Seit der gestrigen Landtagswahl in Brandenburg gibt sich “Bild” große Mühe, das “historisch schlechteste Ergebnis” der SPD in möglichst drastischen Worten zu umschreiben.
So schlecht war die Brandenburg-SPD noch nie!
Rekord-Klatsche für SPD und CDU bei der Landtagswahl in Brandenburg!
In Brandenburg ist von den knapp 40 Prozent der SPD der letzten Landtagswahl nur noch die Hälfte übrig.
Das letzte Zitat stammt aus einem Artikel vom Samstag, und es ist Quatsch. Denn bei der letzten Landtagswahl holte die SPD nicht “knapp 40 Prozent”, sondern 31,9 Prozent. Somit ist auch nicht “nur noch die Hälfte übrig”, sondern deutlich mehr. Das alles hätte auch die “Bild”-Autorin wissen können, wenn sie mal ihren eigenen Artikel richtig gelesen hätte:
1. Weil der Verlag sich ändern muss – Version 2019 (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hat einen langen, aber gut durchstrukturierten Text über die aktuelle Situation der deutschen Medien und Verlage geschrieben. Dabei räumt er mit den vielen Mythen auf, die in dem Zusammenhang gerne als Erklärung beziehungsweise Ausrede für sinkende Verkaufszahlen herangezogen werden. Lesenswert nicht nur für Medienmachende, sondern auch für Medienkonsumierende.
2. Warum Clickbait-Überschriften keine schlechten Überschriften sein müssen (zeitgeist.rp-online.de, Christian Albustin)
Auf dem Campfire-Festival 2019 sprachen unter anderem vier Chefredakteurinnen beziehungsweise Chefredakteure aus dem Rheinland über ihre Sorgen und Hoffnungen. Vier Erkenntnisse hätten sich herauskristallisiert: 1. In wenigen Jahren könnte der Boulevard-Print tot sein. 2. Clickbait-Überschriften sind gute Überschriften — wenn sie nicht zu viel versprechen. 3. Podcasts sind ein ideales Medium fürs Stauland NRW. 4. Journalistinnen und Journalisten müssen noch mehr um Glaubwürdigkeit kämpfen.
3. “Eine versteinerte Diskussion” (spiegel.de, Arno Frank)
Der “Spiegel” hat sich mit Oliver Weber unterhalten, dem Autor des Buchs “Talkshows hassen”. Weber rät den Talk-Redaktionen, bei der Zusammenstellung der Gäste nicht nur an Fachleute zu denken: “Ich würde empfehlen, dass man öfter Bürger einlädt. Talkshows sollten sich auch nicht in Expertengremien verwandeln. Macht muss sich auch im Fernsehen darstellen und zu Ansichten und Meinungen eine Stellung beziehen können. In der Talkshow können Parteipolitiker nicht mehr selbst die Konstellation festlegen, in der sie ihre Standpunkte vertreten. Das ist ein Vorteil der Talkshow.”
4. Nur tote Soldaten zählen (taz.de, René Martens)
Christoph Heinzle und Kai Küstner, früher ARD-Korrespondenten in Afghanistan, erzählen in einer Radio- und Podcastserie vom Bundeswehreinsatz in dem Land. In den sechs Folgen geht es neben der Schilderung der Geschehnisse auch um die öffentliche Debatte und die mediale Verarbeitung.
Hier geht es zu den Folgen: Folge 1 , Folge 2, Folge 3, Folge 4, Folge 5, Folge 6.
5. Exklusiv: Verwerter planen Lobby- und Medienkampagne gegen Digitalkonzerne (netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Netzpolitik.org berichtet über ein internes Schreiben einer “Verwerterlobby”, zu der unter anderem der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Börsenverein des deutschen Buchhandels gehören, aber auch die Kinderschützer von Innocence in Danger, die “eine große Kampagne” plane, “um für mehr Regulierung der Digitalkonzerne zu werben.” Das Ziel, so steht es in dem Schreiben, sei die “Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung zum Umgang mit Digitalmonopolisten und sich daraus ergebende mittelbare Ertüchtigung von Beamten, Politikern, Richtern und Entscheidungsträgern”. Für diesen Zweck sollen Medienunternehmen frei Werbeplätze zur Verfügung stellen.
6. Wahlprogramme oft unverständlich (politik-kommunikation.de, Judith Cech)
Forscher der Universität Hohenheim haben die Wahlprogramme der brandenburgischen und sächsischen Parteien auf Verständlichkeit hin überprüft. Sie stießen auf zu lange Sätze, viele Fachbegriffe, Fremdwörter sowie zusammengesetzte Worte und bildeten daraus den “Hohenheimer Verständlichkeitsindex”.
Bei Bild.de haben sie die Meldungen vom vergangenen Wochenende über tödliche Unfälle in ganz Deutschland zusammengetragen und festgelegt: Das war ein “TODESWOCHENENDE”.
So tragisch die 16 Todesfälle sind — die bittere Realität ist leider, dass 16 tödlich verunglückte Menschen an zwei Tagen “AUF DEUTSCHLANDS STRASSEN” kein außergewöhnliches “TODESWOCHENENDE” sind, sondern in etwa trauriger Durchschnitt: 2018 starben 3275 Personen im Straßenverkehr. Im Jahr davor waren es 3180, 2016 kamen 3206 Menschen ums Leben und 2015 sogar 3459. Im Schnitt gab es in den vergangen Jahren also jeden Tag zwischen 8,71 und 9,48 Todesopfer im Straßenverkehr.
1. Vorsicht, Ferndiagnose! (uebermedien.de, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Bei Kriminalfällen und Katastrophen bemühen die Medien gern Experten, die auf die Schnelle und aus der Ferne Täter und Tathergang begutachten. Oft, ohne vor Ort gewesen zu sein und ohne mit dem oder den Betroffenen gesprochen zu haben. Hinnerk Feldwisch-Drentrup schreibt über ein mediales Phänomen, das sich an der Grenze zum Unredlichen und Unmoralischen bewegt.
2. “Ein großes Missverständnis” (sueddeutsche.de, Peter Münch)
Der Tiroler Blogger Markus Wilhelm sollte eigentlich einen mit 10.000 Euro dotierten Journalistenpreis erhalten, doch er hat die Annahme des Preises abgelehnt. Das habe vor allem mit den beiden neuen Sponsoren zu tun: Dem Land Burgenland und der Esterházy-Stiftung, denen er eine “Law-and-Order-Politik” und “feudalistisches Denken” vorwirft: “Ich schreibe nicht ein Leben lang gegen diese Zustände, um mich dann mit ihnen gemein zu machen.”
3. Instagram-Fakes: Wenn die Wolken immer gleich schön aussehen (netzpolitik.org, Markus Reuter)
Eine argentinische Reise-Influencerin hat auf Instagram Bilder gepostet, bei denen immer die gleichen Wolkenformationen zu sehen sind. Ermöglicht durch eine App, die den Bildhintergrund austauscht und für mehr Drama sorgt. Nun wird diskutiert, ob ein derartiges Fälschen von Bildern erlaubt sei, oder ob Instagram eh ein Ort von Inszenierung und Manipulation sei.
4. Neu: DIE POLITIKANALYSE #1 – Kandidatencheck Sachsen & Brandenburg (youtube.com, Wolfgang M. Schmitt & Tilo Jung, Video: 20:47 Minuten)
Auf Tilo Jungs Youtube-Kanal gibt es ein neues Format: Die Politikanalyse von Wolfgang M. Schmitt. Dabei dienen Ausschnitte aus Jungs Politikerinterviews als Basis für einen “ideologiekritischen Blick auf die Politik von heute”. In der ersten Folge befasst sich Schmitt mit den Interviews vor den Wahlen in Brandenburg und Sachsen.
5. Christian Fuchs über… Grenzen (message-online.com, David Baldauf)
Im Interview mit “Message” spricht Investigativreporter Christian Fuchs über Schwierigkeiten bei der Recherche im rechten Umfeld, ethische Grenzen und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen: “Gerade im investigativen Bereich geht es oft nur noch in Gruppen, weil einem einfach die Expertise für andere Länder fehlt. Die allermeisten Kooperationen und Verbünde, die ich mit ausländischen KollegInnen hatte, waren sehr fruchtbar und für alle Seiten ein Gewinn. Ich würde es jedem empfehlen, seine Fühler auch in die anderen Länder auszustrecken, denn ich glaube, die allermeisten Themen sind heute international und man braucht die Kontakte ins Ausland, um sauber arbeiten zu können.”
6. Ich, Jan Böhmermann, bewerbe mich als SPD Vorsitzender! (youtube.com, Jan Böhmermann)
Jan Böhmermann möchte Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands werden. Ein in vielerlei Hinsicht ehrgeiziges Vorhaben: Die Bewerbungsfrist endet am Sonntag um 18 Uhr. Bis dahin muss Böhmermann in die Partei aufgenommen worden sein. Außerdem müssen fünf SPD-Unterbezirke, ein Bezirk oder ein Landesverband seine Kandidatur unterstützen.
1. Druck von rechts (sueddeutsche.de, Peter Laudenbach & John Goetz)
Die Neue Rechte ist durchtränkt von der Ablehnung eines weltoffenen und liberalen Kulturlebens. Vielerorts hat sie die Kultur als regelrechtes Kampffeld für sich entdeckt. Und seit Einzug der AfD in die Parlamente wird auch mit parlamentarischen Anfragen Stimmung gegen Kultureinrichtungen gemacht. Das ARD-Kulturmagazin “Titel, Thesen, Temperamente” und die “SZ” haben einige Vorfälle der vergangenen Jahre exemplarisch dokumentiert. Es ist eine erschreckende Chronik der Hetze gegen Kultur und Kulturschaffende in diesem Land.
2. Lena Meyer-Landrut gewinnt gegen Bild-Zeitung (lto.de)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer bemerkenswerten Entscheidung festgestellt, dass die “Bild”-Zeitung in unzulässiger Weise über Nacktfotos von Popstar Lena Meyer-Landrut berichtet hat. Die Zeitung habe damit das Persönlichkeitsrecht der Sängerin verletzt. Der BGH ist auch auf die “Anlockwirkung” der Berichte eingegangen: “Zwar zeigten diese nicht die Bilder oder führten direkt zu ihnen, doch könnten sich dadurch viele Leser — speziell durch den Hinweis “mit ein paar Klicks kann jeder die Dateien sehen” — veranlasst sehen, selbst nach ihnen zu suchen, so die Befürchtung der Richter. Indem man die Erpresser-Tweets wiedergebe, lasse man den Leser zudem daran teilhaben, “wie die Klägerin gegen ihren Willen zum reinen Objekt des Bildbetrachters wird und dadurch ein Ausgeliefertsein sowie eine Fremdbestimmung erfährt, die als demütigend wahrgenommen wird”. Als Opfer einer vorangegangenen Straftat sei Meyer-Landrut darüber hinaus besonders schutzwürdig.”
3. “Todeslisten”: Offener Brief an Innenminister Seehofer (netzwerkrecherche.org)
Sechs Journalisten- und Medienverbände fordern in einem Offenen Brief an Innenminister Horst Seehofer Aufklärung über die von Rechtsextremen aufgestellten “Todeslisten”. Es gehe um die Sicherheit von Medienschaffenden und die Möglichkeit der ungehinderten Berufsausübung. “Zudem fordern wir zu den nötigen Schritten auf, um Medienschaffenden bundesweit wieder zu ermöglichen, eine unkomplizierte Auskunftssperre für Privatadressen im Melderegister zu erwirken. In einigen Bundesländern muss inzwischen eine akute Gefahr für Leib und Leben nachgewiesen werden, damit eine Auskunftssperre erfolgt — dann könnte es bereits zu spät sein, um sich zu schützen.”
4. Alarm wie aus dem Bilderbuch (taz.de, Ingo Arzt)
In den Medien zirkulieren farblich bearbeitete Satellitenbilder des brennenden Regenwaldes, die teilweise falsch interpretiert werden, schreibt Ingo Arzt. Die roten Flächen würden nämlich nicht die tatsächliche Größe der Feuer zeigen, sondern lediglich als eine Art Markierung dienen. Die tatsächlichen Feuer könnten, je nach Darstellung der Karte, um den Faktor 100.000 kleiner sein. Umwelt- und Wirtschaftsredakteur Arzt fordert: “Die zum Teil irreführende Darstellung der Feuer auf vermeintlich objektiven Bildern aus dem All bedürfen der Erklärung. Weil sonst die Glaubwürdigkeit derer leidet, die auch weiter um den Erhalt der Wälder ringen, wenn die mediale Karawane weitergezogen ist.”
5. “Als etwas dümmliche Masse wahrgenommen” (deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio: 5:52 Minuten)
Die Journalistin Marieke Reimann empfindet die Berichterstattung über Ostdeutschland als ein “großes Problem für die gesellschaftliche Gesamtwahrnehmung”. Reimann kritisiert, “dass wir auch 30 Jahre nach dem Mauerfall nach wie vor eine hauptsächlich westzentrierte (…) Ostdeutschland-Berichterstattung haben, die oft Ostdeutsche pauschalisiert und als homogene Masse darstellt, fast nie über die 80 Prozent berichtet, die eben nicht rechts wählt. Und, wenn es um die Bebilderung von Artikeln geht, auch dort oft pauschal herabsetzt, vielleicht sogar diskriminiert oder zu Altbewährtem wie Plattenbauten und Trabbis greift, um dort Sachen zu bebildern.”
6. Mikro noch offen: Jan Hofer plaudert über seine Bitcoins (t-online.de, Jannis Seelbach)
Aufgrund einer Panne beim Digitalsender Tagesschau24 blieben die Mikrophone in einer Pause offen. Nachrichtensprecher Jan Hofer erzählt seinem Kollegen unter anderem, dass seine Bank eine Neubewertung seiner Immobilien vorgenommen habe und flüstert “teilweise das Dreifache …”. Die Redaktionsleiterin habe auf Nachfrage von t-online.de erklärt, dass es sich um ein privates Gespräch gehandelt habe, das nicht ernst gemeint gewesen sei.
1. Blutspendedienst übermittelte heikle Daten an Facebook (sueddeutsche.de, Matthias Eberl)
Der Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes hat auf seiner Website gesundheitsbezogene Daten abgefragt und diese, ob bewusst oder unbewusst, Facebook zugänglich gemacht. Matthias Eberl von der “Süddeutschen Zeitung” erklärt, wie das technisch geschehen konnte. Auf das Problem angesprochen, habe der Sprecher des Spendedienstes bestritten, dass sich aus den Daten Rückschlüsse auf Krankheiten einzelner Personen ziehen lassen. Die “SZ”-Recherche zeige jedoch, dass dem nicht so sei: “Unklar bleibt, warum der BSD Facebooks Überwachung einsetzte, wie lange diese aktiv war und wie viele Menschen die Umfrage mitmachten. Sie lief mindestens seit dem Frühjahr. Jährlich spenden beim BSD 250 000 Personen Blut, sodass erhebliche Mengen Krankheitsdaten bei Facebook liegen könnten. Der Blutspendedienst machte keine Angaben zu Dauer und Nutzerzahl der Umfrage.”
2. Security by Obscurity: Nach dreieinhalb Jahren vor Gericht (fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Das Transparenzportal “FragdenStaat” wollte vom Gesundheitsministerium wissen, welche Domains die Behörde betreibe. Eine einfache Frage, die mit einer kurzen Mail eigentlich beantwortet sein müsste, meint man. Doch weit gefehlt: Das Ministerium verweigert die Information und hat sich deshalb sogar verklagen lassen. Seitdem sind über drei Jahre ins Land gegangen. Eine unerträgliche Situation, wie Arne Semsrott von “FragdenStaat” findet: “Hätten wir die Ergebnisse der Klage damals etwa journalistisch oder für Forschung nutzen wollen, wäre die Klage absolut nutzlos gewesen. Die Überlastung der Justiz führt dazu, dass das Recht auf Informationsfreiheit vielerorts nicht effektiv in Anspruch genommen werden kann.”
3. Frankfurter PR-Berater hetzt auf CDU-Seite gegen “Wilde” (fr.de, Katja Thorwarth & Daniel Dillmann)
Der berühmt-berüchtigte PR-Berater Moritz Hunzinger hat auf Facebook Flüchtlinge als “Wilde” bezeichnet. Die “Frankfurter Rundschau” kommentiert: “Es ist erschreckend, dass ein prominenter Geschäftsmann tatsächlich glaubt, solche Äußerungen als seriös getätigte Meinung in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, ohne dass sein Ruf Schaden nehme. Und es ist bedenklich, dass ein Bundestagsabgeordneter und langjähriger CDU-Politiker wie Matthias Zimmer diesem schäbigen Rassismus nur dezent widerspricht, statt die Hetze von seiner Facebook-Seite zu nehmen.”
4. Ein Jahr Projekt Orange – was wir geschafft haben (medium.com, Susanne Amann & Birger Menke)
Es hört sich einfach an, aber es stecken mehr Anstrengungen dahinter, als man ahnt: Beim “Spiegel” werden die Print- und die Onlineabteilung zusammengelegt. Nach einem Jahr Vorlaufzeit soll es nun am 1. September in den “Gemeinschaftsbetrieb” gehen. Im “Spiegel”-Blog erklären Susanne Amann und Birger Menke von der “Projektleitung Orange” die Auswirkungen auf Ressorts, Strukturen und Arbeitsabläufe.
5. Polizei in NRW soll künftig Nationalität aller Tatverdächtigen nennen (faz.net)
Das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen hat die Pressestellen der Polizei angewiesen, generell Angaben zur Nationalität von Tatverdächtigen zu machen, sofern diese bekannt ist. Andere Bundesländer handhaben dies nicht so, und auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat eine andere Sichtweise: Die Nationalität von Tatverdächtigen spiele bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit immer eine Rolle, Ermittlungsergebnisse würden aber nur begrenzt in die Öffentlichkeit gehören: “Deshalb kann es eine generelle Transparenz bei der polizeilichen Pressearbeit in diesem Zusammenhang nicht geben.”
Weiterer Lesehinweis: NRW als Vorbild für ganz Deutschland? (deutschlandfunk.de, Sören Brinkmann).
6. Film & Fernsehen: Eine Branche mit großen Nachwuchssorgen (blmplus.de, Lisa Priller Gebhardt)
Die Filmproduktionsbranche leidet unter Fachkräftemangel, die Produzenten jammern über Nachwuchssorgen. Teilweise müssten Produktionen verschoben werden, weil kein komplettes Team zur Verfügung stehe. Was im Artikel leider nicht thematisiert wird, sind die teilweise unterirdischen Einstiegsgehälter der Branche, die ein Überleben an Medienstandorten wie Köln nahezu unmöglich machen.
Vor knapp zwei Monaten, am 2. Juli, schrieb die “Bild”-Zeitung auf ihrer Titelseite vom Untergang des Badelandes:
Neben dem alarmistischen Ton fiel vor allem auf, dass die Redaktion kaum Fakten präsentierte, mit der sie die These von zunehmenden “+++ Schlägereien +++ Pöbeleien +++ Messern” in Deutschlands Freibädern stützten konnte. Auf der kompletten Seite, die “Bild” zu dem Thema veröffentlichte …
… gab es vor allem viel Gefühl und vage Angaben (“Doch in diesem Jahr scheint die Stimmung in vielen Freibädern Deutschlands auffällig aggressiv zu sein.” – “‘Gefühlt gibt es immer mehr Polizeieinsätze in den Bädern.'” – “Zahlreiche Badegäste berichten von unangenehmen Erlebnissen”). Das reichte “Bild” bereits, um “Das ist nicht mehr unser Freibad!” von Seite 1 zu schreien. Aber Fakten, die den “gefühlten” Schein belegen?
Wir mussten schon eine Weile suchen, bis wir die einzige Stelle fanden, die etwas darüber hätte sagen können, ob’s denn nun wirklich schlimmer geworden ist in deutschen Freibädern — oder zumindest in einem deutschen Freibad: Sie versteckte sich im Report “Bäuche, Burkinis und nackte Brüste” aus dem “berüchtigten Prinzenbad” in Berlin-Kreuzberg. “Bild”-Reporter Til Biermann hatte das Bad für einen Tag besucht und die Vorkommnisse protokolliert. Und die waren spektakulär unspektakulär (BILDblog berichtete): Der dramatische Höhepunkt im Prinzenbad-Report war das Festhalten eines Mannes, der sich vermutlich ins Bad geschlichen hatte, ohne zu bezahlen.
Aber, immerhin, Biermann nannte eben auch eine Zahl:
Das Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg ist wohl das berühmteste Freibad Deutschlands. Auf jeden Fall ist es das berüchtigtste. Immer wieder wird es Schauplatz von Krawallen.
Allein im vergangenen Jahr wurden 122 Straftaten registriert — mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.
Und diese einzige Zahl, die “Bild” auf einer ganzen Seite liefert und mit der man etwas anfangen könnte, diese Zahl — nun ja:
Diese Gegendarstellung musste “Bild” gestern unten auf Seite 3 veröffentlichen. Autor Til Biermann hatte nicht nur über irgendwelche nicht existenten “Krawalle” geschrieben, sondern bei seiner Recherche offenbar auch etwas missverstanden: Wenn bei einer Straftat als Ort das Prinzenbad vermerkt ist, hat die Tat nicht automatisch im Prinzenbad stattgefunden. Wird beispielsweise jemandem auf dem Gehweg vor dem Prinzenbad das Handy geklaut, kann dieser Diebstahl mit “Prinzenbad” verschlagwortet werden, auch wenn es November ist, und im Prinzenbad die Becken leer sind.
1. Rechtsextreme wollten Migranten jagen (tagesschau.de, Lena Kampf & Katja Riedel & Sebastian Pittelkow)
Im Zuge der Ausschreitungen in Chemnitz vor einem Jahr kam es zu Angriffen auf Migranten und vermeintliche Migranten. Damals entstand eine große mediale und politische Debatte darüber, ob es sich bei bestimmten Szenen um eine “Hetzjagd” gehandelt habe. Der damalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, stritt dies vehement ab. Nun wurden Chats von rechtsextremen Demonstrationsteilnehmern ausgewertet, die selbst den Begriff “Jagd” verwendeten.
2. “Ein bärtiger Sandalen-Hipster bringt die Zensur zurück nach Deutschland” (sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Tom Hillenbrand erzählt über seine Erfahrungen mit dem Kurznachrichtendienst Twitter, der ihn wegen eines harmlosen Witzes gesperrt hat: “Twitter ist ein globaler Konzern und verhält sich wie eine schmierige Versicherungsbude. Es gibt zwar eine deutsche Geschäftsführung, aber keine Adresse, an die man Abmahnungen und Einstweilige Verfügungen schicken kann. Die versuchen bewusst, sich zu verstecken und ignorieren Entscheidungen deutscher Gerichte. Diese Erfahrung habe nicht nur ich gemacht. Das geht anderen gesperrten Nutzern genauso, die sich ebenfalls wehren. Dieses Unternehmen ist genauso seltsam wie sein Chef Jack Dorsey: Ein bärtiger Sandalen-Hipster, der in seiner Freizeit in einer eiskalten Kryo-Kammer rumsitzt, bringt die Zensur zurück nach Deutschland.”
3. Künstlerkollektiv gegen Goethe: “Das ist humoristische Vergewaltigungslyrik” (bento.de, Fabian Schmidt)
Das Künstlerkollektiv “Frankfurter Hauptschule” kritisiert Goethes “humoristische Vergewaltigungslyrik” und hat das Gartenhäuschen des Dichters videowirksam mit Klopapier beworfen. Konkret geht es um das bekannte Werk “Heidenröslein”, in dem Goethe eine Vergewaltigung verharmlose. Dort heißt es in der letzten Strophe: “Und der wilde Knabe brach / ‘s Röslein auf der Heiden / Röslein wehrte sich und stach / Half ihm doch kein Weh und Ach, / Mußt’ es eben leiden.” “Bento” hat mit einem der Vertreter der Gruppe über die Aktion und ihren Hintergrund gesprochen.
4. Das Märchen von der Sogwirkung (spiegel.de, Oliviero Angeli)
“Die wollen es sich bei uns bequem machen … Die kommen alle, weil Merkel sie eingeladen hat … Der UN-Migrationspakt wird eine Invasion auslösen … Seenotrettung lockt Flüchtlinge aufs Meer …” Politikwissenschaftler und Migrationsexperte Oliviero Angeli hat die beliebtesten Behauptungen von rechts einem Faktencheck unterzogen. Abspeichernswert für das nächste Gespräch mit dem Besorgtbürger von nebenan.
5. Radikalisierung durch YouTube? Großzahlige Studie zur Empfehlung rechtsextremer Inhalte (netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Um “Radikalisierungspfade” auf Youtube nachzuzeichnen, hat eine neue Studie die Empfehlungsalgorithmen des Netzwerks untersucht und dazu einen großen Datensatz mit 300.000 Videos, zwei Millionen Empfehlungen und 79 Millionen Kommentaren herangezogen. Das Fazit der Forscher: “Wir liefern starke Belege für Radikalisierung unter YouTube-Nutzern sowie dafür, dass YouTubes Empfehlungssystem das Entdecken von rechtsextremen Kanälen unterstützt, und das sogar in einem Szenario ohne Personalisierung.”
6. Lieber keine Journalisten-Fragen (deutschlandfunk.de, Friedbert Meurer)
Es ist eine neue Taktik von rechtspopulistischen Politikern: Interviews mit der Presse ausweichen und stattdessen die eigenen Social-Media-Kontakte nutzen, um Informationen zu streuen. Auch Boris Johnson, neuer Premierminister des Vereinigten Königreichs, setzt auf diese Methode. Friedbert Meurer kommentiert: “Interviews können riskant sein für Politikerinnen und Politiker. Es kommt aber noch etwas Entscheidendes hinzu: im Zeitalter der sozialen Medien fragen sich Politiker immer mehr, warum sollen wir uns Interviews antun, wenn es doch auch anders, leichter und schneller geht?”
In den ersten drei Monaten dieses Jahres gab es in Hessen 115 Fälle von Straf- und Gewalttaten im sogenannten Phänomenbereich der politisch motivierten Gewalt – rechts; im Phänomenbereich der politisch motivierten Gewalt – links waren es von Januar bis März 52 Fälle. Das geht aus zwei Antworten des hessischen Innenministeriums (PDF und PDF) auf Kleine Anfragen der SPD-Fraktion hervor.
Vergleicht man die Zahlen zu linken und rechten Straftaten, gab es also mehr als doppelt so viele “Straf- und Gewalttaten mit rassistischem, antisemitischem, rechtsextremistischem und/oder ausländerfeindlichen Hintergrund”. Und was landet in der Frankfurter “Bild”-Ausgabe in der Überschrift?
Die rechten Straftaten erwähnt die Redaktion nicht mit einem Wort. Die komplette Meldung im Blatt lautet:
2018 gab’s in Hessen 227 Fälle linker Kriminalität, darunter 20 Gewaltdelikte. 2017 waren es noch 183 Fälle (20 Gewalttaten). In den ersten drei Monaten zählt das Innenministerium bereits 52 Fälle, darunter fünf Gewaltdelikte.
In 34 Fällen war Frankfurt der Tatort. Dahinter: Fulda (7) Wiesbaden (2).
30 Tatverdächtige wurden ermittelt, davon waren zehn weiblich. Bei den Gewalttaten handelt es sich überwiegend um Angriffe auf Polizeibeamte bei Demonstrationen.
Der Vollständigkeit halber: 2018 gab’s in Hessen 603 Fälle rechter Kriminalität, darunter 27 Gewaltdelikte. 2017 waren es 602 Fälle (18 Gewalttaten).
Nachtrag, 27. August: Vor rund zwei Wochen hatte die Frankfurter “Bild”-Redaktion doch auch über die rechten Straftaten berichtet — ohne dabei die linken Straftaten zu erwähnen. Das haben wir bei unserer Recherche übersehen, wofür wir um Entschuldigung bitten möchten.
Auch bei Bild.de sind diese Zahlen erschienen. Über dem Artikel steht:
115 POLITISCH MOTIVIERTE TATEN IN DREI MONATEN — Die Liste der Schande
… was nicht so wirklich stimmt, schließlich waren es in den drei Monaten Januar, Februar und März 115 rechte und 52 linke, insgesamt also 167 politisch motivierte Straftaten in Hessen.
1. Wie Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie die Let’s Play-und Walkthrough-Kultur bedroht (irights.info, Till Kreutzer)
Artikel 17 der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie bedroht auch Gaming-Videos wie Let’s Plays und Walkthroughs, so der Jurist Till Kreutzer: “Aufgrund der erheblichen Haftungsverschärfung durch Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie wird den Plattform-Anbietern zukünftig gar nichts anderes übrig bleiben, als solche Inhalte zu blockieren.. (…) Im Ergebnis könnten also massenhaft Let’s play- und Walkthrough-Inhalte blockiert oder gelöscht werden, könnten viele Creators ihre Kanäle präventiv schließen. Damit würde diese spezielle, weltweit populäre Fan-Kultur nahezu verschwinden.”
2. Gretchenfrage Umwelt: Die Themen der Sommerinterviews 2019 (einfacherdienst.de)
Der “Einfache Dienst” hat die Themensetzung der diesjährigen Sommerinterviews ausgewertet und zieht Vergleiche zum Vorjahr. Zu wenig Beschäftigung mit Sachthemen, zu viel parteipolitische Selbstbeschau, so das Resümee: “Dass es auch 2019 wieder viel um parteistrategische Erwägungen geht und wichtige Sachthemen kaum berührt werden, ist auch eine verpasste Chance, den PolitikerInnen aller Parteien in wichtigen Zukunftsfragen auf den Zahn zu fühlen.”
3. Großer Bogen um die Provinz (taz.de, Patrick Guyton)
Der Lokaljournalismus hat es wahrlich nicht leicht. Neben den Sorgen über die Auswirkungen des Strukturwandels sei es immer schwerer, Nachwuchs zu gewinnen. Früher habe man nach den Besten der Besten gesucht, so ein Lokalredakteur, heute suche man nach dem Besten der Schlechten. Patrick Guyton kommentiert: “Viele Beobachter sehen einen dramatischen Niedergang der Branche. Die Abonnentenzahlen gehen kontinuierlich zurück, die Anzeigen bleiben aus. Für viele Jüngere ist Zeitung etwas von gestern, angebliche Infos bekommt man gratis im Internet oder in den sozialen Netzen. Welcher Studienabsolvent will also in eine Branche gehen, die ihre Krise und den vermeintlichen Untergang selbst immer wieder beschreibt?”
4. Hallo Deutschland (sueddeutsche.de, Kathrin Müller-Lancé)
“WDRforyou” ist ein multikulturelles Programm, das sich vor allem an Geflüchtete richtet. Kathrin Müller-Lancé hat die Redaktion in Köln besucht. Dort sorgen rund zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür, dass es stets neue Inhalte gibt. Was macht die journalistische Arbeit bei einem derartigen Format aus? Worin liegen die Chancen, worin die Schwierigkeiten?
5. Der Nutzwert des Journalismus (meta-magazin.org, Franco Zotta)
Wie ist es um die Zahlungsbereitschaft für journalistische Inhalte bestellt? Mit dieser Frage haben sich Christopher Buschow und Christian Wellbrock in einer Studie (PDF) beschäftigt. Die Bilanz ist eher ernüchternd: “In den vergangenen Monaten gab es einen spürbaren Hype um Leserzahlungen im Journalismus. Aus meiner Sicht unterstreicht unsere Studie, dass diese Hoffnungen überzogen sind. Es besteht m.E. durchaus die Gefahr, dass die Zahlungsbereitschaft der Nutzer — abseits weniger Nischen — zu niedrig ist, als dass ausschließlich auf Grundlage dieser nutzerseitigen Einnahmen die heute etablierten Redaktionsstrukturen für hochwertigen Journalismus finanziert werden können.”
6. So schreibt man heisse Schlagzeilen (nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler beschäftigt sich in seiner Kolumne mit dem “So”-Virus. Damit ist die Eigenart von Onlineredaktionen gemeint, viele Schlagzeilen mit dem Wörtchen “So” einzuleiten: “Fröhlicher Gestimmte werden die «So»-Sätze als Zeichen einer dienstleistungsorientierten Branche deuten, welche gleich auf den Punkt kommen und den Konsumenten nicht mit langfädigen Betrachtungen versäumen will. Sie verspricht schnelle Aufklärung: Wer das, was nach dem «So» folgt, gelesen hat, weiss sogleich Bescheid. Umgekehrt heisst das aber auch, dass in den entsprechenden Schlagzeilen eine redaktionelle Anmassung mitschwingt: Wir Informationsvermittler haben die Weisheit gefressen und sagen nun dem Publikum, was der Fall ist.”