Maaßen vs. “Kontraste”, Presse-Plattmacher Putin, Sportrechte

1. Anmerkungen der Kontraste-Redaktion zur Recherche über Hans-Georg Maaßen
(rbb-online.de)
In der “Kontraste”-Sendung vom 3. Juni sowie in einem Artikel auf tagesschau.de gibt es einen Bericht über den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Thüringer CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen. Im Vorfeld hatte die Redaktion Maaßen die Gelegenheit gegeben, sich zu den aufgeworfenen Fragen zu äußern. Statt einer Antwort kam ein Anwaltsschreiben im scharfen fordernden Ton und mit seltsamen Ausführungen zurück. Die “Kontraste”-Redaktion hat den Vorgang öffentlich gemacht und kommentiert: “Wir werden uns jedoch dem Druck von Politikern, die – wie im konkreten Fall – eben nicht mit uns reden, sondern uns per Anwalt unter Androhung von juristischen Schritten diktieren lassen wollen, was wir wann, wo und wie zu veröffentlichen haben, nicht beugen.”

2. Mitteldeutschen Medientage: Wie steht es um das Vertrauen in die Medien?
(ardmediathek.de, Peter Stawowy, Video: 3:25 Minuten)
Bei den diesjährigen Mitteldeutschen Medientagen ging es unter anderem um moderne politische Kommunikation, internationale Entwicklungen in der Medienwelt und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Peter Stawowy, Redakteur beim MDR-Medienportal 360G, berichtet von einigen weiteren dort diskutierten Themen: dem Vertrauen in die Medien, dem Umgang mit Hate-Speech und Haltung im Journalismus.

3. Putin macht die Presse platt
(faz.net, Friedrich Schmidt)
Vor zwei Tagen verlinkten wir in den “6 vor 9” einen “taz”-Beitrag, der sich mit dem Rückzug des unabhängigen russischen Onlineportals newsru.com beschäftigte. Wie die “FAZ” berichtet, geht der Kampf des Kremls gegen unabhängige Medien weiter. Das Onlinemagazin “VTimes” habe gestern erklärt, seine Arbeit einzustellen. Friedrich Schmidt schildert den Hintergrund: “Mitte Mai war VTimes auf die Liste ‘ausländischer Agenten’ des Justizministeriums gesetzt worden, mit der Putins Regime gegen missliebige Kräfte in der Zivilgesellschaft und in den Medien vorgeht. Dieser Schritt, der kurz zuvor schon das führende, aus dem lettischen Exil betriebene Newsportal Medusa getroffen hatte, war nun laut einer Erklärung der VTimes-Redaktion der Sargnagel für das Projekt.”

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4. Höhere Rechtekosten, niedrigeres Produktionsbudget?
(dwdl.de, Manuel Weis)
Sportrechte haben sich in den vergangenen Jahren massiv verteuert. Und dann gibt es, etwa bei der Übertragung von großen Fußballturnieren, ja noch die Produktionskosten für Personal, Reisen und technischen Aufwand. Das setze Fernsehanbieter unter Druck und erfordere cleveres Wirtschaften. Manuel Weis fragt sich, ob Reporter deshalb seltener im Stadion seien, und hat sich in der Branche erkundigt, was von dieser Annahme zu halten ist.

5. Wie es um die Datensicherheit bei deutschen Verlagen bestellt ist
(deutschlandfunk.de, Audio: 5:25 Minuten)
Im vergangenen halben Jahr wurden drei deutsche Medienhäuser von Cyber-Kriminellen attackiert: die Funke Mediengruppe, die Verlagsgesellschaft Madsack und Radio Energy Hamburg. Das wirft die Frage nach der Datensicherheit bei deutschen Verlagen auf. Der Deutschlandfunk hat sich bei Sicherheitsberatern umgehört, was die Schwachstellen sind und ob es sich um ein branchentypisches Problem handelt.

6. Noch ein letzter Blick auf den Tweet? Macht 2,40 Euro!
(spiegel.de)
Der Kurznachrichtendienst Twitter bietet in zwei Testländern ein Abo-Modell an: In Kanada und in Australien kann man sich für umgerechnet 2,40 Euro beziehungsweise 2,80 Euro im Monat den Zugang zu bestimmten Funktionen erkaufen. Dazu zählen das Setzen von Lesezeichen, ein Lesemodus für lange Texte und das sogenannte “Undo-Tweet”, mit dem sich Tweets nachbessern lassen. Das ist jedoch weit entfernt von der vielfach gewünschten Editiermöglichkeit, denn das “Undo” gelte nur für einen Zeitraum von maximal 30 Sekunden.

Relotius-Interview, Kein “Klima vor Acht”, Mutig in Minsk

1. Zweifel und Neugierde – über den Umgang mit einem Fälscher
(deutschlandfunk.de, Henning Hübert, Audio: 9:06 Minuten)
Der frühere “Spiegel”-Reporter Claas Relotius hat sich in einem 90 Fragen umfassenden Interview mit dem Magazin “Reportagen” erstmals zu seinen gefälschten Texten geäußert. Der Deutschlandfunk hat mit “Reportagen”-Chefredakteur Daniel Puntas Bernet über die Entstehungsgeschichte gesprochen. Im Text zum Deutschlandfunk-Beitrag gibt es darüber hinaus einige Einschätzungen Dritter (darunter auch die des “6-vor-9”-Kurators).
Weiterer Lesehinweis: Der Journalist Armin Wolf stellt in einem Blog-Beitrag eine bezeichnende Stelle des Relotius-Interviews heraus: “Irgendwo in dem Interview schildert er eine rührende Episode, wie er auf einer Dienstreise ins irakische Kriegsgebiet 4.500 Euro von seinem Spesenkonto einer Flüchtlingsfamilie schenken wollte, die dann aber nie am vereinbarten Treffpunkt eingetroffen sei. Die Anekdote endet mit dem Satz: ‘Es kann auch sein, dass alles ganz anders war und ich mir Teile davon nur eingebildet habe.’ Ja, so könnte es auch sein.”

2. Mehr Klimathemen? Noch keine Einigung zwischen ARD und Klima vor Acht
(rnd.de)
Die Initiative “Klima vor Acht” hat sich mit ARD-Verantwortlichen getroffen, um für eine Klimasendung vor der “Tagesschau” zu werben. Das Gespräch sei “in guter, konstruktiver Atmosphäre” verlaufen, wenn es auch keine Einigung gegeben habe. In diesem Zusammenhang eine vielsagende Aussage des ZDF-Intendanten Thomas Bellut auf den Medientagen Mitteldeutschland: “Ich würde es nicht machen. Klima ist wichtig, aber danach kommt das nächste Thema. Themen ändern sich ständig. Ich finde es falsch, so etwas vorzugeben, denn damit macht man Politik. Ist das unsere Aufgabe? Nein.” “Klima vor acht” kommentiert das mit einem knappen “Wer sagt’s ihm?”

3. Mutig in Minsk – wenn die Polizei das TV-Studio stürmt
(youtube.com, Zapp – Das Medienmagazin, Video: 17:02 Minuten)
(Achtung: Trigger-Warnung! Im verlinkten Video sind Gewaltszenen zu sehen.) Für Alexander Lukaschenko, das Staatsoberhaupt von Belarus, scheinen unabhängige Medien Staatsfeind Nummer eins zu sein. Jeder Mensch mit einer Kamera in der Hand riskiere eine Festnahme. Seit August 2020 seien mehr als 400 Journalisten und Journalistinnen festgenommen worden. Das neueste, prominente Opfer ist der regierungskritische Blogger Roman Protasevich, den Lukaschenko über den Umweg einer Flugzeugentführung festnehmen ließ. Roman Schell berichtet seit mehr als zehn Jahren aus Osteuropa. Für “Zapp” hat er die jüngsten Ereignisse zusammengefasst.
Weiterer Lesetipp: Die Deutsche Welle meldet, dass ihr Korrespondent Alexander Burakow nach 20 Tagen aus dem Untersuchungsgefängnis entlassen wurde. Es muss eine furchtbare Zeit für Burakow gewesen sein: “Sie haben mich jede Nacht zweimal geweckt, mich aus der Zelle geholt und mir befohlen, mich komplett auszuziehen, auch die Unterwäsche”. Außerdem habe man ihm in seiner Haftzeit Bettlaken, Decke und Kissen verwehrt (dw.com, Irina Filatova).

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4. “Man muss sich als Journalist vor zu viel Nähe hüten”
(fachjournalist.de, Florian Beißwanger)
Der “Fachjournalist” hat sich mit Michael Schlieben unterhalten, der als politischer Korrespondent bei “Zeit Online” tätig ist. In dem Gespräch geht es unter anderem um Schliebens Arbeitsalltag, den bevorstehenden Bundestagswahlkampf und die Frage, warum Politikjournalismus in Deutschland vergleichsweise höflich ist. Die Tendenz der Politik, eigene Newsrooms einzurichten, sieht Schlieben mit gemischten Gefühlen: “Wenn die Ministerien und Parteien ihre Kommunikation nicht professionalisieren würden, wäre es nicht zeitgemäß. Trotzdem nervt es natürlich manchmal, wenn die Pressestellen darauf verweisen, dass ihr Chef vom Dienst heute Morgen schon um neun Uhr eine Pressemitteilung herausgegeben hat und der Minister für ein Statement leider nicht zur Verfügung steht – oder nur für den eigenen Hauskanal.”

5. Achtzig Millionen für ostdeutsches Programm
(faz.net, Anna Schiller)
Wenn es nach dem Willen von Linkspartei und MDR-Rundfunkrätin Nicole Anger geht, sollen künftig ein Prozent der Beitragseinnahmen, rund 80 Millionen Euro jährlich, an ostdeutsche Programmangebote von NDR, RBB und MDR fließen. Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in dem Vorstoß einen “ernst zu nehmenden Diskussionsansatz” und fordert: ARD braucht Ost-Talkshow (djv.de, Hendrik Zörner).

6. Lesen, was sonst nur der Verfassungsschutz liest
(uebermedien.de, Klaus Ungerer)
Klaus Ungerer ist Leser der vom Verfassungsschutz beobachteten “jungen Welt” geworden. Er schildert es ironisch als eine Mutprobe der besonderen Art: “Damit das Ganze noch etwas verschwörerischer wird, abonniere ich nicht direkt beim Blatt, sondern gehe täglich zu einem der verbliebenen Zeitschriftenläden – und kaufe das Ding. Anonym. An der Kasse. Das wird den Schlapphüten zu denken geben! Wer ist der Typ, was führt er im Schilde, läuft da eine ganz große Sache, sollten wir rasch mehr Mittel beantragen?”

7. Clubhouse-Tipp: Die Writers Pub diskutiert über das “Bild”-Buch “Ohne Rücksicht und Verluste”.
(turi2.de, Tatjana Kerschbaumer)
Zuletzt ein siebter Link, da in eigener Sache: Heute Abend diskutiert das “Writers Pub” der “Reporterfabrik” über das “Bild”-Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste” meiner BILDblog-Kollegen Moritz Tschermak und Mats Schönauer. Neben Moritz unter anderem auf dem virtuellen Podium: “Reporterfabrik”-Gründer Cordt Schnibben, der Politiker Kevin Kühnert und die TV-Moderatorin Aline von Drateln. Um 18:30 Uhr geht es auf Clubhouse los, ihr seid alle herzlich eingeladen.

Von Osaka lernen, “Freundeskreise”, Falsch verstandene Neutralität?

1. Profitennis in den Medien: Was wir von Naomi Osaka lernen können
(ndr.de, Fritz Lüders)
Die japanische Profi-Tennisspielerin Naomi Osaka (derzeit auf Weltranglisten-Platz 2) hat die French Open abgebrochen. Die Turnierleitung hatte ihr Gespräche mit Medien abverlangt. Dazu habe sie sich jedoch aufgrund von Depressionen außerstande gesehen. Fritz Lüders kommentiert: “Der Vorwurf von Osaka, dass Fragen häufig redundant sind oder auf persönliche und sensible Themen abzielen, ist jedenfalls kaum zu entkräften. Müssen Misserfolge den Betroffenen unter die Nase gerieben werden, wenn es für die Berichterstattung eigentlich unnötig ist? Sollten ehemalige Leader der Weltrangliste jahrelang gefragt werden, wann sie endlich wieder richtig performen? Und sollte man die Erwartungen einer ganzen Nation ungefiltert an Einzelsportler weitergeben?”
In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant ist der Beitrag “Über Scheißfragen” auf fussballlinguistik.de. Antje Wilton schreibt dort über den Interview-Unmut des Fußballers Jonas Hector nach einem verlorenen Spiel und kritisiert vor allem den Interviewer: “Das ‘Dumme’ an solchen Fragen in den Spielerinterviews kann man also mit einer detaillierten Analyse noch etwas genauer bestimmen. Und man erkennt die Macht der Frage: scheinbar harmlos, kann sie den Befragten in eine unangenehme Situation bringen. Der Reporter wollte Emotion und hat sie bekommen – allerdings nicht als Frust über eine Niederlage, sondern über sein Frageverhalten.”
(Hinweis: Solltest Du unter Depressionen leiden, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222) erreichen kannst.)

2. Himmler, Hassel und die politischen “Freundeskreise”
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 6:53 Minuten)
ZDF-Intendant Thomas Bellut will sich nicht für eine dritte Amtszeit bewerben, sondern im März 2022 aus dem Amt scheiden. Das wirft die Frage nach einem möglichen Nachfolger oder einer Nachfolgerin auf. Die Intendantenwahl könne schon bei der nächsten Sitzung des ZDF-Fernsehrates im Juli stattfinden. Das Ganze sei auch eine politische Entscheidung, so sei von einem “roten Freundeskreis” und einem “schwarzen Freundeskreis” die Rede.

3. Die falsch verstandene Neutralität der Tagesschau
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die “Tagesschau” hat in einem Bericht ein Bild des nächtlichen Marburg verwendet, bei dem man – bei genauem Hinsehen – ein AfD-kritisches Graffiti entdecken konnte. Nachdem die “Tagesschau” davon erfahren hatte, tauschte die Redaktion das Hintergrundbild in der Webversion aus und zeichnete den Beitrag neu auf. Markus Reuter hält das Vorgehen der Redaktion für falsch: “Man kann nicht die vermeintliche Objektivität seines Journalismus wie eine Monstranz vor sich hertragen, aber dann Bilder rausnehmen oder retuschieren. Es zeugt auch von Angst gegenüber der Meinungsmacht der rechtsradikalen und rechtspopulistischen Szene, wenn man in Antizipation eines möglichen Shitstorms vorauseilend deren Willen exekutiert.”

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4. Wenn Haltung den Staat gefährdet
(verdi.de, Johannes Schillo)
Der Sozialwissenschaftler und Journalist Johannes Schillo kritisiert die Beobachtung der “jungen Welt” durch den Verfassungsschutz: “Die Zulassungsbedingungen zum öffentlichen Diskurs werden neu geregelt – und das zu einem Zeitpunkt, wo Deutschland lautstark die Unterdrückung der Pressefreiheit in anderen Ländern wie China, Russland oder Ungarn anprangert. Bleibt die Frage, was man als Aufklärung über gesellschaftliche Sachverhalte heute noch sagen darf, ohne ins extremistische Fahrwasser und damit ins Visier des hochgerüsteten deutschen Sicherheitsapparates zu gelangen.”

5. ZDF-Digital-Chef Michael Kollatschny: “Mainz und Berlin first”
(dwdl.de, Alexander Krei)
“DWDL” hat sich mit Michael Kollatschny unterhalten, der seit Jahresbeginn die Geschäfte von ZDF Digital führt. Mehr als 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich dort nicht nur um TV-Projekte, sondern auch um Software- und App-Entwicklung sowie um Themenfelder wie Virtual Reality, Künstliche Intelligenz oder Machine Learning. Nicht leicht, dabei den Überblick zu behalten, wie Kollatschny selbst zugeben muss: “Als ich im vergangenen Jahr meine Ansprechpartner*innen im Haus kennenlernte, habe ich selbst nicht gleich komplett überschauen können, was bei der ZDF Digital angedockt ist.”

6. Freie Presse verschwindet
(taz.de, Barbara Oertel)
Unabhängige Medien haben es in Russland ausgesprochen schwer. Mit newsru.com zieht sich nun ein weiteres alternatives Informationsmedium zurück. Die Gründe dafür seien ökonomische Schwierigkeiten, die jedoch von der politischen Situation im Lande verursacht worden seien, schreibt Barbara Oertel unter Hinweis auf das Abschiedsschreiben der newsru.com-Redaktion auf deren Website.

Gruner + Jahr schrumpft, Elend der Medien, Medien der Impfskeptiker

1. G+J verkauft Prisma Media an Vivendi
(meedia.de)
Gestern hatten wir an dieser Stelle Wolfgang Michals Analyse zum Niedergang des Gruner-+-Jahr-Verlags empfohlen, der einstmals als Europas größter Zeitschriftenverlag galt. Michal hatte darin einen Blick in die Zukunft geworfen: “Wird demnächst auch das Frankreich-Geschäft verscherbelt, ist Gruner + Jahr vollständig auf den deutschen Markt zurückgeworfen. Dann droht im Herbst der Todesstoß. Die RTL-Group, der umsatzstarke Fernsehboulevard-Riese, könnte den angeschlagenen Verlag übernehmen, inhaltlich ausschlachten und schließlich liquidieren.” Einen Tag später wird nun bekannt, dass sich Gruner + Jahr tatsächlich von seiner französischen Magazinsparte trennt. Es bleibt abzuwarten, ob Michal auch mit seinen weiteren Befürchtungen Recht behält, was die Übernahme Gruner + Jahrs durch die RTL-Group anbelangt.

2. Auf Kosten der Qual
(sueddeutsche.de, Nicolas Freund)
Der Bewegtbild-Markt ist ein Wachstumsmarkt, der jedoch nicht unproblematisch ist: Die Streamingdienste machen einander heftig Konkurrenz, das Kinogeschäft ist coronabedingt geschwächt, und die Zuschauer würden wieder vermehrt auf illegale Plattformen ausweichen. Nicolas Freund stellt dazu fest: “Die Anbieter saugen sich gegenseitig aus, die illegal streamenden Zuschauer betrügen sich selbst um ihre künftigen Inhalte, die wegen der Einnahme-Ausfälle nicht produziert werden können, und die Filmschaffenden stehen schon jetzt zwischen den Fronten”.

3. Ermuntern oder entmutigen? Die Medienkanäle der Impfskeptiker
(de.ejo-online.eu, Joachim Trebbe)
An einer britischen Universität hat man untersucht, welche Rolle Medien bei der Verbreitung von Impfskepsis und Impfbereitschaft spielen. Joachim Trebbe fasst die Ergebnisse zusammen: “Impfbereitschaft ‘erzeugt’ man nicht mal eben über ein paar Werbespots, Plakate oder Anzeigen mit aufgerollten Hemdsärmeln.”

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4. “Das Elend der Medien” ist da
(medienblog.hypotheses.org, Michael Meyen)
Für ihr Buch “Das Elend der Medien” haben Alexis Mirbach und Michael Meyen mit 40 Menschen aus dem Medienumfeld gesprochen – ob Medienpraktikerinnen, Medienpolitiker, professionelle Medienbeobachterinnen oder Laien. “Wie unser Vorbild Bourdieu (1997) haben wir diese Sammlung zwischen zwei Buchdeckel gepackt und veröffentlichen hier das Fazit, um Lust zu machen auf den großen Rest.”

5. Die “NZZ” stockt in Deutschland personell auf
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die “NZZ” investiert in ihr Deutschland-Geschäft und stockt ihr Personal auf. Timo Niemeier schreibt bei “DWDL” über die Neuzugänge: “[Hannah] Bethke kommt von der ‘FAZ’, wo sie seit 2018 als Berlin-Korrespondentin für das Feuilleton arbeitet. [Oliver] Maksan ist seit 2016 Chefredakteur der katholischen Wochenzeitung ‘Die Tagespost’. Von 2012 bis 2016 berichtete er als Nahost-Korrespondent aus Israel unter anderem für ‘Die Tagespost’, ACN International und ‘Cicero’. Fatina Keilani ist seit mehr zwanzig Jahren Redakteurin für Justiz- und Rechtspolitik-Themen beim ‘Tagesspiegel’. Und [Kalina] Oroschakoff kommt von ‘Politico Europe’ aus Brüssel, das sie mitgegründet hat.”

6. Grande Dame der Lottozahlen: Karin Tietze-Ludwig wird 80
(rnd.de)
Karin Tietze-Ludwig startete ihre Fernsehkarriere, als das Bild noch in Schwarz-Weiß flimmerte und es nur drei Kanäle gab. Über Jahrzehnte hinweg war sie die “Lottofee”, die die Ziehung der Lottozahlen moderierte. Gestern ist Tietze-Ludwig 80 Jahre alt geworden.

7. Buchtipp: Geistige Brandstifter
(verdi.de, Tilman Gangloff)
In eigener Sache und deshalb als zusätzlicher Link: Der Medienjournalist Tilman Gangloff hat das Buch meiner BILDblog-Kollegen gelesen: “‘Der Aufmacher’ von Günter Wallraff, 1977 erschienen, war viele Jahre lang eines der wichtigsten deutschen Journalismus-Bücher. Schonungslos hatte der Undercover-Autor die menschenverachtenden Machenschaften der ‘Bild’-Zeitung aufgedeckt. 44 Jahre später weist das Autorenduo in seinem Buch ‘Ohne Rücksicht auf Verluste’ auf 270 gleichermaßen fesselnden wie erschreckenden Seiten nach, dass sich an den von Wallraff angeprangerten fragwürdigen Methoden nichts geändert hat.”
Dazu noch ein Hinweis von uns: Weil wir wissen, dass sich nicht alle das Buch leisten können, haben wir den BILDblog-Lesefonds eingerichtet, über den wir eine gewisse Anzahl von Büchern unentgeltlich abgeben. Einfach dort eintragen, wenn ihr derzeit knapp bei Kasse seid, und wir schauen, was sich machen lässt.

BILDblog-Lesefonds

Wir haben unser Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste” geschrieben, weil wir – wie schon immer mit dem BILDblog – möglichst vielen Leuten zeigen wollen, wie “Bild” arbeitet, damit sie diese Zeitung (wenn überhaupt) differenziert und mit einer angemessenen Portion Skepsis lesen können. Nun wissen wir allerdings auch, dass die 18 Euro, die das Buch kostet, für viele nicht einfach so locker sitzen.

Deswegen haben wir den BILDblog-Lesefonds gestartet: Allen, die das Buch gerne lesen (oder der “Bild”-lesenden Verwandtschaft geben) wollen, es sich momentan aber nicht leisten können, wollen wir ein Exemplar schenken.

Unser Budget ist natürlich begrenzt, das heißt, wir können nur eine bestimmte Anzahl von Exemplaren verschenken. Wir warten jetzt eine Weile ab und schauen, wie viele Leute das Formular weiter unten ausfüllen. Sollten es mehr sein, als wir Exemplare haben, werden wir die Bücher unter allen, die sich gemeldet haben, verlosen. Daher noch eine Bitte: Nutzt dieses Angebot bitte nicht aus, wenn ihr euch das Buch eigentlich leisten könntet, und lasst die Exemplare für die, an die wir bei dieser Aktion gedacht haben. Danke!

Nachtrag: Uns freut sehr, dass es mehrere Anfragen gab, ob und wie man die Aktion finanziell unterstützen kann, sozusagen als Lesepate. Der einfachste Weg dürfte sein, wenn ihr mal hier schaut. Da gibt es alle Infos, wie man das BILDblog allgemein finanziell unterstützen kann. Solltet ihr eine normale Banküberweisung wählen, dann schreibt in den Verwendungszweck einfach “Buch”. Solltet ihr Paypal oder Steady nutzen wollen, dann schickt uns am besten noch eine kurze Mail, von der E-Mail-Adresse, mit der ihr bei Paypal/Steady angemeldet seid, an [email protected] hinterher. Dann können wir eure Unterstützung dem Lesefonds zuordnen. Vielen lieben Dank!

Die Aktion ist inzwischen beendet.

Bild  

Eine Woche, wie “Bild” sie liebt

Die aktuelle Ausgabe eines internen Newsletters an “Bild”-Mitarbeiter (“Die Woche bei BILD”), den Julian Reichelt und Alexandra Würzbach aus der “Bild”-Chefredaktion seit Kurzem regelmäßig verschicken, beginnt so:

Liebe Kollegen und Kolleginnen, dear all,

und weiter geht’s mit “Die Woche bei BILD”. Und wie immer, war auch die bunt und aufregend, spannend und emotional – so, wie wir es kennen und (meistens) lieben. Ob Seilbahn-Unglück oder Lukaschenko-Flieger, Killer-Zahnarzt, DHL-Erpresser, Herz für Kinder, ESC, Werder Bremen und viele, viele andere Geschichten, die toll aufgeschrieben, super fotografiert/gefilmt und bebildert, schön layoutet, top konvertiert und überragend geklickt waren. Danke für die hervorragende Teamleistung in der ganzen Republik!

Wenn ein Mann drei Menschen erschossen haben soll, und “Bild” mit dem “Killer-Zahnarzt” auf Klickjagd gehen kann; wenn der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko eine Passagiermaschine abfangen, anschließend einen sich im Flugzeug befindlichen Regimekritiker und dessen Freundin festnehmen lässt, und das alles bei Bild.de so richtig “top konvertiert”; wenn in Italien eine Seilbahn abstürzt, 14 Menschen dabei sterben, und die “Bild”-Redaktion endlich mal wieder unverpixelte Fotos von Verstorbenen und Überlebenden zeigen kann, darunter auch ein zwei- und ein fünfjähriges Kind:

Ausriss Bild-Zeitung - Er ist der einzige Überlebende des Seilbahn-Horrors vom Lago Maggiore - E. (5) weiß noch nicht, dass seine Familie tot ist

… dann ist das so eine Woche, wie Reichelt, Würzbach und “Bild” sie “(meistens) lieben”.

Na, dann: Glückwunsch!

Gruner + Jahrs Niedergang, Sat.1 und die Reality-Falle, “Verlagstrojaner”

1. Gruner + Jahr – das bittere Ende der Story
(freitag.de, Wolfgang Michal)
Gruner + Jahr war einst ein bedeutendes Verlagshaus und Europas größter Zeitschriftenverlag. Fast 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter produzierten über 100 Zeitschriften und Zeitungen, darunter Magazine wie “Stern”, “Geo”, “Brigitte”, “Capital” und “Schöner Wohnen” sowie Tageszeitungen wie “Financial Times Deutschland” und “Berliner Zeitung”. Doch irgendwann setzte der Niedergang ein: “Wird demnächst auch das Frankreich-Geschäft verscherbelt, ist Gruner + Jahr vollständig auf den deutschen Markt zurückgeworfen. Dann droht im Herbst der Todesstoß. Die RTL-Group, der umsatzstarke Fernsehboulevard-Riese, könnte den angeschlagenen Verlag übernehmen, inhaltlich ausschlachten und schließlich liquidieren.” Wolfgang Michal macht sich auf die Suche nach der Antwort auf die Frage, wie es zu diesem beispiellosen Absturz kommen konnte.

2. Schwarm-Recherche – der Bürger als Informant
(fachjournalist.de, Gunter Becker)
In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland verschiedene Recherchen, die ohne Schwarmintelligenz und die Beteiligung von Bürgern und Bürgerinnen so nicht möglich gewesen wären. Gunter Becker berichtet von zwei besonders eindrucksvollen Beispielen: dem Projekt “Wem gehört Lüneburg” der “Lüneburger Zeitung” sowie dem Projekt “Radmesser” des Berliner “Tagesspiegels”. “Die beiden Fallbeispiele zeigen, wie aufwendig und komplex, aber auch, wie journalistisch ergiebig und wie publikumswirksam solche Kollaborationen zwischen Redaktion und Publikum sein können.”

3. Die Reality-Falle: Was hat dich bloß so ruiniert, Sat.1?
(dwdl.de. Peer Schader)
Der Privatsender Sat.1 hat bei seinen Trash-TV- und Reality-Formaten zum wiederholten Male danebengelangt. Im April war es der Homophobie-Eklat bei “Promis unter Palmen”, im Mai die Produktion “Plötzlich arm, plötzlich reich”. Beide Serien beziehungsweise Staffeln sind mittlerweile abgesetzt. In seiner lesenswerten Analyse kommentiert Peer Schader: “37 Jahre nach seiner Gründung wirkt der Kanal, der einst die Ära des Privatfernsehens in Deutschland begründete, vor allem: kaputtversucht. Die vor einigen Jahren getroffene Entscheidung, mit dem einstigen Familiensender in Richtung Reality abzubiegen, hat diesen Verfall massiv beschleunigt. Mag sein, dass sich so kurzfristig wieder Quoten erzielen ließen, die längst Vergangenheit schienen. Nachhaltig war das – bis auf wenige Ausnahmen – jedoch nicht.”

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4. Tracking: Deutsche Forschungsgemeinschaft warnt vor “Verlagstrojanern”
(heise.de, Stefan Krempl)
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft beklagt den Umgang der dominierenden Wissenschaftsverlage mit deren Kundinnen und Kunden. Die Branchenriesen Elsevier und Springer würden durch Aggregation, den Weiterverkauf von Daten und den Einsatz von Spyware zu Datenkraken mutieren. Stefan Krempl erklärt, worum es dabei im Einzelnen geht.

5. Der ganz normale Hass bei Facebook
(blog.clickomania.ch, Matthias Schüssler)
Matthias Schüssler kritisiert die Redaktion der “NZZ”. Diese habe einen seiner Meinung nach differenzierten Beitrag über die “Klimajugend” reißerisch auf Facebook beworben und einen darauf folgenden Hasskommentar zu spät und intransparent gelöscht: “Ich finde es nicht gut, dass in so einem Fall der ganze Ast des Threads verschwindet, ohne dass für die Beteiligten der Grund dafür ersichtlich ist. Ich fände es besser, wenn mit Hinweis auf den Verstoss gegen die Netiquette der Inhalt geschwärzt würde, die Diskussion um den Kommentar aber ersichtlich bliebe – das hätte auch eine erzieherische Wirkung.”

6. Mehr Realität wagen
(taz.de, Anne Haeming)
Die Fernsehreihe “Polizeiruf 110” wurde ursprünglich vom DDR-Fernsehen als Gegenstück zum westdeutschen “Tatort” produziert. Seit vielen Jahren wird die beliebte Sendung von der ARD fortgesetzt und feiert dieses Jahr ihren 50. Geburtstag. In der “taz” kommentiert Anne Haeming: “Der ‘Polizeiruf’ hat das Potenzial, ein weiterer Baustein zu sein, die mediale Teilung zu überwinden, in der dieses Land immer noch festhängt. Auch weil es vielen Westdeutschen zu lange zu wurscht war, mehr zu erfahren.”

7. “Nennt mir einen beliebigen Ort, eine Person und eine Farbe”
(twitter.com, Lorenz Meyer)
Und noch ein zusätzlicher Link, da aus der Feder des “6-vor-9”-Kurators. Für eine Persiflage von Reportage-Anfängen habe ich auf Twitter um Einsendungen gebeten: “Nennt mir einen beliebigen #Ort, eine #Person und eine #Farbe, und ich schreibe Euch einen szenischen Einstieg für eine Reportage, mit der Ihr Journalismus-Preise abräumen könnt.” Die Vorschläge und Antworten darauf können in dem Thread nachgelesen werden. In diesem Zusammenhang noch einmal ein Dank an alle, die sich dort eingebracht und die notwendige Inspiration geliefert haben.

KW 21: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Auf die Ohren: Milliardenmarkt Podcasts
(swr.de, Tobias Frey, Audio: 27:42 Minuten)
Im SWR2-Wirtschaftsmagazin geht es um den “Milliardenmarkt Podcasts”: Wie sehen die Podcastoffensiven von Apple und Spotify aus? Wie entsteht der aktuell erfolgreichste deutsche Podcast – das “Coronavirus-Update” von NDR Info? Was gibt es über das Phänomen Joe Rogan zu sagen? Und wer hört das denn alles überhaupt? Unter anderem zu diesen Themen hat sich Tobias Frey Experten und Expertinnen herangeholt.
Dazu noch der folgende Lesetipp aus 2020: Weiche Kante: “Joe Rogan ist der wohl berühmteste US-Entertainer, den in Europa kaum jemand kennt: Seinem Podcast lauschen zig Millionen Amerikaner, jetzt auf Spotify. Wer ist der Typ?” (zeit.de, Jörg Wimasalena)

2. Das Gespräch – Gast: Henning Lobin
(ndr.de, Ulrich Kühn, Audio: 26:43 Minuten)
Henning Lobin ist Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim und Autor des Buchs “Sprachkampf”. Im Gespräch mit NDR Kultur erzählt er, “mit welchen Mitteln dieser Kampf ausgetragen wird, erklärt, weshalb die Schönheit der Sprache – und ihre angebliche ‘Verschandelung’ – oft mit Metaphern aus der Biologie umschrieben wird, und plädiert mit Nachdruck dafür, Menschen nicht auf politisch-gesellschaftliche Einstellungen festzulegen, nur weil sie für oder gegen das Gendersternchen sind”.

3. “Kulturzeit” vom 28.05.2021
(3sat.de, Lillian Moschen & Laura Beck, Video: 36:32 Minuten)
Anlässlich des 500. Hefts des Satiremagazins “Titanic” hat die 3Sat-“Kulturzeit” die “Titanic”-Redaktion in Frankfurt am Main besucht und persönlich gratuliert (ab Minute 26:57). Weitere Themen der Sendung: Leipziger Buchpreis an Iris Hanika, Comicbuchtipps, Moby im Interview und ein Nachruf auf den Kinderbuchautor Eric Carle.

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4. Wie Innovation den Journalismus stärken kann
(mdr.de, Christopher Buschow, Video: 28:20 Minuten)
Christopher Buschow ist Juniorprofessor für Organisation und vernetzte Medien an der Universität Weimar und einer der Autoren eines Gutachtens über Innovationsförderung im Journalismus (PDF). Am 18. Mai hielt Buschow einen halbstündigen Impulsvortrag über Innovationsförderung in deutschen Medienunternehmen, den es beim MDR zum Nachschauen gibt.

5. Scheitern – aber bitte mit Anlauf!
(druckausgleich.podigee.io, Annkathrin Weis & Luca Schmitt-Walz, Audio: 38:19 Minuten)
In der aktuellen Ausgabe von “Druckausgleich”, dem Podcast mit und für junge(n) Medienschaffende(n) geht es um das Scheitern: “Wie gerne würden wir manchmal unsere Lebensläufe begradigen. Die Misserfolge sollen gar nicht erst erwähnt werden. Aber warum eigentlich? Kritik, Redigaturen und Feedback können Wachstumsschmerz sein, ein Zeichen für Weiterentwicklung. Bei einem echten Misserfolg sieht das schon anders aus. Dass Scheitern schmerzhaft, aber nicht endgültig sein kann – und manchmal nicht mal auf die eigene Leistung zurückzuführen ist – erörtern wir gemeinsam mit unseren Gäst:innen.”

6. Wie macht man einen Eurovision Song Contest in Corona-Zeiten?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 24:35 Minuten)
Der ehemalige BILDblog-Chef Lukas Heinser ist seit 2013 als redaktionelle Unterstützung Teil der deutschen Delegation beim Eurovision Song Contest. Holger Klein hat Heinser direkt am Austragungsort in Rotterdam erreicht und zu dessen Eindrücken befragt: “Er erzählt, welche verschiedenen Pläne die Veranstalter hatten, um trotz Corona in jedem Fall eine Sendung auf die Beine stellen zu können, warum die Vorsichtsmaßnahmen bedeuten, dass er fast nichts von der Stadt sieht, und wie es sich anfühlt, plötzlich wieder in einer Halle mit mehreren Tausend Leuten im Publikum zu sein.”

Eigentum verharmlost

“Das Grundeigentum” ist laut Eigenbeschreibung eine “Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft”, also etwas vereinfacht ausgedrückt: eine Publikation für Vermieterinnen und Vermieter, vor allem für jene aus Berlin. Damit gehört sie inhaltlich nicht unbedingt zu den Medien, über die wir hier im BILDblog schreiben. Mit etwas mehr als 6.000 gedruckten Exemplaren pro Ausgabe (PDF) ist “Das Grundeigentum” auch nicht gerade das reichweitenstärkste Blatt Deutschlands. Doch wenn in der aktuellen Ausgabe ein Text veröffentlicht wird, der einen nur fassungslos zurücklassen kann, ist das auch ein Thema für uns.

Herausgeber Dieter Blümmel schreibt in seinem Kommentar “Vom Rechtsstaat zum Maßnahmenstaat” gleich über mehrere Themen: Er kritisiert die Entscheidung der Bundesregierung, die Vermieter zur Hälfte an den entstehenden CO2-Kosten zu beteiligen, den Beschluss des Bundestages, dass Vermieter künftig die TV-Kabelkosten nicht mehr einfach so auf die Mieter umlegen dürfen, das Baulandmobilisierungsgesetz, das es erschwert, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, den inzwischen gekippten Berliner Mietendeckel, der den Vermietern Höchstgrenzen bei der Miete vorgab, sowie allgemein die Corona-Maßnehmen von Bund und Ländern. So weit, so vorhersehbar.

Aus seinen Beobachtungen folgert Blümmel:

Wir schlittern in ein politisches System hinein, das erschreckende Ähnlichkeiten mit dem von Ernst Fraenkel beschriebenen “Doppelstaat” aufweist. Fraenkel unterscheidet in seiner 1940/41 erschienenen Arbeit den an Normen gebunden Rechtsstaat, dessen Handeln sich an Gesetzen orientiert, vom Maßnahmenstaat, der sich an politischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen ausrichtet.

Ernst Fraenkel schrieb in “Der Doppelstaat” über den NS-Staat. In seiner Studie geht es vor allem auch um die (fehlenden) Rechte von Juden und deren Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Dieter Blümmel überträgt Fraenkels Analyse auf die heutige Lage der Vermieterinnen und Vermieter in Deutschland. Er sieht sie in einer ganz ähnlichen Situation wie Juden während des Nationalsozialismus:

Das Privateigentum [im NS-Staat] war geschützt – aber nicht das der Juden. Auch in der Bundesrepublik scheint das Privateigentum geschützt – aber nicht jedermanns.

Es ist eine beschämende Relativierung.

Gesehen bei @RonenSteinke.

Leichenfledder-Portal “Mannheim24”, Zahnloser Tiger, Kreischsäge Klum

1. “Wir staunen bis heute”: Das Portal “Mannheim24” und die Klicks mit Jan Hahns Tod
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Dem Portal “Mannheim24” ist offenbar jedes Mittel Recht, an Klicks und Reichweite zu kommen, und beutet dazu auf – man muss es leider so sagen – scheinheilige und verabscheuungswürdige Weise den Tod eines TV-Moderators aus. Boris Rosenkranz ist der Sache für “Übermedien” nachgegangen und hat sich an den verantwortlichen Geschäftsführer gewandt. Und der hat Rosenkranz sogar partiell Recht gegeben: “Sie haben in der Grundrichtung ihrer Vorhaltung recht: In der Gesamtbetrachtung mutet es in der Tat seltsam an, dass wir den Vorwurf erheben, dass Instagramer:innen den Tod von Jan Hahn für Reichweite ausnutzen, und wir ebenfalls mit der Berichterstattung Reichweite erzielen.”

2. “Die Medienaufsicht ist ein zahnloser Tiger”
(deutschlandfunkkultur.de, Stephan Karkowsky, Audio: 8:20 Minuten)
Der Partyschlager-Sänger Ikke Hüftgold aka Matthias Distel erhob vor einigen Tagen schwere Vorwürfe gegen den Fernsehsender Sat.1 und die Produktionsfirma Imago TV. Es ging dabei um das Ausnutzen der Not von psychisch vorbelasteten Kindern aus einer prekär lebenden Familie für ein “Frauentausch”-ähnliches TV-Format. Bei Deutschlandfunk Kultur kommentiert Medienwissenschaftler Bernd Gäbler den Vorgang. Gäbler weiß, wovon er spricht: Er ist der Autor der Studie “Armutszeugnis. Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt”.
Weiterer Lesehinweis: Der Streit zwischen dem Partyschlager-Sänger und der Produktionsfirma geht weiter. Distel habe seine Ankündigung wahr gemacht und Strafanzeige gegen Sat.1 und Imago TV gestellt. Die Produktionsfirma gehe ihrerseits mit einer Unterlassungsaufforderung gegen den Entertainer vor: Imago verlangt Unterlassung von Distel, der erstattet Anzeige (dwdl.de, Timo Niemeier).

3. Facebook News in Deutschland, Kampagne gegen Biontech, Wie Influencer Geld verdienen, Aufmerksamkeitsmaschine TikTok
(socialmediawatchblog.de, Simon Hurtz)
Im “Social Media Watchblog” analysiert Simon Hurtz den Facebook-News-Deal vieler deutscher Verlage: Warum machen fast alle großen Verlage mit? Was bezweckt Facebook mit seinem News-Angebot? Warum sollten Verlage vorsichtig sein? Und welche Rolle spielt der Axel-Springer-Konzern? Hurtz bricht das weite Themenfeld im bewährten Analysestil auf die wesentlichen Fakten herunter und endet mit einer überraschenden Schlussbemerkung.

Bildblog unterstuetzen

4. ARD führt “Sprüche vor acht” am Vorabend ein
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Die ARD führt ein neues Format ein: Immer Freitags gegen 19:45 Uhr sollen in der Mini-Sendung “Sprüche vor acht” Redensarten erklärt werden. Die Initiative “Klima vor Acht” hatte lange Zeit (und bislang erfolglos) mit der ARD um ein paar Sendeminuten für Klimaberichterstattung gerungen und ist nun wenig begeistert: “Kein Witz: Das Erste führt nun ‘Sprüche vor acht’ zur besten Sendezeit ein. In jeder Sendung soll eine Redensart anschaulich erklärt werden. Seit Monaten werben wir und tausende Unterstützer:innen für #KlimaVor8. Aber die ARD muss halt Prioritäten setzen.”
Zwar nicht in direktem Zusammenhang mit der “Sprüche-vor-acht”-Entscheidung der ARD, aber inhaltlich doch nah dran – ein weiterer Lesehinweis: Hände mit Sekundenkleber festgeklebt: Klimaaktivisten protestieren bei mehreren ARD-Anstalten (dwdl.de, Timo Niemeier).

5. “KenFM” unter Beobachtung
(tagesschau.de, Florian Flade & Georg Mascolo)
Wie die “tagesschau” berichtet, wird die Plattform “KenFM” nun vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet: Die Seite verbreite Falsch- und Desinformation und treibe damit die Radikalisierung der sogenannten “Querdenker”-Szene voran. Das Vorgehen der Behörde sei nicht unumstritten: “Kritiker merken an, der Inlandsnachrichtendienst dürfe sich nicht mit immer mehr Beobachtungsobjekten übernehmen, schließlich gebe es vor allem in den Landesbehörden nur begrenzt Ressourcen. Zudem drohe das Risiko von Klagen. Der Verfassungsschutz müsse außerdem im Bereich von Medien besonders sensibel agieren. Mangelnde Qualität in der Berichterstattung könne beispielsweise kein Grund für eine Überwachung sein.”

6. Faszination “Germany’s Next Topmodel”
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz, Audio: 6:02 Minuten))
Gestern Abend ging die 16. Staffel der Castingshow “Germany’s Next Topmodel” bei ProSieben zu Ende. Was macht die Faszination dieses vielfach kritisierten Formats aus? Der Deutschlandfunk hat dazu zwei Experten befragt, die Journalistikprofessorin Margreth Lünenborg und den Regisseur Kai Tilgen, der selbst für ähnliche Formate gearbeitet hat. Tilgen sagt: “Beim Privatfernsehen erzählt man manchmal halt auch Geschichten, die es gar nicht gegeben hat. Oder die es mit diesem Ende nicht gegeben hat, oder die es mit der Konnotation nicht gegeben hat. Das kann man prima machen.”
Weiterer Lesehinweis: Bei der “Süddeutschen Zeitung” kommentiert Ulrike Nimz das Staffelfinale: “Aufgewachsen mit Instagram, Tiktok, Youtube sind die jungen Frauen längst Profis der Selbstvermarktung. Nach 16 Staffeln ist keine mehr überrascht, wenn sie eine Kakerlake aufs Dekolleté gesetzt oder die Haare abrasiert bekommt, was immer Heidi Klum auch anstellt, um zu verschleiern, dass die Show sich von ernstzunehmender Talentsuche abgewandt hat wie Wolfgang Joop vom natürlichen Alterungsprozess.”

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