“Bild” verleumdet Sozialarbeiterin (2)

“Im Fall der Kreuzberger Sozialarbeiterin Fatma Celik, die laut Bild-Zeitung eine von einem Schüler geschlagene Lehrerin in der taz ‘verhöhnt’ haben soll, hat das Berliner Landgericht dem Axel Springer Verlag untersagt, diese Behauptung weiter zu verbreiten. Zudem muss die Zeitung eine Gegendarstellung veröffentlichen, wie Celiks Anwalt Johannes Eisenberg gestern mitteilte.”

(Zitiert aus der “taz” vom 16.6.2006, Link von uns.)

Der Kern unserer Erde besteht aus purem EISEN

Zugegeben, unsere Überschrift klingt nicht sehr spannend. Ist ja auch schon lange bekannt. Wie wär’s also mit “Forscher berechnet die Menge des Goldes im Erdkern”? Auch nicht knackig genug? “Das goldene Herz der Erde”? Nein?

Dann vielleicht so:

Jedenfalls steht’s so unübersehbar in der heutigen “Bild”. Und klingt natürlich viel besser. Ist dafür aber Quatsch.

Der Kern der Erde besteht nach wie vor zu sehr großen Teilen aus Eisen – der innere und feste Kern fast vollständig, der äußere und flüssige zu großen Teilen. Daneben finden sich in letzterem auch einige andere Elemente. Nickel vor allem. Und sogar ein bisschen Gold. Ganz aus Gold, wie übrigens auch die “Bild”-Illustration und Bild.de suggerieren, ist der Kern nicht.

Unfreiwilliger Urheber der “Bild”-Sensation ist der Wissenschaftler Bernard Wood. Der hat nämlich in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift “Nature” ein Modell veröffentlicht, wie der eisenhaltige Erdkern entstanden sein mag — und nebenbei auch die Anteile anderer Metalle berechnet. Diesbezüglich kam Wood unter anderem zu dem Schluss:

“99 Prozent allen Goldes steckt im Kern der Erde.”

Und diesen Kernsatz hat “Bild” zwar offensichtlich nicht kapiert, aber dafür wenigstens korrekt zitiert.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Jetzt XII

Hat da etwa jemand auf der Suche nach einer geilen Story für Bild.de ein bislang noch ungelesen auf seinem Schreibtisch herumliegendes Exemplar der Zeitschrift “PM Fragen & Antworten” durchgeblättert? In der Mai-Ausgabe des populärwissenschaftlichen Magazins heißt es nämlich:

“Onanie wirkt sich offenbar positiv auf die Gesundheit aus. Jedenfalls stellte jetzt das australische Forscherteam um Graham Giles vom Cancer Council Victoria in Melbourne fest: Bei Männern, die im Alter von 20 bis 30 mehr als fünfmal pro Woche onanierten, reduzierte sich das Risiko von Prostatakrebs um ein Drittel.”
(Hervorhebung von uns.)

Und ähnlich steht’s jetzt, also einen Monat später, groß angekündigt (und mit Datum von heute) auch bei Bild.de:

“Mediziner bestätigen jetzt: Sex beugt auch gefährlichen Krankheiten vor.

Ein Forscherteam um den Australier Prof. Graham Giles von der Universität Melbourne hat das Sexualverhalten von rund 2300 Männern untersucht und dabei festgestellt:

Je häufiger die Männer einen Samenerguß hatten, desto geringer ist die Gefahr, an Prostatakrebs zu erkranken.”
(Hervorhebung von uns.)

Stimmt. Nur neu ist das alles nicht: Über die Ergebnisse der australischen Studie wurde bereits im Jahr 2003 berichtet und die Ergebnisse selbst wurden von einer großangelegten US-Studie im Jahr 2004 bestätigt.

Mit Dank an Jörg F. und Gunter K. für den Hinweis.

Vom Lesen, Rechnen und Schreiben

Vielleicht ist es ein weitverbreiteter Irrtum, dass, wer als Journalist über ein Thema schreibt, davon auch was verstehen sollte. Anders gesagt: Wir sind keine Experten fürs deutsche Gesundheitswesen. Aber: Wir schreiben auch nicht drüber.

Ganz anders “Bild”. Dort hieß es gestern auf Seite 2 unter der Überschrift “Kleine Krankenkassen sollen verschwinden”:

“Für rund 100 Krankenkassen könnte die Gesundheitsreform das Aus bedeuten! SPD und Union wollen bei der Reform durchsetzen, daß gesetzliche Krankenkassen mindestens eine Million Mitglieder haben müssen. (…) Derzeit gibt es in Deutschland 253 Krankenkassen — davon 199 Betriebskrankenkassen. Rund 100 von ihnen haben weniger als eine Million Mitglieder.”

Und eigentlich hätte den “Bild”-Autoren “rok/bre” hier schon beim Schreiben klar sein müssen, dass da was nicht stimmt: Denn wenn rund 100 BKKs “weniger als eine Million Mitglieder” haben, dann müssten die verbleibenden 99 mehr als eine Million haben, richtig? Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 80 Millionen bzw. gut 70 Millionen Krankenversicherungsmitgliedern in Deutschland) ist das aber ausgemachter Unsinn (siehe Rechnung) — zumal, wie uns eine Sprecherin des BKK-Bundesverbandes mitteilt, keine einzige BKK mehr als eine Million Mitglieder hat und die Gesamtzahl von 10 Millionen BKK-Mitgliedern bereits in einer BKK-Pressemitteilung stand, auf der offenbar die “Bild”-Meldung basiert.

Aber, hey, die “Bild”-Überschrift immerhin stimmt.

Mit Dank an Andreas J. und Hardy S. für den Hinweis.

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Die Wunderheiler vom Axel-Springer-Platz

“Bild” hat ein Wunder gesehen. Ein Babywunder:

Und es ist ohne Zweifel wundervoll, dass es dem Neffen von Ottfried Fischer wieder gut geht. Der inzwischen Einjährige war vor einem Jahr nach einer Hirnblutung ins Koma gefallen und nach rund vier Wochen wieder erwacht. Nach allem, was man weiß, in erster Linie aus “Bild” und “Bild am Sonntag”, war die Lage ursprünglich reichlich aussichtslos. Ganz so aussichtslos, wie “Bild” heute, fast ein Jahr später, schreibt, war sie damals aber mit Sicherheit nicht. Schon in der Unterzeile steht, “sein Neffe war hirntot”, und im Text dann:

Die furchtbare Diagnose: Hirntod!

Aha, Hirntod also. Die Bundesärztekammer, schreibt in ihren Richtlinien zur Feststellung des Hirntods folgendes:

Mit dem Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt.

Demnach wäre Fischers Neffe also von den Toten auferstanden, und man fragt sich, warum “Bild” dieses “Wunder” nicht auf der Titelseite bringt, sondern bloß im Innenteil.

Aber eigentlich weiß “Bild” ja selbst, dass Fischers Neffe nie hirntot war. Schließlich titelte sie schon am 20. Juni 2005: “Ottfried Fischers Neffe im Koma”. Und einen Tag später: “Mutter stillt ihr Koma-Baby jeden Tag”. Sie hatte sogar einen kleinen Kasten im Blatt, in dem ein Neurologe die Frage beantwortet, “Wie kann ein Kind trinken, das im Koma liegt?”:

“Bei einem sogenannten Wachkoma arbeitet der Hirnstamm normal, d.h. der Patient kann atmen, schlucken, sich bewegen. (…) Es besteht eine geringe Chance, daß sich Hirnschäden zurückbilden (…)”

So gesehen hatte “Bild” das Ganze am 11. Juli letzten Jahres schon mal besser zusammengefasst:

Mit Dank an Frank R. und Mike S. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” und die unoversale Sprache der Musik

“Bild” veröffentlicht heute auf Seite 2 eine Art Special Edition, womöglich auch nur eine Extended Version der “Post von Wagner”. Franz Josef Wagner schreibt dort nämlich einen “Liebesbrief an Deutschland” (siehe Ausriss) und ist ganz aus dem Häuschen vor Liebesglück (“Ich glaube, man muss sein Land lieben wie eine Frau” usw.). Allerdings ist “Bild” und Wagner in ihrem Liebestaumel ein Fehler unterlaufen. Heißt es dort doch:

“Die Uno hat Beethoven zu ihrer Hymne erkoren, Schiller hat den Text geschrieben.”

Das ist (selbst wenn’s offenbar auch Alexander Kluge behauptet) Unsinn. Die UNO hat keine Hymne.

“Obwohl viele Lieder über die Vereinten Nationen oder verwandte Themen geschrieben wurden, gibt es keine offizielle Hymne der Organisation”, heißt es auf der UNO-Website [PDF]. Und es werde auch zu offiziellen Anlässen kein Beethoven als UNO-Hymne gespielt, wie ein UNO-Sprecher auf unsere Nachfrage betont.

Tatsächlich gab es Anfang der 70er Jahre mal den Versuch, eine quasi-offizielle UNO-Hymne zu etablieren. Ihr Text stammt allerdings von einem Briten, die Musik von einem Spanier.

PS: Sollte Wagner in seinem Liebesbrief womöglich gar nicht die UNO, sondern die EU gemeint haben, müssen wir ihn allerdings abermals enttäuschen. Zwar sind die Takte 164 bis 179 des letzten Satzes (“Ode an die Freude”) aus Ludwig van Beethovens 9. Symphonie seit 1972 offizielle Hymne des Europarates und seit gut 20 Jahren auch der Europäischen Union. (Seit 2004 gibt es sogar eine offizielle CD mit Techno-, Trance-, Jazz- und Kirchenorgelversionen und eine “Hip-Hop-Interpretation” für Events und Zeremonien sowie als Hintergrundmusik für Radio- und Fernsehbeiträge mit europäischen Themen.) Doch ist Schillers “Freude schöner Götterfunken”-Text ausdrücklich “nicht offizieller Teil der Hymne!” Die nämlich wurde von Herbert von Karajan arrangiert — “ohne Worte, in der universalen Sprache der Musik”.

Mit Dank auch an Frank S., Hanno S. und insbesondere Dominik B. für Hinweis und Links.

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Lieber diensthabender Praktikant von Bild.de,

wir haben eine schlechte Nachricht: Es könnte heute abend später werden. In diesem Artikel müssen fast 120 Zahlen korrigiert werden.

Denn es stimmt zwar: Die deutschen Großkonzerne sind im internationalen Vergleich kleine Nummern. Aber soweit ist es dann doch noch nicht gekommen, dass der deutsche Spitzenreiter Siemens keine 100.000 Euro Umsatz im Jahr macht.

Und, ja, die Entwicklung der T-Aktie ist eine Enttäuschung. Aber noch ist die Deutsche Telekom an der Börse ein klein bisschen mehr wert als 72.000 Dollar.

Nämlich 72.000.000.000 Dollar.

Es war natürlich auch ein bisschen unfreundlich von der “Financial Times”, ihr Ranking der 500 größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung ohne genaue Erklärung der Einheiten online zu stellen, so dass man als Laie denken könnte, es handele sich bei den angegebenen Zahlen um Dollar und nicht um Millionen Dollar.

Aber spätestens bei Platz 46 in Deutschland hätte doch jemand stutzen können, dass diese Axel Springer AG im Jahr nur einen Umsatz von 2900 Dollar und 70 Cent machen soll.

Danke für die Millionen Hinweise.

Nachtrag, 20.57 Uhr. Ah, hat dann sogar noch rechtzeitig bis zum Spiel geklappt, überall “Mio.” einzufügen. Auf die Schnelle sind natürlich diverse andere Fehler unkorrigiert geblieben: Unter Südzucker steht der Umsatz von TUI, über Platz 48 steht “Platz 28”, über Platz 49 steht “Platz 1”, usw.

Nachtrag, 14. Juni. Ts. Nun ist der ganze Artikel verschwunden.

Nachtrag, 13.15 Uhr. Da isser wieder, unter neuer Adresse und mit weiteren Korrekturen.

Nachtrag, 15. Juni. Nur dass niemand auf die Idee kommt, da hätte jetzt jemand gründlich gearbeitet: Bei Altana, Porsche, Puma, Karstadt Quelle und Fraport fehlen noch die “Mio.”, dafür steht bei Metro jetzt zweimal “Mio.”, die Depfa Bank ist nicht in der Elektronik-Branche tätig und bei der Deutschen Telekom gibt’s einen lustigen Buchstabendreher.

Nachtrag, 16. Juni. Schon wieder ist der komplette Artikel aus dem Angebot von Bild.de verschwunden. Endgültig? Wir sind gespannt.

Großfahndung, oder was?

Am vergangenen Samstag gegen 21.02 Uhr ist in Paderborn eine Polizistin von einem Taxi touchiert und leicht verletzt worden, als sie versuchte, es in einer Fußgängerzone anzuhalten. Ungefähr so steht’s in einem Pressebericht der Paderborner Polizei, stand’s gestern auch in “Bild”. Exklusiv in “Bild” stand außerdem der vielsagende Satz:

“Der Fahrer konnte ermittelt werden.”

Und es stimmt: Der Fahrer konnte ermittelt werden. Wie uns die Polizei Paderborn mitteilt, hat er nämlich nach dem Unfall “unverzüglich angehalten”.

Mit Dank an taxi-blog.de für Hinweis, “Bild”-Zeitungskauf & Scan.

“Alberto” zum Hurrikan hochgeschrieben

Wir haben wirklich nicht die geringste Ahnung, wie Bild.de auf die Idee gekommen sein könnte, der Tropensturm “Alberto”, der sich auf die Küste Floridas zu bewegt, sei zum Hurrikan hochgestuft worden. Doch es steht dort. Und zwar mit heutigem Veröffentlichungsdatum und inklusive Teaser auf der News-Seite:

“Alberto” wurde nicht zum Hurrikan hochgestuft. Ganz im Gegenteil. Heute, um 12.00 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ), gab das Nationale Hurrikan Zentrum der USA (NHC) eine Mitteilung heraus, in der u.a. dies steht:

Alberto’s chances of becoming a hurricane are evaporating.

Das heißt frei übersetzt: Die Chance, dass Alberto zum Hurrikan wird, wird zunehmend geringer. Und so steht es auch seit dem frühen Nachmittag in diversen OnlineMedien.

Nun gut, möglicherweise ist Bild.de mit der Aktualisierung ihrer Hurrikan-Meldung etwas spät dran. Und gestern war die Lage ja tatsächlich noch etwas ernster. Aber falsch war die Bild.de-Meldung von heute auch gestern schon. Ein Hurrikan war “Alberto” nämlich zu keiner Zeit. In einer Mitteilung des NHC von Montag, 17.00 Uhr MESZ hieß es lediglich:

Given the uncertainties in predicting intensity change we must now allow for the distinct possibility that Alberto could become a hurricane.

Es war also lediglich gut möglich, dass “Alberto” zu einem Hurrikan werden könnte, weshalb das NHC eine Hurrikan-Warnung herausgab, die übrigens auch um 23.00 Uhr MESZ noch aufrecht erhalten wurde, als die Intensität des Sturmes wieder nachgelassen hatte. Natürlich war auch in jener Mitteilung nicht die Rede davon, dass “Alberto” zum Hurrikan geworden sei. Und, soweit wir wissen, auch sonst nirgends – außer eben bei Bild.de.

P.S.: Übrigens: Die Geschwindigkeit von “Alberto”, die Bild.de mit “über 110 Kilometer pro Stunde” angibt, hat der Sturm wohl tatsächlich mal gehabt. Ein Hurrikan muss aber Windgeschwindigkeiten von mindestens 119 Kilometern pro Stunde erreichen, um als solcher klassifiziert zu werden.

Mit Dank an Christian N. für den sachdienlichen Hinweis.

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