Kurz korrigiert (113)

Ja, dieser tätowierte Mann, den die “Bild”-Zeitung bei den MTV Movie Awards entdeckt hat und in ihrer Rubrik “Ich weiß es!” vorstellt, ist aus der MTV-Show “Jackass”. Aber es ist weder “John” noch Johnny Knoxville, sondern Steve-O.

Danke für die vielen Hinweise!

Allgemein  

Realitätscheck für Wiedergeborene

Karin Sarbach erzählt heute in “Bild”, sie hätte schon einmal gelebt: Vor 130 Jahren war sie ein an seinem Beruf leidender Postbote. In einer Hypnose erfuhr sie sogar Namen und Adresse ihrer früheren Existenz: Heinrich Nolte, Schillerstraße 17, Aachen. Und so begann sie laut “Bild” vor ein paar Jahren, nach Beweisen für ihr erstes Leben zu suchen: “Zuerst rief ich die Telekom-Auskunft an. Der Familienname war in Aachen nicht eingetragen.”

Äh, Frau Sarbach? Aktuell findet die Internet-Auskunft der Telekom nicht weniger als 15 Menschen namens “Nolte” in Aachen. Sagen wir’s so: Entweder erlebte Aachen in den vergangenen sechs Jahren eine gewaltige Einwanderungswelle von Noltes. Oder, Frau Sarbach, Postbote wär’ wirklich nicht Ihr Job.

Nachtrag, 20.00 Uhr. Beeindruckend ist auch, dass Frau Sarbach genau weiß, wann sie in ihrem vorherigen Leben getauft wurde, während “Bild” nicht einmal grob weiß, wann sie in diesem Leben geboren wurde:

Danke an Rüdiger S., Mario T. und Johannes H. für die Hinweise!

Nachtrag, 3. Juli. Frau Sarbach teilt uns mit, dass sie — anders als es in “Bild” steht — bei der Auskunft nicht vergeblich nach dem Namen “in Aachen”, sondern an der konkreten Adresse gefragt habe.

“Bild” beschäftigt Volksverhetzer IV

In ihrer Dienstags-Ausgabe veröffentlicht die “Bild”-Zeitung eine “Klarstellung” über den Mann, der für sie in der vergangenen Woche “exklusiv” einen “großen BILD-Test: Haben Sie auch schon einmal gelebt?” erstellte:

Klarstellung zu Trutz Hardo: Letzte Woche hatte BILD über den Berliner Rückführungstherapeuten Trutz Hardo (67) aus Berlin berichtet. Was BILD nicht wußte: Tatsächlich heißt der Mann Tom Hockemeyer und ist 2001 wegen Volksverhetzung verurteilt worden (OLG Koblenz, 90 Tagessätze Geldstrafe). In seinem Buch "Jedem das Seine" hatte er den Massenmord an den Juden gerechtfertigt. Das Buch ist verboten worden. BILD wird nie wieder über diesen Mann berichten.

Das ist nicht die ganze Wahrheit.

1. Um zu wissen, dass Trutz Hardo wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, muss man nicht seinen richtigen Namen kennen. Wer bei Google nach “Trutz Hardo” sucht, findet als zweiten Treffer einen aufschlussreichen Artikel des “Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus”. Dort steht auch Hardos bürgerlicher Name — ebenso wie auf seiner eigenen Homepage.

2. Der richtige Nachname Trutz Hardos war auch “Bild” bekannt. Im “Bild”-Zeitungs-Archiv findet man bei der Suche nach “Trutz Hardo” einen Artikel vom 7. Oktober 1999 über den Rückführungs-Selbstversuch einer “Bild”-Reporterin. Den Namen des “Reinkarnations-Experten” gibt sie an mit: Trutz Hardo Hockemeyer.

3. “Bild” hat über den Mann nicht “berichtet”. “Bild” hat ihn beschäftigt.

Kurz korrigiert (107 – 112)

Ach du Schande. Der Ziehungsbeauftragte, der sonst für “Bild” nur die Altersangaben auslost, hat anscheinend die Basketball-Berichterstattung übernommen.

Also, tief Luft holen: Anders als Bild.de schreibt, ist Dirk Nowitzki nicht 28, sondern erst 27 Jahre alt. Und in den Playoffs holte er nicht 12,1 Rebounds pro Spiel, sondern 11,9. Und er machte nicht 28,1 Punkte pro Spiel, sondern 28,4. Und die Phoenix Suns haben in der ersten Hälfte des letzten Spiels nicht mit 19 Punkten vorne gelegen, sondern mit 18. Und Detlef Schrempf war nicht 1995 im NBA-Finale, sondern 1996. Und das Spiel der Dallas Mavericks gegen Miami Heat findet nicht in der Nacht zum Donnerstag, sondern in der Nacht zum Freitag statt.

Danke an Benedikt T. und Emrah K.

Von Maulwürfen und Golf-Partnern

Auch die Schweizer Zeitung “Weltwoche” berichtet (wie andere auch) anlässlich der Fußball-WM über Alfred Draxler, den mächtigen Sportchef der “Bild”-Zeitung und sein Problem, dass Bundestrainer Jürgen Klinsmann das Blatt auf Distanz hält — anders als die meisten seiner Vorgänger stand er nicht irgendwann auf der Gehaltsliste der “Bild”-Zeitung und verdankt ihr nicht seinen Job.

Die “Weltwoche” über Lothar Matthäus:

Unter allen wichtigen Figuren im deutschen Fussball ist er wohl der verdienteste Maulwurf der Bild. Seit Ende der 80er Jahre trägt er unter Mitspielern den Spitznamen IM Lothar, weil er quasi eine Standleitung zur Redaktion in Hamburg betreibt. Fünf Minuten nach jeder Mannschaftssitzung kannte Draxlers Team ihren Inhalt. Beim Team kam das nicht gut an, aber Bild hielt Ribbeck und Matthäus die Treue bis zum bitteren Ende bei der EM 2000. Draxler will nichts wissen von einem Inoffiziellen Mitarbeiter Matthäus: “Unsere Reporter haben gute Drähte zu vielen Spielern. Deswegen arbeiten sie für uns.”

Und über Franz Beckenbauer, mit dem Draxler seit 25 Jahren Golf spielt:

Viele Jahre später [nach der WM 1986] revanchierte sich Bild beim Kaiser für all die kleinen Gefälligkeiten. Als er eine Sekretärin von der Geschäftsstelle des FC Bayern geschwängert hatte, schwieg Bild, solange es ging. Erst nachdem Münchner Zeitungen die Geschichte brachten, äusserte sich auch Draxlers Blatt: “Franz: Ja, Baby mit Sekretärin.” Heute sagt Draxler: “Es gab Gerüchte, die waren lange bekannt. Aber wir können eine Geschichte nicht auf Hörensagen gründen.” Dann spielte man wieder Golf. Beckenbauer (Handicap 8) half Draxlers (Handicap 16) Ehefrau Martina Krogmann im Wahlkampf — ab 1998 sass sie für die CDU im Bundestag.

Danke an David H.!

Die tausend Tode der Prinzessin Diana

Boah:

"Diana wurde mit Lichtkanonen getötet!"

Fast neun Jahre nach dem dem Tod von Prinzessin Diana soll es neues Beweismaterial und neue Zeugen geben. Eine entsprechende, allerdings sehr vage Äußerung des Chefermittlers sorgte diese Woche für große Aufregung.

Und wer weiß schon mehr? Wer hat einen der “neuen Zeugen” schon gefunden, mit ihm gesprochen und von den “Lichtkanonen” erfahren?

Die “Bild am Sonntag”:

BamS fand jedoch einen der neuen Zeugen: Es ist Richard Tomlinson (43)...

Der Londoner “Bild”-Korrespondent Peter Michalski schreibt, Prinzessin Diana sei nach Aussage des ehemaligen britischen Neuer Zeuge beschuldigt britischen GeheimdienstGeheimdienstagenten Richard Tomlinson Opfer eines Anschlags geworden. Er sei nach dem Vorbild eines Attentatsplanes ausgeführt worden, “nach dem 1992 der damalige jugoslawische Staatschef Slobodan Milosevic in Belgrad umgebracht werden sollte”. Dianas Fahrer Henri Paul sei “mit einer starken Stroboskop-Lichtblitzkanone geblendet” worden.

Na, das sind Neuigkeiten.

Jedenfalls für eine Zeitung, die “nicht zu jedem Experten auf der Welt ein Dossier” hat und die Benutzung von Archiven und Suchmaschinen scheut.

Die Vermutung, es handele sich bei Tomlinson um einen “neuen Zeugen”, hätte “Bild” schon durch einen Blick ins eigene Archiv abhaken können: “Bild am Sonntag” berichtete (ähnlich wie andere Medien) bereits am 30. August 1998, dass Tomlinson Verbindungen zwischen Dianas Unfall und dem Geheimdienst MI6 hergestellt habe und zwei Stunden lang vom französischen Untersuchungsrichter Herve Stephan verhört worden sei. Am Tag darauf wiederholte “Bild” das in einem eigenen Artikel.

Am 4. September 1999 berichtete “Bild” über die “geheimen Gerichtsakten” über Dianas Tod: Tomlinson habe sich den Pariser Behörden als Zeuge angeboten. Sie hätten jedoch abgelehnt, weil sie ihn als “wenig glaubwürdig” einstuften.

Am 30. August 2002 berichtete “Bild” in einer Serie mit dem Titel “Geheimakte Diana — Die letzten 24 Stunden der Prinzessin” erneut über Tomlinson und seine Theorien. Und am 3. Dezember 2004 versuchte “Bild” wieder, Tomlinsons Thesen als Neuigkeit darzustellen. Unter der Überschrift “Fuhr ein Geheimagent Prinzessin Di in den Tod?” schrieb “Bild”:

Richard Tomlinson arbeitete von 1991 bis 1996 als Agent. Er behauptet, daß Paul angewiesen wurde, mit Vollgas durch den Tunnel zu fahren. Dort wurde er mit einem Blitzlicht geblendet und verlor so die Kontrolle über den Wagen.

Diese These und die Verbindung zu einem angeblichen Plan, Slobodan Milosevic zu ermorden, gab Thomlinson nach eigenen Worten schon am 12. Mai 1999 als Zeugenaussage zu Protokoll. Sie ist seit fast sieben Jahren im Internet nachzulesen:

This third scenario suggested that Milosevic could be assassinated by causing his personal limousine to crash. (…) One way to cause the crash might be to disorientate the chauffeur using a strobe flash gun (…). In short, this scenario bore remarkable similarities to the circumstances and witness accounts of the crash that killed the Princess of Wales, Dodi Al Fayed, and Henri Paul.

(Alle Hervorhebungen von uns.)

Tomlinson hat seine Thesen im Jahr 2001 auch in einem eigenen Buch veröffentlicht.

Mit anderen Worten: All das kann der britische Chefermittler mit seiner Andeutung in dieser Woche nicht gemeint haben. Der Mann, den “Bild am Sonntag” als “neuen Zeugen” verkauft, ist einer der ältesten “Zeugen” überhaupt. Und das, was er scheinbar jetzt gegenüber “Bild am Sonntag” enthüllt hat, ist eine der ältesten und am weitesten verbreiteten Verschwörungstheorien in diesem Fall — sogar “Bild” hat sie schon mehrere Male aufgeschrieben.

Aber die “Netzeitung” ist prompt drauf reingefallen.

Danke an Thorsten L. für den Hinweis!

Nachtrag, 21.50 Uhr. Auch die “Rheinische Post” und die Schweizer Gratiszeitung “20 Minuten” haben den Fehler gemacht, der “Bild am Sonntag” zu glauben. Und bei N24.de steht die Falschmeldung, weil sie automatisch von der “Netzeitung” übernommen wurde.

Nachtrag, 5. Juni. Die “Rheinische Post” scheint den Artikel entfernt zu haben.

Streng verboten II

Es ist natürlich nicht völlig ausgeschlossen, dass “Bild” bei dem brasilianischen Fußballer Ronaldinho nachgefragt hat, ob sie so zwei bis drei Fotos seines Sohnes veröffentlichen darf. Oder bei der Mutter des Kleinen. Fotos davon, wie er so am Strand spielt, einen Ball in den Händen hält und ein wenig mit Mama herumtollt.

Genau genommen muss “Bild” sogar die Erlaubnis haben. Schließlich schrieb sie doch schon im August 2004, als sie die Nachrichtenagentur dpa dafür schalt, dass diese Fotos von Gerhard Schröders Adoptivkind verbreitet hatte:

Das Fotografieren von Minderjährigen ohne Zustimmung der Eltern ist (…) streng verboten.

Einerseits. Andererseits weist so einiges darauf hin, dass “Bild” das “süßeste WM-Geheimnis” ganz ohne die Zustimmung der Eltern enthüllte. Ja, sogar ohne deren Wissen. Die Fotos wurden nämlich offenbar aus recht großer Entfernung mit einem starken Teleobjektiv aufgenommen.

Und außerdem zitiert “Bild” selbst Ronaldinho folgendermaßen:

“Der Kleine soll nicht groß in der Öffentlichkeit stehen.”

Bei “Bild” steht der Kleine trotzdem groß in der Öffentlichkeit. Ziemlich groß sogar. Auf einer halben Zeitungsseite:

Mit Dank an Magnus G. und Hauke R. für den Hinweis.

Allgemein  

“Bild” beschäftigt Volksverhetzer III

Die Nachricht, dass die “Bild”-Zeitung einen verurteilten Volksverhetzer, der den Holocaust verharmlost, als “exklusiven” Experten beschäftigt hat, sorgt für einige Unruhe in der Axel Springer AG, die das Eintreten für die Aussöhnung von Deutschen und Juden ausdrücklich in ihren Unternehmensgrundsätzen festgehalten hat.

Heute berichtet auch die “Süddeutsche Zeitung” über den Fall und hat es geschafft, von einem Verlagssprecher einen Kommentar dazu zu bekommen:

“Der Hintergrund war uns nicht bekannt. Wäre er uns bekannt gewesen, hätten wir Hardo nicht als Experten befragt. (…) Wir haben nicht zu jedem Experten auf der Welt ein Dossier.

Wir auch nicht. Empfehlen den fast tausend “Bild”-Redakteuren aber ersatzweise für den Anfang dieses. (Ein Blick ins eigene Archiv genügt bei “Bild” als Recherchegrundlage leider nicht, denn das Blatt warb bereits 1999 für den — damals schon verurteilten — Esoteriker.)

Der Springer-Sprecher sagte weiter, Trutz Hardo habe für seine Arbeit (er hat “exklusiv für BILD” einen großen Reinkarnationstest “erweitert und aktualisiert”) kein Geld bekommen. Außerdem sei Hardo als Experte in den Medien präsent und zum Beispiel im RBB-Magazin “Polylux” aufgetreten.

Das stimmt. Und genau dieser Auftritt am 8. Dezember 2005 hätte “Bild” im Gedächtnis bleiben können — er löste nämlich große Proteste aus. Die Berliner Jüdische Gemeinde nannte ihn einen “unglaublichen Vorgang”, der RBB-Unterhaltungschef entschuldigte sich, viele Medien berichteten.

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