Anders als Bild.de behauptet, gewann der FC Bayern das Testspiel gegen Hansa Rostock nicht 2:1 durch Tore von “Ismael (19.) und Guerro (50.) bei einem Eigentor von Hansen (68.)”. Denn abgesehen davon, dass der Schütze zum 2:0 Guerrero heißt, spielt Hansenbei Hansa. Ein Eigentor durch ihn hätte also das 3:0 für Bayern bedeutet. Tatsächlich führte ein Handelfmeter, den Hansen verwandelte, aber zum 2:1 Endstand.
Und was “Bild” heute über Oliver Kahn schreibt, stimmt auch nicht:
Hervorhebung von uns
Tatsächlich war Oliver Kahn in der Welttorhüter Rangliste des IFFHS nämlich schon im Jahr 2004 auf Rang sechs abgerutscht. Folglich verbesserte er sich2005 wieder um einen Platz.
Mit Dank an Jean-Paul I. und Holger K. für die Hinweise
Seit der französischen Revolution ist der Großteil der Welt schrittweise dazu übergegangen, Längen nicht mehr in Elle oder Klafter, sondern in Meter oder Zentimeter anzugeben. So macht das auch Hessens Versammlungsstättenverordnung (VStättV § 10 Abs. 2): “Stufen in Gängen (Stufengänge) müssen (…) einen Auftritt von mindestens 0,26 m haben.”
Im umstrittenen Test der Fußball-WM-Stadien bemängelt Stiftung Warentest nun an der Commerzbank-Arena in Frankfurt einen steilen Oberrang und einige Stufen, die angeblich nur 22 Zentimeter tief sind (siehe “hessenschau”). Frankfurts Bürgermeister Achim Vandreike widerspricht energisch: Es seien “Werte zwischen 26,8 und 30 Zentimetern”.
Um das endgültig zu entscheiden, hat “Bild” einen Reporter zum Nachmessen ins Stadion geschickt. Beruhigendes Ergebnis: Die Stufen sind etwas weniger als anderthalb Peter-Dörr-Handspannen tief.
Man könnte, im übertragenen Sinne, sagen, dass das Kreuzband die Achillesferse des Bundesliga-Spielers Jens Nowotny ist. Aber eben doch nur im übertragenen Sinne.
Nach Ansicht von Experten ist die große Macht von “Bild” eines der Haupthindernisse bei der Fusion des Axel-Springer-Konzerns mit ProSiebenSat.1. Vor diesem Hintergrund sagt der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner in der “Frankfurter Allgemeinen” heute:
Daß die “Bild”-Zeitung mit ihrer hohen Auflage eine starke Marktstellung hat, ist unbestritten. Aber wir verschieben die Gewichte, wenn “Bild” zu einer Art Gegenregierung aufgebaut wird. Dann verlagern wir die politische Autorität auf die Straße. Die “Bild”-Zeitung ist eine Unterhaltungs- und Boulevardzeitung. Sie ist aber nur so wichtig, wie sie von politischen Eliten genommen wird. Man sollte die “Bild”-Zeitung nicht zum vorherrschenden politischen Leitmedium überhöhen. Das ist für die Redaktion zwar ein Kompliment, aber ob es das auch für den geistigen Zustand unserer Republik ist, da habe ich meine Zweifel. Die Boulevardisierung der Qualitätsmedien und die Boulevardisierung weiter Teile der Politik sind das Problem.
Zum Vergleich: Im Herbst 2004, als die Macht von “Bild” noch kein Problem für Springer war, schrieb “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in einer E-Mail an seine Mitarbeiter:
Wir sind in der Tat — und das wird selbst von unseren strengsten Kritikern eingeräumt — DAS LEITMEDIUM. Mit unserer exzellenten Sport-Berichterstattung, mit unseren Enthüllungen aus Politik und Unterhaltung, mit unseren präzisen Recherchen und Scoops im Nachrichtenbereich aus dem In- und Ausland, mit unseren Top-Themen in über 30 Lokal- und Regionalausgaben.
Das Schöne an Zeitungen beispielsweise ist, dass sie Sachverhalte einordnen, dass sie erklären, was für den laienhaften Leser andernfalls schwer oder gar missverständlich sein könnte. “Bild” beispielsweise tut das (angeblich) immer wieder: Ob Olympia oder Ecuador, das “neue Öko-Angstwort”, das Papst-Gewand oder die Beschlüsse der neuen Regierung — “BILD erklärt”, heißt es dann gern.
Aber nicht nur “Bild” erklärt. Nachdem sich das ZDF entschieden hatte, ein Interview mit der Archäologin Susanne Osthoff über ihre Geiselnahme im Irak auszugsweise im gestrigen “heute journal” auszustrahlen, war man auch dort bemüht, das fraglos grotesk wirkende Gespräch einzuordnen.
So sei, sagte die Interviewerin Marietta Slomka vor der Ausstrahlung, Osthoff zu einer Fernsehaufzeichnung nur bereit gewesen, “wenn ihr Gesicht verschleiert bleibt”. Das Resultat wirkte befremdlich, nicht zuletzt, weil Osthoff schwarze Kleidung und einen Gesichtsschleier trug, der einem Niqab (oder Nikab) nicht unähnlich sah. Aber was wissen wir schon — außer vielleicht, dass eine Verschleierung wie die Osthoffs weltweit für viele Musliminnen Tradition, Ausdruck ihrer Religiösität oder schlicht Alltag ist.
Und “Bild”? Schreibt unter der Überschrift “Irrer TV-Auftritt” auf der Titelseite:
“Vermummt wie eine radikale Islamistin zeigte sie sich vor der Kamera (…)”
Und weil “Bild” der irre Vergleich offenbar irre gut gefällt, steht’s auf Seite 2 gleich nochmal:
“Vermummt wie eine radikale Islamistin zeigte sich die deutsche Ex-Geisel vor der Kamera.”
Mit anderen Worten: Wenn Osthoff für “Bild” also “wie eine radikale Islamistin” aussah, erklärt das nicht Osthoffs rätselhafte Verschleierung. Aber es sagt viel darüber, wie “Bild” erklärt.
Es gibt Dinge, die sind fast total sicher. Dass an Silvester “Dinner for One” läuft zum Beispiel. Kann man drauf wetten. Da muss man nicht immer mit so komischen Möglichkeitsformen arbeiten, wenn man drüber schreibt.
Und dann gibt es Dinge, die sind nicht so sicher. Sondern nur wahrscheinlich. Oder nur möglich. Oder nicht ganz ausgeschlossen. Dass es an Weihnachten regnen wird zum Beispiel. Tja: Wer weiß? Besser vorsichtig formulieren. Mit “könnte” und “vielleicht” und so.
Gute Zeitungen erkennt man unter anderem daran, dass sie einem helfen, das Sichere von dem Möglichen zu unterscheiden. Dann testen wir das mal an diesem Artikel aus der “Bild”-Zeitung vom 11. November 2005:
Brasilien will nach Castrop-Rauxel
(…) BILD erfuhr, wo Brasilien wirklich sein WM-Quartier aufschlägt:
Man höre und staune – in CASTROP-RAUXEL. (…)
Ein Sprecher von Brasiliens Fußball-Verband bestätigte:
“Wir machen definitiv in der Nähe von Dortmund Quartier. Von dort haben wir das lukrativste Angebot bekommen.” (…)
Auch er nimmt Quartier in Castrop-Rauxel: Brasiliens Ronaldinho.
Das fällt in die Kategorie “völlig sicher”, oder? Die “Bild”-Meldung machte die Runde, auch wenn manche Medien sie wohlweislich relativierten. Bei ARD.de formulierte man vorsichtig: “Glaubt man der Bildzeitung dann dürfen sie in Castrop Rauxel schon bald Samba tanzen vor Freude” — und trug einige Zweifel an der Richtigkeit der Meldung zusammen. In der “WAZ” dementierten Sprecher des Hotels, dass schon etwas beschlossen sei. Und die “Süddeutsche Zeitung” zitierte den brasilianischen Trainer Parreira drei Wochen später mit den Worten, Castrop-Rauxel sei nur “eine Option von vielen”. Ja: könnte, würde, vielleicht — laaaangweilig.
“Bild” hatte in der Zwischenzeit schon andere wichtige Dinge am angeblich sicheren Quartiersort recherchiert. Zum Beispiel, dass es dort ein Bordell gebe, ein “Sex-Sterne-Laden”:
Eintritt 50 Euro. Die Liebes-Luder verlangen bis zu 150 Euro. Für die WM wird ihr Kader vergrößert (von 18 auf ca. 40). An WM-Top-Zuschlag wird gedacht.
Die dralle Elsa: “Dafür gibt’s aber auch brasilianische Wochen mit Caipi und Spezial-Buffet.”
Machen wir es kurz: Brasilien macht nicht in Castrop-Rauxel Quartier, sondern in Königstein und Bergisch Gladbach. Und als Bild.de vergangene Woche von der Entscheidung gegen Castrop-Rauxel erfuhr, stand dort:
Noch vor ein paar Wochen hieß es, die WM-Mannschaft werde sich in einem 4-Sterne-Hotel in Castrop-Rauxel (NRW) einquartieren.
Ja, so hieß es noch vor ein paar Wochen. In “Bild” und anderen Medien, die “Bild” glaubten.
Toll, dass “Bild” (wieandereauch) extra einen Artikel angefertigt hat, in dem “Bild” den WM-Ball von Adidas als den “besten WM-Ball aller Zeiten” preist. Schade nur, dass “Bild” (andersalsandere) behauptet, der neue Ball habe “einen Durchmesser von 69 Zentimetern”(siehe Symbolfoto rechts), wo er doch als ordinärer Fußball einen Durchmesser von knapp 22 Zentimetern hat, wie sich aus dessen Umfang von ca. 69 Zentimetern voll easy errechnen lässt.
Und wie “Bild” darauf kommt, dass der Ball “in den deutschen Nationalfarben schwarz-rot-gold gehalten” sei, ist uns angesichts des auch in “Bild” gezeigtenschwarz-weiß-goldenen Balls (laut Fifa von den “traditionellen Farben der deutschen Nationalmannschaft” und der “Farbe des FIFA WM-Pokals” inspiriert) schlicht schleierhaft.
Mit Dank an Magnus G. und Andreas R. für die Hinweise.
Nachtrag, 12.12.05:
In der Bild.de-Version des “Bild”-Artikels wurde mittlerweile nachgebessert. Dort heißt es nun:
“Der neue Ball hat einen Umfang von 69 Zentimetern, ist zwischen 441 und 444 Gramm schwer. Er ist in den Farben schwarz-weiß-gold gehalten (…).”
Für Fußballfans dürfte es etwas verwirrend sein, dass Bild.de heute schreibt:
Schließlich wäre es ganz und gar nicht bitter für Manchester United, wenn die “Reds” schon in der Vorrunde der Champions League ausgeschieden wären. Denn als “Reds” bezeichnet man gemeinhin den Liverpool FC. Manchester hingegen bezeichnen Leute, die sich mit Fußball auskennen, als “Red Devils”. Wegen des kleinen Teufels im Wappen.
P.S.: Der Liverpool FC, also die “Reds”, haben ihre Vorrundenspiele übrigens als Gruppensieger abgeschlossen.
Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Lukasz C.
Nachtrag, 10.12.05:
Nachträglich hat Bild.de die falsche Bezeichnung “Reds” in “ManU” korrigiert.
Nachtrag, 16.12.05:
Wir müssen uns leider korrigieren: Die offizielle Bezeichnung “Red Devils” wird offenbar gelegentlich doch zu “Reds” abgekürzt.
Laut Duden ist ein Trottel “jmd., der als einfältig, ungeschickt, willenlos angesehen wird, als jmd., der nicht bemerkt, was um ihn herum vorgeht”.
Womit wir uns die Überleitung zu Bild.de sparen können. Denn laut Bild.de ist ein Trottel ein Formel-1-Testfahrer, dessen Formel-1-Wagen sich wegen eines technischen Defekts (laut f1total.de “wegen einer gebrochenen Vorderradaufhängung”) nicht mehr manövrieren ließ. Dass allerdings der “Formel-1-Trottel Luca Badoer”, wie Bild.de gestern den Testfahrer nannte, nicht bemerkt haben sollte, was um ihn herum vorgeht, kann als unwahrscheinlich gelten. Laut f1total.com jedenfalls wurde er bei seinen Testfahrtcrashs “kräftig durchgeschüttelt”, blieb aber unverletzt. Und das Glück, dass “etw. Unangenehmes, Gefährliches an jmdm. [gerade noch] vorübergeht”, nennt der Duden Dusel.
Als Dussel hingegen bezeichnet der Duden… — ach was, auch diese Überleitung sparen wir uns lieber, nachdem “Bild” die angebliche Ungeschicklichkeit Badoers heute plötzlich als “mysteröse Crashserie” bezeichnet. Schließlich kennt der Duden auch für jemanden, der sich “aus Nützlichkeitserwägungen schnell u. bedenkenlos der Lage anpasst”, ein WortWort.
Mit Dank an Christian M. und Quirl für die Hinweise.
Ja, es stimmt tatsächlich, “Bild” hatte am vergangenen Dienstag exklusiv berichtet, dass der Fußballnationalspieler Kevin Kuranyi einen Werbevertrag mit der Softwarefirma Microsoft unterschrieben hat. Oder, in den Worten von “Bild”:
Im Text, dessen einzige Quellen offenbar die Vermarktungsfirma Sportfive und Kuranyi selbst sind, heißt es so schön:
Was für ein Jahr für Kevin Kuranyi. (…) und jetzt ist er auch noch der begehrteste deutsche Spieler. Sogar US-Milliardär Bill Gates will ihn! Der reichste Mann der Welt holt sich (…) die besten Spieler der Welt (…). Und aus Deutschland eben Kuranyi! Nicht Ballack, nicht Kahn — für Microsoft ist der Schalke-Stürmer der richtige Mann.
Und dann darf Sven Müller von der Vermarktungsfirma Sportfive, die laut “Bild” den Kontakt zwischen Microsoft und Kuranyi hergestellt hat, ausführlich zu Wort kommen, Kuranyi ein wenig lobhudeln und mit folgenden Worten schließen:
“Mit der Firma Rogon und Roger Wittmann hat er ein seriöses Team um sich.”
Nun ja, wir wissen zwar nicht, warum dieses PR-Gewäsch diese Information unbedingt in den Text musste, dafür aber, dass man über die Seriosität der Firma Rogon geteilter Meinung sein kann, wie sich heute beispielsweise im “Tagesspiegel” nachlesen lässt, und wie es gestern im “KölnerExpress” stand.
Aber das sei hier nur nebenbei erwähnt. Ebenso wie die Tatsache, dass es sich bei dem Deal zwischen Microsoft und Kuranyi laut “Bild” um einen “Millionen-Vertrag” handeln soll, während “Express” und “Tagesspiegel” bloß von 200.000 Euro bzw. 300.000 bis 400.000 Dollar Honorar ausgehen.
Der “Express” macht auch ansonsten einen recht gut informierten Eindruck und wusste gestern schon, dass Lukas Podolski ein ähnliches Angebot der Firma Microsoft erhalten hatte:
Für Gates´ Imperium Microsoft sollte Poldi während der WM unter anderem ein Internet-Tagebuch führen. Dafür hätte der 20-Jährige 300.000 Euro kassiert. Podolskis Berater sagte ab.
In demselben Artikel konnte man gestern auch nachlesen, dass zuvor bereits Oliver Kahn und Michael Ballack entsprechende Anfragen “abgeblockt” hatten. Womit wir wieder bei “Bild” wären. Die schreibt nämlich heute, zwei Tage nach der Jubel-Meldung über den Deal zwischen Kuranyi und Microsoft und einen Tag nach dem “Express”-Artikel dies:
Aha. Der Text endet mit folgenden Worten:
Da hatten die zuerst gefragten Kahn, Ballack und Podolski ein besseres Gespür. Und das Angebot gleich abgelehnt…
Fassen wir also zusammen: Erst verbreitet “Bild” eine PR-Meldung mit Begeisterung als Exklusiv-Geschichte und überlässt die Recherche anderen. Und wenn die dann herausfinden, dass es gar keinen Grund zur Begeisterung gibt, ist “Bild” enttäuscht. Vom eigenen Überschwang bleibt bloß der Satz: “BILD berichtete exklusiv” — und Häme.
P.S.: Die Nachrichtenagentur dpa gab übrigens am Dienstag unter Berufung auf “Bild” eine Meldung heraus, die die Überschrift trug: “Kuranyi deutsche Werbe-Lokomotive für Microsoft — Millionenvertrag”. Und heute berichtet die “Netzeitung” über den “Ärger um Kuranyis Microsoft-Vertrag”. Dabei geht sie fälschlich davon aus, dass es sich bei den Absagen von Kahn, Ballack und Podolski um “Bild”-Informationen handelt. Auch nicht schön.
Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Hendrik G.