Archiv für Februar, 2021

Grenzen des Boulevard, Putzige Polizeitaktik, Seitenwechslerin

1. Die Grenzen des Boulevard: Über das Leben und Sterben von Kasia Lenhardt
(rnd.de, Imre Grimm)
Die 25-jährige Kasia Lenhardt war Model, Influencerin und Mutter. Am Dienstagabend fand die Polizei ihren leblosen Körper in einer Wohnung in Berlin. Die genauen Hintergründe ihres Todes sind noch unklar. Klar ist jedoch, dass sie seit Wochen im Zentrum einer Boulevard-Schlammschlacht stand. Imre Grimm kommentiert: “Dieser Tod hat eine Vorgeschichte, und sie verrät viel über die Mechanismen eines Teils der modernen Medienwelt, die ihr Heil darin sieht, Menschen bedenkenlos als Gossip-Objekte und Glamour-Rohstoff auszubeuten, erst recht, wenn diese von sich aus nach Aufmerksamkeit streben. Die Unschuldsbeteuerungen klingen dabei immer gleich: Ist doch nicht unser Problem. Die profitieren doch davon!”
Weiterer Lesehinweis: Jedes Detail ein Text: “Das Model Kasia Lenhardt ist gestorben. Der Umgang mit ihr sagt viel über frauenfeindliche Narrative in Boulevard- und sozialen Medien.” (taz.de, Carolina Schwarz)

2. LobbyControl befürchtet “Schieflage in der Digitalpolitik”
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 4:19 Minuten)
Julia Reuss, bisher Büroleiterin von Digitalstaatsministerin Dorothee Bär und Lebensgefährtin von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, wechselt als Lobbyistin zu Facebook. Ulrich Müller von der Initiative LobbyControl findet das problematisch: “Für Facebook ist das Interessante daran, dass sie eine Lobbyistin gewinnen, die gut vernetzt ist, die das politische Geschäft kennt und die dann dabei helfen soll, die Facebook-Interessen stark in die Politik hineinzutragen. Und das ist eben das Problem: Weil wir so viele große Themen vor der Nase haben und es wichtig ist, dass diese zukünftige digitale Regulierung nicht einseitig von den großen Unternehmen wie Facebook bestimmt wird.”

3. Aus Freude am Rassismus
(uebermedien.de, Hendrik Wieduwilt)
In der “Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht” des renommierten Beck-Verlags erschien ein Beitrag des Juristen Rüdiger Zuck, in dem dieser “mit rassistischen Ausdrücken um sich wirft, als wäre es braunes Konfetti”, schreibt Hendrik Wieduwilt. Er hat den Fall aufgearbeitet: “Dieser Zuck-Text und die redaktionelle Entscheidung, ihn zu drucken, ist eine Schande für den Verlag und das Juristenmilieu. Juristen sollten sich fragen: Will man in diesem Zusammenhang eigentlich wirklich noch auftauchen? Andere Verlage haben schließlich auch schöne Zeitschriften.”

Bildblog unterstuetzen

4. Ausländerkriminalität: Medien und Polizei verzerren das Bild
(youtube.com, Zapp, Svea Eckert & Lea Eichhorn, Video: 11:04 Minuten)
Journalisten und Journalistinnen von NDR und BR haben die Berichterstattung über Kriminalität unter die Lupe genommen. Sie haben dazu zahlreiche Polizeipressemitteilungen ausgewertet, die vielen Redaktionen als Grundlage ihrer Berichte dienen. Ein Ergebnis: In der Berichterstattung über Kriminalität würden ausländische Nationalitäten deutlich öfter genannt als deutsche. Svea Eckert und Lea Eichhorn haben mit Chefredakteuren und dem Presserat über die Problematik gesprochen.

5. Wie US-Polizisten mit Uploadfiltern Livestreams verhindern wollten
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
In den USA hätten laut Markus Reuter Bürgerinnen und Bürger bis auf sehr wenige Ausnahmen das Recht, Polizistinnen und Polizisten bei der Arbeit zu filmen. In Kalifornien haben sich manche der Gefilmten auf eine geradezu putzige Weise dagegen gewehrt: Sie haben im Moment der Filmaufnahme ihr Handy gezückt und urheberrechtlich geschützte Musik abgespielt – offenbar in der Hoffnung, dass die Musikerkennung und die Uploadfilter von Instagram anspringen und eine Veröffentlichung unterbinden.

6. Mehr freie “Zeit”
(sueddeutsche.de)
Die “Zeit”-Verlagsgruppe kündigt eine schöne Aktion an: Schülerinnen und Schülern können ab sofort ein kostenloses digitales “Zeit”-Abo bis zum Ende des Schuljahres bekommen. Nach sechs Monaten, zu Beginn der Sommerferien, laufe das Abo automatisch aus, ohne dass eine Kündigung nötig sei. Mit dem Angebot wolle der Verlag vor allem Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 10 bis 13 ansprechen.

Bärs Seitenwechslerin, “Welt”-Redakteur bedauert, Murdoch-Doku

1. Bärs Büroleiterin wechselt zu Facebook
(n-tv.de)
Die Büroleiterin von Digitalstaatsministerin Dorothee Bär wechselt nach Informationen des “Handelsblatts” (nur mit Abo lesbar) ansatzlos, das heißt ohne Karenzzeit, die Seiten: Vom Ministerialbüro, bei dem auch Facebook ein Thema gewesen sein muss, geht es direkt zu, man ahnt es schon, Facebook. Die umtriebige Büroleiterin hat bereits Erfahrungen mit derartigen Wechseln und ist privat mit Andreas Scheuer liiert, der als Minister unter anderem für die digitale Infrastruktur zuständig ist.

2. “Welt”-Redakteur bedauert “extrem zugespitzte Formulierung” über Drosten
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Ein leitender “Welt”-Redakteur hat unter seinem eigenen Welt.de-Beitrag einen Kommentar abgegeben, in dem er den Virologen Christian Drosten bezichtigte, “wahrscheinlich Hunderttausende Menschenleben auf dem Gewissen” zu haben (der Kommentar wurde mittlerweile gelöscht). Der Medienkritiker Stefan Niggemeier hat sich die weiteren Behauptungen des Redakteurs zum Thema Corona angeschaut, die nicht weniger verstörend sind.

3. Gratwanderung zwischen Journalismus und Aktivismus
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 4:50 Minuten)
Der “Stern” hat eine Petition zum Thema Pflege gestartet, die mittlerweile von über 200.000 Leuten unterschrieben wurde. Die Aktion wird recht unterschiedlich bewertet: Einige begrüßen die Initiative, anderen ist sie zu aktionistisch. Beim Deutschlandfunk kommen beide Seiten zu Wort.

Bildblog unterstuetzen

4. Das große Schweigen
(taz.de, Juri Sternburg)
Die “Welt” leistet sich mit “Don Alphonso” einen Kolumnisten, der von vielen Menschen als Gefahr empfunden wird: “Die Namen der Opfer: Wer sie sucht, findet sie. Es sind Journalist*innen, Politiker*innen, deren Mitarbeiter*innen. Nach Erwähnung durch Don Alphonso sahen sie sich laut eigener Aussage mit Telefonterror und Morddrohungen konfrontiert. Sie berichten von Schmähungen, Beleidigungen, von beruflichen wie privaten Folgen.” Wie kann es sein, dass so jemand in der Jury des Medienpreises des Bundes­tags sitzt, fragen sich viele. Juri Sternburg hat sich bei den anderen Jury-Mitgliedern umgehört, ob ihnen in den Sinn gekommen ist, die Jury zu verlassen.
Zusatzhinweis: Die mit dem Medienpreis des Bundestages ausgezeichneten “SZ”-Autoren Nico Fried und Boris Herrmann gehen mit dem Thema auf eine Weise um, die für sich spricht: “Wir nehmen den Preis gerne entgegen, auch aus Respekt vor dem Bundestag und dessen Präsidium. Das Preisgeld werden wir der Organisation HateAid spenden.”

5. Holzner will mehr Kooperation: “Wir machen vieles doppelt und dreifach”
(dwdl.de, Torsten Zarges)
Gabriele Holzner ist Programmdirektorin und Vize-Intendantin des Hessischen Rundfunks. Im Interview mit “DWDL” spricht sie unter anderem über die Senderstrategie, lineare Formate nur noch für eine eingeschränkte Zeitschiene zu entwickeln und auszuspielen. Alle anderen Redaktionen würden für die Onlinekanäle produzieren: “Sie erhalten den bewussten Auftrag, neue Formate für die Mediathek zu entwickeln bzw. bestehende im Hinblick auf die Mediathek weiterzuentwickeln. Diese Formate sollen vor allem in der Mediathek performen, sie werden nicht mehr für einen linearen Sendeplatz produziert, sondern der lineare Sendeplatz ist fortan die Zweitverwertung.”

6. Der Aufstieg der Murdoch-Dynastie
(arte.tv, Jamie Roberts, Video: 50:04 Minuten)
In der Arte-Mediathek gibt es eine dreiteilige Doku über den australischen Multimilliardär und Medienmogul Rupert Murdoch, der als mächtigster Mann der Medienwelt gilt. Die BBC-Produktion zeichnet Murdochs Weg von seinen Anfängen in der australischen Regionalpresse bis an die Spitze eines global agierenden Familienimperiums nach. Oben verlinkt ist Teil 1 (“Der Königsmacher”). Hier die Links zu den Teilen 2 und 3:

Amanis beste Instanz, Gegenrede zum Coming-Out-Verriss, Reddit

1. »Wir müssen ran, sonst machen es andere für uns«
(spiegel.de, Arno Frank)
Was der WDR nach seiner vielfach kritisierten Ausgabe von “Die letzte Instanz” hätte machen sollen, hat nun die Unterhaltungskünstlerin Enissa Amani auf eigene Initiative und Rechnung übernommen: Einen Talk mit von Rassismus betroffenen Menschen. Arno Frank kommentiert: “Sollte ein so gigantischer Apparat wie der WDR wirklich nicht in der Lage gewesen sein, kurzfristig ein vergleichbares Format auf die Beine zu stellen? Schlimm wäre, fehlte ihm dazu die Fähigkeit. Schlimmer wäre, fehlte ihm dazu der Willen. Und wenn die öffentlich-rechtlichen Räume verschlossen oder zu eng sind, weicht die gesellschaftsrelevante Zielgruppe eben in »safe spaces« aus.”

2. Coming-out-Verriss in der “FAZ”: Gegenrede auf Sandra Kegel
(nollendorfblog.de, Johannes Kram)
Das Magazin der “Süddeutschen Zeitung” berichtete am Freitag (nur mit Abo lesbar) über ein gesammeltes Coming-out von Schauspielern und Schauspielerinnen, die in einem Manifest mehr Sichtbarkeit und Repräsentanz queerer Darstellerinnen und Darsteller sowie queerer Themen und Geschichten in Film, Fernsehen und Theatern fordern. Die Feuilleton-Chefin der “FAZ” hat für die Aktion nicht viel übrig und spricht vom “Kalkül im Ringen um Aufmerksamkeit bei Verkennung der Verhältnisse”. Der Artikel habe in und außerhalb der Community für Entsetzen gesorgt, schreibt Johannes Kram und antwortet mit einer “Gegenrede”.

3. Experten (IV)
(noemix.wordpress.com, Michael Nöhrig)
In der auflagenstärksten Wochenzeitschrift Österreichs “Die Woche” (280.000 verkaufte Exemplare) wird in einem Beitrag die “Sinnhaftigkeit” von FFP2-Masken bezweifelt. Dabei stützt man sich auf das Urteil vermeintlicher Experten. Michael Nöhrig hat sich angeschaut, von wem das vernichtende Expertenurteil stammt.

Bildblog unterstuetzen

4. Streik bei Euronews
(sueddeutsche.de)
Beim europäischen Nachrichtensender Euronews haben nach Angaben des Senders 50 Beschäftigte die Arbeit niedergelegt. Der Streik richte sich nach Angaben des Deutschen Journalisten-Verbands gegen “miserable Arbeitsbedingungen und ständig wachsende Anforderungen der Geschäftsleitung an die Beschäftigten ohne zusätzliche Bezahlung”. Außerdem würden die Streikenden unzureichende Corona-Schutzmaßnahmen in der Redaktion beklagen.

5. Twitter erzielt Rekordumsatz dank Werbeboom
(meedia.de, Nils Jakobsen)
Twitter ist im letzten Quartal des Jahres 2020 deutlich gewachsen. Der Kurznachrichtendienst hat insgesamt ein Unmsatz-Plus von 28 Prozent eingefahren, die Werbeerlöse stiegen um 31 Prozent. Auch beim Gewinn habe man zugelegt: “In den letzten 92 Tagen 2020 verdiente Twitter netto nunmehr 222 Millionen Dollar – ein Plus von knapp 12 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr, als noch 199 Millionen Dollar eingefahren wurden.”

6. Das kann nur Reddit: Wenn der Internet-Stammtisch einen Börsen-Coup organisiert
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Die Online-Plattform Reddit wird oft als letzter großer Stammtisch des Internets bezeichnet. Sie war jüngst Ausgangspunkt eine der kuriosesten Finanzentwicklungen der vergangenen Jahre: User hatten sich verabredet, massenhaft in Aktien des angeschlagenen Videospiele-Händlers Gamestop zu investieren, worauf der Kurs explodierte.

Kollektives Lockdownjammern, Visual Investigation, Klagen gegen Fox

1. Die Pandemie wär halb so wild, gäb es bloß den Lockdown nicht
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Nachdem die Sat.1-Moderatorin Marlene Lufen mit einem Instagram-Statement zu Corona viel Aufmerksamkeit (und Kritik) erhalten hatte, spendierte ihr der Sender eine Sondersendung: “Marlene Lufen: Deutschland im Lockdown”. “DWDL”-Chef Thomas Lückerath hat sich die Sendung angeschaut, die er bereits jetzt für eine “überzeugende Bewerbung für den Tiefpunkt des Jahres” hält: “So empathisch Gastgeberin Lufen auch ist – mit dieser Sendung hat sie leider nicht versöhnt, sondern gespalten.”
Weiterer Lesehinweis: Zu einem ähnlichen Urteil kommt Matthias Schwarzer, der von einem “kollektiven Lockdownjammern ohne Ergebnis” spricht (rnd.de).

2. Sechs Videos sind eine Explosion
(sueddeutsche.de, Jörg Häntzschel)
Mittels Visual Investigation beziehungsweise Open Source Investigation werten ganze Teams von Rechercheuren Fotos und Handyaufnahmen aus, um Abläufe zu rekonstruieren – sei es einen Giftgasangriff in Syrien, die Explosion im Hafen von Beirut oder den Sturm aufs Capitol. Jörg Häntzschel wirft einen Blick auf dieses spannende Thema, bei dem Journalistinnen und Journalisten zu Ermittlerinnen und Ermittlern werden.

3. Europas Werk und Googles Beitrag
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Der Journalismus ist weiterhin in der Krise, trotz coronabedingt steigender Klick- und Abozahlen. Die Onlinezuwächse können oft nicht das ausgleichen, was im Print durch wegbrechende Auflagen und Werbeeinnahmen entfällt. Nun wolle die EU den Journalismus mit Finanzspritzen aufpäppeln und den digitalen Werbemarkt neu regeln. Die Digital-Lobby ist davon erwartungsgemäß wenig angetan.

Bildblog unterstuetzen

4. Klagen gegen Fox
(verdi.de, Max Böhnel)
Dem US-amerikanischen Nachrichtensender Fox News steht eine gigantische Schadensersatzklage ins Haus. Das US-Unternehmen Smartmatic, das Wahlcomputer und Stimmauswertungssysteme herstellt, besteht auf eine Zahlung von 2,7 Milliarden Dollar. Und auch sonst stünden dem Sender schwierige Zeiten bevor: Der einstmals große Fan Donald Trump hatte sich bereits vor einiger Zeit von seinem langjährigen Haussender abgewandt und seiner Anhängerschaft die Konkurrenten NewsMax und OAN empfohlen.

5. Journalismus&Netz | Januar Edition: In da Club
(blog.torial.com, Alex Sängerlaub & Simon Hurtz)
Simon Hurtz und Alex Sängerlaub haben sich auf die Netzsuche gemacht und die wichtigsten Erkenntnisse des vergangenen Monats zusammengetragen: Welche Themen haben die Medien besonders beschäftigt? Was hat sich in der Medienpolitik getan? Und was sollte man unbedingt lesen?

6. Spannend, wie sich dieses Gespräch entwickelt.
(twitter.com, Übermedien, Video: 1:35 Minuten)
“Deutschland erlebt heftigen Winter-Sonntag” – und mittendrin eine “Bild-TV”-Moderatorin sowie Jean Pütz, pardon, “die Moderatorenlegende Jean Pütt”. Anderthalb Minuten (unfreiwillige) Comedy.
Weiterer vergnüglicher Gucktipp: “#Flockdown! Winterchaos! Schneekatastrophe!” (twitter.com, Extra 3, Video: 1:33 Minuten).

Der Troll und der Don, Gelöschter Laschet, “Twitterperlen”-Besuch

1. Die beste Nachricht
(taz.de, Anne Fromm)
Anne Fromm hat beim Lesen der Zeitungen in den vergangenen Tagen einmal sehr schlechte und einmal sehr gute Laune bekommen. Einmal ging es um den Chefredakteur der Magdeburger “Volksstimme” und dessen verstörende Führer-Fantasien, das andere Mal um die 185 Schauspieler und Schauspielerinnen, die sich im “SZ-Magazin” (nur mit Abo lesbar) als homo-, bisexuell, trans*, queer oder nicht-binär outen.
Weiterer Lesehinweis: Schauspieler*innen-Coming-out: Der Kampf beginnt erst jetzt! (nollendorfblog.de, Johannes Kram).

2. Der Troll und der Don: Warum liebt “Welt”-Chef Ulf Poschardt seinen Kolumnisten?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 33:56 Minuten)
Im “Übermedien”-Podcast geht es diesmal um “Welt”-Chefredakteur Ulf Poschardt und dessen Rückendeckung für den Kolumnisten Rainer Meyer (Pseudonym: “Don Alphonso”). In der “Zeit” war zuvor die Frage gestellt worden, ob Meyer dafür verantwortlich ist, “dass Menschen, über die er schreibt, anschließend von Rechten bedroht werden”.
Weiterer Lesehinweis: Auf Twitter hat der “6 vor 9”-Kurator in einer satirischen Aktion (fast) jede Person, die ausdrücklich darum bat, im Ulf-Poschardt-Style beschimpft. 70 der annähernd 500 Personen, die das wollten, hatten das Vergnügen, mit einem Schimpf-Tweet im Poschardt-Stil bedacht zu werden (vielleicht am Übersichtlichsten hier nachzulesen).

3. Die ewige Lockdownlitanei: Das sind die sieben anstrengendsten Corona-Floskeln
(rnd.de, Imre Grimm)
Immer die gleichen Corona-Appelle, immer das gleiche Krisenvokabular … Imre Grimm hat sich die sieben anstrengendsten Corona-Floskeln vorgeknöpft und sie einer sprachkritischen Betrachtung unterzogen.

Bildblog unterstuetzen

4. Gelöschter Laschet-Beitrag: “Spiegel”-Kritik am WDR zielt ins Leere
(dwdl.de, Alexander Krei)
“WDR löschte heiklen Beitrag über Laschet”, hieß es am Freitag in einer Meldung des “Spiegel” (nur mit Abo lesbar). In dem nicht mehr abrufbaren WDR-Stück soll NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zu hören sein, wie er erklärt, die Räumung des Hambacher Forsts unter “einem Vorwand” veranlasst zu haben. Der WDR hat eine andere Sichtweise auf den Vorgang und führt Gründe für die Löschaktion an.

5. Wilhelm-Busch-Preis 2021 für langjährigen Tagesspiegel-Zeichner Mawil
(tagesspiegel.de, Lars von Törne)
Der 45-jährige Berliner Comicautor und “Tagesspiegel”-Zeichner Markus Witzel (“Mawil”) ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. “Mawil” ist für seine eigenen Arbeiten bekannt, hat aber auch als erster deutscher Zeichner einen Band der international bekannten Reihe “Lucky Luke” gestaltet.

6. Mal schnippisch, mal ironisch, oft nur albern
(sueddeutsche.de, Clara Lipkowski)
“Twitterperlen ist eine verwichste Scheißfickseite, die mit geklauten Tweets Clicks macht. Hoffentlich wird das eine Twitterperle.” Auf diesen Rant von Jan Böhmermann aus dem Jahr 2016 sind die beiden “Twitterperlen”-Chefs heute noch stolz. Clara Lipkowski hat die beiden Perlensucher in ihrem Industrieloft in Nürnberg besucht.

Lufens Lockdownkritik, BDA pfeift auf Whistleblower, Lehrspiel für Trolle

1. Marlene Lufens Lockdownkritik: Wut und Irrtum
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Die Sat.1-Moderatorin Marlene Lufen veröffentlichte auf ihrem Instagram-Kanal ein Video, in dem sie sich besorgt über die Folgen des Lockdowns zeigte. Sie fürchte, “dass wir in zwei, drei Jahren zurückgucken und denken, wir haben es falsch gemacht”. Das Video verzeichnete binnen vier Tagen mehr als zehn Millionen Aufrufe. Matthias Schwarzer hält Lufens Ausführungen weder für schlüssig, noch für hilfreich: “Lufen beschreibt ein Bauchgefühl, das zwar gut teilbar ist, aber mit der Realität kollidiert. Und das Schlimmste: Sie publiziert ein Video, das am Ende des Tages niemandem hilft, sondern noch viel mehr verunsichert. Brauchen wir das gerade wirklich?”

2. Warum das neue Urheberrecht alle angeht
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Simon Hurtz ist sich sicher: Die EU- Urheberrechtsreform wird das Netz verändern. Bei der “Süddeutschen Zeitung” erklärt er angenehm kompakt die wichtigsten Änderungen, ordnet die Interessenlagen ein und spekuliert, wie es weitergehen könnte.

3. Neues Tool hilft Journalisten bei der Expertensuche
(de.ejo-online.eu, Markus Lehmkuhl & Volker Stollorz & Melanie Leidecker-Sandmann)
Für Journalisten und Journalistinnen ist es oftmals schwer, passende Ansprechpartner in der wissenschaftlichen Expertenwelt zu finden. Hilfreich könnte die filterbare Webapplikation ExpertExplorer sein, die nach Eingabe eines Stichworts die Datenbank Europe PubMed Central durchsucht und eine Liste mit Expertinnen und Experten samt Kontaktdetails ausgibt.

Bildblog unterstuetzen

4. “In Irland würde man sich fragen, ob das noch Journalismus ist”
(fachjournalist.de, Laura Patz)
Derek Scally ist seit 20 Jahren der Auslandskorrespondent der Zeitung “Irish Times” in Berlin, arbeitet aber auch für verschiedene deutsche Medien. Beim “Fachjournalist” kann man lesen, was Scally vor zwei Jahrzehnten nach Deutschland gebracht hat und wie er die jetzige Krisenzeit einschätzt: “Wäre ich selbst nicht Journalist, würde ich sehr hoffen, dass es da draußen Vollzeit-Journalisten gibt, Profis, die für professionelle Medien arbeiten, die dafür bezahlt werden, dass sie diese Fülle an Informationen durchkämmen und leserfreundlich aufbereiten, ohne sie zu vereinfachen. Sie sind dafür verantwortlich, das zu tun, wofür ich als Individuum keine Zeit habe.”

5. BDA fordert verfassungswidrige und unionsrechtswidrige Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie
(whistleblower-net.de)
Der Bund der Arbeitgeber (BDA) hat ein “Positionspapier mit Vorschlägen zur Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie in nationales Recht” verfasst (PDF) – zum Entsetzen des Vereins Whistleblower-Netzwerk: “Es ist erstaunlich, wie hartnäckig sich Teile der deutschen Wirtschaft gegen ein umfassendes Whistleblowerschutzgesetz wehren und dafür nicht vor faktisch falschen oder irreführenden Behauptungen zurückschrecken.”

6. Lehrspiel für jüngere und andere Trolle
(verdi.de, Julia Hoffmann)
“Von der Falschmeldung zum Chaos! Wie böse bist du?” Beim pädagogisch-aufklärerischen Onlinespiel “Bad News” schlüpfen die Spielerinnen und Spieler in die Rolle eines üblen Erschaffers und Verbreiters von Falschmeldungen. Kann ein derartiges Game das Problembewusstsein über Desinformation im Internet stärken? Julia Hoffmann hat mitgespielt und sich zumindest unterhalten gefühlt.

Kabinett billigt, Mit Klischees Quote machen, “Welt”-Kolumnist

1. Kabinett billigt Gesetzentwurf für Urheberrechtsreform
(zeit.de)
Nach einigem Ringen hat die Bundesregierung den umstrittenen Gesetzentwurf zur Überarbeitung des Urheberrechts auf den Weg gebracht. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach von der “größten europäischen Urheberrechtsreform der letzten 20 Jahre”. Verbraucherschützerinnen und Datenschützer sind weniger begeistert. Siehe dazu auch den Beitrag von Kristin Becker aus dem ARD-Hauptstadtstudio: Kritik von allen Seiten. Auf Twitter verlinkt der Youtuber Rezo einen ebenfalls lesenswerten “Spiegel”-Beitrag über die Urheberrechtsreform und merkt an: “Kampagnen (samt Desinformation) der Presseszene haben gewirkt. PolitikerInnen haben eigene Grenzen immer mehr aufgeweicht. Ergebnis: Wenn du als PRIVATPERSON diesen Tweet zitierst, würde er von Uploadfiltern geblockt werden. Lost.”

2. Wirecard gegen die Medien
(youtube.com, Inga Mathwig & Nils Altland, Video: 12:55 Minuten)
NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung” liegen interne Mails, Chats und Rechnungen der Firma Wirecard vor, die sich mit kriminellen Methoden zum milliardenschweren Zahlungsdienstleister hochgeschwindelt haben soll. Die Unterlagen, von denen das Medienmagazin “Zapp” berichtet, zeigen: Die Firma verwandte viel Geld und Energie auf Überlegungen, wie man kritische Journalistinnen und Journalisten beobachten und mit Schmutzkampagnen diskreditieren kann.

3. WDR wollte mit Klischees Quote machen
(belltower.news, Nicholas Potter)
In einer Ausgabe der WDR-Talkshow “Die letzte Instanz” machten sich Gäste über Rassismus lustig und reproduzierten antiziganistische Ressentiments. “Belltower News” hat mit Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, über den Fall gesprochen: “Ich habe mir im Nachhinein die Sendung angeschaut. Ich war fassungslos über diese Form der Diskussion und die Arroganz der Anwesenden. Absicht will ich nicht unterstellen. Man kann das ganze Verhalten der Verantwortlichen nur mit Dummheit erklären.”

Bildblog unterstuetzen

4. Warum Science-Influencer so oft geklickt werden
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:08 Minuten)
Der 27-jährige Wissenschaftler Jacob Beautemps hat auf Youtube mehr als eine Viertelmillion Follower. Auf seinem Kanal “Breaking Lab” erklärt er regelmäßig naturwissenschaftliche Themen und berichtet über technologische Entwicklungen. Eine Studie der Uni Trier hat festgestellt, dass Science-Influencer und -Influencerinnen wie Beautemps oder Mai Thi Nguyen-Kim häufiger geklickt werden als Inhalte von Unis und Forschungseinrichtungen. Und, dass es dafür Gründe gibt.

5. Warum Tweets von “Welt”-Autor Don Alphonso immer noch zu Hass und Morddrohungen führen
(volksverpetzer.de)
Wenn der “Welt”-Autor Rainer Meyer (“Don Alphonso”) twittert, führt das immer wieder zu Hasskampagnen gegen die von ihm negativ erwähnten Personen. Gelegentlich sei es auch zu Morddrohungen gekommen. Das Team vom “Volksverpetzer” ist der Sache nachgegangen: “Wir analysieren die neusten Diskussionen rund ums Thema und erneuern unsere Twitter-Daten-Analyse von letztem Jahr, die erneut zeigt warum das so ist: Don Alphonsos Twitter Blase ist immer noch voll mit Rechtsradikalen. Er weigert sich nach wie vor, diese zu blocken.”
Weiterer Lesehinweis: Auch in der “Zeit” fragt man unter der Überschrift “Markierte Zielperson”: “Ist der Blogger Don Alphonso dafür verantwortlich, dass Menschen, über die er schreibt, anschließend von Rechten bedroht werden?” (zeit.de, Antonia Baum).

6. Esser wird nach Protesten nicht neuer Medienchef beim 1. FC Köln
(wdr.de)
Gerade erst hat der Fußballverein 1. FC Köln die Verpflichtung seines neuen Medienchefs Fritz Esser bekanntgegeben, da muss er auch schon zurückrudern: “Wir bitten alle Mitglieder und Fans um Entschuldigung. Wir haben Herrn Esser als integren Menschen mit demokratischem Wertegerüst kennengelernt. Dennoch haben wir uns nach intensivem Austausch entschieden, auf die Zusammenarbeit zu verzichten.” Esser hatte sich in der Vergangenheit anscheinend negativ über FC-Fans geäußert und öffentlich AfD-nahe Positionen vertreten. Die Personalentscheidung sorgte bei Anhängern des Klubs für Entsetzen. Ein in diesem Zusammenhang interessanter Aspekt: “Esser, der zuletzt für die DB-Tochter Schenker Logistics den Newsroom leitete, arbeitete zuvor neun Jahre für die Bild-Zeitung. Dort vertrat er immer wieder Positionen, die viele der protestierenden FC-Fans nicht für vereinbar mit den Werten des Klubs halten.”

Müder Kompromiss, Rassistische Begriffe, Raus aus dem Kaiserreich

1. Nur ein müder Kompromiss
(taz.de, Erica Zingher)
Der Streamingdienst Disney+ hat einige seiner Filmklassiker wie “Das Dschungelbuch”, “Aristocats”, “Peter Pan” oder “Dumbo” mit Warnhinweisen zu rassistischen Stereotypen versehen (weiterführende Erklärungen liefert der Konzern auf seiner auf englischsprachigen Website.) “taz”-Redakteurin Erica Zingher reicht das nicht: “Man kann diesen Weg als müden Kompromiss werten. Als einen Kompromiss zwischen der Fraktion, die ‘Cancel Culture’ schreit und der, die zurecht rassistische Inhalte verurteilt. Müde ist das alles, weil es sich Disney damit zu einfach macht. Die Zielgruppe der Cartoons, also Kinder, wird mit Hinweisen sicher nicht erreicht. Die Verantwortung aufzuklären, überträgt Disney damit auf die Eltern – und ist selbst fein raus.”

2. Sprachforscher erklärt: Darum fällt es manchen Menschen so schwer, nicht mehr “Zigeunersoße” zu sagen
(rnd.de, Geraldine Oetken)
In dem WDR-Talk “Die letzte Instanz” konnte man erleben, wie hochemotional um die Verwendung von diskriminierenden Worten gerungen wird. Woran liegt das? Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch vermutet zwei Gründe: “Zum einen setzen Debatten in den Medien wie auch bei ‘Die letzte Instanz’ stark auf Konfrontation und auf ein Für und Wider. Andererseits fühlen sich viele schnell durch die Diskussion angegriffen. Das merkt man daran, dass die dann gleich verteidigend sagen: ‘Ich bin kein Rassist.’ Aber darum geht es ja gar nicht. Man kann rassistisch handeln, ohne ein Rassist zu sein.”
Weiterer Lesehinweis in eigener Sache: Der “6 vor 9”-Kurator kommentiert auf Twitter das Statement von Moderator Steffen Hallaschka: “In der Politik und der Öffentlichkeitsarbeit kommt es immer wieder zum Phänomen der ‘Nonpology’. Darunter versteht man eine Entschuldigung ohne echte Reue. Das Ziel: Vergebung ohne Schuldanerkenntnis. Dieses Statement zu #DieletzteInstanz ist ein schönes Beispiel dafür.”

3. Clubhouse mag dein Telefonbuch wirklich gern
(zerforschung.org)
Das Team von “Zerforschung” hat sich auf Reverse Engineering spezialisiert: das Auseinandernehmen von bereits bestehenden Systemen, um deren Funktionsweise zu untersuchen. Neuestes Produkt des Interesses: Die Audio-Chat-App Clubhouse, die auch wegen ihres mangelnden Datenschutzes ins Gerede gekommen ist. Nach einem Blick in den Quellcode der Anwendung stehe fest: “Jedes mal, wenn man das Invite-Tab öffnet, werden alle Telefonnummern aus dem Adressbuch hochgeladen.”
Zu den Datenschutzproblemen der App zwei Links aus dem Archiv: “Der Verbraucherzentrale Bundesverband wirft der neuen Social-Media-App gravierende rechtliche Mängel vor. In einer Abmahnung geht es auch um Datenschutz.” – Verbraucherschützer mahnen Clubhouse ab (zeit.de).
“Ein Hamburger Sicherheitsexperte hat dem SPIEGEL eine Reihe von Schwachstellen in der App Clubhouse demonstriert. Sie erlauben es, Nutzer gezielt auszusperren, massenhaft Daten abzufragen und zufällige Konten zu kapern.” – Clubhouse bietet Hackern zahlreiche Angriffsmöglichkeiten (spiegel.de, Patrick Beuth).

Bildblog unterstuetzen

4. RUMS, das Online-Magazin für Münster
(wdr.de, Hilka Sinning, Video: 3:35 Minuten)
In Münster sorgt ein junges Digital-Angebot für mehr journalistische Vielfalt in der Region. Das Online-Magazin “Rums” (für das auch BILDblog-Autor Ralf Heimann arbeitet) startete mitten im ersten Lockdown und konnte sich trotz der erschwerten Bedingungen behaupten. “Westart” hat das ambitionierte Projekt besucht, das bereits als Vorbild für neue Formen von Lokaljournalismus gehandelt wird.

5. Gemeinsam gegen Netflix
(faz.net, Conrad Heberling)
Der Erfolg der Streaming-Plattformen hat dazu beigetragen, die Dominanz der US-amerikanischen Filmwirtschaft zu verstärken: “Es scheint uns gleichgültig zu sein, dass wir mit unseren monatlichen Abogebühren dazu beitragen, dass diese Multis unsere deutsch-europäische Mediengesetzordnung unterlaufen und gigantische Umsätze und Gewinne machen, die sie nicht einmal in Deutschland, geschweige denn in Europa versteuern.” Conrad Heberling hat die Situation analysiert und überlegt, wie eine Lösung aussehen könnte.

6. Raus aus dem Kaiserreich
(sueddeutsche.de, Wolfgang Görl)
Die Bezeichnung der kunstgeschichtlichen Epoche Jugendstil geht zurück auf die von Georg Hirth 1895 in München gegründete illustrierte Kulturzeitschrift “Jugend”. Wolfgang Görl erinnert schwelgerisch an die für damalige Zeiten revolutionäre Kunst- und Literaturzeitschrift: “Von Anfang an begeistert die Jugend ihr Lesepublikum mit anspruchsvollen Layouts, man legt Wert auf preziös illustrierte Seiten und plakative Titelblätter, auf denen oft junge und schicke Menschen zu sehen sind, gestaltet in spielerisch verschnörkelten Linien und umflort von Blütendekor, mal in leichtstoffigen, dem Spiel des Windes folgenden Wallegewändern, mal nackt auf langmähnigen Pferden reitend, und es wimmelt nur so von Seejungfrauen und Sartyrn [sic], deren dekorative Körper sich räkeln und winden, während im verträumten Blick etwas pikant Frivoles aufblitzt.”

Der Unfall, der keiner war, Idiotische Zeiten, Urheberrechts-Gezerre

1. Das war kein Unfall
(taz.de, Anne Fromm)
Vor einigen Tagen strahlte der WDR (erneut) seinen misslungenen Talk “Die letzte Instanz” über Rassismus und Sprache aus, der im Netz für viel Kritik sorgte. Anne Fromm fasst die Reaktionen der Betroffenen zusammen: “Großes Bedauern beim WDR, bei Micky Beisenherz und Janine Kunze. Man habe gelernt und werde es künftig besser machen. Das Problem ist nur: Die Sendung war kein Unfall. Sie hat einmal wieder gezeigt, wie sich mit billigen Klischees und dümmlichen Witzen Quote machen lässt. Aber ist es Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen, das abzubilden?”
Weitere Lesehinweise: Bei “Zeit Online” kommentiert Matthias Dell: “Sollte es dem WDR mit dem Lernen ernst sein: Ich bin mir gar nicht sicher, ob es nur darum geht, dass hier Menschen mitreden dürfen, die durch rassistische Fremdzuschreibungen diskriminiert werden. Auch weil ich mir schwer vorstellen kann, wer Bock haben sollte, in so einer Runde, in der es überhaupt nicht darum geht, etwas zu verstehen, und in der Leute sitzen, die offenbar mit dem Nachdenken Probleme haben, noch einmal zu klären, wie Rassismus funktioniert und warum Rassismus nichts Gutes ist.”
Bei Stern.de schreibt Michel Abdollahi: “Vielleicht sollten wir Migrant*innen uns als Paprikasoße verkleiden, da würden mehr Menschen für uns in die Bresche springen.”
Und bei “Übermedien” empfiehlt Samira El Ouassil: “Eigentlich ist es ganz leicht: Nicht über Menschen sprechen, sondern mit ihnen”.

2. “Von jungen Influencern geht eine Gefahr für Kinder und Jugendliche aus”
(medienpolitik.net, Helmut Hartung)
Die Landesmedienanstalten haben mehr als 700 relevante Websites, Youtube-Kanäle und Social-Media-Angebote auf gefährliche Inhalte untersuchen lassen. Der Titel ihrer Analyse: “Alternative Medien und Influencer als Multiplikatoren von Hass, Desinformation und Verschwörungstheorien”. Bei mehr als einem Drittel der Fälle habe man einen Anfangsverdacht auf strafbare, jugendgefährdende oder entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte festgestellt. Dies beträfe vor allem Inhalte beim Netzwerk VK und beim Messenger Telegram. Medienpolitik.net hat mit dem Vorsitzenden der Kommission für Jugendmedienschutz, Marc Jan Eumann, über die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Untersuchung gesprochen.

3. “Alles, was Erfolg hat, reden sie klein”
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz, Audio: 6:55 Minuten)
Mit deutlichen Worten kritisiert die Autorin Elke Heidenreich die öffentlich-rechtliche Literaturkritik. Die Sender würden das Thema von Grund auf falsch handhaben und die Beiträge zu “idiotischen Zeiten” wie 6:45 Uhr ausstrahlen, statt sie über den ganzen Tag zu verteilen. Sie wünsche sich Berichte über “viele Bücher, auf viele Sendungen über den Tag verteilt, in einfacher Sprache”.

Bildblog unterstuetzen

4. Facebook plant bildschirmfüllende Datenschutz-Hinweise
(spiegel.de)
Apple will Nutzerinnen und Nutzern seiner iPhones und iPads neue Möglichkeiten zur Kontrolle über ihre Privatsphäre geben. Sie sollen künftig selbst bestimmen können, ob Apps ihre Daten weitergeben dürfen. Facebook sieht darin eine Bedrohung seines Geschäftsmodells und plane großflächige Datenschutz-Hinweise, in denen man um Unterstützung für Werbeunternehmen bitten wolle.

5. Edit Policy: Lobbyismus und Kampagnen – neues Gezerre um die Urheberrechtsreform
(heise.de, Julia Reda)
Die Verabschiedung der Urheberrechtsreform durch das Bundeskabinett schien sicher, doch kurz zuvor kam es zu einem überraschenden Rückzieher. Die Digital-Expertin und ehemalige Europaabgeordnete Julia Reda erklärt die Hintergründe, die mit Wirtschaftsinteressen und Lobbyarbeit zu tun hätten.

6. Prinz Harry gewinnt
(sueddeutsche.de)
Ein Londoner Gericht hat einer Klage von Prinz Harry stattgegeben und verfügt, dass die Boulevardzeitung “Mail on Sunday” eine erneute Entschuldigung veröffentlichen muss. Darin müsse deutlich werden, dass die Aussage in einem beanstandeten Artikel falsch war.

Rassismus-Stammtisch beim WDR, Privilegierte Quelle?, Lehrstück

1. “Das Diskriminierendste, das ich seit Langem gesehen habe”
(jetzt.de)
In der WDR-Sendung “Die letzte Instanz” haben sich vier weiße und privilegierte Promis zum Rassismus-Talk zusammengesetzt und allerlei unreflektierte Aussagen auf Stammtisch-Niveau getätigt. So jedenfalls die Wertung vieler Personen, die die Sendung gesehen haben: “Das hier ist das mit Abstand ignoranteste, arroganteste und diskriminierendste was ich seit langem im deutschen TV gesehen habe. Vier weiße Menschen, die erklären wie anstrengend und albern es ist sich mit Rassismus-Kritik auseinanderzusetzen. DANKE @WDR”, kommentierte beispielsweise Jasmina Kuhnke auf Twitter.
Um sich ein vollständiges Bild von den Dimensionen des TV-Debakels zu machen, lohnen zwei Twitter-Threads: Claudius Rück erklärt dem WDR in einem offenen Brief die Folgen des Talks: “Sie haben mit diesem Teil der Sendung übelste sprachliche Rassismen reproduziert, die ein Leben (und Überleben) der betroffenen Personengruppen erschweren oder unmöglich machen.” Und auch Anatol Stefanowitsch macht sich Gedanken über die Verantwortung der Sender: “Demokrat_innen und Humanist_innen verteidigen den ÖR seit Jahren gegen Angriffe von Rechts und halten sich mit eigener Kritik zurück, aber das öffentlich-rechtliche Fernsehen erfüllt seine Aufgabe nicht auf eine Art und Weise, mit der sie sich das verdienen würden.”
Und als letzte Empfehlung ein kurzer Ausschnitt aus dem “Kölner Treff”, in dem Gianni Jovanoviç, Sohn einer Roma-Familie, aus eigener Betroffenheit berichtet: “Das Wort Z wurde meinen Verwandten und Menschen aus meiner Familie in der Zeit von 1939 bis 1945 in der Haut eintätowiert und dann wurden sie vergast.” (Video: 1:55 Minuten)

2. PR-Agentur bot Wirecard an, Journalisten auf eine “schwarze Liste” zu setzen
(stern.de, Hans-Martin Tillack)
Hans-Hermann Tiedje, Medienmanager und früherer Chefredakteur der “Bild”-Zeitung, soll mit seiner PR- und Lobby-Agentur jahrelang für Wirecard tätig gewesen sein. Internen Mails zufolge, die dem “Stern” vorlägen, habe die Firma bis zumindest Ende 2019 für das Unternehmen unter anderem die Berichterstattung in der Presse beobachtet und Wirecard beim aggressiven Vorgehen gegen kritische Journalistinnen und Journalisten mindestens indirekt unterstützt. Außerdem habe Tiedjes Agentur eine “Kommunikationsstrategie” angeboten, um die Firma “unverwundbar” zu machen. Der reißerische Titel des Angebots: “Drachenblut”.

3. Intrigen, Eifersucht, Missgunst
(sueddeutsche.de, Angelika Slavik)
Die mehrköpfige Chefredaktion des “Spiegel” scheint zerstritten zu sein. So sehr, dass sich ein Teil der Redaktion mit einem Brief an die Chefredaktion und die Geschäftsführung wandte und sich über den Umgang mit der Chefredakteurin Barbara Hans beschwerte. Worin könnten die Gründe für das Zerwürfnis liegen? “Hans ist die einzige mit Digital-Background im Trio, da drängt sich auf, das für einen Kulturkonflikt zu halten. Es gibt aber auch die Deutung, das Ganze sei ‘ein Frauen-Männer-Ding’: Für die Elternzeit hätten die Chefredaktionskollegen ebenso wenig Verständnis gehabt wie für Hans’ Vorstellungen von Führung.”

Bildblog unterstuetzen

4. Privilegierte Quelle? – Über das schwierige Verhältnis zwischen Polizei und Presse
(stefan-fries.com, Audio: 40:21 Minuten)
Ist die Polizei wirklich eine neutrale Instanz und die sogenannte privilegierte Quelle, der Reporter und Reporterinnen unbedingt vertrauen dürfen sollten? Über diese Frage und das schwierige Verhältnis zwischen Polizei und Presse hat Stefan Fries im Deutschlandfunk mit dem Investigativjournalisten Olaf Sundermeyer und dem DLF-Hörer Marcel Brakhane gesprochen. Hier direkt zum Gespräch.

5. Die Fake-News-Fahnder
(ndr.de, Video: 3:50 Minuten)
Alice Echtermann ist die kommissarische Leiterin des “Correctiv”-Faktenchecks, auf den auch Facebook zurückgreift. Der NDR hat sich angeschaut, wie Echtermann und ihr Team arbeiten. Der kurze Beitrag ist ein willkommener Anlass, an die Faktencheck-Kategorie von “Correctiv” zu erinnern und eine Leseempfehlung auszusprechen: Hier gibt es zahlreiche Richtigstellungen zu allerlei Online-Mythen, die einem über die verschiedensten Social-Media-Kanäle begegnen.

6. Das Lehrstück vom Klubhaus – Brecht und der Verfremdungseffekt sozialer Medien
(54books.de, Robert Heinze)
Robert Heinze ordnet die Audio-Chat-App Clubhouse medientheoretisch ein und nimmt dabei Bezug auf Bertolt Brechts Gedanken über den “Rundfunk als Kommunikationsapparat”: “Die Atemlosigkeit und unreflektierte Geschwätzigkeit einer App wie Clubhouse steht der aktiv teilnehmenden kritischen Reflexion, die Brechts episches Theater in der Zuschauer*in hervorbringen will, und die auch hinter seiner Vorstellung vom Radio als Kommunikationsapparat steht, jedenfalls diametral entgegen – mal ganz abgesehen vom kalkuliert elitären Rollout der App oder ihrer Datensaugerei.”

Blättern:  1 2