Reichelts Lavieren, Dauerklauer “Focus”, Berlinale-Kleiderfragen

1. Schwache Verteidigung
(taz.de, Jürn Kruse)
Jürn Kruse schwankt hin und her, ob er die Einlassungen und Rechtfertigungsversuche des „Bild“-Chefs Julian Reichelt zum #miomiogate blöd oder bigott finden soll. Dieser hatte zuletzt seine Strategie geändert und sich auf den Auftritt von „Titanic“-Redakteur Moritz Hürtgen bei „RT“ eingeschossen. Reichelt hatte u.a. getwittert: „Wer professionell gezielte Desinformation betreibt und damit RT bedient, kann sich nicht auf Freiheit der Satire berufen.“
Kruse nötigt das ein trockenes „Doch, Herr Reichelt, kann er.“ ab. „So wie Sie sich auf die Freiheit der Presse berufen dürfen, wenn Sie einen Hund in die SPD einschleusen.“

Weiterer Lesetipp: Julians Einmaleins (daily.spiegel.de, Ulrike Simon)
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2. Das Gift der asozialen Medien
(wiwo.de, Dieter Schnaas)
Dieter Schnaas entwickelt in der „Wirtschaftswoche“ interessante Gedanken über „das Gift der asozialen Medien“. Die eigentliche Gefahr liege im stillen Bündnis von Politik und sozialen Medien: „Donald Trump und Mark Zuckerberg kommt es eben nicht auf Virilität und Mobilisierung an, auf die Kraft von Worten, Kriterien und Argumenten, sondern auf Zerstreuung und Entpolitisierung – auf die Entkräftung der Gesellschaft durch die Bewirtschaftung von Emotionen. Man muss Zuckerberg bei seinem Weltfriedensprojekt schon beim Wort nehmen, um es wirklich fürchten zu lernen: Er und Trump bringen die Menschen durch die systematische Trivialisierung der Welt einander näher – indem sie Nutzern und Wählern die Denk- und Diskursfähigkeit abtrainieren. Für beide, Zuckerberg wie Trump, zählt der Trend, nicht die Bedeutsamkeit. Das „Gefällt mir“, nicht dessen Grund. Der Präsenzerfolg, nicht die Arbeit an einem Ziel.“

3. „Textaufbau, Einstieg, teilweise ganze Passagen kopiert“: Focus Online löscht Artikel und entschuldigt sich für Inhalte-Klau bei Welt
(meedia.de, Marvin Schade)
Zwischen den Unternehmen Axel Springer und Hubert Burda Media gibt es immer mal wieder Zoff. Axel Springer hatte dem Focus zum Beispiel„systematischen Inhalte-Klau“ vorgeworfen und war deswegen sogar vor Gericht gezogen. Es kam jedoch nicht zur Eskalation: In einer gemeinsamen Presseerklärung teilten beide Medienunternehmen damals mit, man habe sich geeinigt. Nun gibt es einen neuen Fall des Inhalte-Diebstahls: Die „Welt“ beklagt sich darüber, dass „Focus Online“ sich bei ihr allzu großzügig bedient habe („Textaufbau, Einstieg, teilweise ganze Passagen vom WELT-Original kopiert“).
Mittlerweile ist der Focus-Artikel verschwunden und die stellvertretende Chefredakteurin hat sich auf Twitter entschuldigt. Die lapidare Einleitung „Fehler passieren.“, lässt ahnen, wie Ernst es ihr damit ist.
Weiterer Lesetipp: „Eindruck einer Satire-Session“: Focus Online bemüht sich jetzt um konstruktiven Journalismus (meedia.de, Marvin Schade).

4. Wozu Rundfunk-Gebühren? Frequently Asked Questions
(arminwolf.at)
In der Schweiz findet in wenigen Tagen eine erbittert umkämpfte Volksabstimmung über die Erhebung von Rundfunkgebühren statt. Da die österreichische FPÖ ebenfalls die Abschaffung der „Zwangsgebühren“ fordert, hat Armin Wolf die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Thema zusammengestellt. In vollem Bewusstsein, dass man ihm Parteinahme vorwerfen könnte: „Jetzt können Sie natürlich sagen: Eh klar, dass er das schreibt, er kriegt ja sein Gehalt dort. Stimmt, ich bekomme mein Gehalt im ORF – großteils aus Ihren Gebühren (vielen Dank!), aber ich wäre auch für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wenn ich ganz was anderes arbeiten würde. Einfach als Staatsbürger. 80 Cent am Tag ist mir das wert.“
Lesetipp zur Abstimmung über die Abschaffung der Rundfunk- und Fernsehgebühren in der Schweiz: Bastion der Demokratie (zeit.de, Thomas Beschorner & Caspar Hirschi)

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5. Steingart kritisiert zum Abschied Dieter von Holtzbrinck
(dwdl.de, Timo Neumeier)
Gabor Steingart hat zu Beginn des Monats seinen Posten als Herausgeber und Geschäftsführer der Handelsblatt Media Group verloren. Nun hat er sich in einer Abschiedsmail an seine Mitarbeiter gewandt und noch einmal Verleger Dieter von Holtzbrinck kritisiert. Dessen “Handhabung der Presse- und Meinungsfreiheit in Sachen Martin Schulz” habe letztendlich zur Entfremdung geführt.
Weiterer Lesetipp: Gabor Steingarts Abschiedsbrief im Original (kress.de, Bülend Ürük).

6. Die Reaktionen auf Lena Meyer-Landruts Kleid zeigen, wie sexistisch deutsche Medien sind
(vice.com, Rebecca Baden)
Eine „n-tv“-Journalistin fühlte sich durch die sexistische Berichterstattung über Lena Meyer-Landruts Auftritt bei der Berlinale gestört und schrieb einen offenen Beschwerdebrief. Diesen richtete sie jedoch nicht, wie zu vermuten, an die „Bild“, sondern an Meyer-Landrut. Ihr freundlich eingeleiteter “Liebe Lena”-Brief lese sich dabei wie „die auf Diddl-Blättern verfassten Hassbotschaften, in denen Grundschülerinnen sich die Freundschaft kündigen“, so Rebecca Baden in ihrer Erwiderung.

“Bild”-Richter vorverurteilen “G20-Plünderer”

Bei der von vielen Tiefpunkten geprägten “Bild”-Berichterstattung zu den G20-Ausschreitungen gibt es seit drei Tagen einen neuen Tiefpunkt: Nun (vor)verurteilen die “Bild”-Richter schon jemanden, bei dem einiges dafür spricht, dass er unschuldig ist, und stellen ihn an den Pranger.

Derzeit läuft in Hamburg der Prozess gegen den 30-jährigen Dimitri K.:

Als G20-Chaoten am 7. Juli einen Supermarkt im Schanzenviertel plünderten (Schaden: 1,7 Mio. Euro), soll er mittendrin gewesen sein. Anklage: besonders schwerer Landfriedensbruch.

K. sagt, er sei nicht vor Ort gewesen. Stattdessen sei er am fraglichen Tag mit Schmerzen zu Hause geblieben, schließlich hätten ihn am Vortag Polizisten angegriffen. Die Verlobte von K. bezeugte dessen Aussage.

Doch, so die “Bild”-Medien …

Doch ein verknackter G20-Plünderer identifizierte ihn. Sven B. (19) ist sich sicher: K. war dabei. Die Hals-Tattoos erkenne er wieder, hundertprozentig!

Für den Prozess zwar unerheblich, für die “Bild”-Redaktion aber bemerkenswert: Dimitri K. hat nicht nur ein Hals-Tattoo. Unter seinem rechten Auge hat er das Wort “Fuck” tätowiert und unter dem linken das Wort “Cops”. Was jetzt schon nach einer Folge “Richterin Barbara Salesch” klingt, wird noch besser:

Als der Angeklagte dann aber seine linke Hand zeigte, war plötzlich alles anders. Statt des von B. beschriebenen “187”-Tattoos stehen dort arabische Schriftzeichen. Irritiert änderte der Zeuge seine Aussage: “Ich bin mir sicher, dass er es nicht ist.”

Fassen wir mal zusammen: Ein Angeklagter, der ein Alibi für die Tatzeit zu haben scheint. Ein Zeuge, der den Angeklagten erst schwer belastet und dann komplett umkippt. Eine Tätowierung, die den Angeklagten belasten könnte, die es aber gar nicht gibt. Es sieht aktuell nicht gerade so aus, dass Dimitri K. während des G20-Gipfels “einen Supermarkt im Schanzenviertel” geplündert hat.

Und was machen die “Bild”-Medien? Trotz dieser Entwicklung im Prozess zeigen sie K. vor drei Tagen bei Bild.de unverpixelt ganz oben auf der Startseite und nennen ihn “G20-Plünderer” …

Screenshot Bild.de - G20-Plünderer mit Fuck Cops-Tattoo - Ihm steht der Hass ins Gesicht geschrieben - Dazu ein unverpixeltes Foto von Dimitri K
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

… und drucken vorgestern in der Hamburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung das Foto des angeblichen “Plünderers” ebenfalls ohne jegliche Unkenntlichmachung:

Ausriss Bild-Zeitung - Prozess gegen Plünderer - Der Hass steht ihm ins Gesicht geschrieben - Dazu ein unverpixeltes Foto von Dimitri K

Persönlichkeitsrechte eines möglicherweise Unschuldigen? Sind der “Bild”-Redaktion doch egal. Und sowieso: Unschuldsvermutung? Ist der “Bild”-Redaktion doch egal. Julian Reichelt und sein Team treten elementare Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens mit den Füßen. Für sie, die sich als Deutschlands oberste Ankläger und Richter sehen, reicht es offenbar, dass jemand angeklagt ist, um diese Person einem Millionenpublikum als Verbrecher zu präsentieren.

Reichelts Verachtung für deutsche Gerichte kann man regelmäßig in seinem Blatt beobachten. Sein gefährliches Rechtsverständnis präsentierte er am vergangenen Montag bei seinem Besuch in der Talkrunde “Hart aber fair”.

Mit Dank an Julia und @DonPepone110 für die Hinweise!

Reichelts Worte, Traurige Sex-Hetze, Panikmache und Scharfmacherei

1. Nach SPD-Posse der Titanic: Reichelt entschuldigt sich beim Bild-Team
(wuv.de, Lisa Priller-Gebhardt)
Während es im Netz in der Sache #miomiogate Hohn und Spott für “Bild”-Chef Julian Reichelt gibt, versucht dieser wenigstens seinem Team per Rundbrief weiszumachen, man habe alles richtig gemacht.
Ganz zum Schluss beschwört der ehemalige Kriegsreporter und Militarismusfan nochmal seine virtuellen Truppen: “(…) zusammenzustehen, wenn wir Anfeindungen ausgesetzt sind, geht auf uns alle” — und man sieht ihn dabei förmlich im Büro auf dem Feldbett sitzen. Wenn er nicht längst einen Architekten damit beauftragt hat, im Axel-Springer-Hochhaus Schützengräben auszuheben.

2. Die Lüge von der „Sex-Broschüre für Kita-Kinder“
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Sobald es um Themen wie Intersexualität und Transsexualität geht, scheinen bei Boulevardmedien die Sicherungen durchzubrennen. So auch bei einer von “Bild” und “BZ” zum Skandal hochgejazzten Broschüre für pädagogische Fachkräfte. Stefan Niggemeier kommentiert den traurigen Vorgang: “(…) was hier passiert, ist keine Diskussion über die Inhalte der Broschüre. Es ist eine Schmutz- und Desinformationskampagne. Sie verbreitet erneut die Mär von der “Frühsexualisierung” und vielen damit verbundenen Unterstellungen wie der, dass linke Pädagoginnen und Pädagogen heimlich daran arbeiten, die ganze Welt transsexuell oder wenigstens schwul zu machen, und „normale“ Kinder verachten und vernachlässigen.”

3. Änderungen in der Google-Bildsuche – Probleme bleiben
(djv.de, Michael Hirschler)
Die Fotobranche hat schon seit Längerem Probleme mit Google und dabei wird es wohl auch bleiben. Mittlerweile hat der Suchmaschinengigant zwar die sogenannte Einzelbildpräsentation abgeschafft. Dies erfolgte jedoch nicht aus Einsicht oder Wohlwollen, sondern ist auf einen Deal mit der Firma Getty Images zurückzuführen. Michael Hirschler kommentiert: “Ein kritischer Beobachter könnte auch meinen: der Firma Getty Images wurde ihre Beschwerde wohl eher abgekauft. Das erinnert an die Praxis der Firma Microsoft, als die EU-Kommission wegen Wettbewerbsverletzungen gegen sie vorging. Firmen, die eine Beschwerde eingelegt hatten, wurden von Microsoft einfach aufgekauft. Auch wenn Getty Images jetzt (noch) nicht direkt von Google aufgekauft wurde, sieht es ziemlich ähnlich aus.”

4. Kenntnisfreie „Fakten-Checker“ bei „Hart aber fair“: Plasberg und Bild strapazieren das „gesunde Volksempfinden“
(meedia.de, Thomas Fischer)
Die vergangene “Hart aber Fair”-Sendung mit Frank Plasberg wurde in den Medien vielfach kritisiert. Hans Hütt fand in der “FAZ”, dass die Sendung ihren Informationsauftrag verfehlt hätte und macht dafür auch die Fragen von Gastgeber Plasberg verantwortlich. Christoph Kammenhuber sah es in der „taz“ ähnlich: Dem Moderator habe es an juristischem Fingerspitzengefühl gefühlt und er habe als Vertreter des „gesunden Volksempfindens“ Stimmung gegen die Justiz gemacht.
 Nun nimmt sich mit Bundesrichter a.D. Thomas Fischer jemand vom Fach der Sendung an. Sein Befund: “Fünf Viertelstunden kenntnisfreier Panikmache und rechtspolitischer Scharfmacherei auf sehr niedrigem Niveau“.

5. Hass-Reden gegen Menschenrechte
(taz.de)
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat ihren Jahresbericht vorgestellt. „Das Schreckgespenst von Angst und Hass macht sich in der Weltpolitik breit und es gibt wenige Regierungen, die sich in diesen unruhigen Zeiten für Menschenrechte einsetzen“, beklagt der Vorsitzende Salil Shetty. Negativ hervorgehoben hätten sich die Staatschefs von Ägypten, Venezuela und der Philippinen, aber auch der russischen Präsidenten Wladimir Putin, der chinesischen Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Donald Trump.

6. “Wer hat Julian Reichelt erlaubt, die Demokratie so in den Dreck zu ziehen?”
(tagesspiegel.de, Christopher Lauer)
Christopher Lauer wendet sich in seiner Video-Kolumne an den „Bild“-Chef: „Lieber Julian Reichelt, wer hat Dir erlaubt, die Demokratie so in den Dreck zu ziehen, wie es Deine Zeitung gerade macht?“

“Bild” feiert den schwulen Selbsthass

Die “Bild”-Redaktion weiß, was ihre Leserschaft gerne über Schwule lesen möchte. Zum Beispiel das: “70-Jährige lassen sich hier in der Berliner Herbstsonne öffentlich auspeitschen”, heißt es in einem Text über das Fetisch-Treffen “Folsom” in Berlin, “Menschen urinieren sich vor Imbissständen gegenseitig ins Gesicht. Manche stehen einfach an der Straßenkreuzung und onanieren stundenlang vor sich hin.”

Kolumne Politically Correct

Früher hat die “Bild”-Zeitung wahlweise offen gegen Homosexuelle gehetzt oder sich an ihrem Außerirdischsein ergötzt. Da das heute nicht mehr so en vogue ist, hat sie sich etwas Neues einfallen lassen. Damit die Redaktion sich nicht selbst die Finger schmutzig machen muss und sich als weltoffen und tolerant darstellen kann, hat sie das Homophobieressort outgesourct: Nina Queer, prominente Berliner Dragqueen und Protagonistin der LGTBI*-Community darf jetzt seit einem Jahr in einer Kolumne (“Darf’s ein bisschen queer sein?”) Ressentiments gegen die eigenen Leute bedienen, was den Ressentiments nicht nur zusätzliche Legitimität verleiht, sondern auch einen besonderen Unterhaltungsfaktor garantiert. “Nichts ist so amüsant für homophobe Menschen, wie Homos, die so sehr von Selbsthass angefressen sind, dass sie sich zum Hofnarren machen lassen”, sagt die Journalistin Stephanie Kuhnen über die “Bild”-Kolumnistin.

Queer war “Toleranzbotschafterin” der Berliner SPD. Die Partei distanzierte sich aber von ihr nach einem “menschenverachtenden Kommentar” auf Facebook, in dem die Dragqueen in Folge eines homophoben Übergriffs Jugendlicher gefordert hatte:

Es ist doch zum Kotzen! SOFORT ABSCHIEBEN! Ob in Deutschland geboren oder nicht. Wer Stress haben will, für den lässt sich doch bestimmt ein tolles Kriegsgebiet finden…..

… nachher aber — wie man das heute so tut — erst darauf bestand, missverstanden worden zu sein, später dann darauf bestand, einen Fehler im Affekt gemacht zu haben. Gleichzeitig hatte sie offensichtlich nichts dagegen, dass ihre Anhänger sie in Kommentaren für die “ABSCHIEBEN”-Aussage feierten.

Schon in ihrem ersten “Bild”-Text im Februar 2017 machte Queer klar, dass sie alles dafür tun wird, bestehende Homo-Stereotype zu zementieren. Sie gab zum Auftakt den Lederschwulen eins auf die Mütze, also denen, die neben der Tunte das mediale Bild homosexueller Männer prägen:

Leder ist das Material der Verzweiflung! Zudem hat es einen starken Eigengeruch und überdeckt den fiesen Alte-Leute-Mief. Und wenn man seine Wampe oder wahlweise sein knochiges, leicht brüchiges Gerippe erst mal in einen sündhaft teuren Lederpyjama gezwängt hat, gibt es auch kein Schämen mehr!

Der Trick, eine solche Kolumne von einer Kunstfigur schreiben zu lassen, ermöglicht es, sich bei jeder Kritik eine Ebene aussuchen zu können, mit der man das, was an solchen Sätzen problematisch sein könnte, ins Leere laufen lassen kann. Alles nicht so ernst gemeint, alles überhöht und nur ein Witz, heißt es dann, man habe die Satire eben nicht verstanden. Oder es ist umgekehrt: Kritik an der Kolumne sei der Beweis dafür, dass dort Abgründe oder Missstände präzise beschrieben werden, sich aber bisher niemand getraut habe, diese zu benennen:

Es ist mir völlig klar, dass meine Texte oft zu hart für schwache Gemüter sind und es ist nun mal erwiesen, dass nichts mehr weh tut, als die Wahrheit. Vor allem wenn man sich selbst dabei entdeckt oder erwischt fühlt.

Die Queer-Kolumne von vergangenem Donnerstag ist mit dem Befund überschrieben:

Screenshot Bild.de - Unsere Gesellschaft ist krank

Dass sie krank aufgrund ihrer Homosexuellen ist, schreibt Nina Queer nicht. In ihrem Text geht es zunächst um schnorrende “Influencer”, “unterprivilegierte Drecksschlampen”, die nicht mehr “als einen Schminkkanal bei YouTube aufweisen” könnten und Dschungelcamp-Stars, die, Achtung!, überhaupt keine richtigen Stars seien.

Dann geht es aber doch zur Sache. Auf den Satz “Je hässlicher, abartiger und entwürdigender desto besser” folgt direkt die Erkenntnis:

Es scheint auch nur noch einen Typ von Schwulen in der Öffentlichkeit zu geben: Die hysterisch kreischende Tunte.

Widerlich aussehende Männer mittleren Alters mit schlechtem Modegeschmack (gerne was aus den 80ern), ohne Grundschulabschluss, Arbeit und Lebensinhalt.

Die Gesellschaft krankt also nicht an allen Schwulen, sondern nur an einem Teil von ihnen. Ein Homo trifft in “Bild” ein Urteil zwischen guten Homos und schlechten Homos, um dann die schlechten Homos den Homohassern zum Fraß vorzuwerfen. Die Queer-Kolumne ist aber nicht nur ein Serviceangebot für heterosexuelle Homophobiker, die so ihre Vorbehalte weiterhin kultivieren und sich trotzdem einreden dürfen, nichts gegen Homosexuelle zu haben. Sie wendet sich auch an diejenigen unter den Homosexuellen, die, um endlich in der “Mitte der Gesellschaft” ankommen zu können, dazu ermutigt werden, den Ballast in den eigenen Reihen von Bord zu werfen:

Diese Schwulen sind Schwule für die sich Schwule schämen. POSER! BLENDER! NERVENSCHÄNDER!

All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. Den sogenannten “Waldschlösschen-Appell” gegen Homophobie in Medien hat er initiiert. Sein “Nollendorfblog” bekam eine Nominierung für den “Grimme Online Award”. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.

“Bild” bedient also nicht nur das psychologische Phänomen der internalisierten Homophobie, also des homosexuellen Selbsthasses, sondern auch das soziologische Prinzip, nach dem sich oft viele Mitglieder jener gesellschaftlichen Gruppen, die gerade einen Emanzipationsgewinn verbuchen konnten, gerne dadurch abzusichern versuchen, dass sie besonders heftig nach unten treten.

Als sie über die homophoben Zustände auf Jamaika schreibt, bemüht sich Nina Queer nicht einmal um einen Millimeter Differenzierung:

Mit dieser Kolumne möchte ich Homosexuelle davor warnen, Jamaika zu besuchen. Die Insel und ihre Bewohner haben es wahrlich nicht verdient, auch nur einen Dollar durch uns zu verdienen.

Homosexuelle sind keine besseren Menschen. Auch Homosexuelle haben das Recht auf einfache Sichtweisen. Kein Homosexueller hat die moralische Pflicht, sich für seinesgleichen oder andere diskriminierte Gruppen einzusetzen. Homosexuelle müssen nicht politisch korrekter sein als andere. Und abgesehen davon ist bitterböser Trash, wie Nina Queer ihn formuliert, auch Teil der schwulen Subkultur. In jeder Subkultur gibt es eingeübte Codes des Über-sich-selber-Lachens und der kontrollierten Grenzüberschreitungen. Doch außerhalb dieser Räume — erst recht in einem Medium, zu dessen Markenkern das Ressentiment, die Vereinfachung, die Empörung gehören — erfüllt das, was innerhalb einer Gruppe oft als Selbstbestärkung funktioniert, im Zweifel den gegenteiligen Zweck. Ob Nina Queer, die dazu neigt, sich inhaltliche Kritik an ihren Texten mit Neid auf ihre Aufmerksamkeit zu erklären, das bewusst ist, ist zweitrangig. Denn da es beim Emanzipationskampf der Homosexuellen auch darum ging, dass sie die gleichen Dinge tun dürfen können wie die Heteros, haben letztendlich die solidarischen Lesben und Schwulen auch dafür gekämpft, dass Lesben und Schwule unsolidarisch sein dürfen.

#miomiogate, Antisemitismus, Schleichwerbeverdacht

1. „Man hätte sehen können, dass es ein Fake sein kann“
(faz.net, Oliver Georgi)
Reißerisch und prominent auf der Titelseite schrie „Bild“ eine schier unglaubliche Geschichte in die Welt hinaus: Juso-Chef und Groko-Gegner Kevin Kühnert hätte in Kontakt mit russischen Trollen gestanden. Ziel der angeblichen Zusammenarbeit mit Mittelsmann „Juri“: Die Juso-Kampagne gegen die große Koalition zu unterstützen. „Bild“ meinte Belege für diese Räuberpistole zu haben. „Ein unfassbarer E-Mail-Wechsel, der BILD exklusiv vorliegt“, schrieb die Zeitung (obwohl große Zweifel bestanden,BILDblog berichtete).
Nun behauptet die „Titanic“, dass das ganze Russenmärchen auf ihr Konto geht. Im Interview mit der „FAZ“ erzählt „Titanic“-Redakteur Moritz Hürtgen, wie leicht es gewesen sei, die Geschichte der „Bild“ unterzujubeln: 
„Wir haben einfach eine Runde „Copy and paste“ gespielt und uns eine Konversation zwischen Kevin Kühnert und einem ominösen Russen namens Juri aus St. Petersburg ausgedacht. Dieser Mailwechsel umfasst neun Mails, die angeblich zwischen beiden hin- und hergingen. Wir haben die Mails aufgeschrieben, die Zeitstempel angepasst und auch einige Serverdaten in eine Maildatei hineinkopiert. Das haben wir dann einem Politikredakteur der „Bild“ per Mail zugespielt, den wir uns vorher ausgesucht und über Twitter kontaktiert hatten.“
Mittlerweile hat Julian Reichelt in einer einzigartigen Kombination aus Rechtfertigungsversuch und Uneinsichtigkeit reagiert, die wir hier auf BILDblog bereits eingeordnet haben.
Weitere Lesetipps: Medienwissenschaftler Volker Lilienthal schreibt “Auf die ‘Bild’-Zeitung ist kein Verlass” und berichtet von seiner persönlichen Haltungsänderung: Seine Einschätzung, “Bild” habe sich sozusagen zivilisiert, sei blauäugig gewesen. Er nehme sie zurück …
Stefan Kuzmany kommentiert im „Spiegel“: “‘Bild’ ist in der Kühnert-Mail-Affäre nicht etwa einer ‘Titanic’-Fälschung aufgesessen. Vielmehr scheint dem Springer-Blatt jede noch so windige Geschichte recht zu sein, um der SPD einen Tritt zu versetzen.”
In der “Frankfurter Rundschau” schreibt Arnd Festerling: “Das Boulevard-Blatt hat eine erfundene Nachricht für ihre niederträchtigen Ziele benutzt und ist deshalb kein Opfer.”
Einzig Jakob Augstein sorgt auf Twitter für, nennen wir es neutral: Erstaunen.

2. Was bleibt von #MeToo?
(deine-korrespondentin.de, Pauline Tillmann)
Unter dem Hashtag „metoo“ haben sich weltweit Frauen zu Wort gemeldet und von ihren Erfahrungen mit Sexismus oder sexualisierter Gewalt berichtet. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Hat die Debatte etwas verändert? Die Journalistin Pauline Tillmann hat fünf Medienfrauen nach ihrer Einschätzung gefragt.

3. “Die Menschheit hat nach Auschwitz nichts gelernt”
(derstandard.at, Vanessa Gaigg & Oona Kroisleitner)
Der „Standard“ hat sich mit der Kognitionswissenschafterin Monika Schwarz-Friesel über Antisemitismus unterhalten: „Wir können Antisemitismus ohne seine starke emotionale Basis überhaupt nicht verstehen, erklären und auch nicht bekämpfen. Eigentlich ist Antisemitismus eine Emotionskategorie für sich. Es findet eine sehr starke Abwehr statt, verbunden mit Hass und Argwohn. Antisemitismus ist ein Glaubenssystem: Antisemiten glauben so unerschütterlich an ihre Konzeptualisierung, wie sie daran glauben, dass es Erde und Mond gibt .“

4. Tödliche Fake-News in Zentralafrika
(nzz.ch, David Signer)
Zentralafrika ist eines der ärmsten Länder der Welt und ohne funktionierende Medien. Gefährlicher als Granaten seien die Handys mit denen Falschnachrichten und Gerüchte verbreitet werden: „In einem Umfeld wie Zentralafrika können Nachrichten wie ein Zündholz wirken, das in ein Pulverfass geworfen wird – oder wie Wasser, das ein Feuer löscht, bevor es zum Flächenbrand wird.“ Eine der wenigen Hoffnungsschimmer sei „Radio Ndeke Luka“, das sich um Objektivität und Ausgewogenheit bemühe, aber immer wieder von Rebellengruppen ins Visier genommen werde.

5. “Sie können gar nicht an Mediamarkt vorbeigucken”
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio, 5:14 Minuten)
Die neue Pastewka-Staffel bei Amazon strotzt vor eingebetteter Marken. Die Medienaufseher gehen nun dem Verdacht der Schleichwerbung nach. Doch noch ist unklar, wer den Anbieter Amazon Prime überhaupt beaufsichtigt, wie Stefan Fries im Deutschlandfunk berichtet.

6. Copyright Update #2: Upload-Filter für alle außer Google, Facebook & Co?
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Leonhard Dobusch berichtet über den derzeitigen Stand in Sachen Upload-Filtern. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD würde sich gegen die Einführung von Upload-Filtern zur Urheberrechtsdurchsetzung aussprechen. Auf EU-Ebene hätte der deutsche CDU-Abgeordnete Axel Voss jedoch einen Vorschlag vorgelegt, der weiterhin Upload-Filter vorsieht und die Dominanz von großen Internetunternehmen weiter verschärfen könnte.

“Schmutz-Kampagne bei der SPD”: “Bild” fällt auf “Titanic” rein

Es ist alles noch viel schlimmer und trauriger und lustiger.

Die vermeintlichen E-Mails von Kevin Kühnert, die die “Bild”-Redaktion vergangene Woche dazu veranlasst haben, eine große Titelgeschichte über eine “Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD” zu veröffentlichen, stammen gar nicht von einem Russen namens “Juri”. Sie stammen auch nicht — wie wir vermutet haben — von einem Jugendlichen, der dank dreieinhalb Minuten Microsoft-Outlook-Gefummel “Bild” mit einer plumpen Fälschung reingelegt hat. Die E-Mails stammen von der “Titanic”-Redaktion:

Screenshot Titanic-Website - miomiogate – Juri, Kühnert, Bild und TITANIC

Die “Bild”-Zeitung ist einem Fake der TITANIC aufgesessen. Am Freitag hatte “Bild” unter der Schlagzeile “Neue Schmutzkampagne bei der SPD” einen Mailverkehr veröffentlicht, der belegen soll, daß Juso-Chef Kevin Kühnert bei seiner NoGroKo-Initiative Hilfe eines russischen Internettrolls namens Juri in Erwägung gezogen hat. Dieser Schriftverkehr wurde aber u.a. von TITANIC-Internetredakteur Moritz Hürtgen an “Bild” lanciert: “Eine anonyme Mail, zwei, drei Anrufe – und ‘Bild’ druckt alles, was ihnen in die Agenda paßt.”

Stimmt das denn nun? Oder handelt es sich nach Jan Böhmermanns “Varoufake” um den nächsten Fake-Fake? Wir waren auch erst skeptisch. Inzwischen glauben wir der “Titanic” aber voll und ganz. Vor allem aus zwei Gründen:

1) Auf der “Titanic”-Seite kann man sich den angeblichen Mail-Verkehr zwischen Kühnert und “Juri” runterladen. Diese Unterhaltung enthält deutlich mehr Mails als von “Bild” bisher veröffentlicht. Soll heißen: Hätte sich die “Titanic”-Redaktion zusätzliche Mails zwischen dem falschen Kühnert und “Juri” erfunden, wäre es für die “Bild”-Redaktion ein Leichtes, die “Titanic”-Version zu widerlegen. Das hat sie bisher nicht getan.

2) Bereits am Freitag haben wir aus “Bild”-Kreisen erfahren, dass der “anonyme Informant” die “Bild”-Redaktion besuchen wird, um seine Geschichte weiter zu verifizieren. In einem Telefonat hat uns “Titanic”-Chefredakteur Tim Wolff heute erzählt, dass Moritz Hürtgen als Informant bei “Bild” zu Gast war — ohne dass Wolff wusste, dass wir von dem Besuch bereits wissen. Es wäre ein sehr großer Zufall, wenn Tim Wolff sich diesen Besuch nur ausgedacht und damit exakt unsere Informationen bestätigt hat.

Und dann gibt es noch einen dritten Punkt. Diesen Rechtfertigungsversuch bei Twitter von “Bild”-Oberchef Julian Reichelt:

Das ist der Julian Reichelt, der von sich selbst gern behauptet, dass es ihm “grundsätzlich leicht” falle, “mich zu entschuldigen, wenn wir Fehler gemacht haben.” Das ist der Julian Reichelt, der nach dem Flüchtlings-“Sex-Mob”-Reinfall in Aussicht gestellt hat, bei “Geschichten, die für ‘Fake News’ anfällig sind”, eine “Bild”-Spezialtruppe mit “noch mehr gestandenen Nachrichtenleuten” einzusetzen, damit es solche Reinfälle nicht wieder gibt. Das ist der Julian Reichelt, der in seinen Worten stets so groß ist und in seinen Taten stets so klein. Das ist der Julian Reichelt, dem man nichts glauben kann.

Was Reichelt offenbar nicht versteht: Die “Titanic”-Redaktion hat mit dieser Aktion nicht versucht, “journalistische Arbeit bewusst zu diskreditieren”. Sie hat es geschafft, das nicht-journalistische Arbeiten von “Bild” zu verdeutlichen. Denn es bleibt trotz der längeren Erklärung bei Bild.de, wie es “zu dieser Schlagzeile” kam, dabei: Die “Schmutz-Kampagne” wurde erst in dem Moment zur “Schmutz-Kampagne”, als die auflagenstärkste Zeitung Deutschlands aus der ganzen Sache eine große Titelgeschichte gemacht hat. Die “Schmutz-Kampagne” ist bei “Bild” entstanden. Vorher war es lediglich ein Spinner (beziehungsweise “Titanic”-Redakteur Moritz Hürtgen) mit offensichtlich gefälschten E-Mails, für den sich niemand interessiert hätte. Es bleibt auch dabei, dass stets mehr gegen die Echtheit der Mails gesprochen hat als dafür. Warum greift “Bild” die Story überhaupt auf, wenn sie von Anfang an mindestens merkwürdig ist? Warum in dieser großen Aufmachung? Warum bringen “Bild” und Reichelt gerade diese Titelzeile, wenn sie doch die ganze Zeit so skeptisch waren? Warum “Schmutz-Kampagne bei der SPD” und nicht “Schmutz-Kampagne gegen die SPD”? Und natürlich bleibt bei dieser Schlagzeile, die “Bild” gewählt hat, bei vielen Leuten hängen: “Der Kühnert? Das war doch der, der mit den Russen gemeinsame Sache gemacht hat!” — auch wenn “Bild”-Autor Filipp Piatov ganz am Ende auflöst, dass es “für die Echtheit der E-Mails” “keinen Beweis” gebe. Das alles nun als die große Skepsis “von Beginn an” darzustellen, zeugt nur davon, was für ein schlechter Verlierer Julian Reichelt ist.

Und nur nebenbei: Dieser Tweet, den Piatov vorgestern noch gepostet hat, sieht nun nicht nach massivem Misstrauen aus:

Nein, es war anscheinend keine “plumpe Fälschung”, auf die Piatov und “Bild” reingefallen sind und die sie zur Titelgeschichte aufgeplustert haben, sondern eine filigrane Fälschung.

Die “Titanic”-Aktion zeigt, dass man bei Julian Reichelt, Filipp Piatov und der gesamten “Bild”-Redaktion sehr gute Chancen hat, mit Desinformationen ins Blatt zu gelangen, wenn man nur die richtigen Knöpfe drückt. Im aktuellen Fall hat die “Titanic”-Redaktion sehr geschickt eine Mischung aus SPD (bei “Bild” nicht sehr beliebt) und dem bösen Russen (bei “Bild” nicht sehr beliebt) gewählt.

Zum Schluss bleibt uns nur, uns vor Moritz Hürtgen, Dax Werner und der “Titanic”-Redaktion zu verneigen. Und alle BILDblog-Leser aufzufordern, sofort ein “Titanic”-Abo abzuschließen, um die Redaktion in ihrer wichtigen Aufklärungsarbeit zu Deutschlands größter Satire-Zeitung “Bild” und zu “Bild”-Oberwitz Julian Reichelt zu unterstützen.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 8. September: “Bild” hat für die falsche SPD-“Schmutz-Kampagne” bereits im März eine Rüge vom Presserat kassiert. Das Gremium sehe “einen schweren Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot in Ziffer 1 des Pressekodex. Diese Irreführung der Leser beschädigt Ansehen und Glaubwürdigkeit der Presse”.

Heute ist die Redaktion ihrer Verpflichtung nachgekommen und hat die Rüge im Blatt versteckt veröffentlicht:

Ausriss der Bild-Doppelseite mit der Rüge

Nicht gefunden? Hier:

Erneuter Ausriss der Bild-Doppelseite mit der Rüge
Ausriss Bild-Zeitung - Rüge des Presserats - Der Deutsche Presserat hat Bild wegen der Berichterstattung Neue Schmutzkampagne bei der SPD vom 16. Februar 2018 eine Rüge erteilt. Beanstandet wird, dass die Redaktion den Artikel veröffentlicht hat, obwohl die SPD die angeblichen Mails ihres Juso-Chefs mit offensichtlichen Argumenten wie der falschen Endung der E-Mail-Adresse dementiert habe. Vor allem aber sei dem Leser suggeriert worden, dass es eine neue Schmutzkampagne bei der SPD gegeben habe, was tatsächlich nicht der Fall gewesen sei. Auf diese Ungereimtheiten hatte die Redaktion den Leser zwar ausdrücklich hingewiesen. Der Presserat sieht gleichwohl einen Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot in Ziffer 1 Pressekodex.

Hart aber Unfair, “Bild”s SPD-Hund, Maximal dumme CEOs

1. Ein Fall für den Presserat
(faz.net, Hans Hütt)
Sowohl „FAZ“ als auch „taz“ sind sich einig in ihrer Kritik der letzten Ausgabe von „Hart aber Fair“ (ARD). Die Fälle, über die Frank Plasberg in seiner Sendung über eine überlastete Justiz diskutierte, seien schrecklich. Noch schrecklicher aber sei es, dem „gesunden Rechtsempfinden“ Vorschub zu leisten. Die Sendung hätte ihren Informationsauftrag verfehlt, was auch an den mitunter suggestiven Fragen des Gastgebers gelegen hätte. Die Aussagen von „Bild“-Chef Julian Reichelt hält “FAZ”-Autor Hans Hütt gar für einen Fall für den Presserat.
Christoph Kammenhuber sieht es in der „taz“ ähnlich: Dem Moderator Frank Plasberg fehle es an juristischem Fingerspitzengefühl, er agiere als Vertreter des „gesunden Volksempfindens“ und mache Stimmung gegen die Justiz.

2. SPD wendet sich wegen “Bild”-Bericht an Presserat
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Die SPD geht juristisch gegen die Behauptung der „Bild“ vor, ein Hund könne über die GroKo abstimmen. „Bild“ hatte das Tier als SPD-Mitglied angemeldet, die Abstimmungsunterlagen für den Mitgliederentscheid über den Eintritt in die Große Koalition bekommen und das Ganze publizistisch ausgeschlachtet. Was „Bild“ verschwieg: Für eine gültige Stimmabgabe muss dem Wahlzettel eine unterschriebene eidesstattliche Erklärung beigefügt werden.

3. Newsletter statt Blog?
(1ppm.de, Johannes Mirus)
Johannes Mirus hat sich auf Twitter umgehört, warum viele Menschen lieber persönliche Newsletter versenden, statt ein Blog zu führen. Die Antworten hat er in einem Blogartikel zusammengefasst. Manche Newsletterversender folgen einfach nur dem allgemeinen Trend, andere schätzen das ausgesuchte Zielpublikum. An möglichen Gründen wurde auch die Bequemlichkeit der Empfänger genannt und das Gefühl, Teil einer “elitären Gruppe” zu sein.

4. Ralf Höcker kritisiert PR-Profis: Warum Homestorys tabu sein sollten
(kress.de, Marc Bartl)
Wenn ein Vorstandsvorsitzender einem Magazin verrät, dass er im Winter fast jedes Wochenende zum Skifahren in die Berge fährt und ein passendes Foto beisteuert, hält Medienanwalt Ralf Höcker das aus presserechtlicher Sicht für „maximal dumm“. Höcker weiter: „Wer sich selbst öffnet, opfert einen Teil seiner Persönlichkeitsrechte. Homestorys sind deshalb tabu. Diese bescheuerten Fragebögen, in denen man erklärt, welche Bücher man mit auf eine einsame Insel nimmt, sind tabu. Man redet auch nicht über seine Familie. Wenn ein CEO sich mit seinem Auto, seiner Frau und seinen Haustieren fotografieren lässt und erzählt, wie toll sein Familienleben ist, und er drei Monate später besoffen aus dem Puff kommt und einen Hund tot fährt, kann er den Bericht darüber in der “Bild” natürlich nicht mehr verhindern. Ansonsten wäre ein solcher Artikel durchaus verbietbar gewesen.“

5. Auf dem Weg zum Blockbuster-Journalismus
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
In Amerika experimentieren große Medienhäuser wie die „New York Times“ und „Washington Post“ mit Augmented- und Virtuality-Reality-Lösungen. Adrian Lobe schreibt in der „Medienwoche“ über Chancen und Risiken der neuen Technologien.

6. Dichotom-Energie
(dirkhansen.net)
Dirk Hansen philosophiert über die Gründe einer zunehmend aggressiver werdenden Mediengesellschaft: „Wir streiten weit unter unserem Skalen-Niveau. Weil wir die Debatten quasi mit Dichotom-Energie anheizen. Und das ist gefährlich dumm. Denn die Verhältnisse werden schwer kalkulierbar, wenn wir nur mit „gleich/ungleich“ rechnen können.“

Trackingkapitalismus, Vergessene Nachrichten, Postkarte von Facebook

1. Top Ten der vergessenen Nachrichten 2018
(derblindefleck.de)
Die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) e.V. hat ihre „Top Ten der vergessenen Nachrichten 2018“ vorgestellt. Dabei handelt es sich um Themen und Geschichten, die in den Medien weitgehend unsichtbar blieben, obwohl sie von gesellschaftlicher Bedeutung seien. Auf den ersten drei Plätzen: Inklusion in der Arbeitswelt, Portugal und seine Anti-Spar-Politik sowie der Monsun in Südasien.

2. Überwachungskapitalismus: Wie unser Online-Verhalten ausgewertet wird
(futurezone.at, Barbara Wimmer)
Barbara Wimmer beschreibt, was passiert, wenn private Daten im Netz gesammelt und miteinander verknüpft werden. Da kann dann schon mal die Urlaubsreise teurer oder ein Kredit abgelehnt werden, weil man im falschen Viertel wohnt oder auf Facebook mit den falschen Menschen befreundet ist. Netzaktivist und Datenanalyst Wolfie Christl: „Man kann sich das Machtungleichgewicht zwischen datensammelnden Firmen und Einzelpersonen vorstellen wie beim Pokerspiel. Die eine Seite hat die Karten verdeckt, die andere muss mit offenen Karten spielen. Es wird immer die Seite verlieren, deren Karten aufgedeckt liegen. Wie beim Pokern können Firmen das gesammelte Wissen gegen uns verwenden.“
Weiterer Lesetipp: WWW: Tracking-Methoden werden brutaler, Browser-Hersteller schauen weg (heise.de, Daniel AJ Sokolov).

3. Journalismus von morgen?
(deutschlandfunk.de, Charlotte Horn, Audio, 5:25 Minuten)
“Constructive Journalism Day” heißt die Fachkonferenz, die von der „Hamburg Media School“ und „NDR Info“ organisiert wird. Beim „konstruktiven Journalismus“ geht es darum, Lösungsideen in den Mittelpunkt zu stellen, ohne dabei die journalistischen Grundregeln wie kritische Distanz zu vergessen. Charlotte Horn berichtet von der Konferenz und lässt Experten aus Lehre und Medien zu Wort kommen.

4. Facebook will Wahlwerbung per Postkarte verifizieren
(zeit.de)
Es hört sich anachronistisch und etwas zu kurz gesprungen an, aber es ist tatsächlich so: Facebook will Wahlwerbung per Postkarte verifizieren. Jeder, der auf Facebook politische Werbung veröffentlichen will, bekomme zukünftig eine Postkarte mit einem Code zugeschickt. Erst nach Aktivierung des Codes geht die Werbeanzeige online. Auf diese Weise wolle man eine Beeinflussung der US-Wahl aus dem Ausland verhindern.

5. Arbeiten unter Angst
(taz.de, Knut Henkel)
Kolumbien ist für Journalisten ein gefährliches Pflaster. Wie Knut Henkel berichtet, gehören Morddrohungen trotz des Friedensabkommens mit der Farc für viele Journalisten zum Alltag. Letztes Jahr hätte es 310 Angriffe auf Medienvertreter gegeben, so viel wie seit 2006 nicht mehr. Angst sei ein ständiger Begleiter, viele Journalisten würden mit Selbstzensur reagieren. Doch es gibt auch mutige Stimmen, die eine Neuregelung der Medienlandschaft fordern.

6. Hallo! Wir sind die “Saarbrücker Zeitung“…
(twitter.com/medienkuh)
Die „Medien-KuH“ hat bei der „Saarbrücker Zeitung“ etwas entdeckt, das man als, nun ja… selbstreferentiell bezeichnen kann.

Was verdient ein “Bild”-Redakteur, wenn er das falsche Foto wählt?

In der “Bild”-Zeitung und bei Bild.de gibt es seit einer Weile den “‘Bild’-Gehaltscheck”: Was verdienen Apotheker? Was verdienen Diplomaten? Was verdienen Industriemechaniker? Was verdienen Agenten und Spione? Was verdienen Pfarrer und Bischöfe? Was verdient der Weihnachtsmann? Man kann das schier endlos weiterführen — es gibt schließlich reichlich Berufe. Nur was der “Bild”-Oberchef verdient, werden “Bild”-Leser wohl nie erfahren.

In einem Teil ihrer Serie fragt die “Bild”-Redaktion:

Screenshot Bild.de - Bild macht den Gehaltscheck - Was verdienen Elektroniker?

Wir wissen, was Elektroniker nicht verdienen: An einen “Bild”-Redakteur zu geraten, der den Unterschied zwischen einem Heizungs-/Sanitärtechniker und einem Elektroniker nicht kennt. So hat Bild.de den “Gehaltscheck” nämlich bebildert:

Screenshot Bild.de - Überschrift Was verdienen Elektroniker und darunter ein Foto eines Heizungs- und Sanitärtechnikers

Also noch einmal für die “Bild”-Redaktion: Elektroniker sind die, die zum Beispiel mit dem Phasenprüfer an der Steckdose herumhantieren oder den Verteilerkasten im Blick haben. Heizungs- und Sanitärtechniker sind die, die unter der Spüle die Rohre montieren oder eben im Keller die Heizungsregler überprüfen. Manchmal braucht man als Redakteur aber auch gar nicht dieses, nun ja, Fachwissen. Es reicht auch schon, die Bildbeschreibung der Fotoagentur richtig zu lesen.

Mit Dank an Bully für den Hinweis!

Nachtrag, 20. Februar: Einige Leser weisen darauf hin, dass Elektroniker nicht diejenigen seien, die “mit dem Phasenprüfer an der Steckdose herumhantieren oder den Verteilerkasten im Blick haben”. Das seien Elektriker. Ja und nein. Ja, weil es früher den Beruf des Elektrikers, auch Elektroinstallateur genannt, gab. Nein, weil dieser in Deutschland inzwischen anders heißt (und auch etwas andere Inhalte in der Ausbildung hat): Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Daher bleiben wir bei “Elektroniker”.

Andere Leser schreiben, dass das Gerät auf dem Foto wie ein Wärmemengenzähler aussehe. Und der werde sehr wohl von Elektrikern oder Elektroinstallateuren oder Elektronikern für Energie- und Gebäudetechnik angeschlossen. Wir sind im vorliegenden Fall allerdings recht sicher, dass es sich um einen Heizungs- und Sanitärtechniker handelt beziehungsweise um ein Stock-Foto-Model, das einen Heizungs- und Sanitärtechniker darstellen soll:

Screenshot Fotoagentur Alamy - Foto des Mannes und die Caption dazu Heizungs- und Sanitärtechniker Testen und Einstellen der Heizungsregler

“Bild”s Schmutz-Kampagne, “SZ” embedded, “NZZ”-Tabakpropaganda

1. Verdacht ohne harten Beleg
(zeit.de, Kai Biermann und Karsten Polke-Majewski)
Die „Bild“-Zeitung hat angebliche Mails des Juso-Chefs Kevin Kühnert veröffentlicht, bei denen klar war, dass es sich um plumpe Fälschungen handelt (BILDblog berichtete). Die „Zeit“ greift den Fall nochmal auf und erteilt den Kollegen etwas kostenlose Nachhilfe: „Man sollte sich als Journalist schon sicher sein, wenn man einen Verdacht in die Welt setzt. Denn allein dadurch, dass man ihn ausspricht, unterstellt man, dass etwas dran sein könnte. Deshalb genügt es nicht, einen Vorwurf zu erheben und dann denjenigen zu Wort kommen zu lassen, gegen den sich der Verdacht richtet. Vielmehr braucht es starke Hinweise, dass sich der Vorwurf bestätigen könnte.“

2. Sigmar Gabriel, Deniz Yücel und die SZ
(medienblog.hypotheses.org, Michael Meyen)
Auf „Medienrealität“ gibt es Kritik am Interview der „SZ“ mit Außenminister Sigmar Gabriel: „Was dabei herausgekommen ist, liest sich so, als würde es die ganze Debatte um „embedded journalism“ nicht geben, um Reporter, die im Krieg zwar an vorderster Front dabei sein dürfen, aber dafür das zu schreiben haben, was die Kriegsherren in der Presse sehen wollen. Es gibt in dieser SZ-Geschichte das Wort Krieg nicht. Auch das Wort Völkerrecht fehlt. […] Die SZ dagegen spricht von „Spannungen in der Region“ und von einer „brisanten Lage“. Spannungen. Brisante Lage. Der Abstiegskampf in der Fußball-Bundesliga ist turbulenter.“

3. Eine schlechte Quote kann einen guten Film zum schlechten Film machen.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre hat sich auf „Planet Interview“ mit Roland Suso Richter unterhalten, einem der meistbeschäftigten Regisseure im deutschen Fernsehen. Es geht unter anderem um Dreharbeiten ohne Proben, Krimi-Inflation, seine VHS-Sammlung, Experimente beim “Tatort” und seine Erfahrungen mit der Einschaltquote: „Nun, ich habe es erlebt, dass eine schlechte Quote einen guten Film im Nachhinein zum schlechten Film machen kann. Das war damals bei der „Bubi Scholz Story“ so. Noch vor der Ausstrahlung habe ich dafür den Bayerischen Fernsehpreis in der Kategorie „Regie“ bekommen, dann lief der Film in der ARD, hatte nur 3,6 Millionen Zuschauer, die Redakteure riefen „Oh Gott“ – und plötzlich hieß es „naja, man müsse überlegen, ob der Film denn wirklich so gut war“.

4. Ein zu Recht umstrittenes Medium! Fernsehkritik und demokratische Meinungsbildung in der Schweiz
(geschichtedergegenwart.ch, Lukas Nyffenegger)
Lukas Nyffenegger macht sich für die öffentlich-rechtlichen Medien in der Schweiz stark und wendet sich gegen die eidgenössische Volksinitiative „Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren“ („No-Billag“): „Die Initia­tive zielt auf die Zerschla­gung und Priva­ti­sie­rung des öffent­li­chen Fern­se­hens und will die Lizenzen an die Meist­bie­tenden verstei­gern. Was droht, ist ein priva­ti­siertes Fern­sehen, das mehr der Logik eines Waren­hauses als dem Anspruch folgt, öffent­li­cher Ort demo­kra­ti­schen Streits zu sein.“

5. Die NZZ akzeptiert immer mehr Schleichwerbung
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Wenn Sie in der letzten Zeit in der „NZZ“ gelesen haben, dass die Schweiz bei der Tabakwerbung „umdenken“ würde, handelte es sich höchstwahrscheinlich um einen von Zigaretten-Konzern Philip Morris bezahlten Beitrag. Zwar gibt es den Hinweis „sponsored content“, allerdings wird die Schleichpropaganda dem redaktionellen Teil „gestalterisch angepasst“, wie die „NZZ“ selbst zugibt.

6. Nein, in Mannheim werden Kameras keine Verbrecher am Gang erkennen
(motherboard.vice.com, Sebastian Meineck)
Die Stadt Mannheim will an einigen öffentlichen Plätzen Überwachungskameras installieren, denen in den Medien wahre Wunderdinge nachgesagt wurden. Dank der Auswertungssoftware würde Verdächtiges erkannt werden, dazu gehören bereits “hektische oder untypische Bewegungen, etwa ein Schlagen, Rennen oder Fallen”. Das sei jedoch „Quatsch“ wie ein Forscher vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) sagt, der die Software mitentwickelt hat.

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