Vom Krieg kriegt Bild.de nicht genug

Deutschland befindet sich im Krieg. Laut Bild.de. Im “Herings-Krieg”:

Nach dem EU-Austritt wolle Großbritannien “selbst bestimmen, wer in seinen Hoheitsgewässern fischt — und kündigt damit ein Fischereiabkommen von 1964”, berichtete Bild.de am Montag hinter der Bezahlschranke und konstruierte daraus eben den “Herings-Krieg”.

Als SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vor eineinhalb Wochen in einer Rede die Wahlkampftaktik von CDU-Spitzenkandidatin Angela Merkel und deren Partei als “Anschlag auf die Demokratie” bezeichnete, hatte “Bild”-Chefchef Julian Reichelt bei Twitter etwas dazu zu sagen:

Nun kann man es sicher so sehen, dass Martin Schulz bei seiner Wortwahl danebengegriffen hat. Und Reichelt liegt bestimmt richtig, wenn er meint, dass “wahre Anschläge auf die Demokratie” bitterere und blutigere Folgen haben als Angela Merkels Vorgehen im Wahlkampf. Aber dass ausgerechnet derjenige ein sprachliches Großgeschütz anprangert, der für Bild.de verantwortlich ist, ein Portal, das bei jeder noch so kleinen Gelegenheit “Krieg” schreit, ist dann doch ein bisschen putzig.

Hier mal die Geschehnisse der vergangenen zwei Monate, in denen es laut Bild.de angemessen war, von “Krieg” zu sprechen …

  • Eine Countrysängerin will größere Brüste für mehr Erfolg. Ihr Mann findet das gar nicht gut. “Busen-Krieg”!

  • Die eine Fast-Food-Kette meint, dass die andere Fast-Food-Kette einiges abgekupfert hat. “BURGER-KRIEG”!

  • Während in der einen Ecke der Stadt die Parkplatzpreise ganz schön anziehen, wird’s in einer andere Ecke der Stadt günstiger. “Krieg der Pendler”!

  • Zwei Formel-1-Fahrer können gar nicht miteinander, bremsen sich gegenseitig aus, rempeln den anderen an. “KRIEG IN DER FORMEL 1”! “Formel-1-Krieg”! “KRIEG ZWISCHEN HAMILTON UND VETTEL”! “FORMEL-1-KRIEG”!




  • Bei Facebook postet eine mehr oder weniger bekannte Frau etwas zur laufenden Scheidung mit ihrem mehr oder weniger bekannten Ehemann. “Facebook-Krieg”!

  • Ikea, Höffner und Roller wollen alle gerne Marktführer sein. “Möbel-Krieg”!

  • Fünf VW-Manager wurden von der US-Anklagebehörde international zur Fahndung ausgeschrieben. “Wirtschafts-Krieg”!

  • In einem neu entstandenen Viertel machen neue Restaurants und Bars auf, die nun versuchen, das Personal anderer Restaurants und Bars aus einem alten Viertel abzuwerben. “Gastro-Krieg”!

  • Ein Nachbar raucht, den anderen Nachbarn stört es so sehr, dass er Wasser und Pfefferspray einsetzt. “Raucher-Krieg”!

  • Xavier Naidoo singt blödes Zeug. Manche Prominente finden das in Ordnung, manche nicht. “Promi-Krieg”!

  • Zwei Bäume stehen einem Bauprojekt im Wege. “Baum-Krieg”!

Frei nach Julian Reichelt: Wer einen Ehe-Zwist wegen ein paar vergrößerter Brüste einen “Krieg” nennt wie Bild.de, hat schlicht keine Ahnung, wie bitter und blutig wahre Kriege sind. Das ist ein trauriger und verantwortungsloser Umgang mit unserem Land und der Bild.de-Leserschaft.

Hetzername, Fette Diätwerbung, Suizidklickmasche

1. Urteil: taz darf Hetzer weiter beim Namen nennen
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz)
In einem öffentlichen Facebook-Kommentar forderte ein Mann unter Angabe seines Klarnamens, man müsse „Genderlesben und Politikern jeweils 8×9 mm in das dumme Gehirn zu jagen.“ Die “taz” berichtete über den Vorgang und nannte dabei auch den Namen des Kommentierers. Dagegen setzte sich dieser zur Wehr und verklagte die Zeitung auf Unterlassung. Mit der Behauptung, jemand hätte sich Zugang zu seinem Facebook-Account verschafft und unter seinem Namen kommentiert. In zweiter Instanz entschied das Gericht nun, dass der Kläger tatsächlich der Urheber der Hassbotschaft sei und sich die Berichterstattung gefallen lassen müsse.

2. Bei Diät-Werbung macht sich der Bauer-Verlag einen schlanken Fuß
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer berichtet auf “Übermedien” über die freche Schleichwerbungsmasche von „Alles für die Frau“ aus dem Bauer-Verlag: “Jede Woche schwärmt die Redaktion darin im Wechsel für jeweils ein bestimmtes Diätprogramm, homöopathisches Schlankmittel und eine Fitnessstudiokette. Eine ernsthafte oder gar kritische Auseinandersetzung mit den Programmen und Produkten findet nicht statt. Über 130 solcher Artikel sind in den letzten zweieinhalb Jahren erschienen (so weit reicht unser Archiv zurück; insgesamt sind es wahrscheinlich noch viel mehr).”

3. “Kernmodell Journalismus” statt e-Commerce
(deutschlandfunk.de, Thomas Wagner)
Der “Deutschlandfunk” hat mit Eric Gujer, dem Chefredakteur der “NZZ”, über die Zukunft des traditionsreichen Schweizer Medienhauses gesprochen. Natürlich geht es um Fragen der Finanzierung, denn die “NZZ” leistet sich unter anderem eine kostspielige Auslandsberichterstattung. Die Konzepte der Konkurrenz will Gujer nicht übernehmen: “Das, was ja die meisten anderen unter multimedialer Strategie verstehen, heißt ja: Wir haben noch einen e-Commerce-Shop für Hundefutter. Und wir machen noch irgendeine Inserate-Plattform für Immobilienanzeigen im Internet und solche Dinge. Und das wollen wir dezidiert nicht. Wir glauben daran, dass das Kernmodell Journalismus, gute Inhalte, auch heutzutage noch lohnen kann.”

4. Langer Atem
(sueddeutsche.de, Hans Leyendecker)
Der Musiker Herbert Grönemeyer hat sich in drei Verfahren vor dem Landgericht Köln erfolgreich gegen die Berichterstattung über eine Auseinandersetzung mit einem Fotografen und einem Kameramann auf dem Flughafen Köln-Bonn im Dezember 2014 gewehrt. Es ging um Behauptungen, Grönemeyer hätte zwei Fotoreporter geschlagen und verletzt. Angeblich von Videos belegt, die sich als “bewusst unvollständig”, also irreführend zusammengefügt herausgestellt hätten. Der Fall sei damit noch nicht abgeschlossen: Vermutlich werde die Staatsanwaltschaft Köln die Fotografen wegen Verdachts der Falschaussage anklagen.

5. Hoax? Medienhype mit Suizid im Netz
(ndr.de, Gudrun Kirfel)
Medien berichten reißerisch über ein WhatsApp-Spiel, das Jugendliche angeblich in den Tod treiben will: die angebliche “Blue Whale Challenge”. Doch gibt es das Spiel überhaupt? Das würden viele Journalisten selbst nicht wissen, aber trotzdem munter drauflos fabulieren. “Zapp” hat recherchiert, was an der Sache dran ist. Nicht viel: Außer einigen Trittbrettfahrern, die mit dem Hype um das angebliche Spiel Klicks machen, haben die Zapper nichts gefunden.

6. Alessio geht es nicht gut
(taz.de, Hengameh Yaghoobifarah)
Manchmal geraten Kinder von Promis ins Fadenkreuz von Social Media und werden zu Opfern von Hass und Spott, der eigentlich ihren Eltern gilt. So zum Beispiel beim Sohn des mittlerweile getrennten Promipaars Sarah und Pietro Lombardi, aber auch beim Sohn des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. “taz”-Autorin Hengameh Yaghoobifarah plädiert für mehr Zurückhaltung: “Das öffentliche Leben als Promi-Kind ist belastend genug. Der zusätzliche Hohn ist unnötig und geschmacklos.”

Mit stern.de ungesund kochen

Ein Gastbeitrag von “Postillleaks”

Denise Snieguole Wachter ist Genuss-Redakeurin bei stern.de. Dies nur als Hinweis vorab für all diejenigen, die sich schon immer gefragt haben, wie exotisch ein Ressort bei einer Online-Redaktion so ausfallen kann. Als Genuss-Redakteurin kümmert sie sich unter anderem um leckere Lebensmittel, die möglichst auch noch gesund sein sollten (Sie wissen schon — die kulinarische Quadratur des Bauchkreises innerhalb der Ernährungspyramide).

Weil zum Beispiel herkömmliche Kartoffelchips, in rauen Mengen verzehrt, negative Auswirkungen haben, muss etwas Anderes in den Backofen. Wie wäre es mit Gemüsechips?


(Veröffentlicht am 3. Juli um 17:59 Uhr)

Ungeachtet der Tatsache, dass die Kartoffel ebenfalls zu den Gemüsesorten zählt, hobelt Wachter in einem stern.de-Video Pastinaken, Möhren, Rote Beete und Süßkartoffeln, denn daraus entstehen Gemüsechips, die viel leckerer sind als die gekauften aus dem Supermarkt. Gewürze kommen auch dazu, natürlich Salz und Pfeffer. Und Öl. 45 Minuten später ist die ultra-gesunde Knabberalternative fertig.

So weit, so lecker, so nachkochbar.

Wäre da nicht ein Beitrag, der nur eine Scrollbewegung weiter oben steht:


(Veröffentlicht am 3. Juli um 15:17 Uhr)

In diesem Beitrag erklärt uns die Genuss-Redakteurin Denise Snieguole Wachter (huch, die kennen wir doch), dass Gemüsechips als gesunde Alternative zu Kartoffelchips gelten, dies aber leider nicht stimmt, denn:

Laut der Ernährungswissenschaftlerin Charlotte Stirling-Reed eben nicht. Sie behauptet, dass Gemüsechips sogar schlechter für unsere Gesundheit sein könnten als Kartoffelchips.

Und:

Den Daten der Ernährungswissenschaftlerin zur Folge enthalten 40 Gramm Gemüsechips mehr Fett als gesalzene Pringles

Nach den üblichen Hinweisen — gesättigte Fette führen zu erhöhtem Cholesterinspiegel und so weiter — schließt der Beitrag mit:

Für die Ernährungswissenschaftlerin Charlotte Stirling-Reed stellen Gemüsechips insgesamt keine Alternative dar. “Konsumenten essen schnell doppelt so viel, wenn das Produkt als gesund gilt.”

Und da wären wir wieder beim Nachbackvideo von Denise Snieguole Wachter, die uns zwei Stunden und 42 Minuten nach Ihrer Erklärung, wie ungesund Gemüsechips sind, zeigt, wie einfach es ist, gesunde Gemüsechips selber zu machen.

Gewaltfixierte G20-Medien, Schweizer Rechtsdruck, Unprivilegierte Quelle

1. Journalisten fixieren sich auf Gewaltdarstellungen
(deutschlandfunk.de, Claudia van Laak)
Das Berliner “Institut für Protest- und Bewegungsforschung” nimmt die G20-Proteste zum Anlass, um eine Studie zur Berichterstattung über Großdemonstrationen vorzustellen. Die mediale Berichterstattung gehorche ungeschriebenen Gesetzen. Gewaltfixierung ist eines davon. Die Studie kritisiere, dass Demonstrationen in vielen Fällen als lediglich folkloristisch beschrieben würden, es fehlten Hinweise darauf, welche wichtige Rolle Demonstrationen für eine funktionierende Demokratie hätten. In Bezug auf den G20-Gipfel in Hamburg appelliere einer der Protestforscher an die Journalistinnen und Journalisten, die Rolle der Polizei kritischer zu hinterfragen als bislang.
Dazu gleich noch eine weitere Leseempfehlung: Schrödingers Camp oder die Versammlungsfreiheit vor dem Gesetz, in der der gesamte Ablauf um das Protestcamp von einem Juristen, auch für Nicht-Juristen lesbar, aufgearbeitet wird.

2. Rechtsdruck
(sueddeutsche.de, Charlotte Theile)
Nach Angaben der “NZZ am Sonntag” will ein ominöser, AfD-naher Verein mit Verbindungen in die Schweiz eine eigene Zeitung herausbringen: den “Deutschland-Kurier”. Das Blatt soll angeblich mit einer Druckauflage von 200.000 Exemplaren starten und 30 Cent pro Zeitung kosten. Bei dem Projekt mit dabei: Der ehemalige Chefredakteur der “Bild”-Zeitung Peter Bartels. Aber auch andere Schweizer Publikationen planen die Expansion nach Deutschland. “SZ”-Autorin Charlotte Theile dazu: “Aus Schweizer Sicht ist die Deutschland-Strategie naheliegend: Im Vergleich ist die deutsche Medienlandschaft politisch eher links, man vermutet eine Lücke rechts der bestehenden Zeitungslandschaft – und sieht im deutschen Medienmarkt vieles in Bewegung. Hier mitzumischen, das ist sowohl für bürgerlich-liberale Stimmen wie die NZZ als auch für stramm rechtskonservative Journalisten interessant.”

3. Merkel macht’s nur zu sechst: Die bizarren Verhandlungen ums TV-Duell
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Am Sonntag, den 3. September findet das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin und SPD-Kanzlerkandidaten statt, das von “ARD”, “ZDF”, “RTL” und “Sat1” ausgerichtet wird. Hinter den Kulissen wurde zäh um die Modalitäten gerungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt stand die Veranstaltung sogar auf der Kippe. Ein Vorgang, den Stefan Niggemeier auf “Übermedien” zu Recht als “bizarr” bezeichnet und der verschiedene Deutungsmöglichkeiten zulässt.

4. Merkel muss Freilassung von Journalisten fordern
(reporter-ohne-grenzen.de)
Noch vor Beginn des G20-Gipfels wird sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping treffen. Dies nimmt “Reporter ohne Grenzen” zum Anlass, an die Unterdrückung von Journalisten und Blogger in China zu erinnern. Mindestens 103 Medienschaffende säßen derzeit wegen ihrer Arbeit in Haft. Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehe China auf Platz 176 von 180 Staaten.

5. Warum viele Journalisten der Polizei alles glauben
(medium.com, Lorenz Matzat)
Lorenz Matzat plädiert dafür, nicht alle Aussagen der Polizei ungeprüft hinzunehmen, obwohl diese oft als “privilegierte Quelle” eingestuft wird: “Es ist zwar nachvollziehbar, dass es bequem für Redaktionen ist, nicht jede Polizeimeldung über einen Autounfall nachrecherchieren zu müssen. Doch wie kann eine Presse behaupten, sie sei frei und unabhängig, wenn sie staatliche Quellen nicht gleich behandelt wie alle anderen auch? Ist ihr nicht klar, dass sie funktionalisiert wird? Nämlich von der Seite, die von der ungefilterten Weitergabe und dem Nicht-Hinterfragen ihrer Mitteilungen profitiert.”

6. Journalist erteilt «SVP-Blatt» eine Absage
(persoenlich.com)
Krsto Lazarevic arbeitet zurzeit als Osteuropa-Korrespondent für verschiedene Print- und Onlinemedien. Als sich die Schweizer “Weltwoche” bei ihm nach den Nachdruckrechten eines Artikels erkundigt, nutzt er die Situation für eine Generalabrechnung mit dem Blatt. Hier soll nicht alles verraten werden, aber Lazarevic würde eher den “Paradeplatz mit seiner Zunge sauberlecken” …

Prioritätenfrage, Trumps Kriegserklärung, Daur-Werbesendung

1. Setzen die Netzaktivisten die richtigen Prioritäten?
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal überlegt, ob die Gegner des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes auf dem richtigen Weg waren: “Statt darüber nachzudenken, ob eine private Medienholding, die zwei Milliarden Kleinsender unter ihrem Dach versammelt, wirklich so groß und so privat bleiben kann, arbeiteten sich die meisten Netzaktivisten an den unausgegorenen Paragraphen des NetzDG ab und stilisierten das Gesetz zum Totengräber der Meinungsfreiheit. Sie waren blind für die Prioritäten. Sie haben sich auf den Berliner Politikbetrieb und dessen Paragraphen-Output konzentriert, während das eigentliche Problem von ihnen wie eine lässliche Fußnote behandelt wurde. Die Argumentation der Netzaktivisten wäre stimmiger gewesen, wenn sie die Demokratisierung der sozialen Netzwerke ganz oben auf ihre Agenda gesetzt hätten.”

2. «Es ist eine Kriegserklärung»
(tagesanzeiger.ch, Walter Niederberger & Robert Rosenthal)
Der US-Journalist und Leiter des “Center for Investigative Reporting” Robert Rosenthal sagt, Donald Trump strebe “die totale Kontrolle der Nachrichtenlage an”. Die Attacke auf CNN sei Teil einer systematischen Kampagne. Im Interview stellt er seinen Landsleuten darüber hinaus ein erschütterndes Zeugnis aus: “Die Amerikaner wissen kaum mehr, was in der Welt läuft. Sie reisen nicht, sie sind provinziell und sie sind, um ein in den USA selten gebrauchtes Wort zu brauchen, nationalistisch. Niemand scheint es zu kümmern, dass wir fast konstant irgendwo Krieg führen. Mit Trump ist wieder eine weisse, nationalistische Bewegung gross geworden, die von der Angst lebt.”

3. Maas schlägt digitales Antidiskriminierungsgesetz vor
(zeit.de, Patrick Beuth)
Justizminister Heiko Maas hat auf einer Veranstaltung seines Ministeriums gleich drei Neuerungen vorgeschlagen: Ein “digitales Antidiskriminierungsgesetz”, um zu verhindern, dass Teile der Bevölkerung durch Softwareentscheidungen benachteiligt werden, ein Transparenzgebot für Algorithmen und die Gründung einer Digitalagentur, einer Art staatlicher Algorithmenaufsicht. Mit einer schnellen Einführung sei jedoch nicht zu rechnen und schon gar nicht in dieser Legislaturperiode.
Weiterer Lesetipp: Max Biederbeck auf “Wired” — “Jetzt will er die Algorithmen: Das „Wie“ bleibt der Justizminister schuldig”

4. Rocco und seine Brüder installieren „Walk of Shame“ vor Axel Springer Haus in Berlin
(urbanshit.de)
Die Aktionsgruppe “Rocco und seine Brüder” hat vor dem Axel Springer Haus in Berlin einen „Walk of Shame“ installiert. Auf dem Boden montierte Tafeln prangern Arbeitsweise und Methoden von “Bild” an. Ein 4 1/2 Minuten langes Video dokumentiert die Aktion und erklärt die Beweggründe für die Aktion.

5. Crowdsourcing im Journalismus: Der Nutzer, dein Freund und Helfer
(fachjournalist.de, Bernd Oswald)
Crowdsourcing als Chance für den Journalismus: Bernd Oswald hat sich die verschiedenen Bereiche angeschaut, in denen Journalisten und Nutzer zum beiderseitigen Vorteil zusammenarbeiten können und nennt gelungene Beispiele. Crowdsourcing stärke die Leser-Marken-Bindung, so sein Fazit: “Engagierte Leser verbringen mehr Zeit mit dem Medium und wahrscheinlich teilen sie Beiträge, an denen sie mitwirken, auch häufiger. Noch wertvoller für Journalisten können Hinweise für oder sogar die Mitarbeit der Nutzer bei der Recherche sein. Damit das klappt, muss eine Redaktion ihre Community pflegen und glaubwürdig zeigen, dass die Mitarbeit der Nutzer gewünscht ist.”

6. Die Daur-Werbesendung
(manager-magazin.de, Bianca Lang)
Das “Manager Magazin” hat mit einer der erfolgreichsten Instagrammerinnen Deutschlands gesprochen, der 22-jährigen Caro Daur. Sie hat etwa eine Million Follower, ihr Jahresumsatz wird auch auf eine Million geschätzt. Geld, das von der Modeindustrie kommt, die damit Caro Daurs “Content” entlohnt oder um es in ihren Worten zu sagen: “Der Content ist meine Persönlichkeit, der durch mein Umfeld und meine Tätigkeit geformt wird.”

Medien verbreiten Ehe-für-alle-Unsinn der AfD

Wenn Sie gestern eine Runde auf deutschen Online-Nachrichtenseiten gedreht haben, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Sie auch auf diese Schlagzeile hier gestoßen sind:


(“Spiegel Online”)

Oder auf diese:


(Stern.de)

Oder diese:


(Welt.de)

Oder auf eine von diesen:


(FAZ.net)

(“Focus Online”)

(Morgenpost.de)

(“Deutschlandfunk”)

(derstandard.at)

(Express.de)

(FR.de)

(rp-online.de)

(Merkur.de)

(derwesten.de)

(maz-online.de)

(rbb-online.de)

(orf.at)

Die Liste ließe sich noch lange weiterführen — es stand gestern so gut wie überall, auch weil Agenturen die Nachricht übernommen und verbreitet haben: Die AfD prüfe, ob sie die gerade erst im Bundestag beschlossene “Ehe für alle” vor dem Bundesverfassungsgericht verhindern könne.

Als Ursprung für diese Neuigkeit nennen die Artikel, die hinter den oben aufgeführten Titelzeilen stecken, alle die gleiche Quelle: “Bild am Sonntag”. Die “BamS”-Redaktion hatte die AfD-Info gestern, beziehungsweise online bereits vorgestern am späten Abend, exklusiv:

Die AfD plant, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen und die am Freitag im Bundestag beschlossene “Ehe für alle” zu kippen. AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland (76) zu BamS: “Wir prüfen derzeit eine Klage beim Bundesverfassungsgericht. Ich bin für einen solchen Schritt. Die Ehe für alle bedeutet eine Wertebeliebigkeit, die unserer Gesellschaft schadet.”

Nun kann die AfD das so sehr wollen und planen und prüfen, wie sie mag — sie kann nicht wegen der “Ehe für alle” vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Wie Patrick Gensing bereits gestern am Nachmittag beim ARD-“Faktenfinder” schrieb, gibt es verschiedene Wege, die dazu führen, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit einem Gesetz beschäftigt. Im Fall der “Ehe für alle” kommt eigentlich nur die abstrakte Normenkontrolle in Frage. Und die kann nicht von jedem einfach so beantragt werden. Das Bundesverfassungsgericht schreibt dazu:

Der Antrag kann nur von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages gestellt werden. Bürgerinnen und Bürger sind in dieser Verfahrensart nicht antragsberechtigt.

Die AfD sitzt zwar in einigen Landesparlamenten, sie gehört aber weder der Bundesregierung noch einer Landesregierung an, und keiner ihrer Mitglieder ist aktuell Bundestagsabgeordneter. Über die abstrakte Normenkontrolle kann sie eine Überprüfung der “Ehe für alle” durch das Bundesverfassungsgericht derzeit nicht beantragen.

Eine Verfassungsbeschwerde, die auch einzelne AfD-Mitglieder initiieren könnten, macht bei der “Ehe für alle” auch keinen Sinn. Denn dazu schreibt das Bundesverfassungsgericht:

Die beschwerdeführende Person muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Rechten betroffen sein.

Und wer soll schon ernsthaft in seinen Rechten betroffen sein, weil nun auch Frauen Frauen und Männer Männer heiraten können sollen und sonst durch die “Ehe für alle” niemandem etwas weggenommen wird?

All das hätten auch die zwei “Bild am Sonntag”-Autoren herausfinden können, bevor sie (und in der Folge all die anderen Redaktionen, die auch nicht recherchierten) der AfD riesige Werbeflächen für eine Null-und-nichtig-Ankündigung einräumten.

“Ihr Gaffer seid echt das Letzte!” Aber eure Fotos nimmt “Bild” gern

Die “Bild”-Medien haben ja auch mal Recht. Zum Beispiel, wenn es um Gaffer und Schaulustige bei Unfällen geht. Bei diesem Thema platzt “Bild”-Chefreporter Peter Tiede nämlich schon mal der Kragen:

Und zwar in diesem Artikel:

Ende April schrieb Tiede seinen Gaffer-Kommentar und fand darin ziemlich deutliche Worte, Großbuchstaben und Ausrufezeichen für die “verhaltensgestörte Stau-Pegida” sowie die “Schwarm-Verblödung und Gruppen-Verrohung auf unseren Autobahnen”:

Das macht mich rasend: Wieder sind Retter und Helfer auf dem Weg zu einem schweren Autobahn-Unfall blockiert und bei ihrer Arbeit auch noch beschimpft worden!

JA, SCHON WIEDER! Asphalt-Pöbel! Fremdleid-Gaffer! Rettungsgassen-Penner!

In den Tagen nach Tiedes geplatztem Kragen erschien bei Bild.de gehäufte Gaffer-Kritik. Am 3. Mai veröffentlichte das Portal beispielsweise “Die Gaffer-Galerie von der A4” und zeigte dort (verpixelte) Bilder von LKW- und Autofahrern, die mit ihren Handys eine Unfallstelle filmten oder fotografierten:

Drei Verletzte nach einem Crash auf der A4. Ein Transporter ist umgekippt, die Bergung schwierig. Doch statt zügig an der Unfallstelle vorbei zu rollen, halten viele Kraftfahrer skrupellos mit der Handykamera drauf.

Am 18. Mai titelte Bild.de zu einem Unfall auf der A1: “SCHON WIEDER! Gaffer behindern Unfall-Retter”.

Problem bei der Rettung: Die anderen Autos ließen die Retter nicht durch! Christian Bahrs von der Feuerwehr Harpstedt: “Die Rettungsgasse hat wenig bis gar nicht funktioniert. Und auf der Gegenspur hat ein LKW-Fahrer auf dem Standstreifen angehalten und Fotos gemacht, statt zu helfen.”

Nur zwei Tage später der nächste Bild.de-Text: “Gaffer stören Retter nach Massen-Crash!”

Die Rettungsgasse fehlte auf langen Abschnitten, Gaffer stiegen aus ihren Autos und liefend (sic) fotografierend und filmend über die Autobahn! Die Polizei musste eingreifen, sprach Mahnungen aus.

Und so gibt es immer mal wieder die völlig berechtigte Gaffer-Schelte in den “Bild”-Medien. Erst gestern am späten Abend erneut bei Bild.de:

Dutzende Gaffer versammelten sich indes um den Unfallort. Ein junger Mann hielt mit dem Handy drauf.

Heute berichtet das “Bild”-Onlineportal über einen Unfall auf der A9 in Bayern, bei dem nach aktuellem Stand 18 Menschen ums Leben kamen. Dafür benutzt es auch dieses Foto als Aufmacher-Optik:

Als Quelle ist lediglich “privat” angegeben. Die Person, die das Foto geschossen hat, muss sich auf der gegenüberliegenden Autobahnspur befunden haben. Und sie hat es ganz offensichtlich aus einem Fahrzeug heraus gemacht — oben rechts kann man in der Spiegelung der Fensterscheibe das Armaturenbrett und das Lenkrad erkennen. Es sieht stark nach einer Gaffer-Aufnahme aus.

Gaffer sind “echt das Letzte”, findet “Bild”. Außer sie liefern der Redaktion dramatische Fotos.

Mit Dank an Coroline S., Manni, Harald C.-H., Frank L. und Frederik für die Hinweise!

Nachtrag, 4. Juli: Inzwischen haben es noch mehr Aufnahmen, die von Autofahrern stammen, die gestern an der Unfallstelle auf der A9 vorbeigekommen sind und ihr Mobiltelefon gezückt haben, zu Bild.de geschafft.

Dieses Foto — auch hier nur die Quellenangabe “privat” — zum Beispiel:

Die Redaktion hat außerdem ein Handyvideo veröffentlicht, auf dem der brennende Bus zu sehen ist:

Bei “RTL aktuell” lief gestern das gleiche Video, während später im selben Beitrag die problematischen Gaffer thematisiert wurden:

Die “Bild”-Zeitung hat eine Gaffer-Aufnahme — vermutlich ein Standbild aus dem oben bereits erwähnten Handyvideo — sogar auf die heutige Titelseite gepackt …

… und auf Seite 2 gleich eine ganze Gaffer-Foto-Collage veröffentlicht:

Mit Dank an Christian M., Stefan K., @kaeptn99 und @KiCKLOCHONE für die Hinweise!

“FAZ”-Hetzkommentar, Trumps Prügel, Bunte-Löschbataillon

1. Shitstorm um „FAZ“-Kommentar gegen Ehe für alle
(welt.de, Christian Meier)
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat einen Gastbeitrag zur „Ehe für alle“ veröffentlicht, der bei vielen Lesern auf Unverständnis und Entsetzen stieß. Der, für derartige Beiträge ungewöhnlich, unter Pseudonym verfasste Artikel verbreite mehr als fragwürdige, geradezu hetzerische Thesen, so der Vorwurf. Dementsprechend heftig fiel die Reaktion in den sozialen Medien aus.
Auch die “taz” beschäftigt sich mit dem Vorgang. Jan Feddersen: “Es ist eine Zeitung, die schlüpfrige Phantasien bedient und den (Aber-)glauben an Naturrecht obendrein. Diese FAZ hätte es unter Frank Schirrmacher nicht gegeben – der hätte bei der Tageskoordination gemerkt, was für ein Schwachsinn in einem Teil der Zeitung erscheint …”
Bei uns im BILDblog kommentiert Johannes Kram: „FAZ“ und „Ehe für alle“: Ein Hass, der keinen Namen trägt.

2. “Prügelattacke” gegen CNN
(deutschlandfunk.de)
US-Präsident Donald Trump hat bei Twitter ein altes Video gepostet, in dem er geschauspielert-scherzhaft auf den Chef eines Wrestlingveranstalters einprügelt. In dem Video, das nun die Runde macht, ist jedoch der Kopf seines damaligen Widersachers mit dem Senderlogo von “CNN” ausgetauscht worden. “CNN” wirft dem Präsidenten daraufhin vor, zu Gewalt gegen Journalisten aufzufordern und die Amtspflichten zu vernachlässigen: “Wir werden weiter unsere Arbeit machen. Er sollte anfangen, die Seine zu tun”
Doch damit nicht genug: Bei Trumps Streit mit den Morning-Joe-Moderatoren (MSNBC) sind laut “SZ” weitere Details bekannt geworden. Das Weiße Haus soll angeboten haben, eine Enthüllungsgeschichte eines Boulevardblatts zu verhindern, wenn sich die Moderatoren für ihre negative Berichterstattung bei Trump entschuldigen.

3. Debatte um Rundfunkbeitrag: Millionen fürs Feigenblatt
(dwdl.de, Alexander Krei)
Alexander Krei kommentiert auf “DWDL” die “ProSiebenSat.1”-Forderung nach Beteiligung an den Rundfunkbeiträgen. Über Reformen ließe sich grundsätzlich reden, “doch bevor ProSiebenSat.1 ein Stück vom milliardenschweren Beitrags-Kuchen fordert, sollte man erst mal im eigenen Programm unter Beweis stellen, dass man ein ernsthaftes Interesse daran hat, Informationssendungen nicht nur als Feigenblatt zu verstehen.”

4. Kein Schmerzensgeld für den Restaurantbesitzer
(faz.net, Luise Schendel)
Im November 2015 wurde die MDR-Dokumentation „Provinz der Bosse – Mafia in Mitteldeutschland“ ausgestrahlt. Gegen die Berichterstattung klagte ein Geschäftsmann, der in Erfurt zwei Restaurants unterhält und glaubte, trotz Anonymisierung in der Dokumentation mittelbar erkennbar zu sein. Das Oberlandesgericht Dresden gab ihm zwar zunächst Recht, doch seine zweite Klage auf Zahlung von 50.000 Euro wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte scheiterte.

5. Vize-Chefredakteur Yannick Dillinger: Wie die “Schwäbische Zeitung” an die Flugzeugkatastrophe von Überlingen erinnert
(kress.de, Frank Hauke-Steller)
Die “Schwäbische Zeitung” hat anlässlich des 15. Jahrestags des Flugzeugunglücks von Überlingen eine aufwändige Multimedia-Reportage produziert. “Kress” hat mit dem dafür verantwortlichen Digitalchef, Yannick Dillinger über Arbeitsweise und Storytelling gesprochen.

6. Migräne, Piercings und das Löschbataillon der Bunten
(onkelmichael.wordpress.com)
Blogger “Onkel Michael” berichtet von seinem Kampf gegen die Windmühlen der “Bunte”-Redaktion. Er hätte die behaupteten Wunderwirkungen von Piercings gegen Migräne recherchiert (es gibt keine) und dies der Redaktion als Facebook-Kommentar hinterlassen. Nur für einen kurzen Moment sichtbar, denn man hätte seinen und andere kritische Kommentare gelöscht… Sein Nachtrag lässt schließen, dass “Bunte” der Vorgang nicht ganz geheuer ist: Ein Beitrag aus dem Jahr 2016 wurde zwischenzeitlich entfernt.

“FAZ” und “Ehe für alle”: Ein Hass, der keinen Namen trägt

Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” veröffentlichte vorgestern, am Tag der Abstimmung über die “Ehe für alle”, einen homophoben Hetztext, den man nicht lesen muss, da er sich mit einem Satz zusammenfassen lässt: Homosexuelle sind Kinderschänder. Auf den Gastbeitrag in der “FAZ”, unter Pseudonym erschienen, folgte große Empörung, die wiederum dazu führte, dass der zuständige Redakteur Reinhard Müller sich äußerte.

Da in dem Hetztext keine Evidenz, keine Wahrheit steckt (außer der einer offensichtlichen persönlichen Tragödie), steckt in ihm auch nichts Journalistisches. Er möchte nichts erklären, nichts diskutieren. Er möchte nur beleidigen, demütigen, hassen. Er möchte auch nichts provozieren, zumindest nichts, was nach allem Wissen rund ums Thema ernsthaft zu debattieren wäre. Da dieser Text kein Journalismus ist, kann man ihn auch nicht nach journalistischen Kriterien besprechen. Man muss ihn betrachten, als das, was er ist: Propaganda, Marketing.

Man muss heute nicht mehr argumentieren, warum die Erde keine Scheibe ist. Man muss danach fragen, warum jemand so tut, als wäre sie eine. Oder besser: Warum ein Medium jemanden vorschickt, so etwas zu tun. Und warum dieser jemand versteckt werden muss, beziehungsweise warum es so aussehen muss, als sei dies der Fall? Warum macht die “FAZ” das? Warum hat sie es nötig? Was ist die dahinterstehende (Marketing-)Strategie?

Das so ziemlich einzige Gute an der Sache ist, dass sich “FAZ”-Redakteur Reinhard Müller ziemlich freimütig in die Karten schauen lässt. Auf die Frage von “Meedia”, warum man den Text unter einem Pseudonym veröffentlicht habe — eine Praxis, die normalerweise angewendet wird, um mutige Stimmen, wie die von Dissidenten vor Repressalien zu schützen –, antwortet Müller:

“Der Autor verweist im Text darauf, ‘wie schwierig das sachliche Argumentieren dieser Angelegenheit in der Gay-Community ist — wer etwas anderes meint, wird gleich als ‘Verräter’ gebrandmarkt’. Diese Befürchtung scheint, wie einige Reaktionen zeigen, nicht unberechtigt gewesen zu sein.”

Es ist also der offensichtliche Versuch, einen homosexuellen Autor mit offensichtlich problematischen kinderbezogenen Phantasien, der sich dafür hasst und diesen Hass auf das Homosexuell-sein und die Homosexuellen übertragen möchte, als mutigen Aufklärer nicht in eigener, sondern allgemeiner Sache darzustellen. Und — noch schlimmer: die Opfer des Hasses zu Tätern zu machen. Wer sich gegen die Unterstellungen und Beleidigungen wehrt, ist der, der den Diskurs erschwert, und nicht jener, der ihn mit Verrücktheiten zubombt.

All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. Den sogenannten “Waldschlösschen-Appell” gegen Homophobie in Medien hat er initiiert. Sein “Nollendorfblog” bekam eine Nominierung für den “Grimme Online Award”. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.

Müllers vorsätzliche Diffamierung Homosexueller funktioniert dabei wie eine alte Antisemiten-Logik: So, wie die Juden Schuld am Antisemitismus sind, sind es die Homos bei der Homophobie. Beschuldigen doch einfach jemanden, der ihnen gar nichts getan hat.

Noch skandalöser als die Veröffentlichung des Gastbeitrags sind die Erklärungen, die der “FAZ”-Mann ohne den Protest seiner Chefs verlautbaren darf:

“Die ‘Fremde Feder’ ist, wie der Name schon sagt, ein Ort für pointierte, auch provozierende Debattenbeiträge von Fremdautoren. Insofern haben wir mit Reaktionen gerechnet. Uns hat dennoch die Intoleranz einiger Kommentare überrascht.”

Nicht nur im Marketing nennt man das Reframing: Das gezielte Umdeuten eines Kontextes durch eine Verschiebung der Betrachtung. In diesem Fall ermöglicht es dem intoleranten Homo-Hasser, sich als Opfer von Intoleranz zu sehen.

Die Strategie ist also ein Leserservice der besonderen Art: über den Umweg “Fremde Feder” der eigenen konservativen Kernklientel ein Mittel an die Hand geben, mit der diese ihren Hass verklären und bewahren kann. Die “FAZ” möchte offensichtlich nicht auf diese Zielgruppe verzichten, doch statt ihr die Welt zu erklären, die diese nicht mehr verstehen kann, also Journalismus zu machen, hisst sie die weiße Fahne. Eine größere Leserverachtung erscheint kaum möglich.

NetzDG, Aufbauschblätter, Funkes Medienminister

1. NetzDG-Verabschiedung ein Schnellschuss
(reporter-ohne-grenzen.de)
Vor der Verabschiedung des Gesetzes gegen Hassbotschaften im Internet am heutigen Tag warnt “Reporter ohne Grenzen” erneut vor den Gefahren für die Pressefreiheit. Zwar hätten die Regierungsfraktionen einige Kritikpunkte an dem geplanten Gesetz aufgenommen, doch die Kernkritik bleibe bestehen: „Durch kurze Löschfristen werden soziale Netzwerke aus Angst vor Bußgeldern zu viele Inhalte löschen. So besteht etwa die Gefahr, dass auch journalistische Artikel gelöscht werden, obwohl nicht abschließend geklärt ist, ob sie rechtswidrig sind oder nicht“.

2. “Aufgebauscht, bis es falsch wird”
(spiegel.de, Holger Dambeck)
Medizin-Nobelpreisträger Randy Schekman Kritiker betrachtet die renommierten Fachblätter “Nature”, “Science” und “Cell” als schädlich für die Wissenschaft: “Diese Magazine suchen Studien, die möglichst viel Aufmerksamkeit erregen. Das ist logisch, denn sie wollen Hefte verkaufen. Aber es verzerrt die wissenschaftliche Arbeit. Junge Forscher glauben, sie müssten auf Gebieten arbeiten, auf denen sie eine Sensation kreieren können. Zum Teil werden Themen aufgebauscht, bis es falsch wird.”

3. Fall Weißensberg: Wir halten uns zurück
(schwaebische.de, Dirk Augustin)
Im Landkreis Lindau ist vor einigen Tagen eine 22-jährige Frau umgebracht worden. Die Lokalredakteure der Lindauer Zeitung sehen sich in der Pflicht darüber zu berichten, wollen sich aber nicht an Spekulationen rund um die Tat beteiligen. Auch um die Aufklärung der Tat beziehungsweise die Festnahme des mutmaßlichen Täters nicht zu gefährden. “Deshalb drängen wir uns nicht Angehörigen oder Nachbarn auf, wir durchsuchen nicht das Internet nach privaten Bildern und veröffentlichen diese dann groß. Wir respektieren, dass einige Angehörige in ihrer Trauer nur noch Ruhe haben wollen und dass andere auf Facebook Sätze schreiben, die sie später wahrscheinlich bereuen. Das ist aber kein Grund für Berichterstattung. Wir sind uns sicher, dass unsere Leser diese Zurückhaltung als richtig empfinden.”

4. Funkes Medienminister: Alles nur Unterhaltung
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Nordrhein-Westfalens zukünftiger Medienminister ist nicht irgendjemand: CDU-Mitglied Stephan Holthoff-Pförtner ist Mitgesellschafter der Essener Funke-Mediengruppe, Deutschlands drittgrößten Zeitungsverlag. Dort erscheinen “WAZ” und “Hamburger Abendblatt” aber auch Titel wie “Die Aktuelle“, wo man gerne mal den Eindruck erweckt, jemand wie Caroline von Monaco liege im Sterben. Der zukünftige Medienminister hat damit keine Probleme. Das sei halt “Unterhaltung”… Mats Schönauer hat für “Übermedien” einige Beispiele dieser “Unterhaltung” zusammengestellt.

5. Trump bekommt Unterstützung im “Krieg gegen die Medien”
(sueddeutsche.de, Sacha Batthyany)
Donald Trump bekommt in seinem Kampf gegen die Medien Unterstützung von prominenter Seite: Die ehemalige Gouverneurin aus Alaska Sarah Palin, die bei der Präsidentschaftswahl 2008 als Anwärterin auf den Posten der Vizepräsidentin galt, will einen eigenen Fernsehsender gründen. Für eine monatliche Abo-Gebühr von 9,95 Dollar und natürlich ohne “Fake News”, wie die umstrittene Ultrakonservative betont.

6. Der Abgrund war noch nie so lustig
(zeit.de, Patrick Beuth)
Der britische Journalist Andy Kelly hat ein Faible für “Dark Stock Photos”. So bezeichnet er die mit Holzhammer-Symbolik inszenierten Bilder aus kommerziellen Fotodatenbanken, die sich mit Themen wie Tod, Drogen und Gewalt beschäftigen.

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