Jack White wehrt sich gegen Heroin-Clickbait

Eigentlich war es nur ein Scherz. Angesprochen darauf, warum sein neues Album nicht früher herausgekommen sei, witzelte Jack White (“The Raconteurs”) neulich in einem Interview mit der “Irish Times”:

“Well, when Brendan [his Raconteurs bandmate] gave up alcohol, I started doing heroin, so that delayed things,” deadpans White.

Über das Interview berichtete dann auch die amerikanische Musikseite “Spin” — mit der Überschrift:

The Raconteurs’ New Album Was Delayed Because Jack White “Started Doing Heroin”

Nun hat sich Jack White selbst dazu geäußert. Bei Instagram schreibt er einen offenen Brief, den sich auch so manche deutsche Redaktion ruhig mal anschauen könnte:

Instagram-Post von Jack White: dear spin, i have never done heroin or any other illegal drug in my life and anyone close to me could confirm this. if you had actually read the article in full, you could see that i was joking. but, i suppose spin never lets the facts get in the way of good clickbait. and while we are here dear pitchfork, stereogum, noisey and the rest of the trash music cough journalism sites: though i realize that you work in the business of soundbites and clickbait, and that you are pissed third man records did not send you a free copy of the new raconteurs album because of how nasty you regularly are, here is a couple other notes: i do not hate people who own cell phones, or never allow one near me, or hate ALL technology etc. stop painting with such a wide brush. just because i dont own a cell phone in an attempt to lead a healthy life doesn’t mean i hate all technology. though you’d love for me to be the luddite that provides you with cyber laughs til the electric cows come home, i hate to break that myth by stating that i listen to digital music, i drive an electric car, and i typed this boring response on my computer. also, back in my day in the 1800’s, artists weren’t punished for taking the road less traveled, or for answering questions with unpopular responses. hell, we were even expected to rebel against the status quo if you can believe that. i encourage people to lead their own healthy lives and find ways to engage in things that inspire one another rather than bring them down. if you love music and the arts, i think your organizations should start to learn to do the same thing, or at least pretend you love music rather than looking to please your advertisers with clicks. - jack white III

Inzwischen hat “Spin” die Überschrift geändert.

Kurz korrigiert (529)

In Stuttgart ist am Sonntag ein Balkon mit einem Pool darauf eingebrochen. Auch die “Bild”-Medien berichten über den Unfall und schildern das alles so:

Ausriss Bild-Zeitung - Weil das Planschbecken zu schwer war - Familie stürzt mit Balkon in die Tiefe

Frank (54) und Maria Josefa R. (53) stellten ein drei Quadratmeter großes Planschbecken auf den Balkon über dem familieneigenen Zimmereibetrieb in Stuttgart. Mit ihren Töchtern Anna-Maria (22) und Brigitte (21) sowie deren Freunden Eric R. (27) und Gianluca P. (25) hielten sich die Eltern gegen 18 Uhr auf dem Balkon auf.

DANN KRACHTE ES!

Der Balkon, eine Holzkonstruktion, stürzte auf einer Seite ab, wurde aber von einem darunter parkenden Transporter abgefangen. Sechs Personen wurden laut Polizei leicht verletzt, eine musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Zur “wahrscheinlichen Ursache des Unfalls” schreiben “Bild” und Bild.de:

Der Balkon war überlastet! Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart: “Der Balkon muss 400 Kilonewton pro Quadratmeter als Last aushalten. Laut Berechnung des Baurechtsamts wiegt Wasser mit 70 Zentimetern Höhe im Pool fast doppelt so viel wie zulässig.”

Da passt rechnerisch überhaupt nichts zusammen.

Erstmal zu dem Zitat des Sprechers der Stadt Stuttgart: Für 400 Kilonewton wäre ein Gewicht von über 40 Tonnen notwendig. Das wäre sehr viel. Wir haben bei Sven Matis nachgefragt, ob er den “Bild”-Autorinnen Anna Schmatz und Alexandra zu Castell-Rüdenhausen dieses Zitat so gegeben hat. Ja, habe er. Der Fehler liege bei ihm. Tatsächlich müsste es vier Kilonewton pro Quadratmeter heißen, so Matis.

Aber selbst mit dem richtigen Zitat wären die “Bild”-Angaben noch falsch: Der Pool war nicht “drei Quadratmeter groß”; er hatte einen Durchmesser von “etwa drei Metern”, wie die Polizei schreibt. Daraus ergibt sich eine Fläche von etwa sieben Quadratmetern. Und bei einer Höhe von 70 Zentimetern ein Volumen von 4900 Litern (statt 2100 Litern bei den “Bild”-Angaben). Das daraus resultierende Gewicht von 4900 Kilogramm waren für den Balkon offenbar zu viel.

Mit Dank an Vincenzo M. und Jonas H. für die Hinweise!

Nachtrag, 5. Juli: Mehrere Leserinnen und Leser weisen uns darauf hin, dass zum Gewicht des Pools und des Wassers im Pool noch das Gewicht der (mindestens) sechs Personen auf dem Balkon beziehungsweise im Pool kam. Das sollte man in der Rechnung nicht unterschlagen.

Mit Dank an die Hinweisgeber!

Plasbergs Trauerspiel, Gesundes Misstrauen, Schwitzereporter

1. Es war ein Trauerspiel
(spiegel.de, Arno Frank)
Als die “Hart aber fair”-Redaktion den Talkgast Uwe Junge (AfD) ankündigte, befürchteten viele, dass man hier jemandem die Bühne für Populismus und Demagogie bereite. Arno Frank hat die Sendung gesehen und findet alle Befürchtungen bestätigt.
Weiterer Lesehinweis: ARD fliegt Rechtfertigung für AfD-Gast um die Ohren (t-online.de, Lars Wienand).

2. Der DFB und seine aufmüpfigen Frauen
(journalist-magazin.de, Thilo Komma-Pöllath)
Thilo Komma-Pöllath hat anlässlich der Fußball-WM der Frauen ein Interview mit der Spielerführerin Alexandra Popp geführt. Popp sprach darin auch über die ungenügende gesellschaftliche Entwicklung im Fußball. Außerdem, so Popp, fühle man sich etwas vergessen und damit war wohl der DFB gemeint. Als das Interview von der Autorisierung zurückkam, seien alle Aussagen glattgebügelt worden. Der Autor habe noch beim DFB nachgefragt, doch die Antwort sei ausgeblieben und der Text zu seinem Leidwesen ohne die betreffenden Passagen erschienen.

3. Journalisten, kommt mal runter!
(dbate.de)
Auf der Jahreskonferenz des “Netzwerk Recherche” ging es unter anderem um die Glaubwürdigkeitskrise im Journalismus und den Umgang mit Fehlern. Was macht guten Journalismus aus? Darüber hat “dbate” mit dem österreichischen Journalisten und Fernsehmoderator Armin Wolf, der NDR-Journalistin Anja Reschke, dem Medienjournalisten Stefan Niggemeier, dem Hauptstadtjournalisten Tilo Jung, dem Soziologen Stefan Schulz und dem “BuzzFeed”-Chefredakteur Daniel Drepper gesprochen.

4. Mit Essiggurken gegen Adorno
(taz.de, Nils Markwardt)
Franz Josef Wagner ist der Namensgeber der berühmt-berüchtigten “Bild”-Gaga-Kolumne “Post von Wagner”. Immer wieder werden seine surrealen Wortbeiträge in den Sozialen Medien persifliert. Besonders gut gelungen ist dies Nils Markwardt, der gleich eine ganze Reihe von vermeintlichen Wagner-Briefen an bedeutende Philosophen und Denker verfasst hat.

5. Polizeiberichte kritisch hinterfragen
(djv.de, Hendrik Zörner)
Polizeiberichten sollte nicht blind vertraut werden. Darauf macht der Deutsche Journalisten-Verband in seiner jüngsten Pressemitteilung aufmerksam. Aktueller Anlass sind Presseinformationen der Polizei, in denen diese behauptet habe, bei der Auseinandersetzung um den Tagebau Gartzweiler seien 16 Polizisten verletzt worden. Die Recherchen eines WDR-Journalisten hätten jedoch ergeben, dass nur zwei Polizisten durch Fremdeinwirkung verletzt wurden.

6. Der Schweiß ist heiß
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 2:12 Minuten)
Wer leidet in Deutschland am meisten unter der Hitze? Genau: Fernsehredaktionen! Hier ein zweiminütiger Bericht der Schwitzereporter von Das Erste, hr, MDR, NDR, n-tv, RB, rbb, Sat.1 NRW, SWR, Welt und WDR.

“Bild”-Chef unterstützt Seenotretter

Wir freuen uns riesig über jede und jeden, die oder der uns bei Steady unterstützt, nur über einen nicht: Julian Reichelt. Der “Bild”-Chef schickt uns jedes Jahr 120 Euro. Und die wollen wir gern wieder loswerden.

Daher haben wir Reichelts 120 Euro vorhin an die von Klaas Heufer-Umlauf und Jan Böhmermann ins Leben gerufenen Spendenkampagne für private Seenotretter, die Crew der “Sea Watch 3” und die inhaftierte Kapitänin Carola Rackete weitergeleitet:

Screenshot der Spenden-Bestätigung

Und noch ein Tipp für jede und jeden, die oder der ein paar Euro übrig hat: Es ist ganz einfach mitzumachen.

Rätsel Lanz, Gerichtsreporterin Friedrichsen, Altkanzler mit Knarre

1. TV-Kritik zu Markus Lanz: Niveaumäßig auf Grasnarben-Höhe
(fr.de, Daland Segler)
Bei Markus Lanz waren zuletzt die Grünen-Politiker Annalena Baerbock und Robert Habeck zu Gast und wurden von diesem teilweise scharf angegangen. Daland Segler kritisiert: “… ein Moderator, der nicht moderiert, sondern Fragen abschießt, der in seiner typischen Haltung, ganz vorne auf der Stuhlkante sitzend, als wolle er sich auf das Gegenüber stürzen (und so seine Nervosität und Überforderung zeigt) fast nie schafft, seine Gäste ausreden zu lassen und dann irgendwann sagt: “Lasst uns diese Schärfe rausnehmen” — die er selbst hineingebracht hat in das Gespräch: Solch ein Mann dürfte nie und nimmer eine Talkshow leiten. Nun tut das aber Markus Lanz seit Jahren, und es ist eines der großen Rätsel der bundesdeutschen Fernsehlandschaft, dass er das trotz seiner offensichtlichen Unfähigkeit immer noch tut.”

2. “Ich war die einzige Frau”
(taz.de, Doris Akrap)
Die bekannte Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen arbeitete 16 Jahre für die “FAZ”, 27 Jahre für den “Spiegel” und seit nunmehr drei Jahren schreibt sie für die “Welt”. Im Interview spricht sie über ihren beruflichen Werdegang, die Besonderheiten des NSU-Prozesses und darüber, mit welchem Blick sie auf eine Gerichtsverhandlung schaut.

3. «Journalismus ist nicht marktfähig»: Warum Verlage nun experimentieren müssen
(tagblatt.ch, Michael Genova & Kaspar Enz)
Den Zeitungsverlagen brechen mehrheitlich die Einnahmen weg. Was tun? Der Medienwissenschafter Guido Keel plädiert für Hinwendung zum Digitalen, spricht sich für Bezahlschranken aus und rät den Lokalzeitungen zu Experimenten.

4. Der Altkanzler und die Knarre – wenn Fotos einen schlechten Eindruck machen
(maz-online.de)
Vor ein paar Tagen postete die “heute show” ein Bild von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, das diesen in James-Bond-Pose mit seiner Frau im Arm und einer Pistole zeigte. Daraufhin hagelte es in den Sozialen Medien Kritik und Häme. Entstanden war das Bild anlässlich der Kieler Woche. Bei der “Waffe” handelte es sich um die Startpistole für eine Segelregatta. Anders als der Altkanzler hätten andere Politiker solch ein Bild nicht zugelassen: “Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) meidet zum Beispiel jegliches Kriegsgerät im Hintergrund, das sich später wieder als zu teuer oder zu kaputt oder als ethisch umstritten herausstellen könnte, also zum Beispiel Kriegsdrohnen. Sucht man nach “Startschuss”-Fotos von ihr, wirft sie deshalb eher eine Sektflasche gegen einen Schiffsrumpf oder hält einen symbolischen Schlüssel oder eine Korvetten-Silhouette in die Höhe.”

5. Journalistin Jana Avanzini wegen Hausfriedensbruch verurteilt
(sueddeutsche.de, Isabel Pfaff)
Nun ist es tatsächlich so gekommen, wie es viele Schweizer Medienschaffende befürchtet haben: Das Luzerner Bezirksgericht hat die Journalistin Jana Avanzini wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Die Journalistin hatte für eine Recherche ein besetztes Haus betreten. Die Buße beträgt 500 Franken, doch dazu kommen Gerichtskosten und die Anwaltskosten der Klägerin, so dass Avanzini insgesamt etwa 4.300 Franken berappen muss.

6. Warum wir uns für uns und andere schämen
(deutschlandfunknova.de, Dominik Schottner, Audio: 24:08 Minuten)
Im “Ab 21”-Podcast auf “Deutschlandfunk Nova” geht es um Peinlichkeit. Warum schämen wir uns, und warum hat das Filmpublikum ein so hohes Interesse an schambesetzten Themen? Darüber geben der Peinlichkeitsforscher Paulus Frieder (Uni Lübeck) und der Filmexperte und Youtube-Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt (“Die Filmanalyse”) Auskunft.

Das große “Bild”-Drama-ABC

Am vergangenen Dienstag war die Titelseite der “Bild”-Zeitung gleich doppelt dramatisch:

Schlagzeilen auf der BILD-Titelseite: FEUER-DRAMA auf Klitschko-Jacht sowie ABSTURZ-DRAMA um deutsche Kampfjet-Piloten

Was bei uns die Frage aufwarf, welche “Dramen” es bei “Bild” in letzter Zeit eigentlich noch so alles gab – et voilà:

Absturz-Drama
Abseits-Drama
Alpin-Drama
Bade-Drama
Ballermann-Drama
Beziehungs-Drama
Boßel-Drama
Brunnen-Drama
Brücken-Drama
Bus-Drama
Busen-Drama

Diesel-Drama
Dreßen-Drama
Ehe-Drama
Eis-Drama
Elefanten-Drama
Elfer-Drama
Endpsiel-Drama
Familien-Drama
Feuer-Drama
Flixbus-Drama
Friseur-Drama
Gassi-Drama
Gift-Drama
Griechen-Drama
Höhlen-Drama
Internet-Drama
Kerber-Drama
Krebs-Drama
Kreuzfahrt-Drama
Kuh-Drama
Lauda-Drama
Laster-Drama
Liebes-Drama
Masern-Drama
Medaillen-Drama
Mord-Drama
Opern-Drama
Penalty-Drama
Regierungsflieger-Drama
Reise-Drama
Relegations-Drama
Sanierungs-Drama
S-Bahn-Drama
Schlauchboot-Drama
Schnee-Drama
Schulden-Drama
Sekunden-Drama
Selbstmord-Drama
Silvester-Drama
Sorgerechts-Drama
SPD-Drama
Spenderherz-Drama
Strom-Drama
Syrien-Drama
Todes-Drama
U-Bahn-Drama
Ullrich-Drama
Unfall-Drama
Wackelzahn-Drama
Wasser-Drama
Zug-Drama

(Aus: “Bild” und “Bild am Sonntag”, 2018 & 2019)

Polizei als Nacktbild-Verbreiter, MDR-Reichsbürger Steimle, Twitter-Urteil

1. Für Likes tun wir alles, ihr Freund und Helfer
(dasnuf.de, Patricia Cammarata)
Vor einigen Tagen stoppte die brandenburgische Polizei einen Zweiradfahrer, der nur mit Helm und Sandalen bekleidet war. Die Beamten machten Fotos von dem Nackten, die sie auf Twitter für eine Mitmach-Aktion verwendeten: “Wie würden Sie dieses Bild betiteln?” Überhaupt nicht witzig, findet Patricia Cammarata: “Ich finde den Tweet in diesem Kontext, veröffentlicht von einer staatlichen Institution für moralisch höchst zweifelhaft und genauso zweifelhaft finde ich jede weitere Verbreitung, v.a. durch Stellen, die in irgendeiner Form neutrale Öffentlichkeit repräsentieren. Und die Verbreitung ist enorm. Ich habe den Tweet heute z.B. im Guardian verlinkt entdeckt. Glaubt ihr wirklich, dass dieser Herr, der sich morgens in Brandenburg entschieden hat, nackt auf seinen Roller zu steigen, mit dieser Öffentlichkeit gerechnet hat? Rechnen musste? Ihr zuckt mit den Schultern? Wie würdet ihr den Fall sehen, wenn es um euch selbst, euren Vater, euren Onkel oder sonst eine Person geht, der ihr nahe steht?”

2. Grenzen der Satire? Der MDR und Uwe Steimle
(ndr.de, Nadja Mitzkat)
Gegen Geflüchtete hetzen, das Reichsbürgermärchen von Deutschland als besetztem Land und Merkel als “Marionette” verbreiten und mit “Kraft durch Freunde”-T-Shirt provozieren. Für all dieses hat der MDR einen Mann: den Schauspieler und Kabarettisten Uwe Steimle. Seit Jahren gibt es begründete Kritik an den Äußerungen Steimles, doch der MDR hat eine geschickte Politik entwickelt, um an dem Mann festzuhalten: Man verteidigt ihn und distanziert sich gleichzeitig.

3. Fake News auf Staatskosten
(taz.de, Reinhard Wolff)
Die staatliche PR-Agentur in Norwegen hat sich eine zweifelhafte Idee einfallen lassen, um das Land ins Gespräch zu bringen. Angeblich würden die Bewohner einer Insel eine “zeitlose Zone” errichten. Mehr als 1000 Medien weltweit übernahmen die Meldung, schließlich handelt es sich bei der staatlichen Informationsagentur “Innovasjon Norge” eigentlich um eine seriöse Quelle.

4. Gerichtsurteil: Twitter muss Account von Dietrich Herrmann freischalten
(flurfunk-dresden.de, Peter Stawowy)
Twitter hat unlängst strittige Regeln eingeführt, um Wahlmanipulationen zu unterbinden, darunter fallen auch satirische Bemerkungen. Eines der Opfer des neuen Twitter-Hausrechts war der Grünen-Politiker Dietrich Herrmann, der für einen Tweet gesperrt wurde (Herrmann hatte einen oft gemachten Witz gepostet, in dem AfD-Wähler dazu aufgefordert werden, bei der Wahl die Unterschrift auf dem Wahlzettel nicht zu vergessen). Das Landgericht Dresden hat Twitter nun dazu verurteilt, den Account wieder freizugeben.

5. Finde es so witzig…
(twitter.com/ohhellokathrina, Kathrin Weßling)
Kathrin Weßling verschafft sich auf Twitter mit einem Stoßseufzer etwas Luft: “Finde es so witzig, wie einige Seiten in diesem Internet einfach fast ausschließlich von eingebetteten Tweets leben oder FB Screenshots, nix davon vergüten und sich schön die Taschen vollmachen. Und mit “witzig” meine ich asozial. Aber was rede ich von “Vergütung” — wenn es nicht mal Standard ist zu fragen, ob es okay ist, aus fremden Inhalten mit ein paar banalen Zwischenheadlines vermeintlich eigenen Content zu kreieren.” Der “6 vor 9”-Kurator schließt sich dem Seufzer aus aktuellem Erleben an. #PerlendesLokaljournalismus

6. “Katastrophe biblischen Ausmaßes für die deutsche Branche”
(golem.de, Peter Steinlechner)
Für Computerspieleentwickler waren 2019 noch staatliche Unterstützungen von 50 Millionen Euro vorgesehen. Viele Studios erwarteten für 2020 eine ähnliche Förderung, doch dies erscheint nach derzeitigem Stand sehr unwahrscheinlich.

Kopftuchklischees, Söders “Youtuber-Festival”, Rechte Debatten-Tricks

1. So verschieben Sie eine Debatte nach rechts
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo hat eine Polemik über rechte Kommunikation verfasst. In einer Anleitung in 20 Schritten geht er die entscheidenden Debatten-Tricks der extremen Rechten durch.

2. So organisieren sich Rechtsextreme seit Wochen in neuen Telegram-Gruppen
(buzzfeed.com, Pascale Mueller & Marcus Engert & Juliane Loeffler & Rolf Regner)
“BuzzFeed News Deutschland” liegen Unterlagen vor, wie sich rechtsextreme Personen in Chatgruppen austauschen, darunter “NPD-Politiker, bekannte Neonazi-Größen und organisierte Rechtsradikale mit Kontakten in die rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene sowie zu einschlägigen, teils verbotenen Organisationen.” Dabei geht es um 250 Personen, die dort ihr radikales Gedankengut teilen.
Weitere Leseempfehlung: Wer zu Neonazis recherchiert, muss sehr mutig sein. “Vice” hat bei zwei dieser mutigen Personen nachgefragt, was sie antreibt und was sie bei der täglichen Arbeit erleben: Mordfall Lübcke: Diese Menschen machen die Arbeit, die der Verfassungsschutz nicht macht (vice.com, Matern Boeselager).

3. Wem gehört… The Missing Manual
(medium.com, Astrid Csuraji & Jakob Vicari)
Das Recherchekollektiv “Correctiv” hat mit seiner Aktion “Wem gehört Hamburg?” den Wohnungsmarkt ein Stückchen transparenter gemacht und ist dafür jüngst mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet worden. Daran anknüpfend haben Journalisten eine ähnliche Aktion für eine Stadt in Niedersachen ins Leben gerufen: “Wem gehört Lüneburg”. Im “Missing Manual” berichten sie über ihre Erfahrungen mit einem derartigen journalistischen Projekt.
Nachtrag: Mit “Wem gehört Lüneburg” knüpft die “Landeszeitung” nicht an die “Correctiv”-Aktion an — vielmehr führt sie das Projekt in Kooperation mit “Correctiv” durch.

4. Söder will “Youtuber-Festival” veranstalten
(sueddeutsche.de, David Steinitz)
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder will ein “Youtuber-Festival” samt “Influencer-Preis” etablieren. Außerdem verlangt er eine Reform der deutschen Filmförderung, sprich mehr staatliche Unterstützung und Steuervorteile für Filmproduzenten.
Anmerkung des “6 vor 9”-Kurators: Siehe dazu auch Wikipedia: “Stupid German Money (engl.: dummes deutsches Geld) ist ein ursprünglich von der US-amerikanischen Filmwirtschaft geprägter Begriff für Gelder aus geschlossenen Medienfonds des deutschlandspezifischen grauen Kapitalmarkts. Diese Fonds wurden wegen hoher Abschreibungsmöglichkeiten als Steuersparmodell genutzt. Die Gelder flossen größtenteils in amerikanische Filmproduktionen.”

5. Maut-Verträge öffentlich machen
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband fordert den Bundesverkehrsminister auf, die Maut-Verträge Journalistinnen und Journalisten zur Einsicht zur Verfügung zu stellen: “Dass der Verkehrsminister auf das gerichtliche Verbot der Pkw-Maut mit Geheimniskrämerei reagiert, ist völlig unangemessen. Wenn es stimmt, dass ein zweistelliger Millionenbetrag aus Steuergeldern verbraten wurde, müssen Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit bekommen, darüber zu berichten.”

6. Falsche Ehre für Kopftuchklischees
(taz.de, Hilal Szegin)
“Eine befremdliche Entscheidung” nennt Hilal Szegin den Entschluss des Journalistinnenbunds, die Cartoonistin Franziska Becker für ihr Lebenswerk auszeichnen. Szegin stört sich vor allem an Stereotypen und Chiffren wie dem Kopftuch, das in einigen Becker-Cartoons auftaucht: “Aufgrund von Äußerlichkeiten werden einer Menschengruppe innere Einstellungen und Befähigungen zu- oder eben abgesprochen. Das führt zu weniger, nicht zu mehr Handlungsfreiheit von verschleierten Musliminnen. Und das ist weder einer Auszeichnung wert noch feministisch.”
Interessant ist die Reaktion der “Emma”-Redaktion auf die Kritik an ihrer Cartoonistin. Bei Twitter fragt sie: “Findet ihr diese Karikatur von Franziska Becker “islamfeindlich-rassistisch”?” Und dies wird von den allermeisten Lesern und Leserinnen absolut eindeutig bejaht. Die Linken-Politikern Anke Domscheit-Berg kommentiert fassungslos: “Ich kann kaum glauben, dass das eine ernstgemeinte Frage sein soll.”

Gegenwind, Phrasenschwein, Kübel-Kopf

1. “Hass-Postings können wir nicht ignorieren, die brauchen Gegenwind.”
(kattascha.de, Katharina Nocun)
Susanne Tannert ist Sprecherin der Initiative #ichbinhier, einer Aktionsgruppe von 45.000 Menschen, die sich auf Facebook gegen Hassrede engagieren. Im Interview erzählt sie über das Vorgehen der Gruppe und erzielte Erfolge und gibt Tipps, wie man selbst aktiv werden kann.
Weiterer Tipp: Hörenswert ist die spezielle Ausgabe des “Denkangebot”-Podcasts, in der Katharina Nocun mit verschiedenen Gesprächspartnern über “Hass und Gewalt im Netz” spricht.

2. Phrasen: Die Medien müssen präziser werden
(fachjournalist.de, Oliver Georgi)
Wir ärgern uns alle, wenn Politikerinnen und Politiker nur in Phrasen sprechen, doch sie haben dafür durchaus ihre Gründe. Einer davon ist eine zur Skandalisierung neigende Debattenkultur. Und durch die in Deutschland übliche Autorisierungspraxis wird es ihnen besonders leicht gemacht, spitze Aussagen nachträglich zu glätten. Oliver Georgi schreibt über ein Dilemma, dem nicht so leicht beizukommen ist.
Weiterer Lesetipp: Schöne-Worte-Gesetze (neusprech.org, Martin Haase).

3. 100 Jahre MT
(mindenertageblatt.de)
Das “Mindener Tageblatt” feiert sein hundertjähriges Bestehen mit einer umfangreichen, kostenlosen E-Paper-Jubiläumsausgabe. Man erfährt nicht nur etwas über die Geschichte des Blatts, sondern auch über die redaktionellen Abläufe und die Macher und Macherinnen. Außerdem gibt es zahlreiche Artikel zur Situation der Medien und ihrer Wirkung.

4. Sind besetzte Häuser eine Tabuzone für Journalisten?
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Um mit Hausbesetzern ins Gespräch zu kommen, hat eine Journalistin eine Villa betreten. Die Recherche hat ihr einen Rechtsstreit eingebrockt, denn die Besitzer der Villa haben sie wegen Hausfriedensbruch angezeigt. Eine kostspielige Angelegenheit: Die Journalistin habe dies bereits 15.000 Franken gekostet, von denen sie 10.000 Franken durch Crowdfunding abdecken konnte.

5. Wenn wir alle für Lokaljournalismus bezahlen
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz)
Der Lokaljournalismus in Deutschland hat es nicht leicht. Deshalb wird immer wieder diskutiert, wie man den Journalismus vor Ort stärken kann. Eine Idee könnten staatliche oder öffentliche Unterstützungszahlungen sein, doch dagegen wenden sich Häuser wie die Funke-Mediengruppe. Und es gibt auch noch andere Dinge zu bedenken, wie Journalistik-Professorin Wiebke Möhring betont: “Wenn wir jetzt über eine öffentliche Förderung nachdenken, dann muss man natürlich die Förderbedingungen ein bisschen stärker sich vielleicht nochmal vor Augen führen und unter anderem aber auch klarmachen: Warum hat diese Zeitung, dieses Medienhaus jetzt an dieser Stelle ein wirtschaftliches Problem? Und was hat sie auch schon an Maßnahmen ergriffen? Will sagen: Es kann ja nicht sein, dass dann durch eine öffentliche Förderung Management-Fehler gegenfinanziert werden.”

6. Ich musste es einfach tun.
(twitter.com/leitung296, Video: 2:17 Minuten)
Auch, wenn es vielleicht etwas wehtut. Es lohnt sich, die zwei Minuten durchzuhalten: “Das Best of des legendären SPD-Kübel-Kopf-Zitats von Robin Alexander — in der Rezitation von Markus Lanz.”

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