Archiv für August 23rd, 2022

“BILD ist mitgelaufen”, leider

“Wir betreiben hier keinen Elends-Tourismus, Drogenkranke werden nicht vorgeführt.”

Das sagen die zwei Männer, die in Frankfurt am Main für Interessierte eine Führung durch das Bahnhofsviertel anbieten, durch jene Gegend also, die auch und vor allem für ihre offene Drogenszene bekannt ist. Der Titel der Tour: “Crack, Koks, Heroin im Bahnhofsviertel – Warum Frankfurt auch ‘Crack-City’ heißt”.

Das Zitat der beiden stammt aus einem großen Artikel, der am vergangenen Freitag in der Frankfurt-Ausgabe der “Bild”-Zeitung und bei Bild.de erschienen ist. Der Ansatz, vorhandene Probleme sichtbar zu machen und die üble Situation der Drogenkranken zu thematisieren, dabei aber keinen Elends-Tourismus fördern und niemanden vorführen zu wollen, ist sehr lobenswert. Ob die “Bild”-Redaktion den gleichen Ansatz verfolgt, da haben wir allerdings Zweifel.

Bereits in der Überschrift klingt es stark nach Elends-Tourismus:

Ausriss Bild-Zeitung - Neue Tour führt in den Drogensumpf im Bahnhofsviertel - Ausflug ins Elend
Screenshot Bild.de - Neue Tour in den Frankfurter Drogensumpf - Crack, Koks, Heroin! 25-Euro-Ausflug ins Elend - Bild ist mitgelaufen

Im Artikel gibt es mehrere Fotos, auf denen Süchtige entweder gerade Drogen konsumieren oder anscheinend kürzlich konsumiert haben und nun benommen auf der Straße sitzen. Was gut ist: Die “Bild”-Redaktion hat alle Gesichter verpixelt oder so fotografiert, dass sie verdeckt sind (wobei wir vermuten, dass das nähere Umfeld der Personen sie durch andere, nicht verpixelte Merkmale trotzdem identifizieren können dürfte). Was hingegen schlecht ist und doch stark nach Vorführen von Drogenkranken aussieht: die dazugehörigen Bildunterschriften. Zu einem Foto eines Mannes, der in einem Hauseingang liegt, schreibt Bild.de beispielsweise:

Das Frankfurter Bahnhofsviertel: Elends-Gestalten, wo man hinblickt

Und noch etwas hämischer zu einem Foto eines Mannes, der offenbar zugedröhnt auf einer Treppe liegt:

Crack-Süchtiger am Ziel seiner Träume…

Einer der zwei Tour-Guides sagt gegenüber “Bild” noch: “Wir wollen eine Lanze für diese Leute brechen.” Auch das ist sehr lobenswert. Aber vielleicht sollte man dann beim nächsten Mal nicht “Bild” mit auf Tour nehmen.

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Schlesinger fristlos entlassen, Reichelts Youtube-Welt, Maaßen

1. DJV begrüßt fristlose Kündigung
(djv.de)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßt den gestrigen Schritt des rbb-Verwaltungsrats, den Vertrag der ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger außerordentlich und fristlos zu kündigen: “Das war überfällig. Die fristlose Kündigung von Patricia Schlesinger ist ein erster Schritt, um Schaden von der gesamten ARD abzuwenden”, so der DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall: “Damit stellt der Verwaltungsrat eine wichtige Weiche bei der Aufarbeitung des Skandals und wendet hoffentlich weiteren finanziellen Schaden vom RBB ab.”
Schlesinger selbst sieht sich hingegen als politisches Opfer und “Sündenbock”.
Weiterer Lesehinweis: “Nach dem Rücktritt von Patricia Schlesinger hat Hagen Brandstäter die Leitung des RBB übernommen. Nun ist er für mehrere Woche krankgeschrieben.” – Schulte-Kellinghaus vertritt Brandstäter (tagesspiegel.de, Kurt Sagatz).

2. So unterschiedlich arbeiten die Gremien bei ARD & Co.
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz, Audio: 8:34 Minuten)
Für die Aufsichtsgremien der neun ARD-Anstalten, des ZDF und des Deutschlandradios gälten laut einer Deutschlandfunk-Recherche jeweils sehr unterschiedliche Regeln. Die Gremienbüros seien zum Teil mit wenig Personal besetzt, und bei der Überwachung der Finanzen gebe es Auffälligkeiten, befindet Christoph Sterz, der sich mit einem Fragenkatalog an die zuständigen Gremien gewandt hatte.

3. Rechtspopulistisches Comeback auf YouTube?
(tagesschau.de, Carla Reveland & Pascal Siggelkow)
Carla Reveland und Pascal Siggelkow haben sich angeschaut, was der frühere “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt auf Youtube so treibt. Die Frage sei: “Kann Reichelt mit seinem im Juli gestarteten Kanal die für sich auserkorene Lücke zwischen boulevardistischen oder konservativen Medien und den sogenannten Alternativen Medien schließen und erfolgreich bedienen?”

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4. Beck-Verlag soll die Zusam­men­ar­beit mit Hans-Georg Maaßen auf­kün­digen
(lto.de, Hasso Suliak)
Der erzkonservative CDU-Rechtsaußen und Ex-Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen arbeitet am Grundgesetz-Kommentar des renommierten Verlags C. H. Beck mit und bearbeitet dort ausgerechnet das Asylgrundrecht. Das sorgt für heftige Kritik bei Autoren, Juristinnen und Anwaltsverbänden. Der Co-Bundessprecher der Neuen Richtervereinigung wird beispielsweise mit folgenden Worten zitiert: “Der Beck Verlag zeigt damit abermals mangelnde Reflexion über die Verantwortung, die gerade der deutschen Rechtswissenschaft im Kampf gegen Rechtsextremismus und Faschismus zukommt.”

5. Das Ende der ersten Nachkriegszeitung
(verdi.de)
Die “Aachener Nachrichten” gelten als erste freie und demokratische Zeitung in Deutschland, doch heute stehen sie vor dem Aus beziehungsweise vor der Verschmelzung mit der “Aachener Zeitung” – mit unangenehmen Folgen für die Beschäftigten: “Wie aus dem Haus zu hören ist, haben die neuen Besitzer bereits angekündigt, sich der Tarifbindung entziehen zu wollen.”

6. Ein großer Zeitungsmacher mit Witz und Esprit
(tagesspiegel.de, Hermann Rudolph)
Theo Sommer, Publizist, langjähriger Chefredakeur und später Herausgeber der “Zeit”, ist im Alter von 92 Jahren gestorben. In seinem Nachruf erinnert Hermann Rudolph an das Leben und Wirken des großen Zeitungsmachers.