Archiv für Januar 10th, 2020

“Spiegel”-Gate(s), Namen nennen?, Die Asche des Großvaters

1. Name des Beschuldigten tausendfach bei Twitter
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Annika Schneider, Audio: 5:32 Minuten)
Vor Silvester soll ein betrunkener Kölner Lokalpolitiker nach einem kurzen Streit auf einen 20-Jährigen geschossen haben. In der Berichterstattung zum Fall hätten die meisten Medien darauf verzichtet, den Namen des Beschuldigten zu nennen. Auf Twitter habe dessen Name zeitweise jedoch auf Platz 1 der am häufigsten verwendeten Hashtags gestanden. Helmut Frangenberg vom “Kölner Stadtanzeiger” sagt im Gespräch mit Brigite Baetz, dass er eine Namensnennung aus journalistischer Sicht nicht für wichtig halte. Die rechtliche Bewertung könne sich bei neuen Erkenntnissen jedoch ändern. Und das hat sie offensichtlich prompt getan: Wie der Deutschlandfunk in einem Update hinzufügt, habe sich der “Kölner Stadtanzeiger” nun entschieden, den Namen des Verdächtigen doch zu nennen.

2. Spiegel-Gate(s)
(mmm.verdi.de, Oliver Neß)
Oliver Neß berichtet von einer möglichen Befangenheit des “Spiegel” in Sachen Atomkraftberichterstattung: Der Software-Milliardär und Nuklearinvestor Bill Gates habe den “Spiegel” mit einer millionenschweren Zuwendung bedacht. In zeitlichem Zusammenhang seien auffällig atompositive Berichte wie zuletzt der Titel “Atomkraft? Ja bitte” (Ausgabe 51/2019) erschienen.
Nachtrag, 13. Januar: Laut “Süddeutsche” halte der “Spiegel” die Vorwürfe für “absurd”: Magazin erklärt Details zur Kooperation.

3. “Ich bin sicherlich nicht der übliche Sportfan”
(sueddeutsche.de, Christopher Gerards)
Der ARD-Sportreporter Hajo Seppelt ist mit seinen investigativen Reportagen bekannt geworden. So deckte er beispielsweise das russsische Staatsdoping auf. Im Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” kritisiert Seppelt den organisierten Sport in seiner derzeitigen Ausprägung: “Der organisierte Sport ist aus meiner Sicht anachronistisch aufgestellt. Er wird teils aus öffentlichen Kassen subventioniert, pocht aber immer auf seine Autonomie und lässt sich ungern in die Karten schauen. Es sind mitunter feudale Strukturen. Man denke allein ans Internationale Olympische Komitee, wo ja nach wie vor ein großer Teil der Mitglieder ernannt wird wie damals am Hofe und man sich die Frage stellt: Ist das zeitgemäß, sind das demokratische Strukturen, wie wir sie heutzutage für selbstverständlich halten? Zudem hat sich gezeigt: Die oft zitierten Selbstreinigungskräfte des Sports — gerade in Sachen Doping und Korruption — sind eine Illusion.”

4. Die Asche meines Großvaters
(juedische-allgemeine.de, Eliyah Havemann)
Als der in Israel lebende Eliyah Havemann davon hört, dass das Zentrum für Politische Schönheit angeblich Asche von Holocaustopfern in einem Mahnmal vor dem Reichstagsgebäude ausstellt, ist seine erste Reaktion eine Mischung aus Ekel und tiefer Betroffenheit: “Mir war natürlich klar, dass rein mathematisch die Wahrscheinlichkeit dafür gegen null geht, aber sie war da: Darin könnte auch die Asche meines Großvaters Dagobert Biermann enthalten sein.” Havemann beschließt, dem Fall nachzugehen und nach Berlin zu reisen. Wieder in Israel fasst er seine Rechercheergebnisse und Gedanken zusammen: “Dieses ‘Kunstwerk’ ist offenbar nicht reparabel. Es hat die Schoa missbraucht, die Totenruhe verletzt, sein politisches Ziel verfehlt, und es ist künstlerisch wertlos. Es muss weg.”

5. Viktor Orban und die Auslandspresse
(ard-wien.de, Christian Limpert)
Christian Limpert ist seit dem 1. August 2019 Auslandskorrespondent im ARD-Studio Wien/Südosteuropa. Damit fällt auch der ungarische Regierungschef Viktor Orbán in seinen Zuständigkeitsbereich. Doch einen Termin bei Orbán zu bekommen, sei schwer bis unmöglich. Und auch bei offiziellen Presseterminen müssten die Fragen vorher eingereicht werden. Limpert berichtet, wie es auf einem derartigen Pressetermin zugeht und zu welchen Themen sich Ungarns Ministerpräsident zuletzt geäußert hat.

6. “Als Mitglied des Königshauses darf man sich nicht die Rosinen herauspicken”
(spiegel.de, Julia Smirnova)
Der “Spiegel” hat sich mit dem früheren BBC-“Royal Correspondent” Michael Cole über Prinz Harrys und Herzogin Meghans Rückzug von ihren royalen Pflichten unterhalten. Im Interview äußert Cole sein Unverständnis über diesen Schritt. Beim Lesen seiner Antworten könnte man gar den Eindruck bekommen, dass Cole der Ansicht sei, Medien und Öffentlichkeit hätten ein allumfassendes Anrecht auf das Paar — was den Entschluss von Meghan und Harry nochmal verständlicher macht.