JAB Anstoetz — schnell mal weiterevierFolgenvor, denn (hechel) gestern hat sich Christiane Hoffmann fraglos selbst übertroffen: Mit rund 20 (!) Markennamensnennungen* in einer einzigen Homestory unangefochten auf Platz 1 der “Zu Hause bei”-Charts liegt… Susaaaaaaaan Sideropoulos!
*) Nicht markennamentlich genannt wurden in “Bild” übrigens die Hersteller von Sideropoulos’ “japanisch anmutenenden Bambusrollos”, ihres “L-förmigen Sofas”, eines “weißen Regalbretts”, der “Whirlpoolwanne unter Schrägfenstern”, der “Heizdecke” und des “Glas-stählernen Aufzugs im Hinterhof”. Ach ja: Und wenn dieser “neun-armige Kerzenleuchter” in Sideropoulos’ Wohnung von Villeroy & Boch oder Pioneer wäre, wüsste Christiane Hoffmann vermutlich auch, dass er nicht“Menora” heißt.