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Immer mehr Ferwechslungen

Auch das noch! “Neue Studie beweist: Schüler machen wegen Schlechtschreibreform mehr Fehler!“, schreibt “Bild” und beruft sich auf eine Untersuchung des Leipziger Forschers Harald Marx. “Seit Einführung der neuen Regeln stieg die Zahl der Fehler um bis zu 22 Prozent.”

Nebendran steht diese Liste mit den “schlimmsten Fehlern”:

Und die Bemerkung:

“Die Verunsicherung ist nach der Studie des Leipziger Wissenschaftlers schon so groß, dass Schüler immer mehr Wörter falsch schreiben, bei denen sich die Schreibung gar nicht geändert hat.”

So? Nun ja, die Ergebnisse des Professors aus dem Jahr 1998 gaben das in dieser Form noch nicht her (pdf), aber vielleicht hat sich das ja geändert. Der dpa hat Marx allerdings jetzt auch bloß anvertraut, dass er in seiner Untersuchung der Diktate von Kindern der 2., 3. und 4. Klasse vor allem Probleme bei der Unterscheidung von “ß”,”ss” und “s” feststellen konnte.

Was das Dehnungs-E, die Konsonantenverdoppelung, F- und V-Ferwechselungen, D- und T-Verwechselungen, Schwierigkeiten mit Q sowie B- und P-Verwechselungen mit der Rechtschreibreform zu tun haben, erklärt “Bild” nicht.

Und nun? Nun ja: Der dpa hat Marx gesagt, dass er eine Rückkehr zur alten Schreibung trotz der erkannten Probleme für “nicht denkbar” halte: “Sie würde das Chaos nur verstärken und zu noch mehr Verunsicherung führen”. Na dann…

Dank an Alexander H. für seinen sachdienlichen Anstoß.

Ätzend teuer!

„Warum sind Schulbücher bloß so ätzend teuer?“, fragte „Bild“ am Dienstag zum (- je nach Bundesland – baldigen) Beginn des neuen Schuljahres und klagte an: „Für Schulbücher müssen Eltern richtig tief in die Tasche greifen!“ Wegen der „Lernmittelfreiheit“, die z.B. in Niedersachsen gerade entfallen ist. Das bedeutet: „Schulbücher müssen von den Eltern komplett selbst bezahlt werden!“ (Fast jedenfalls.)

Von „Bild“ befragte Mütter erklären:

„Das trifft uns mit zwei Kindern doppelt hart.“

Und:

„Ich bin allein erziehend. 450 Euro bei drei Kindern sind für mich unerschwinglich.“

Ein Skandal also.

Von der „Schlechtschreib-Reform“ und der Rückkehr zur „alten“ Rechtschreibung bzw. den Kosten, die den Eltern bei Neudruck der gerade teuer erstandenen Bücher in „neuer“ Rechtschreibung entstehen würden, ist in dem Artikel übrigens nicht die Rede.

Ist ja auch egal

Es stimmt tatsächlich, Thomas Gottschalk “protestiert” gegen die neue Rechtschreibung. Schlägt man nämlich das Wort “protestieren” z.B. bei Langenscheidt nach, dann steht da u.a. “Ablehnung, Missfallen, Mangel an Übereinstimmung kundtun”. Genau das tut Gottschalk wirklich im “Bild”-Interview und so steht es auch in dessen Überschrift.

Laut “Bild”-Titelseite geht Gottschalk aber noch über den Protest hinaus. Jedenfalls steht dort das hier:

Und das hier steht bei “Bild”-Online:

Am Ende des Interviews allerdings steht dann folgendes:

BILD: Und wie soll’s weitergehen?
Gottschalk: Es ist nicht so, dass mir dieses Thema den Schlaf raubt. Meinetwegen soll jeder schreiben, wie er will. Ich lese lieber etwas Vernünftiges falsch geschrieben als richtig buchstabierte Dummheiten.

Da merkt man doch ganz deutlich: “Der Widerstand gegen die Schlechtschreibung wird immer mächtiger.”

Eine besondere Verantwortung

Mit der Namensgebung ist sich “Bild” selbst noch nicht ganz sicher. Mal heißt der “Orden”, den das Blatt seit kurzem vergibt, “Ein Herz für die deutsche Sprache!”, mal nennt er sich “Retter der deutschen Sprache!”. Jüngster “Ordensträger” ist jedenfalls Hans Dichand, Herausgeber der österreichischen “Kronen-Zeitung”, dem vielleicht einflussreichsten Boulevardblatt der Welt. Dichand hat sich die Ehrung dadurch verdient, dass er unter seinem Pseudonym “Cato” eine Kolumne gegen die Rechtschreibreform geschrieben hatte, die “in überflüssiger bürokratischer Regelungswut” entstanden sei, ein “großer Fehler”, “uns aufgezwungener Irrsinn”.

“Bild” schließt daraus, dass die “Kronen-Zeitung” “so schnell wie möglich zurück zur klassischen Rechtschreibung” will. Dagegen zitieren “Der Standard”, “Die Presse” und “Berliner Zeitung” übereinstimmend den Chefredakteur Michael Kuhn, der vor einer Woche sagte, sein Blatt werde “zähneknirschend” bei der reformierten Rechtschreibung bleiben. Auch der 50-Prozent-Gesellschafter der “Krone”, die WAZ, hat sich für die Beibehaltung der gegenwärtigen Schreibung ausgesprochen.

Dass “Bild” diese Unwägbarkeiten verschweigt, ist nicht das Beunruhigendste. Das Beunruhigendste ist, dass “Bild” Dichand den übermächtigen greisen Herausgeber zum “couragierten Top-Journalist” verklärt. Die außergewöhnliche Macht, Agressivität und Skrupellosigkeit dieses “couragierten Top-Journalisten” ist kein Geheimnis, bei Bedarf lässt sie sich für den Anfang hier, hier oder hier nachlesen. Aber, hey, der Mann ist gegen die “Schlechtschreibreform”, das kann kein schlechter Mensch sein!

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, die “Bild” herausgibt, hat der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” auf die Frage nach der Kampagne von “Bild” gegen die Reform gesagt:

Interessant ist, daß, wenn “Bild” eine Meinung hat, es immer gleich als Kampagne bezeichnet wird. Aber ich glaube, wir sind gut beraten, das als Kompliment zu empfinden. “Bild” erreicht mehr als zwölf Millionen Leser und prägt die öffentliche Meinung mehr als jede andere Zeitung. Also kommt ihr auch im Falle der deutschen Rechtschreibung eine besondere Verantwortung zu.

In der Tat.

Wer dagegen ist, ist dafür

Anlässlich der Anti-Rechtschreibreform-Kampagne der “Bild”-Zeitung schreibt heute die “Berliner Zeitung”:

(…) Auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung fand sich gestern unter den 44 mit Namen und Foto aufgeführten Gegnern der Reform auch Uwe Knüpfer, noch Chefredakteur der WAZ. Eingeklemmt zwischen “Ella Kühner (47), Angestellte” und “Rosi Mittermaier (54), zweifache Ski-Goldmedaillengewinnerin” und unter der Überschrift “Überwältigende Mehrheit der Deutschen will zurück zur klassischen Rechtschreibung – Weg mit der Schlechtschreib-Reform!” klagte also Knüpfer, dass die neuen Regeln an den Menschen vorbei durchgepaukt worden seien und forderte: “Wir brauchen einen Schlussstrich”, immerhin mit drei “s” geschrieben. Das wäre nicht weiter schlimm, hätte sich nicht der gesamte WAZ-Verlag gerade gegen eine überstürzte Rückkehr zur alten Schreibweise und für die Beibehaltung der neuen ausgesprochen. (…)

Und siehe da, genau so steht’s heute auch in der FAZ:

(…) Ähnlich sieht dies Uwe Knüpfer, der Chefredakteur der “Westfälischen Allgemeinen Zeitung” (…). “Wir kehren nicht zur alten Rechtschreibung zurück”, sagt er, “und sind der Auffassung, daß Verlage nicht Politik machen sollten, wir sollten Beobachter bleiben.” In der Sache sei es wohl am sinnvollsten, “sich zügig zu bemühen, allzu grobe Unsinnigkeiten der neuen Rechtschreibung aufzuheben und es dann bei dieser zu belassen”.(…)

Aber okay: Könnte ja sein (rein theoretisch), dass der WAZ-Mann der FAZ einfach was komplett anderes als der “Bild”-Zeitung erzählt hat. Andernfalls aber zählt “Bild” sogar Leute mit Sätzen wie “Wir kehren nicht zur alten Rechtschreibung zurück” zu den Reform-Gegnern, weshalb es dann auch endlich kein Rätsel mehr ist, wie das Blatt auf deren angeblich “überwältigende Mehrheit” kommt.

Nachtrag, 11.8.04, 15:05: Fragt man Uwe Knüpfer persönlich, sagt er übrigens, er habe der “Bild”-Zeitung sinngemäß das Gleiche gesagt wie tags drauf der FAZ, die seine Aussage völlig korrekt wiedergegeben habe.

Hefte raus, Klassenarbeit!

Das Bildungsministerium von Rheinland-Pfalz (das ist jenes Bundesland, in dem Doris Ahnen, laut “Bild” die “erbittertste Kämpferin für die neue Rechtschreibung”, Bildungsministerin ist) hat seit dem Jahr 2001 grob geschätzt etwa 500 Pressemitteilungen und Grußworte veröffentlicht, vielleicht waren es auch noch ein paar mehr. “Bild”, die seit Wochen einen erbitterten Kampf gegen die neue Rechtschreibung führt und bald zu den alten Regeln zurückkehren will, hat diese Grußworte und Pressemitteilungen nun gelesen und gibt zwar keinerlei Auskunft darüber, dass es rund 500 waren, fördert aber Erschreckendes zu Tage:

In Texten von Deutschlands mächtigster Kultusministerin Doris Ahnen wimmelt es von Fehlern

Tatsächlich fand “Bild” in den rund 500 Texten, die im Durchschnitt etwa die Länge eines langen “Bild”-Artikels haben dürften, insgesamt 11 Fehler. Das heißt also, dass es im Durchschnitt in jedem einzelnen Text von ca. 0,022 Fehlern nur so wimmelt.

Streng genommen müssten von den 11 Fehlern noch 4 abgezogen werden, weil es “Bild” ja explizit um die Unsicherheiten “in Sachen neue Rechtschreibung” ging. Einen, weil “So gehts” nach der neuen Regelung ebenso richtig ist, wie “So geht’s”; einen, weil “insbesonders” noch nie richtig war; und zwei, weil “Hausaufgabenbetreung” und “Unterrrichtskonzepten” doch wohl eher Flüchtigkeits- oder Tippfehler sein dürften. Rein rechnerisch blieben dann also nur noch 0,014 wimmelnde Fehler pro Text übrig. Aber, wir wollen mal nicht kleinlich sein.

P.S.: Wo wir schon beim Verschweigen von Zahlen sind: Auf der
“Bild”-Titelseite heißt es, “Überwältigende Mehrheit der Deutschen will zurück zur klassischen Rechtschreibung”. Was eine überwältigende Mehrheit ist, steht da nicht. Am 28. Juli allerdings, war in “Bild” dies zu lesen
.

Nachtrag, 12.08.04: Es stimmt, noch strenger genommen müssten zwei weitere Fehler von der “Bild”-Liste abgezogen werden, denn natürlich ist “grossen” nach der neuen Rechtschreibung ebenso falsch wie nach der alten, und tatsächlich erlaubt die neue Rechtschreibung “viele Tausende” ebenso wie “viele tausende”. Blieben also noch 0,01 Fehler pro Text. Aber wir wollten ja nicht…

Dank an Eleni S. und Julius B. für die “sachdienlichen Hinweise”

Die irrsten Wörter

“Bild” kämpft weiter gegen die “Schlechtschreibereform”. Am Mittwoch durfte Lehrerin “Martina Keßler” aus Wiesbaden lang und breit erklären, warum sie sich weigert, ihren Schülern die neuen Regeln beizubringen bzw. sie “zur Unmündigkeit zu erziehen”.

Eines von “Keßlers” Beispielen: “Den Unterschied zwischen ‘dass’ und ‘das’ beachtet kaum jemand (…)”. Und nicht nur den. So hält “Keßler” auf dem Foto zum Artikel einen Zettel mit den “irrsten Wörtern” der neuen Rechtschreibung hoch, auf dem auch das schöne Wörtchen “Passstrasse” steht, das weder nach den neuen, noch nach den alten Regeln so geschrieben wird. Denn merke: nach langem Vokaaaaal folgt “ß”. Also: “Passstraße.”

Und wer sich dann noch die Mühe macht, mal ins Wiesbadener Telefonbuch zu schauen und dort nach “Martina Keßler” zu suchen, der – findet sie auch. Unter dem Eintrag “Kessler, Martina”. Mit Doppel-“s”. Aber das mag bloß eine Verwexelung sein.

Dank an David B. für diesen “sachdienlichen Hinweis”.

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