Landesmedienanstalten, G20-Hilfspolizei, EU-Video-Verfügbarkeit

1. G20: Polizei will Aufnahmen von Journalisten
(ndr.de, Robert Bongen & Caroline Schmidt)
Die Hamburger Polizei hat zahlreiche Medienhäuser darum gebeten, ihr bisher nicht veröffentlichtes Bildmaterial rund um die G20-Ausschreitungen zur Verfügung zu stellen. Man wolle Beweismittel sichten und Straftäter identifizieren. Nach “Zapp”-Informationen seien mehrere Medien der Bitte offenbar nachgekommen. Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnet das Vorgehen der Hamburger Polizei als nicht gerechtfertigt: “Es gilt zuallererst das Redaktionsgeheimnis, es gilt zuallererst, die Presse- und Meinungsfreiheit zu schützen. Das ist gesetzlich verankert. Man kann nicht von den Medien verlangen, eine Art Hilfspolizist zu werden.”

2. Peinliche Medienaufseher
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier widmet sich der Causa Marc Jan Eumann (SPD). Der ehemalige Staatssekretär in der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen ist nicht nur unter fragwürdigen Umständen zum neuen Direktor der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt LMK gewählt worden, sondern hat auch ein denkwürdiges Interview im “Deutschlandfunk” gegeben. Darin hat er Interviewerin Isabelle Klein belehrt, sie möge ihm gefälligst zu seiner Wahl gratulieren. Auf kritische Fragen reagierte der Mann, der demnächst landesweit für eine bessere Medienkompetenz sorgen soll, wie auf eine Majestätsbeleidigung. Stefan Niggemeier ordnet die Personalie ein: “Die ganze Geschichte wirkt wie eine große Versuchsanordnung, die nur einem Zweck dient: den Irrsinn des Landesmedienanstaltentums in Deutschland zu demonstrieren. Mit sämtlichen Zutaten: überforderte Chefs, Parteienklüngel, Regionalklüngel, föderales Chaos.”

3. Dieses Video könnte in Ihrem Land verfügbar sein
(sueddeutsche.de, Thomas Kirchner)
Die EU modernisiert ihr Urheberrecht. Dazu gehört auch die Frage, ob Medieninhalte grenzüberschreitend online konsumierbar sein müssen, also ob zum Beispiel ein Deutscher in Italien Zugriff auf die ARD-Mediathek haben muss. Bei dem hochemotional ausgefochtenen Streit um die Ausgestaltung des Gesetzes geht es auch ums liebe Geld: Die Filmindustrie sieht sich bedroht, wenn entsprechende Länderlizenzen entfallen. Thomas Kirchner erklärt die unterschiedlichen Positionen des Streits, der nächste Woche auf einen neuen Höhepunkt zuläuft.

4. Twitter-Berichterstattung: Schäubles Haltung im Vergleich völlig antiquiert
(netzpolitik.org, Arne Cypionka)
Vor zwei Wochen teilte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den Abgeordneten mit, dass Twitter im Plenarsaal unerwünscht sei. Die Regel sorgte für Unverständnis und Spott, auch weil Schäuble selbst schon beim heimlichen Sudokuspielen erwischt worden war. Netzpolitik.org hat recherchiert, wie die Landesparlamente und das Europaparlament mit dem Thema umgehen, und die Ergebnisse in einer interaktiven Karte dargestellt. In den meisten Landtagen sei es kein Problem, Laptops zu nutzen oder Zeitungen zu lesen.

5. Aktivistinnen statt Trump
(taz.de, Sibel Schick)
Das amerikanische “Time Magazine” hat die Frauen und Männer hinter #MeToo zur “Person of the Year” erklärt. Die Wahl sei ein stärkendes Zeichen für alle Überlebenden sexualisierter Gewalt, so Sibel Schick in der “taz”. Dennoch bleibe ein unangenehmer Beigeschmack, denn letztes Jahr habe ausgerechnet Donald Trump als Preisträger das Cover geschmückt. “Wer weiß, #MeToo mag gerade Stimmung sein, nächstes Jahr ist wieder ein Macho dran. Man sollte sich nicht allein auf die Anerkennung der Großen verlassen.”

6. Dieser 26-Jährige Affiliate baut seit zehn Jahren Facebook-Pages – Das sind seine Learnings
(omr.com, Torben Lux)
Der 26-jährige Markus David König hat vor ein paar Jahren die Schule geschmissen und beschäftigt sich seitdem hauptberuflich mit der Vermarktung seiner diversen Facebookseiten. Im Gespräch mit “OMR” erzählt König, wie er Seiten mit Hunderttausenden Fans aus Indien gekauft hat, dass in der Folge sein gesamtes Portfolio gesperrt wurde, und mit welchen Mitteln er seine rund zwei Millionen Fans heute monetarisiert.

“Bild” lässt BVB-Trainer Peter Bosz im ewigen Endspiel antreten

Ein Endspiel zeichnet sich normalerweise dadurch aus, dass es in einer Partie um alles oder nichts geht. Bei Bild.de ziehen sich Endspiele über mehrere Wochen, und nach dem einen Endspiel gibt es dann noch ein weiteres und dann noch eins und noch eins und dann vielleicht noch eins.

Los ging es am 18. November — da begannen die “Bild”-“Endspiel”-Wochen für BVB-Trainer Peter Bosz:

Screenshot Bild.de - Dortmund in der Mega-Krise - Wird das Derby schon zum Bosz-Endspiel?

Einen Tag später war es für die “Bild”-Medien schon keine Frage mehr:

Screenshot Bild.de - Wie sich der BVB-Trainer rettet - Zwei Endspiele für Bosz

Die “zwei Endspiele” sollten die Champions-League-Partie gegen Tottenham Hotspur und “das Derby” gegen den FC Schalke 04 sein. Gegen Tottenham verloren die Fußballer des BVB und Bosz 1:2, gegen Schalke gab es ein 4:4, nachdem der BVB bereits 4:0 geführt hatte.

Nach der Niederlage gegen Tottenham fragte die “Bild”-Redaktion noch einmal:

Screenshot Bild.de - Ist Bosz schon am Ende?

Und bereits am selben Abend stand für sie fest:

Screenshot Bild.de - Bosz vor dem Aus!
Denkt Dortmund an Hitzfeld?

Auch wenn das Team von Bild.de sich gut vorstellen konnte, dass Ottmar Hitzfeld zum BVB zurückkehrt …

Wer weiß, was ein lukratives Millionen-Angebot bei Hitzfeld kurzfristig bewegen kann?

Denkbar: Hitzfeld kommt als Spiritus Rector und die tägliche Arbeit lenkt ein BVB-Vertrauter, z.B. aus dem Nachwuchs.

… musste das Team von Bild.de nur einen Tag später vermelden, dass Ottmar Hitzfeld nicht zum BVB zurückkehrt:

Screenshot Bild.de - Hitzfeld-Absage - Darum gehe ich nicht zurück zum BVB

Dann kam das bereits angesprochene 4:4 gegen den FC Schalke 04 — und wieder fragten die “Bild”-Experten, ob es das nun für Peter Bosz gewesen ist:

Screenshot Bild.de - Nach 4:4 gegen Schalke - Kostet ­dieses Tor Bosz den Job?

Die Vereinsführung des BVB entschied sich allerdings dafür, an Bosz festzuhalten. Und schon gab es laut Bild.de das nächste “Job-Endspiel”, dieses Mal in der Bundesliga gegen Bayer 04 Leverkusen:

Screenshot Bild.de - BVB-Trainer von Job-Endspiel - Bosz packt seine Stars hinter Plastik

Der BVB spielte in Leverkusen 1:1. Und obwohl seine Mannschaft im Endspiel nach dem Endspiel nach dem Endspiel nich gewonnen hat, durfte Peter Bosz Trainer in Dortmund bleiben.

Für die “Bild”-Medien bedeutet das: Die Bundesliga-Partie des BVB am kommenden Samstag ist das “Endspiel” für Bosz (während das heutige Champions-League-Spiel gegen Real Madrid lediglich als “Endspiel-Training” durchgeht):

Screenshot Bild.de - Gegen Ronaldo und Real - Endspiel-Training für Wackel-Peter BVB testet das Bosz-Finale gegen Werder

Auch im Sportteil verbreitet “Bild” immer wieder ziemlichen Unsinn. Gerade beim Fußball und auffallend oft über die Dortmunder Fußballer. Wir erinnern gern noch mal an den Sicher-nein-ja-oder-doch-nicht-Wechsel von BVB-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang nach China im vergangenen Sommer.

Über BVB-Verteidiger Neven Subotic schrieb Bild.de vergangene Woche, dieser habe “keine Chance mehr” bei seinem Klub:

Vor 5 Jahren war Subotic in Dortmund noch gefeierter Double-Held, gesetzt als Abwehr-Bank bei Ex-Coach Jürgen Klopp (50). Unter Neu-Trainer Peter Bosz (53) muss der Innenverteidiger froh sein, wenn er überhaupt im Kader ist.

Vier Tage später stand Subotic in der Startelf gegen Bayer 04 Leverkusen.

Ebenfalls vergangene Woche behauptete die Bild.de-Redaktion, es gebe beim BVB einen “Not-Plan” mit Trainer Armin Veh, falls “Endspiel”-Trainer Peter Bosz nicht bald gewinne:

BILD weiß: Armin Veh (56) ist Kandidat als Not-Nagelsmann bis zum Saisonende.

Heute meldete auch Bild.de, dass Armin Veh neuer Sportdirektor beim 1. FC Köln ist.

Mit Dank an Patrick B. für den Hinweis!

Klüngel-Glückwünsche, Symmetrische Reaktionen, “Einfaches” Leben

1. Wo man sich lieb hat
(taz.de, Jürn Kruse & Peter Weissenburger)
Dem Anwalt für Urheber- und Medienrecht Markus Kompa ist es mitzuverdanken, dass die Klüngelposse um die “Wahl” des SPD-Politikers Marc Jan Eumann zum neuen Direktor der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt bekannter wurde: Kompa hatte sich per Videobewerbung zu Wort gemeldet, seine Bewerbung blieb jedoch — erwartungsgemäß — unberücksichtigt.
Weiterer Lesetipp: In einem Interview mit dem “Deutschlandfunk” möchte der frisch geklüngelte Eumann, dass ihm Interviewerin Isabelle Klein gefälligst erstmal zur Wahl gratuliert, anstatt kritische Fragen zu stellen. Woran sich Stefan Niggemeier natürlich augenblicklich hält. Daniel Fiene wünscht sich Glückwünsche als Sprachnachrichten, die er am Donnerstag in seiner Sendung “Was mit Medien” (20 Uhr, “Deutschlandfunk Nova”) an den glücklichen Klüngelsieger übermitteln will.

2. „Wenn alles gut geht, starten wir mit einer Rakete“
(journalist-magazin.de, Catalina Schröder)
Kein anderes Crowdfunding-Projekt im Journalismus konnte jemals so viel Geld einsammeln wie das von Constantin Seibt initiierte Schweizer Onlinemagazin “Republik”. Am 15. Januar 2018 startet das mit vielen Erwartungen und 7,5 Millionen Schweizer Franken versehene Digitalprojekt. Textchef Ariel Hauptmeier erzählt, wie es kurz vor dem Start in der Redaktion zugeht und was den Leser am ersten Tag erwartet: “‘Wenn alles gut geht, starten wir mit einer geheimnisvollen Kiste — und mit einer Rakete.'”

3. Wer ist “ausländischer Agent”?
(faktenfinder.tagesschau.de, Silvia Stöber)
Die vom russischen Staat finanzierten Auslandsmedien “RT” und “Sputnik” haben sich in den USA auf Weisung der US-Regierung als “ausländische Agenten” registrieren lassen. Die Retourkutsche, pardon “symmetrische Reaktion” folgte prompt: Russland stufte seinerseits neun US-Medien als “ausländische Agenten” ein, darunter “Voice of America” und “Radio Free Europe/Radio Liberty”. Silvia Stöber erklärt im “Faktenfinder”, welch unterschiedliche Auswirkungen die Regelungen haben.
Weiterer Lesetipp: “Reporter ohne Grenzen” mit “Russland erklärt US-Auslandssender zu ‘Agenten'”

4. Social-Media-Trends 2018: Das wird nächstes Jahr wichtig
(t3n.de, Cornelia Dlugos)
Welche Social-Media-Trends werden das Jahr 2018 bestimmen? Cornelia Dlugos wagt für “t3n” einen Blick in die Kristallkugel. Die Online-Marketing-Redakteurin prognostiziert einen besseren Kundenservice durch Chatbots und sieht einen wachsenden Schwerpunkt bei temporären Inhalten sowie Augmented Reality, Live Streaming und Video-Inhalten.

5. Jugendliche erkennen Native Advertising nicht als Werbung
(medienwoche.ch, Dominique Zeier & Céline Külling)
Eine Befragung von Schweizer Schülern hat ergeben, dass Jugendliche schlecht zwischen redaktionellen Inhalten und Journalismus-ähnlichen Werbeformaten wie Native Advertising unterscheiden können. In der Studie konnten nur 40 Prozent den Unterschied zwischen journalistischen und gesponserten Beiträgen erkennen. Das liege nach Aussagen eines Medienpsychologen daran, dass Jugendliche noch nicht über dieselben kognitiven Kompetenzen zu analytischem Hinterfragen verfügen wie Erwachsene. Die Autorinnen appellieren an die Verantwortung der Medien: “Das Bewusstsein, dass Jugendliche leichter hinters Licht zu führen sind, darf nicht ausgenützt werden — im Gegenteil. Verlage täten gut daran, Werbeformate offensiver und unmissverständlich — und vor allem: einheitlich, zu deklarieren.”

6. Das “einfache Leben” bleibt ein Leben in der Komfortzone
(sueddeutsche.de. Silke Burmester)
Aktuellen Frauenzeitschriften gelinge eine Umdeutung, wie sie nur der Kapitalismus ausbrüten könne, findet Silke Burmester: Der Weg zum Weniger führe über das Mehr: “Das ‘einfache Leben’ bleibt ein Leben in der Komfortzone. Es ist ein neuer, aufs Private und Häusliche ausgerichteter Lifestyle einer satten Wohlstandsgesellschaft. Wirklichen Verzicht will hier keiner. Es sind Brot und Spiele für eine Generation von Frauen, die gegen die Umstände ihrer Erschöpfung, den Verursacher der Überforderung nicht rebelliert.”

Kein Nikoloverbot, “Forbidden Stories”, Rheinland-Pfalz-Klüngel

1. Zehn Festnahmen im Mordfall Galizia
(taz.de)
Wenige Wochen nach dem Mord an der Investigativreporterin Daphne Caruana Galizia in Malta wurden bei Razzien zehn Verdächtige festgenommen. Caruana Galizia hatte unter anderem zu Korruption, Geldwäsche und Briefkastenfirmen recherchiert und sich zwei Wochen vor ihrer Ermordung wegen Todesdrohungen an die Polizei gewandt. Im vergangenen Jahr hatte die Reporterin im Rahmen der “Panama Papers” enthüllt, dass Mitarbeiter des maltesischen Premierministers Offshorekonten eröffnet hätten, was vom Premierminister als Lüge zurückgewiesen worden war.

2. Verbotene Geschichten
(tagesspiegel.de, Felix Hackenbruch)
Bei “Forbidden Stories” geht es darum, die Recherchen getöteter und inhaftierter Journalisten fortzusetzen. “Wir möchten die Geschichten am Leben erhalten und sicherstellen, dass so viele Menschen wie möglich Zugang zu unabhängigen Information haben”, so der Initiator und Gründer der Plattform “Freedom Voices”, der sich für das Projekt unter anderem mit den “Reportern ohne Grenzen” zusammengetan hat. Einen ersten Erfolg hätten die “Forbidden Storys” bereits verzeichnen können: Nach dem Tod eines mexikanischen Enthüllungsjournalisten konnte nachgewiesen werden, dass ein Politiker Verbindungen zu einem Drogenboss unterhielt.

3. Handyverbot: möglich, aber aufwendig
(omr.com, Martin W. Huff)
Kann ein Vorsitzender Richter das Twittern aus dem Gerichtssaal verbieten wie er auch das Telefonieren untersagen kann? Ohne Begründung dürfte das rechtlich kaum möglich sein, führt Rechtsanwalt Martin W. Huff aus: “Gerichtsverhandlungen sind öffentlich. Der Zugang zum Saal muss ebenso jederzeit möglich sein wie das Verlassen eben jenes. Jeder Zuschauer kann und darf also den Saal verlassen und draußen erzählen, was drinnen passiert ist. Er kann dazu Stellung nehmen und seine Einschätzung wiedergeben. Wer nun aus dem Saal mittels eines zugelassenen Geräts Meldungen schreibt, tut nichts anderes. Er benimmt sich nur unauffälliger und leiser, als wenn er den Saal verließe. Einen anderen Charakter hat sein Verhalten nicht.”

4. Brauchtum: Die Legende vom Nikolo-Verbot
(kurier.at, Katharina Zach)
Fast gewohnheitsmäßig tauchen in Österreich kurz vor dem 6. Dezember Meldungen über ein angebliches “Nikolo-Verbot” in Kindergärten auf. Diese gehen wohl auf eine falsch interpretierte Meldung zurück, nach der auf Fremde als Nikolaus-Darsteller verzichtet werden solle, damit Kinder der Figur ohne Angst begegnen können. Verkürzt wurde daraus dann das angebliche “Nikolo-Verbot”.
Weiterer Lesehinweis: Die Meldung der Stadt Wien, die einen Bericht in der Tageszeitung “Österreich” als “vollständig falsch” bezeichnet: “Entgegen eines heutigen Berichts in der Tageszeitung “Österreich” sind Nikolo und Christkind nicht nur prinzipiell an Wiens Schulen willkommen und somit Teil des schulischen Alltags, sondern stimmen die im Bericht genannten Vorwürfe gegenüber einer Schule in Wien-Floridsdorf ausnahmslos nicht.”

5. “Beim Wort ‘Muslime’ geht das Kopfkino an”
(mediendienst-integration.de, Daniel Bax)
Wird sich der Anteil der Muslime an der deutschen Bevölkerung aufgrund von Einwanderung und höherer Geburtenrate bis zum Jahr 2050 verdoppeln, wie es das “Pew Research Center” vorausgesagt hat? Im Interview mit dem “Mediendienst Integration” erklärt die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus, was von diesen Prognosen zu halten ist, welche Reaktionen sie hervorrufen und worauf wir uns tatsächlich einstellen sollten.

6. Neues aus der Anstalt: Rettet Rechtsanwalt Rechtsstaat Rheinland-Pfalz?
(kanzleikompa.de)
Für den Chefposten der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt soll unter konspirativen Umständen ein Ex-Staatssekretär der SPD ausgekungelt worden sein. Rechtsanwalt Markus Kompa kritisiert das Verfahren, das er als “pseudodemokratische Ritual” bezeichnet: “Diese Wahlvorbereitung ohne Ausschreiben oder sonstig transparentes Verfahren scheint mir eine originelle Interpretation des eigentlich auch in Rheinland-Pfalz geltenden Art. 33 Abs. 2 GG zu sein, der bei Besetzung von Staatsämtern eigentlich den Leistungs- und Wettbewerbsgedanken vorsieht.” In einer ironischen Videobotschaft bewirbt sich Kompa nun seinerseits um das Amt. Update: Der ausgekungelte SPD-Politiker wurde tatsächlich gewählt, wenn auch sehr knapp, wie Michael Hanfeld in der “FAZ” berichtet.

Einzelhaft beendet, Döner für den Ombudsmann, blaue Schlammlawinen

1. Deniz Yücel ist nicht mehr in Einzelhaft
(welt.de, Daniel-Dylan Böhmer)
Gute Nachrichten aus der Türkei: Deniz Yücel befindet sich zwar immer noch in Haft, ist jedoch in eine Zelle verlegt worden, die über einen kleinen Innenhof mit zwei anderen Zellen verbunden ist. Nach 290 Tagen Einzelhaft ist ihm damit zumindest der Kontakt zu einem Mitgefangenen möglich, dem Journalisten Oguz Usluer, der für die türkische Tageszeitung “Habertürk” gearbeitet hat. Nach wie vor freut sich Yücel über Post, die zur Übersetzung ins Türkische an die “Welt” gesendet werden kann.

2. EU-Wahnsinn: Brüssel verbietet uns den Döner! Nicht.
(blogs.deutschlandfunk.de, Thomas Otto)
Droht dem Döner wirklich das Aus, wie es “Bild” behauptete? Natürlich nicht, wie Thomas Otto im Blog des “Deutschlandfunks” erklärt und süffisant den Gang zum “Bild”-Ombudsmann empfiehlt: “Für die Kritik am Artikel von Dirk Hoeren und Kollegen sollte Ombudsmann Ernst Elitz doch ein offenes Ohr haben. Immerhin kennt er sich mit gut recherchierter und ausgewogener Berichterstattung aus — war er doch der erste Intendant des Deutschlandradios.”

3. Blaue Schlammlawinen gegen Journalistinnen
(kurier.at, Philipp Wilhelmer)
“Ich wünsche Ihnen, dass Sie von einem Afghanen vergewaltigt werden.” Derartige Freundlichkeiten bekommt Corinna Milborn, Moderatorin und Infochefin des österreichischen Privatfernsehsenders “Puls4”, zu lesen, wenn jemand wie der FPÖ-Politiker Heinz-Christian “HC” Strache auf seinem Facebook-Profil Stimmung gegen sie gemacht hat. Vor jedem Interview mit einem FPÖ-Politiker seien deshalb entsprechende Maßnahmen notwendig, so Milborn: “Ich weiß, ich muss mein persönliches Facebookprofil vorübergehend sperren und darauf achtgeben, dass meine Kinder nicht darauf schauen. Außerdem muss die Online-Redaktion des Senders besetzt sein, um strafrechtlich Relevantes auf der eigenen Seite sofort zu löschen.”

4. Zur Berichterstattung über das chinesische Sozialkreditsystem in der deutschen Presse am Beispiel der Kinderplattform „bento“.
(facebook.com, Christian Y. Schmidt)
Christian Y. Schmidt kritisiert einen “bento”-Artikel über das chinesische Sozialkreditsystem: “Ich habe diesen Text ausgewählt, weil es so wie hier inzwischen in vielen China-Texten zugeht. Leute, die wahrscheinlich noch nie oder sehr kurz in China waren und nichts über den Kontext wissen, setzen stark eingefärbte Nachrichten in die Welt, die sie aus zweiter oder dritter Hand haben. Die Summe dieser Artikel und Berichte ergibt dann das China-Bild in den deutschen Köpfen.”

5. The Final Countdown
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Nach sieben Jahren im Bezahlfernsehen will der Musiksender “MTV” ins Free-TV zurückkehren. Hans Hoff erzählt nochmal von den guten Zeiten des Senders, in denen sich Talente wie Christian Ulmen oder Joko und Klaas austoben konnten und aus der Improvisation heraus der typische “MTV”-Stil entstand: “Waren etwa Wackelkameras bei MTV anfangs nur Zeugnis einer unzulänglichen technischen Ausstattung, avancierten sie rasch zu einem bewusst eingesetzten Stilmittel. Und weil der Platz in den Studios nicht reichte, mietete man nebenan eine Wohnung an, die aber nur mit einer Kamera zu erfassen war, die Bilder aus einer Art Froschaugenperspektive lieferte.” Trotz aller Nostalgie bleibt Hoff skeptisch, was die Rückkehr des Musiksenders anbelangt.

6. Das Antidepressivum der Berliner Eliten
(tagesspiegel.de, Torsten Körner)
Der Dokumentarfilmer und Schriftsteller Torsten Körner war mit 2300 anderen Gästen beim 66. Bundespresseball, der von der “Bundespressekonferenz” veranstaltet wird, der Vereinigung der deutschen Parlamentskorrespondenten. Wer sich etwas Zeit für das Lesestück nimmt, bekommt schöne Bilder einer Ballnacht und ihr Ende in den Morgenstunden geliefert: “Der vielfältige Möglichkeitsraum ist plötzlich ein Schrumpfpalast, die letzten Gäste wirken wie gerupfte Nachtträumer. Eben noch ertrank man in Gesichtern, plötzlich erscheinen alle gesichtslos. Eben noch dachte man, hier beginnt ein Roman, jetzt zerfließt alles zu Impressionspfützen, dünnhäutigen Sätzen.”

7. Mich widert es einfach nur an, dieses dämliche Möchtegern-Befreiungs-Gesülze von Frauen, denen angeblich der Gang ins Bordell angenehmer erschien als der Gang in die böse, weil männderdominierte Uni.
(facebook.com, Lorenz Meyer)
Außer der Reihe ein Link zu einem Rant des “6vor9”-Kurators über “pseudo-aufklärerische Ego-Artikel, die einige richtige Dinge über Prostitution sagen, aber eben auch viel Mist erzählen und Wichtiges weglassen.” Verbunden mit einem Appell: “Nein, liebe Medien, verschont uns mit dieser Literaturgattung, die an eine mit allerlei Gesellschaftstrallala und persönlichem Betroffenheitsgesäusel aufgemotzte Version der Julia-Roberts-Schmonzette “Pretty Woman” erinnert. Nur heimtückischer, denn dort wussten wir wenigstens sofort, dass es Stuss ist.”

“BILD EXKLUSIV”

Mit Bild.de ist man für alle möglichen Ereignisse bestens informiert:

Screenshot Bild.de - Oben: Breaking News - SPD-Chef Schulz dementiert: Kein grünes Licht für GroKo-Verhandlungen - Unten: Bild exklusiv - Grünes Licht für GroKo-Verhandlungen

Mit Dank an @ma_ma_sz für den Screenshot!

“none of your business”, Kein Rauch, Hochzeitsplatzung

1. Das geht dich nichts an, Schufa-Facebook-Google
(zeit.de, Patrick Beuth)
Vor sechs Jahren legte sich der Österreicher Max Schrems als Einzelkämpfer mit Facebook an und setzte den Konzern so sehr unter Druck, dass das Unternehmen seine Gesichtserkennungstechnik in Europa deaktivierte. Seiner Klage sei es auch zu verdanken, dass der Europäische Gerichtshof das Safe-Harbor-Abkommen zum Austausch von Daten zwischen den USA und der EU kippte. Nun hat Schrems die Organisation “noyb” gegründet — “none of your business”, zu Deutsch: das geht dich nichts an. Mit Beschwerden bei Datenschutzbehörden sowie strategischen Klagen vor Gericht will er dafür sorgen, dass das europäische Datenschutzrecht eingehalten wird. Natürlich kostet das Geld. Schrems hat deshalb eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.

2. Kurzer Prozess im Sendebetrieb
(taz.de, Dorothea Hahn)
In der amerikanischen Medienindustrie hat “unangemessenes sexuelles Benehmen am Arbeitsplatz” erneut zu Entlassungen von zwei prominenten Medienschaffenden geführt. Im Vergleich zur Filmindustrie und den Medien sei der politische Betrieb in Washington jedoch immer noch ein sicherer Platz für Männer, die sexuell belästigen, kommentiert Dorothea Hahn: “Trump wurde zum Präsidenten gewählt, obwohl er geprahlt hatte, Frauen zu begrabschen und obwohl 16 Frauen mit Details über sein sexuelles Fehlverhalten an die Öffentlichkeit gegangen waren.”

3. “mal ehrlich…wozu brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?”
(swrmediathek.de, Video, 60:49 Minuten)
In der SWR-Sendung “mal ehrlich …” diskutierte der SWR-Intendant mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und dem AfD-Bundessprecher und Parteivorsitzenden Jörg Meuthen die Fragen “Wozu brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?” und “Sind die Bürger zufrieden mit den Programmen der ARD?” Mit Meuthen kam ein ausgewiesener Kritiker des Rundfunkbeitrags zu Wort. Aber auch das anwesende Publikum äußerte teils heftige Kritik, zum Beispiel an den vielen Wiederholungen. Zur Verteidigung erklärte der Intendant (37. Minute), dass Hansi-Hinterseer-Sendungen so ähnlich wie abgeschnittenes Brot seien, das zu schade zum Wegwerfen ist.
Nachtrag: Für alle, die wissen wollen, wie es bei einer Sendung so zugeht: Torsten Dewi war einer der Gäste der “SWR”-Sendung und hat einen interessanten Hintergrundbericht geschrieben: „mal ehrlich…“: Vor und hinter den Kulissen

4. Kein Rauch zu sehen
(journalist-magazin.de, Kathi Preppner)
In der “Spiegel”-Titelgeschichte “Lasst es krachen” nach dem G20-Gipfel stimmte eine der beschriebenen Szenen nicht. Über die Mutter des 2001 beim G8-Gipfel in Genua getöteten Carlo Giuliani hieß es dort: “Sie selbst marschierte nicht mit, dafür sei sie zu alt. Aber sie kam als Kassandra, als friedvolle Warnerin, sie sah den Rauch, den Tumult, die Einsatzwagen aus sicherer Entfernung von ihrem Hotelzimmer am Hamburger Hauptbahnhof aus.” Das stimmte so nicht. Der “journalist” hat nachgefragt, wie es zu dem Fehler kam.

5. “Lügenpresse”: Die Kluft zwischen Journalisten und Publikum
(derstandard.at, Thomas R. Schmidt)
In den USA lasse sich gerade beobachten, was passiert, wenn aus der Vertrauenskrise eine Legitimitätskrise wird, findet Thomas R. Schmidt im “Standard”. Dort sei das Vertrauen in den Journalismus im vergangenen Jahr auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. Diese Vertrauenskrise habe viel mit der spezifischen politischen Situation in den USA zu tun. Vor allem in Österreich sei das Vertrauen in die Medien im internationalen Vergleich relativ hoch.

6. Prinz Harry lässt Hochzeitsplatzung platzen
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer hat sich auf “Übermedien” die aktuelle Berichterstattung der Regenbogenblätter über Prinz Harry vorgeknöpft. Schönauers Fazit: “So fördern auch deutsche Medien die gnadenlose Jagd auf das Prinzenpaar, als wäre es völlig normal, dass Menschen, die zufällig in eine berühmte Familie hineingeboren werden, automatisch ihr Recht auf ein Privatleben verlieren.”

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst durcheinandergebracht hast

So sieht ein heilloses Durcheinander aus:

Ausriss Bild-Zeitung - Jeden Tag 1558 Straftaten - Die Hauptstadt ist auch die Hauptstadt des Verbrechens! Jeden Tag werden im Schnitt 1558 Straftaten angezeigt. Auf die Bevölkerung gerechnet ist das mehr als in jedem anderen Bundesland. Es werden die meisten Raube (5146) begangen, es wurden 44722 Taschendiebstähle angezeigt und die meisten Autos (7349) geklaut. Letztes Jahr ermittelte die Polizei in 61 Fällen gegen Täter aus dem Bereich Organisierte Kriminalität. In allen Verbrechensfeldern wurden laut Polizeistatistik Berlin 148042 Tatverdächtige ermittelt. Aber: Nicht einmal jede zweite Tat wurde aufgeklärt, die Quote lag bei 42 Prozent. Quelle: BKA-PKS 2016, Straftaten pro 100000 Menschen

In diesen 27 Zeilen plus Überschrift stecken gleich mehrere Fehler.

Erstmal grundsätzlich, um das Wirrwarr etwas zu ordnen: Die Zahl 1558 (die auch nicht ganz richtig ist — dazu gleich mehr) bezieht sich auf die durchschnittlich täglich angezeigten Straftaten im Jahr 2016. Die Zahlen zu den Rauben (5146), Taschendiebstählen (44.722) und Kfz-Diebstählen (7349) beziehen sich hingegen auf das komplette Jahr 2016. Völlig falsch sind die Sternchen an den jeweiligen Zahlen, die darauf hinweisen sollen, dass es sich um “Straftaten pro 100.000 Menschen” handelt. Das stimmt nicht — es sind die in Berlin insgesamt angezeigten Straftaten pro Tag beziehungsweise Raube, Taschen- und Kfz-Diebstähle pro Jahr.

Gehen wir der Reihe nach durch. Die Überschrift:

Jeden Tag 1558 Straftaten

Wenn die “Bild”-Redaktion den Anspruch hätte, exakt zu berichten, müsste sie schreiben: “Jeden Tag 1554 Straftaten”. In Ordnung wäre auch noch “Jeden Tag 1559 Straftaten”. “Jeden Tag 1558 Straftaten” ist rechnerisch jedenfalls falsch. Die “Polizeiliche Kriminalstatistik 2016” des Bundeskriminalamts, auf die sich “Bild” bezieht, gibt für Berlin 568.860 “erfasste Fälle” an (PDF, Seite 25). 2016 war ein Schaltjahr mit 366 Tagen. Demnach gab es durchschnittlich gerundet 1554 angezeigte Straftaten pro Tag. Lässt man die Sache mit dem Schaltjahr weg und rechnet mit 365 Tagen, kommt man — wenn man richtig rundet — auf 1559 täglich angezeigte Straftaten.

Die Hauptstadt ist auch die Hauptstadt des Verbrechens

… und …

Auf die Bevölkerung gerechnet ist das mehr als in jedem anderen Bundesland.

Beides stimmt — wenn man es wie “Bild” “auf die Bevölkerung” rechnet. In Berlin gab es 2016 pro 100.000 Einwohner 16.161 angezeigte Straftaten (PDF, Seite 25). In Bremen waren es mit 13.687 am zweitmeisten, Hamburg lag mit 13.384 auf Platz 3. Absolut lag Nordrhein-Westfalen ganz vorne: Im bevölkerungsreichsten Bundesland gab es 2016 1.469.426 angezeigte Straftaten. Nimmt man nicht die Bundesländer, sondern die Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern, hat Berlin immer noch die höchste Quote, allerdings ist der Vorsprung deutlich geringer als bei den Bundesländern: In Leipzig waren es 15.811 angezeigte Straftaten pro 100.000 Einwohner, in Hannover 15.764 und in Frankfurt am Main 15.671 (PDF, Seite 27).

Es werden die meisten Raube (5146) begangen

Das ist doppelt falsch. Tatsächlich waren es laut “Polizeilicher Kriminalstatistik 2016” für Raubdelikte (PDF, Seite 28) 5156 Raube. Die Statistik zeigt auch, dass Berlin weder bei den absoluten Zahlen noch bei der 100.000-Einwohner-Quote auf Platz 1 liegt: In Nordrhein-Westfalen gab es 2016 12.647 angezeigte Raube. In Bremen gab es pro 100.000 Einwohner 172,9 Raub-Anzeigen — und damit mehr als in Berlin (146,5).

es wurden 44 722 Taschendiebstähle angezeigt

Das ist richtig (PDF, Seite 84).

und die meisten Autos (7349) geklaut.

Das ist wiederum falsch. Die Zahl stimmt zwar, es waren aber nicht “die meisten Autos”. In Nordrhein-Westfalen (7518) wurden 2016 mehr Kfz-Diebstähle angezeigt als in Berlin (PDF, Seite 76).

Der Rest müsste stimmen, wobei es in anderen Bundesländern 2016 mehr Ermittlungen “gegen Täter aus dem Bereich Organisierte Kriminalität” gab (Nordrhein-Westfalen: 107, Bayern: 76, Niedersachsen: 66) als in Berlin (PDF, Seite 7) und es in anderen Bundesländern 2016 mehr Tatverdächtige gab (Nordrhein-Westfalen: 494.885, Bayern: 446.433, Baden-Württemberg: 251.141, Niedersachsen: 222.092, Hessen: 178.260) als in Berlin (PDF, Seite 48).

Bezahl-Reputation, Wumpehaftigkeit der AfD, Männer-Journalistenpreis

1. Wirtschaftspreise: Positive PR gegen Geld?
(ndr.de, Stefanie Groth & Inga Mathwig)
In der Wirtschaft ist es verbreitet, dass sich Unternehmen mit allerlei dekorativen Siegeln und Auszeichnungen schmücken. Ob “Beste Sales Performance”, “innovativstes Unternehmen im Mittelstand” oder “Top100”: All diese Auszeichnungen samt Gala und Promiauftritt kann man erhalten, wenn man die Teilnahmegebühr von bis zu 9900 Euro berappt. “Zapp” berichtet anhand eines Praxisbeispiels, was solche Auszeichnungen wert sind. Spoiler: Der ausgezeichnete Unternehmer sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft, wegen Verdachts auf Untreue und Betrug.

2. Unabhängiger Journalismus oder PR? Greenpeace-Magazin-Chef Stukenberg verteidigt Nominierung für Reporterpreis
(meedia.de, Kurt Stukenberg)
Als ein Beitrag des “Greenpeace Magazins” für den “Deutschen Reporterpreis” nominiert wurde, kam der Vorwurf auf, dass sich damit der Journalismus der interessengeleiteten PR öffne. In einem Gastbeitrag bei “Meedia” verteidigt der Chefredakteur die Nominierung und wehrt sich gegen einen kritischen “taz”-Beitrag. Das “Greenpeace Magazin” sei keine Mitgliederzeitschrift und sei redaktionell, inhaltlich und finanziell unabhängig.

3. Warum die AfD den Medien gerade wumpe ist
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek)
Es ist ein Phänomen: Vor der Bundestagswahl berichteten die Medien ausführlich über die AfD und sprangen teilweise über jedes noch so kleine hingehaltene Stöckchen. Nun, da die AfD im Bundestag sitzt, ist es erstaunlich ruhig. Arno Orzessek ordnet das Phänomen in seiner Glosse ein und erklärt, warum den Medien die AfD gerade “wumpe” ist.

4. Zahlt sich Sensationsmache aus?
(de.ejo-online.eu, Rana Khaled)
Wissenschaftler einer holländischen Universität haben untersucht, ob sich Sensationsmache auf die Sehdauer von Nachrichten-Videos auswirkt. Dazu haben sie 190 Teilnehmer unterschiedlich aufgemachte Nachrichtenbeiträge der niederländischen Hauptnachrichtensendung “Het Journaal” schauen lassen und die Sehdauer pro Beitrag gemessen. Das Ergebnis: Eine boulevardeske Aufmachung bringe die Zuschauer dazu, sich Nachrichtenbeiträge mit neutralen Inhalten länger anzuschauen. Bei negativen Inhalten aber, für die die Zuschauer sich sowieso schon interessierten, mache es keinen Unterschied. Je mehr, desto besser gelte dort also nicht.

5. Faktencheck: Wie Spiegel Online und Der Standard wegen eines Übersetzungsfehlers einer Nachrichtenagentur Fake News verbreiteten
(correctiv.org, Jacques Pezet)
Haben “Spiegel Online” und der österreichische “Standard” Fake News verbreitet, als sie über die Verhaftung einer Gruppe Rechtsradikaler in Frankreich berichteten? Dies behauptete jedenfalls die rechtsradikale Webseite “Breitbart”. In der Tat war die Nachricht falsch, was jedoch an einer Meldung der Presseagentur “AFP” lag. Agentur und Medien hätten sich nach Bekanntwerden des Fehlers entsprechend korrigiert.

6. Es ist 2017 und bei diesem Journalisten-Preis haben 100% Männer gewonnen
(buzzfeed.com, Karsten Schmehl)
Auf dem Gruppenbild des “Georg von Holtzbrinck Preises für Wirtschaftspublizistik” sieht man ausschließlich Männer. Die Organisation “Pro Quote”, die sich für mehr Frauen an der Spitze der Medien einsetzt, twitterte: “Es entsteht der Eindruck, dass auf diesem Planeten keine Frauen leben.” Und auch sonst hagelte es negative Stimmen im Netz (“Männer feiern Männer”).
Dazu passend ein weiterer Lesetipp: “ARD will Frauenanteil in Filmen und Shows erhöhen” bei “DWDL”. Und was passiert, wenn eine Frau eine Hauptrolle in einem Film spielt (wie gerade Diane Kruger in Fatih Akins neuem Film über den NSU-Komplex), kann man beispielhaft im Magazin “DB Mobil” verfolgen: Dort sei Kruger zu Problemzonen und Schönheits-Ops befragt worden, so die “taz”-Autorin Elisabeth Kimmerle in ihrer heutigen “Geht’s noch”-Kolumne.

Medien zeigen Suizid von Slobodan Praljak

Seit vielen Jahren schreiben wir hier nun schon über die Gefahren, die eine ausgiebige Berichterstattung über Suizide mit sich bringt. Manchmal, so wie heute, haben wir das Gefühl, dass sich etwas verbessert hat. Manchmal, so wie heute, haben wir aber auch das Gefühl, dass einigen Redaktionen es völlig egal ist, was der “Werther-Effekt” ist, und dass ihre Berichte und Videos im schlimmsten Fall Menschenleben kosten können.

Nachdem der “Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien” die 20-jährige Haftstrafe gegen Slobodan Praljak heute bestätigt hatte, vergiftete sich der frühere bosnisch-kroatische General selbst. Praljak sagte nach der Urteilsverkündung noch, dass er kein Kriegsverbrecher sei, und trank dann eine Flüssigkeit, bei der es sich nach Angaben seiner Verteidigerin um Gift handelte. Slobodan Praljak starb später in einem Krankenhaus.

Völlig verständlich, dass so gut wie alle überregionalen Medien über den Vorfall in Den Haag berichten.

Die Frage ist, wie die Redaktionen darüber berichten.

Süddeutsche.de zeigt beispielsweise weder ein Foto noch ein Video, auf beziehungsweise in dem Praljak das Gift nimmt. Genauso “Zeit Online”, wobei die Redaktion — anders als alle anderen — noch eine Box mit Informationen zu “Hilfe und Beratung” ans Ende ihres Artikels gestellt hat:

Screenshot Zeit Online - Menschen, die unter Depressionen leiden und Suizidgedanken haben, finden bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den kostenlosen Hotlines 0800-1110111 und 0800-1110222 rund um die Uhr Hilfe. Die Beratungsgespräche finden anonym und vertraulich statt. Angehörige, die eine nahestehende Person durch Suizid verloren haben, können sich an den AGUS-Verein wenden. Der Verein bietet Beratung und Informationen an und organisiert bundesweite Selbsthilfegruppen.

Die “taz” verwendet zur Bebilderung ihres Textes ein Standbild aus einem Video, das Slobodan Praljak kurz vor dem Trinken der giftigen Flüssigkeit zeigt. Im Artikel bei Welt.de ist ein Video eingebettet, in dem Praljak zwar im Gerichtssaal in Den Haag zu sehen ist — allerdings ist es so geschnitten, dass die Einnahme des Gifts nicht darin vorkommt. Ähnlich hat “Spiegel Online” es gelöst. Tagesschau.de zeigt, wie Praljak zum Trinken ansetzt und friert das Bild dann ein.

All diese Medien haben entschieden, den eigentlichen Suizid nicht zu zeigen.

Anders sieht es bei Bild.de, “Focus Online”, RTL.de, FAZ.net und Handelsblatt.com aus. Sie alle haben Videos veröffentlicht, in denen der Suizid von Slobodan Praljak zu sehen ist, bei Bild.de und “Focus Online” sogar mehrfach wiederholt und bei Bild.de zusätzlich noch in Zeitlupe. Die Bild.de-Redaktion hatte das Video heute tagsüber ganz oben auf der Startseite und direkt zum Anklicken platziert:

Screenshot Bild.de - Kroaten-General vor UN-Tribunal - Kriegsverbrecher stirbt nach Gift-Trunk
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Mit Dank an Peter K. und Daniel für die Hinweise!

Nachtrag, 1. Dezember: Mehrere Leser haben uns darauf hingewiesen, dass die “Tagesschau” in einem Facebook-Post das Video, das Slobodan Praljak bei der Einnahme des Gifts zeigt, nicht eingefroren hat. Dort ist alles komplett zu sehen. Außerdem hat auch das ARD-Studio Brüssel bei Twitter ein Video veröffentlicht, das den Suizid zeigt. Die “Deutsche Welle”, die Mitglied der ARD ist, zeigt auf ihrer Website einen Zusammenschnitt, in dem das Trinken des Gifts mehrfach zu sehen ist.

In einer früheren Version als der von uns beschriebenen scheint auch “Spiegel Online” die Gift-Einnahme gezeigt und sie erst später aus dem Video geschnitten zu haben. Auch “n-tv” und die “heute”-Redaktion des ZDF sollen Aufnahmen gesendet beziehungsweise in den Sozialen Medien gepostet haben, auf denen Slobodan Praljaks Suizid zu sehen ist.

Ausgesprochen befremdlich ist der Umgang der österreichischen “Kronen Zeitung” mit dem Vorfall in Den Haag. Dort kommentiert Kurt Steinitz, es handele sich um einen “starken Abgang wie einst von Göring”:

Ausriss Kronen Zeitung - Selbstmord eines Kriegsverbrechers: Starker Abgang wie einst von Göring

Mit Dank an Karolin, Patrick, BH, Sven P., Jörn K., Martin R., Andi W., Marco F., Isabel H., Frank S., Bullen N., Laura R., Arne C., Marcel D., Jörg S., Otto W., Wilfried S., @BchnerBuechner, @druemshausen, @fattony2k, @derAlteMannFFM, @Wirkungsmann und @bassena für die Hinweise!

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