Archiv für Juli 21st, 2023

Kennt “Bild” einen Clan-Einbruch, kennt “Bild” alle

Im November 2022 wurden bei einem Einbruch im Kelten-Römer-Museum im bayerischen Manching 483 keltische Goldmünzen und ein goldener Gusskuchen – der Kelten-Goldschatz von Manching – gestohlen. Seit dieser Woche, acht Monate nach dem Einbruch, sitzen vier Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Zwei von ihnen wurden bei einer Übergabe von Goldstücken festgenommen, deren Legierung zum Kelten-Goldschatz passen soll. Alle vier Tatverdächtigen sollen bislang zu den Vorwürfen schweigen.

Bereits kurz nach der Tat hatte die “Bild”-Redaktion einen Verdacht, wer hinter dem Einbruch stecken könnte:

Screenshot Bild.de - Goldschatz im Manchinger Museum geklaut - Führt die Spur ins Clan-Milieu?

Auch andere Medien, etwa der “Tagesspiegel” oder die “Berliner Zeitung” (dort führten in der Überschrift die Spuren sogar ohne Fragezeichen “ins Berliner Clan-Milieu”), brachten eine mögliche Clan-Verbindung ins Spiel. Aber keine Redaktion gab sich dabei so viel Mühe wie “Bild”. In dem Artikel vom 23. November hieß es unter anderem:

Der Tatort ist neu, aber die Vorgehensweise der Einbrecher bei dem Raub des Goldschatzes erinnert an jüngste Clan-Coups …

Und:

Nach Angaben der Ermittler könnte die Spur ins Clan-Milieu führen.

Und:

Die Fahnder stehen im engen Kontakt mit Kollegen aus Berlin und Dresden. Sie erhoffen sich Hinweise zum Vorgehen der Täter bei ähnlichen Einbruchsdiebstählen 2017 im Bode-Museum und 2019 im Grünen Gewölbe. Damals wurden in beiden Museen Ausstellungsstücke im Wert von mehr als 100 Millionen Euro geklaut. Die Spuren führten zu Tätern aus dem Clan-Milieu.

Vor allem hat “Bild” einen KriminalKunstexperten aufgetan, der von “Barbaren” spricht und von Goldgeschäften, die sich “in der Hand von arabischen und türkischen Großfamilien” befänden:

“Da werden Erinnerungen an das Grüne Gewölbe wach”, erklärt auch Kunstexperte Robert Weis (54) vom Auktionshaus Hermann Historica BILD. “Auch in Dresden wurde zuerst die Alarmelektrik lahmgelegt. Da sind Leute am Werk, die wissen, was sie tun. Das werden Barbaren sein, die das Gold einschmelzen. Das ist kein Problem. Der Goldankauf ist in der Regel in der Hand von arabischen und türkischen Großfamilien. Die sind bestens vernetzt. In Berlin gab es keine Probleme, die große Münze kleinzumachen und weiterzuverkaufen. Es können auch Nachahmungstäter gewesen sein. Um in Museum einzubrechen, braucht man ein gewisses Maß an organisierter Kriminalität und Fachwissen. Da liegt der Gedanke nah, dass es sich bei den Tätern um Clans handeln könnte.”

Gestern gab es eine Pressekonferenz zur Festnahme der Tatverdächtigen in dem Fall. Die “Süddeutsche Zeitung” schreibt über die Erkenntnisse der Ermittler:

Zumindest die Theorie, wonach der Museumseinbruch im vergangenen November von einem kriminellen Berliner Clan begangen wurde, räumen sie am Donnerstag vom Tisch. Bei den vier festgenommenen Tatverdächtigen handelt es sich demnach um vier Deutsche “ohne Migrationshintergrund” zwischen 42 und 50 Jahren. “Berufseinbrecher”, sagt [Bayerns] Innenminister Herrmann. Drei von ihnen sollen jahrelang als kriminelle Bande umhergezogen sein und in mehreren Bundesländern sowie in Österreich Einbrüche begangen haben. Seit 2014 sollen sie in elf Fällen Casinos, Supermärkte und eine Kfz-Zulassungsstelle geplündert haben, berichtet der Ingolstädter Staatsanwalt Nicolas Kaczynski. Dabei sei ein Beuteschaden von mehr als einer halben Million Euro entstanden. […] Die Vierergruppe besteht aus einem Fernmeldetechniker, einem Buchhalter, einem Filialleiter im Einzelhandel und einem Mitarbeiter einer Abbruchfirma.

Auch Bild.de berichtet über die Festnahmen. In einem Artikel erfährt man, dass die vier Männer, die nun in Untersuchungshaft sitzen, Alexander, Robert, Jörn und Maximilian heißen sollen. Von der eigenen, falschen Clan-Verdächtigung erfährt man in dem Text hingegen nichts.

Mit Dank an @zeitungsboy für den Hinweis.

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Mitleser Facebook, Rechter Verschwörungssender, Einheitsbrei

1. Facebook soll aufhören mitzulesen
(netzpolitik.org, Tomas Rudl)
Wie netzpolitik.org berichtet, hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Klage gegen Facebook-Mutterkonzern Meta eingereicht. Der Grund: Facebook scanne die unverschlüsselten Messenger-Nachrichten seiner Nutzerinnen und Nutzer, um mögliche Missbrauchsinhalte zu identifizieren. Die GFF, die gemeinsam mit einem betroffenen Nutzer vor dem Amtsgericht Passau klagt, wolle gerichtlich feststellen lassen, dass das automatisierte Scannen von Nachrichten gegen die Datenschutzgrundverordnung und das Grundrecht auf Datenschutz verstößt.

2. Rechter TV-Verschwörungssender: “Der Kampf beginnt”
(taz.de, Andreas Speit)
Der österreichische Internetsender AUF1, der besonders in den Kreisen der Coronaleugner und sogenannten “Querdenker” bekannt ist, will laut “taz” demnächst im gesamten deutschsprachigen Raum auf Sendung gehen. Experten würden vor dem Potenzial des Senders warnen, Verschwörungsnarrative zu verbreiten und antidemokratische Weltbilder in Deutschland zu verfestigen.

3. “Da hatte ich meine ersten Fremdschäm-Momente im Aufsichtsrat”
(journalist.de, Jan Freitag)
Im Interview mit dem “journalist” spricht Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe, über ihre Erfahrungen als Medienmanagerin und ihre Bemühungen um Qualitätsjournalismus. Gut, dass Interviewer Jan Freitag sie in diesem Zusammenhang auf Clickbaiting-Portale im eigenen Haus und das von einer Künstlichen Intelligenz erstellte, vermeintliche Interview mit Michael Schumacher im Regenbogenblatt “Die Aktuelle” anspricht.

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4. Das ist nicht sozialverträglich
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert den Vorstand der privaten Sendergruppe ProSiebenSat.1 für dessen Pläne, Stellen zu streichen, obwohl man zuvor sozialverträgliche Lösungen angekündigt habe. Entgegen früheren Aussagen sollen der Informationsbereich und Redaktionen wie die des Promi-Magazins “red” sowie das Format “Akte” betroffen sein. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall bezeichnet das Vorgehen als “nicht sozialverträglich” und kritisiert den Rasenmäher-Ansatz bei den Kürzungen.

5. Französische Medien: Zu viel Raum für Rechts?
(sueddeutsche.de, Nils Minkmar, Audio: 24:54 Minuten)
Die gewalttätigen Ausschreitungen in Frankreich nach der Tötung des Jugendlichen Nahel M. durch einen Polizisten sind zwar abgeflaut, doch die Debatte über die Rolle der Medien bei der Eskalation geht weiter. In der aktuellen Folge des Podcasts “quoted” diskutiert Frankreich-Experte Nils Minkmar mit Frankreich-Experte Léonardo Kahn, warum rechte Meinungsführer in einigen französischen Medien ständig präsent sind, während differenzierte Stimmen kaum Gehör finden.

6. Schluss mit dem Einheitsbrei! Wie zwei Musiknerds für mutigeres Popradio kämpfen
(rnd.de Imre Grimm)
Melanie Gollin und Martin Hommel haben das Projekt “Wo ist hier der Krach?” ins Leben gerufen, um gegen die musikalische Eintönigkeit im Mainstream-Radio zu protestieren. Sie kritisieren, dass viele Radiosender, vor allem die öffentlich-rechtlichen, eine zu gleichförmige Musikauswahl anbieten, und fordern mehr Vielfalt und Mut. Trotz der Kritik an der mangelnden musikalischen Vielfalt betonen Gollin und Hommel ihre Leidenschaft für das Radio und bezeichnen es als “knattergeiles Medium”.